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Hermann Atz/Günther Pallaver

Zeitenwende

Die Landtagswahlen 2023

Turning point

The 2023 provincial elections

Abstract The article is based on the thesis that the provincial elections on 22 October 2023 have broken previous patterns of (party) politics. This concerns the gradual decline of the South Tyrolean People’s Party (SVP) as a ethnic catch-all party, the increasing fragmentation of the party landscape in the German-speaking electoral arena, and the rise of protest and populist parties whichincludes anti-vaccination and highly personalised parties. For the first time, two inter-ethnic parties have entered in the provincial parliament alongside the Greens with the Vita list. What is not a new trend is that the Italian-speaking population is participating in the elections around 20 per cent less than average. As a result, Italians now only make up five of the 35 members of the provincial parliament. Overall, one can speak of a right-wing populist trend and of a thought-provoking election, especially as the two governing parties SVP and Lega suffered heavy losses. However, the widely shared assumption that the majority of the Italian population voted for right-wing parties is misguided. In reality their votes are split roughly equally between right-wing and centre-left parties.

1. Einleitung

Die Landtagswahlen 2023 und die darauffolgende Regierungsbildung können wohl als Zeitenwende in der Politik Südtirols angesehen werden. Der Begriff Zeitenwende wird jüngst in Zusammenhang mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine verwendet. Darin sind Elemente von Kontinuität enthalten, aber auch von tiefgreifenden Veränderungen, „die das Destruktive ins Zentrum“ nehmen, wie der Historiker ­Herfried Münkler schreibt (2022). Der Historiker Martin Sabrow meint, dass Zäsuren unser Leben strukturieren, während Zeitenwenden dieses in Frage stellen würden. Das gelte für die Corona-Pandemie wie für den Angriff Russlands auf die ­Ukraine oder den Überfall der Hamas auf Israel. „Zeitgewissheit [wird] in Zukunftsunsicherheit“ verwandelt (Sabrow 2023).

Der amerikanische Politologe Francis Fukuyama argumentiert hingegen, dass demokratische Werte und liberale Gesellschaften nicht erst seit der russischen Invasion der Ukraine bedroht werden. Dies habe bereits viel früher mit dem Aufstieg autoritärer Regime, dem Erstarken von Populismus und Nationalismus begonnen, die liberaldemokratische Systeme bereits seit Längerem vor große Herausforderungen stellen (vgl. Fukuyama 2022).

Unzufriedenheit, Vertrauensverlust, diffuse Ängste und eine zunehmende Entfremdung und Protesthaltung gegenüber der Politik und der politischen Klasse haben in den letzten Jahren auch in Südtirols Gesellschaft zugenommen. Diese Einstellungen, Wertorientierungen, politischen Haltungen und Verhaltensweisen sind in den vergangenen Jahren durch äußere und innere Entwicklungen beeinflusst worden und sind anlässlich der Landtagswahlen 2023 fast eruptiv zum Ausdruck gekommen. Wenn schon nicht als Zeitenwende, so können diese Wahlen in jedem Falle als starke Zäsur angesehen werden.

Davon ausgehend lautet die These dieses Beitrages, dass diese Landtagswahlen definitiv bisherige Schemata der (Partei-)Politik durchbrochen haben. Das betrifft das schleichende Ende der Südtiroler Volkspartei (SVP) als Sammelpartei, die zunehmende Fragmentierung der Parteienlandschaft in der deutschsprachigen Wahl­arena, die Zunahme von Protest- und populistischen sowie stark personalisierten Parteien.

2. Politische Rahmenbedingungen

2.1. Externe Einflussfaktoren

Während der XVI. Legislaturperiode des Südtiroler Landtages gab es eine Reihe von externen Ereignissen, welche die Landespolitik maßgeblich beeinflusst haben. In erster Linie ist die Corona-Pandemie zu nennen. Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2008 und der Flüchtlingskrise im Jahre 2015 schlitterte Südtirol 2020 unvorbereitet in die Corona-Krise, die Systemschwächen des Südtiroler Gesundheitswesens aufzeigte. Damit zum Teil verbunden war die Erosion des Vertrauens der Bevölkerung in die Politik. Als Folge davon kandidierten bei den Landtagswahlen 2023 die beiden impfkritischen Listen Vita und Jürgen Wirth-Anderlan (JWA) erfolgreich für den Landtag; die programmatisch ähnlich ausgerichtete Liste Enzian scheiterte allerdings. Eine ausführliche Analyse des Wahlerfolgs impfkritischer Listen liefert der Beitrag von Katharina Crepaz in diesem Band.

Den bewaffneten Konflikt in der Ukraine ab Februar 2022 hat auch Südtirol zu spüren bekommen, vor allem durch den Anstieg der Energiekosten und durch die Flüchtlinge, die aufgenommen wurden.

Südtirol erlebte in dieser Legislaturperiode vier gesamtstaatliche Regierungen: die Kabinette Conte I (2018 – 2019), Conte II (2019 – 2021), Draghi (2021 – 2022) und Meloni (ab 2022); somit eine Mitte-rechts-Regierung, eine Mitte-links-Regierung, eine Fachleute-Regierung und eine Rechts-Mitte-Regierung. Auch war Südtirols Politik in der zweiten Regierungsperiode von Landeshauptmann Arno Kompatscher mit zahlreichen Wahlen konfrontiert. Es wurden durchgeführt: EU-Wahlen (2019), Verfassungsreferendum zur Reduzierung der Parlamentarier/-innen (2020, angenommen), Gemeinderatswahlen (2020), Landesvolksbefragung zur direkten Demokratie (2022, Änderung des Landesgesetzes abgelehnt), Verfassungsreferendum zu Justizfragen (2022, abgelehnt), Parlamentswahlen (2022). Bei den letztgenannten Wahlen gewann Luigi Spagnolli, Kandidat des Partito Democratico (PD), der Grünen und des Team K im Senatswahlreis Bozen-Unterland überraschend gegen den SVP-­Kandidaten Manfred Mayr und den Lega-Kandidaten Maurizio Bosatra. Schon bei diesen Wahlen wollte die SVP im Gegensatz zu vielen vergangenen Wahlgängen kein Bündnis mehr mit dem PD eingehen. Auch 2020 sowie 2021 bei den wieder­holten Gemeinderatswahlen in Meran war die SVP ein Bündnis mit italienischen Bürgerlisten aus dem Mitte-rechts-Lager eingegangen, das den amtierenden links­liberalen Bürgermeister Paul Rösch zu Fall brachte. Es war ein Lehrbeispiel, dass die SVP längst nicht mehr das ethnische Kriterium an erste Stelle stellt, sondern das parteipolitische Interessenkalkül. Der „deutsche“ Bürgermeister Paul Rösch wurde durch den „italienischen“ Bürgermeister Dario Dal Medico ausgetauscht.

Den ersten Schritt zum politischen Lagerwechsel hatte die SVP bereits 2018 gesetzt, als sie sich nicht für Grüne und PD, sondern für die Lega Salvini als italienischen Koalitionspartner in der Landesregierung entschied (wenn man vom Spezialfall der Stadt Leifers absieht, wo die SVP bereits 2015 durch Verzicht auf eine Wahlempfehlung im zweiten Wahlgang die Kür des Rechtskandidaten Christian Bianchi ermöglichte, mit dem sie dann eine Koalition bildete). Der nächste Schritt in diese Richtung erfolgte bei den EU-Wahlen 2019: Die Volkspartei war bei allen vorhergehenden Wahlen zum EU-Parlament immer eine Koalition mit Parteien der Mitte oder mit Mitte-links-Parteien eingegangen, um den Wahlbonus für Minder­heitenparteien in Anspruch nehmen zu können. Erstmals 2019 schloss die SVP einen Pakt mit Forza Italia, die im Mitte-rechts-Lager steht (Pallaver 2020, 107). Es folgte die Wahl des Vertreters der Fratelli d’Italia (FdI), des 2022 ins Parlament gewählten Alessandro Urzì, zum Vorsitzenden der Sechser-Kommission (vgl. TGR 2023). Bei der Vertrauensabstimmung über die Rechts-Mitte-Regierung im Herbst 2022 enthielt sich die SVP der Stimme, nachdem die neue Ministerpräsidentin ­Giorgia Meloni in ihrer Regierungsrede erklärt hatte: „Für die Provinz Bozen werden wir jene Standards an Autonomie wiederherstellen, die 1992 zur Streitbeilegungserklärung geführt haben“ (Varesco 2022). Der bei den EU-Wahlen eingeschlagene Weg führte nach den Landtagswahlen 2023 letztlich zur Regierungsbildung der Volkspartei mit FdI, Lega, La Civica und den Freiheitlichen.

2.2. Interne Einflussfaktoren

Neben externen war die XVI. Legislaturperiode von zum Teil turbulenten internen Faktoren gekennzeichnet, die sich vor allem in der SVP und in ihrem Umfeld abspielten. Die Legislaturperiode begann mit dem Sturmtief Vaia, das im Herbst 2018 in den westlichen Dolomiten riesige Waldschäden verursachte. Eine Spätfolge davon ist die Borkenkäferplage. Im Zusammenhang mit der Klimakrise begann auch in Südtirol ein breit angelegter Protest der Fridays-for-Future-Bewegung für eine klima­freundliche Politik. Die Landesregierung startete eine neue Klimastrategie und erklärte, im Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen zu wollen. 2023 wurde der „Klimaplan Südtirol 2040“ beschlossen, ein Klimabürgerrat hat seine Arbeit im Jänner 2024 begonnen (vgl. Autonome Provinz Bozen – Südtirol 2023a).

In Jubelstimmung befand sich das Land und mit ihr die SVP als führende politische Kraft noch im Jahre 2022, als mit zahlreichen Veranstaltungen, Kongressen und Events die 50 Jahre des Zweiten Autonomiestatuts gefeiert wurden. Dann aber überwogen verschiedene Konflikte, allerdings nicht innerhalb der Koalition aus SVP und Lega. Fast hatte man den Eindruck, die Koalition gleiche einer societas leonina, einer Gesellschaft, bei der die SVP nur an den Gewinnen und die Lega nur an den Verlusten teilnimmt.

Die Covid-Pandemie mit den vielen persönlichen und gesellschaftlichen Restriktionen führte sehr bald zu politischen Kollateralschäden. Die drei SVP-Landtags­abgeordneten, davon ein Landesrat, nämlich Arnold Schuler, Gert Lanz, Helmut ­Tauber und Team-K-Chef Paul Köllensperger hatten um den 600 Euro Corona-­Bonus angesucht, der selbständig tätigen Personen als finanzielle Ausgleichsmaßnahme für zwei Monate Lockdown zustand. Einmal ans Licht gekommen, versuchten die Betroffenen sich mehr oder weniger glaubhaft gegen den Vorwurf der Gier zu rechtfertigen, aufgrund dessen Rücktrittsforderungen gestellt wurden. Schuler verlor in der Folge sein Amt als Landeshauptmann-Stellvertreter (vgl. Tagesschau 2020). Thomas Widmann, Landesrat für das Gesundheitswesen, war hingegen in den Ankauf von chinesischen Schutzmasken mittels eines bekannten Südtiroler Unter­nehmens verwickelt, ein eher undurchsichtiges Geschäft, das rechtlich und poli­tisch selbst nach den Landtagswahlen 2023 noch nicht aufgearbeitet und somit noch nicht abgeschlossen war (vgl. Franceschini/Oberhofer 2023). Dies alles hatte auf das interne politische Klima im Lande und in der SVP Auswirkungen. Seit Längerem gab es, etwas verkürzt ausgedrückt, zwischen dem eher fortschrittlichen und dem eher konservativen Flügel der Partei ständig Auseinandersetzungen. Zum Ausbruch des schwelenden Konflikts kam es mit der Veröffentlichung des Buchs von Christoph Franceschini und Artur Oberhofer „Freunde im Edelweiß“ (2022). Darin ist dargestellt, wie auf politische Verwaltungsvorgänge und Entscheidungen massiv einzuwirken versucht wurde, um die „Ausschreibung zur Vergabe der außerstädtischen Linienverkehrsdienste mit Autobussen“ im Sinne des SAD-Unternehmens zu beeinflussen (vgl. Hinterwaldner 2023a). Die Aufdeckung dieser als SAD-Skandal bezeichneten Vorgänge führte zur Entlassung von Thomas Widmann als Regierungsmitglied, weil dieser sich in einem abgehörten Telefongespräch extrem abschätzig über Landeshauptmann Kompatscher geäußert hatte, aber auch zum neuen, zuvor lange Zeit nicht vorhandenen Schulterschluss zwischen Landeshauptmann und Parteiobmann. Zeitgleich wurde der Landeshauptmann von der Opposition besonders massiv im Untersuchungsausschuss des Landtags zu den Wahlkampfspesen der SVP unter Druck gesetzt (vgl. Tagesschau 2023).

Die Nischen dieser Turbulenzen besetzten die Debatten rund um den österreichischen Doppelpass für Südtiroler/-innen oder die ständigen Auseinandersetzungen um die Wildtiere Wolf und Bär. Kurz vor den Wahlen häuften sich die Medien­berichte über Jugendbanden und Übergriffe, die mit Ausländer/-innen in Zusammenhang gebracht wurden. All diese Tagesgeschehen konnten den Anschein des politischen Stillstandes nicht beseitigen.

3. Wahlsystem

Der Zusammenhang zwischen Wahlsystem und Parteiensystem ist äußerst komplex und lässt sich nicht auf die einfache Formel reduzieren, dass Wahlsysteme bestimmte Wirkungen auf die Parteiensysteme haben. Einen Zugang zu dieser Thematik liefern vielfach Untersuchungen der Auswirkungen von Wahlsystemen auf die Zahl der Parteien, die Stärkeverhältnisse der Parteien, die ideologischen Entfernungsbeziehungen zwischen Parteien oder die Interaktionsformen, kurzum, im Mittelpunkt der Analysen steht die Kontextabhängigkeit der Auswirkungen von Wahlsystemen (Nohlen 2009, 450–465).

Wegen der drei in Südtirol zusammenlebenden, vom Autonomiestatut anerkannten Sprachgruppen sieht Südtirols Autonomiestatut, das der Logik der consociational democracy entspricht (vgl. Lijphart 1977), das Verhältniswahlsystem vor (Artikel 47 und 48). Aktiv wahlberechtigt sind italienische Staatsbürger/-innen ab dem 18. Lebensjahr, die am Tag der Veröffentlichung der Wahlausschreibungskund­machung seit vier Jahren ununterbrochen in einer Gemeinde der Autonomen Region Trentino-Südtirol ansässig sind, davon mehr als zwei Jahre in der Autonomen Provinz Bozen, und die Voraussetzungen für die Ausübung des aktiven Wahlrechts für die Wahl des Südtiroler Landtages erfüllen. Passiv wählbar sind alle Staatsbür­ger/-innen ab dem 18. Lebensjahr, die in den Wählerlisten einer Gemeinde der ­Region Trentino-Südtirol eingetragen sind und am Tag der Veröffentlichung der Wahlausschreibungskundmachung im Gebiet der Region ansässig sind. Wer in der Autonomen Provinz Bozen kandidiert, muss außerdem eine Sprachgruppenzuge­hörigkeitserklärung oder eine Zuordnungserklärung abgeben.

Artikel 16, Absatz 8 des Landesgesetzes zur Landtagswahl sieht vor, dass jede kandidierende Liste eine Anzahl von Personen enthalten muss, die nicht geringer als zwölf und nicht höher als 35 ist. Auf keiner Liste darf ein Geschlecht mehr als zwei Drittel der Kandidierenden stellen. Falls eine Liste einen Anteil an Kandidierenden desselben Geschlechts aufweist, der höher ist als vom Gesetz vorgesehen, werden die Kandidatinnen oder Kandidaten des überrepräsentierten Geschlechts von der Liste gestrichen, beginnend bei den Letztgereihten. Im Gegensatz dazu sieht das Wahlgesetz des Trentino die paritätische Geschlechtervertretung auf den Listen vor sowie die alternierende Vorzugsstimmabgabe. Die beiden im Trentino zur Verfügung stehenden Vorzugsstimmen müssen auf einen Mann und eine Frau fallen (Legge elettorale provinciale Nr. 2/2003).

Die Wähler/-innen verfügen über eine Listenstimme und können bis zu vier Vorzugsstimmen für Kandidatinnen und Kandidaten der angekreuzten Liste abgeben, indem sie deren Nachnamen und bei Verwechslungsgefahr auch den Vornamen angeben. Wahlberechtigte, die im Melderegister der im Ausland lebenden italienischen Staatsbürger/-innen (AIRE) eingetragen sind, geben ihre Stimme im Normalfall über die Briefwahl ab; sie erhalten die Stimmzettel automatisch per Post zugesandt. Die Möglichkeit der Briefwahl gibt es auch für Wähler/-innen, die nicht in ihrer Wohnsitzgemeinde wählen können, da sie sich vorübergehend außerhalb von Süd­tirol aufhalten, falls sie rechtzeitig einen entsprechenden Antrag stellen (vgl. Autonome Provinz Bozen – Südtirol 2023b).

Die Zuordnung der Sitze erfolgt auf der Basis des Wahlquotienten (Wahlzahl). Dieser wird dadurch ermittelt, dass die Gesamtzahl der von der Liste erhaltenen Stimmen durch die Zahl der Landtagsabgeordneten (35) plus zwei (somit 37) geteilt wird. Bruchteile des Wahlquotienten werden auf die nächsthöhere ganze Zahl gerundet. Jeder Liste werden so viele Sitze zugewiesen, als der Wahlquotient in der Stimmenzahl jeder Liste erhalten hat. Die verbleibenden Mandate werden gemäß der Reststimmen der kandidierenden Parteien in absteigender Reihenfolge vergeben. Innerhalb jeder Liste sind jene Kandidatinnen und Kandidaten gewählt, die die meisten Vorzugsstimmen erhalten haben, und zwar in absteigender Reihenfolge bis zur Anzahl der gewonnenen Sitze der jeweiligen Liste (Landesgesetz Nr. 141/2017 über die Wahl des Landtages, des Landeshauptmannes und über die Zusammensetzung und Wahl der Landesregierung).

Durch das Wahlgesetz ist im Sinne einer „garantierten Vertretung“ gewährleistet, dass zumindest ein Mitglied der ladinischen Sprachgruppe in den Landtag einzieht (Artikel 48). Die Garantie greift, wenn keine ladinische Kandidatin bzw. kein ladinischer Kandidat im normalen Zuteilungsverfahren der Mandate den Einzug in den Landtag geschafft hat.

4. Das politische Angebot

Bei den Landtagswahlen 2018 waren 14 Parteien angetreten, davon waren fünf deutsch-, sieben italienischsprachige Parteien und eine interethnische Partei. 2023 waren es 16 Parteien, jeweils sieben deutsche und sieben italienische sowie zwei inter­ethnische Parteien, die sich der Wahl stellten. Allein dieser Vergleich weist darauf hin, dass sich die Parteienlandschaft innerhalb der deutschsprachigen Wahl­arena erweitert hat. Nur 1993 zu Beginn der Zweiten Republik gab es ein Angebot von insgesamt 16 Parteien, sonst lag dieses ab 1978 im Durchschnitt zwischen 13 und 15 Parteien. Damals kandidierten aber nur vier deutschsprachige Parteien, wie überhaupt im Durchschnitt immer nur zwischen drei und fünf deutschsprachige Parteien angetreten waren. Von den 16 Parteien hatten zehn bereits im Jahre 2018 für den Landtag kandidiert.

Ein Trend, der bereits seit Jahren anhält, ist die Kandidatur von weit mehr regio­nalen als von gesamtstaatlichen Parteien. Es ist naheliegend, dass Minderheitenparteien regionale Parteien sind, aber mit La Civica und Centro Destra gab es auch unter den sieben italienischen zwei regionale Listen.

Tab. 1: Parteienangebot und Erfolgsquoten 1988–2023

Erfolgsquoten

Parteien im Landtag

Wahljahr

Kandidierende Parteien

Regionale Parteien

Gesamtstaatliche Parteien

dt

it

lad

int

Regionale Parteien

Gesamtstaatliche Parteien

dt

it

lad

int

1988

12

3

1

1

7

3

4

1

4

4

1993

16

4

2

1

1

7

3

5

1

1

6

4

1998

13

3

2

1

1

6

3

6

1

1

7

4

2003

13

3

4

1

1

4

3

5

1

6

3

2008

15

5

2

1

1

6

4

4

1

6

3

2013

14

4

2

1

7

4

4

1

6

3

2018

14

5

2

1

6

4

4

1

6

3

2023

16

7

2

2

5

6

4

2

8

4

Abkürzungen: dt = deutsch; it = italienisch; lad = ladinisch, int = interethnisch

Quelle: Eigene Berechnung auf Grund der amtlichen Wahlergebnisse aus dem Südtiroler Bürgernetz 2023; 2024

Südtirols Parteiensystem ist ethnisch getrennt. In der deutschen Wahlarena agieren deutschsprachige, ethnoregionale Parteien, in der italienischen sind es italienischsprachige, wobei die ethnischen Wahlarenen durch eine äußerst geringe elektorale Durchlässigkeit gekennzeichnet sind.

Über die Definition einer ethnoregionalen Partei gibt es keine einhellige Meinung (Pallaver 2018, 46). Vielfach werden sie als ethnic entrepreneurs bezeichnet (vgl. Türsan 1998), deren primäre Charakteristik im Versuch besteht, ethnisch-territoriale und/oder regional konzentrierte Gruppen zu vertreten, die von sich behaupten, eine spezifische soziale Kategorie mit einer jedenfalls spezifischen und einzigartigen Identität zu sein. Territorium, Selbstverwaltung und Identität bilden die drei zentralen Dimensionen ethnischer Parteien (Scantamburlo 2016, 3; Tronconi 2009, 27).

Interethnische Parteien verstehen sich hingegen als Parteien, die von der grundsätzlichen positiven Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ethnien im Sinne einer Kooperation unter Individuen aller Sprachgruppen ausgehen. Diese werden als Parteien wahrgenommen, die alle Sprachgruppen miteinbeziehen, somit von der Inklusion der „Anderen“ ausgehen. Ihre interne und externe Kommunikation erfolgt in allen Landessprachen, ihre Organisation ist nicht nach Sprachgruppen getrennt, ihre Mitglieder, Wähler/-innen kommen aus allen ethnischen Gruppen und ihr Gesellschaftsmodell ist nicht die Separation der ethnischen Gruppen, sondern deren Integration (Pallaver 2018, 50 – 57).

Unter den soeben aufgelisteten Aspekten fallen seit Anbeginn die Grünen Verdi Vërc unter die Kategorie einer interethnischen Partei. Auch wenn andere Parteien immer wieder den Anspruch erheben, ebenfalls eine interethnische Partei zu sein, haben diese bislang die erforderlichen Kriterien nicht erfüllt.

Bei den Landtagswahlen 2023 ist diese Undurchlässigkeit etwas aufgeweicht worden, wie wir später noch darlegen werden. Als interethnische Partei kann jedenfalls neben den Grünen die Bewegung Vita bezeichnet werden, die allem Anschein nach in beiden Wahlarenen – relativ gesehen – ähnlich erfolgreich war (vgl. Atz 2023). Das lässt sich auch daran ersehen, dass sie im städtischen Bereich sogar etwas besser abgeschnitten hat wie in ländlichen Gemeinden. Auch die Kommunikation erfolgt bei Vita zweisprachig.

Südtirols Parteien hatten im Laufe der Legislaturperiode zahlreiche Abspaltungen zu verzeichnen, sodass die ursprünglich neun im Landtag vertretenen Parteien am Ende auf 13 anwuchsen.

In der SVP gab es über die gesamten fünf Jahre immer wieder Konflikte und interne Auseinandersetzungen. Jasmin Ladurner musste 2022 als Abgeordnete zurücktreten, weil sie unkorrekte Spesenabrechnungen vorgelegt hatte. Weit turbulenter und schwerwiegender war der Austritt von Thomas Widmann. Im SAD-Skandal verwickelt, hatte ihm Landeshauptmann Arno Kompatscher das Regierungsmandat entzogen. Widmanns Versuch, autonom mit dem „Kleinen Edelweiß“ der SVP zu kandidieren, schlug fehl, sodass er im Juli vor den Wahlen aus der SVP austrat und mit seiner Liste Für Südtirol mit Widmann antrat.

Das Team K verlor schon bald zwei von sechs Abgeordneten. Josef Unterholzner trat wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Parteiführung im August 2020 aus und gründete die eigene Fraktion Enzian. Peter Faistnauer wurde wegen Bauver­gehen, die ihm vorgeworfen wurden, 2021 aus der Partei ausgeschlossen. Mit seiner Liste Perspektiven für Südtirol blieb er bis zum Ende der Legislatur im Landtag, kandidierte aber im Herbst 2023 nicht mehr.

Carlo Vettori war auf der Liste der Lega in den Landtag gewählt worden, trat aber nicht einmal zwei Monate später wegen Divergenzen mit der Gesamtpartei aus der Fraktion aus und gründete die Fraktion Alto Adige Autonomia. Ab Mai 2021 saß er als Vertreter von Forza Italia im Landtag und unterstützte die Landesregierung von außen. Zwar nicht Mitglied des Landtages, aber immerhin in der XVIII. Legislaturperiode für die Lega Abgeordneter in Rom (2018 – 2022), verließ Filippo Maturi im Februar 2023 seine Partei, der er Zerstrittenheit vorwarf. Ihm wurde s­päter vorgeworfen, sich unrechtmäßig Freifahrscheine für Zugfahrten zugelegt zu haben, als er bereits nicht mehr Abgeordneter war. Maturi kandidierte im Oktober 2023 erfolglos mit der neu gegründeten Liste Centro Destra.

Die Lega kandidierte bei der Landtagswahl gemeinsam mit der Liste Uniti per l’Alto Adige, der Leiferer Bürgerliste Uniti per Laives des Bürgermeisters Christian Bianchi, der auch Spitzenkandidat des „Carroccio“ wurde.

Alessandro Urzì von L`Alto Adige nel Cuore Fratelli d’Italia Uniti, seit 1998 im Landtag, wurde bei den Parlamentswahlen im September 2022 in die Abgeordnetenkammer gewählt und von Marco Galateo als Nachrücker ersetzt.

Von all den neuen Listen, die aus Abspaltungen hervorgegangen waren, schaffte lediglich die Liste Für Südtirol mit Widmann den Einzug in den Landtag. Ebenfalls neu in den Landtag zog die italienische Bürgerliste La Civica ein. Die Idee einer italienischen Bürgerliste, die das politische Zentrum besetzen sollte, war bereits länger im Gespräch. Die Liste La Civica per Bolzano Oltre-Weiter sowie die Bürgerliste Uniti per Laives zeigten wenig Neigung, dieser Initiative beizutreten. Deshalb schlossen sich La Civica – Io sto con Bolzano/Für Bozen des Bozner Stadtrates ­Angelo Gennaccaro und die beiden Meraner Listen La Civica per Merano und Allean­za per Merano zusammen und kandidierten erfolgreich für den Landtag. Die Liste Uniti per Laives bildete später ein Wahlbündnis mit der Lega.

Zwei Listen waren aus dem Protest gegen die Maßnahmen während der Corona-Pandemie hervorgegangen, JWA – Wirth Anderlan und Vita. Die Liste Enzian versuchte in diesem Stimmenteich ebenfalls zu fischen. Diese Bewegungen können auch als stark personalisierte Listen angesehen werden, die sich durch ihre Spitzenkandidatinnen und -kandidaten definieren. Bei der Liste JWA ist die Abkürzung des vollen Namens das Listenzeichen: Jürgen Wirth Anderlan. Die Liste mit dem ehemaligen Landeskommandanten der Schützen JWA unterschied sich von der Liste Vita, welche die Grundrechte und ihre angebliche Verletzung in der Corona-Zeit in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt, durch ihren zusätzlichen Fokus auf rechtspopulistischen und patriotischen Themen. Neben diesen beiden Bewerbern waren weiters die Liste Enzian, Centro Destra, Widmann und La Civica stark personalisierte Listen. Die quasi Ein-Personen-Listen haben dank des Südtiroler Wahlsystems gute Chancen, in den Landtag gewählt zu werden, zumal es keine Sperrklauseln gibt und auch kein Grundmandat erobert werden muss.

Am 22. Oktober traten 488 Kandidatinnen und Kandidaten für ein Mandat im 35-köpfigen Landtag an, das sind je 14 Bewerber/-innen um ein Mandat. Von den 16 Parteien haben 2023 neun Parteien die volle Listenkapazität ausgeschöpft. Die erstmals antretenden Listen JWA – Wirth Anderlan und La Civica traten mit 35 Kandidatinnen und Kandidaten an, andere neue wie Enzian, Für Südtirol mit Widmann und Vita blieben unter der möglichen Höchstzahl, genauso wie die bereits im Landtag vertretenen Listen Die Freiheitlichen, Forza Italia und Movimento 5 Stelle. Mit nur 16 Kandidatinnen und Kandidaten schöpfte die Liste Vita nicht einmal die Hälfte des Potentials aus.

Viele Listen sind bestrebt, Kandidatinnen und Kandidaten aus allen Sprachgruppen aufzustellen, um in allen Wahlarenen das Stimmenpotential auszuschöpfen. Drei Listen, nämlich Süd-Tiroler Freiheit (STF), Die Freiheitlichen und JWA, traten jedoch mit nur deutschsprachigen Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl an. Dazu kommt noch die Südtiroler Volkspartei, die Italienischsprachige aus Prinzip von ihrer Liste ausschließt. Vier von 16 Listen (Team K, Grüne Verdi Vërc, Lega, Für Südtirol mit Widmann) hatten Kandidatinnen und Kandidaten aus allen drei Sprachgruppen auf ihren Listen. Unter den italienischen Listen weisen der PD und La Civica den geringsten Anteil an deutschsprachigen Kandidatinnen und Kandidaten auf (11 Prozent). Am stärksten ethnisch ausgeglichen präsentierten sich die beiden interethnischen Listen Grüne Verdi Vërc (63 Prozent deutschsprachige, 31 Prozent italienischsprachige und 6 Prozent ladinischsprachige Südtiroler/-innen) und Vita (56 Prozent deutsch-, 44 Prozent italienischsprachige Kandidatinnen und Kandidaten).

Seit 2003 ist keine ladinische Liste mehr im Landtag vertreten. Gerade deshalb setzen die Parteien verstärkt ladinische Kandidatinnen und Kandidaten auf ihre Listen, um auch in der, wenn auch kleinen, ladinischen Wahlarena erfolgreich zu sein (vgl. Hinterwaldner, 2023b). Von 16 Parteien holten sich allerdings nur fünf Listen ladinische Kandidatinnen und Kandidaten auf ihre Liste.

Bei der letzten amtlichen Volkszählung 2011 hatten sich 69,4 Prozent zur deutschen, 26,1 Prozent zur italienischen und 4,5 Prozent zur ladinischen Sprachgruppe bekannt. Diese proportionale Aufteilung spiegelte sich bei den Listen nicht wider. Insgesamt hatten sich 52 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten zur deutschen Sprachgruppe bekannt, 47 Prozent zur italienischen und zwei Prozent zur ladinischen.

Unter den 488 Kandidatinnen und Kandidaten befanden sich 15 mit einem Migrationshintergrund. Sie stammen aus Peru, Marokko, Algerien, Libanon, Tschechien, Polen, Rumänien, Albanien, Mazedonien, Pakistan, Senegal und Indien. Fünf davon haben bereits als Gemeinderätinnen und -räte politische Erfahrungen gemacht. Fünf kandidierten für den PD, drei für La Civica, jeweils zwei für die Lega und Fratelli d’Italia, jeweils einen Listenplatz belegten sie bei der Liste Enzian, dem Movimento 5 Stelle und bei den Grünen Verdi Vërc (vgl. Baldessarini 2023).

Das Durchschnittsalter betrug 50 Jahre. Die Liste mit dem höchsten Altersdurchschnitt war Vita mit 55 Jahren, das niedrigste Durchschnittsalter wiesen die Süd-Tiroler Freiheit und die Liste JWA mit 46 Jahren auf, gefolgt von den Grünen mit 48 Jahren. Alle anderen Listen lagen über 50 Jahren.

Das Geschlechterverhältnis war bei 198 Kandidatinnen (40,6 Prozent) und 290 Kandidaten (59,4 Prozent) etwas unausgeglichen. Den höchsten Frauenanteil wies Forza Italia mit 50 Prozent auf, gefolgt von den Grünen mit 49 Prozent. Die Freiheit­lichen kamen lediglich auf 32 Prozent, knapp hinter La Civica und SVP mit 34 Prozent, gefolgt von der Süd-Tiroler Freiheit mit 36 Prozent (vgl. van Gerven 2023).

Unter den Berufen lagen die Lehrpersonen an erster Stelle (42 Nennungen), gefolgt von Unternehmerinnen und Unternehmern (39) und Rentnerinnen und Rentnern (34). Von den 35 Landtagsabgeordneten der vorigen Amtsperiode stellten sich 32 wieder zur Wahl, 20 schafften den Wiedereinzug.

5. Der Wahlkampf

Der seit Jahrzehnten fortschreitende Trend der Mediatisierung und Medialisierung der Politik und der Politikvermittlung ist längst auch in Südtirol Realität. Dabei werden aber auch noch traditionelle Formen der Face-to-Face-Kommunikation bei­behalten, die eine Art Pendant zu den sozialen Medien bilden. Die eigentliche Wahlkampagne begann allerdings nur schleppend und kam erst im letzten Monat während des Intensivwahlkampfs auf Touren.

Inhaltlich lassen sich mehrere Trends unterscheiden. Auffällig war die Tendenz zur Dethematisierung. Die policy issues wurden eher in den Hintergrund gedrängt, auch wenn Politikfelder wie das Gesundheitswesen, die Umwelt, der Verkehr, niedrige Löhne, leistbares Wohnen oder der Fachkräftemangel immer wieder zur Debatte standen. Weit prominenter standen die campaign issues im Mittelpunkt der Debatten. Hier ging es unter anderem um Meinungsumfragen, die von der Tageszeitung “Dolomiten“ und der “Südtiroler Wirtschaftszeitung“ in Auftrag gegeben worden waren und deren Momentaufnahmen der Parteipräferenzen für Spekulationen sorgten. Dazu gab es Debatten rund um die Bildung neuer Listen oder die Kandidaturen. Die Erwartungen des politischen Publikums wurden von einigen Parteien und politischen Akteurinnen und Akteuren geschickt aufgebaut. Das galt beispielsweise für die Hinauszögerung, mit der Landeshauptmann Kompatscher seine Wiederkandidatur bekannt gab. Das galt für das Tauziehen mit der SVP um die Bildung der Liste Widmann, das viel Platz in der öffentlichen Debatte und der medialen Berichterstattung einnahm (besonders in der Tageszeitung “Dolomiten“ zugunsten Widmanns). Das galt für das Rätsel um Impfgegner-Listen und schließlich um die Präsentation der Listen La Civica, JWA oder Vita, die ihren Eintritt in die politische Arena professionell inszenierten.

Die personal issues bestätigten den Trend der zunehmenden Personalisierung der Politik. Zur Wahl stellten sich personal parties wie etwa JWA, Vita, die Liste Widmann oder La Civica, aber auch die SVP mit dem Spitzenkandidaten Arno Kompatscher, Paul Köllensperger für das Team K oder Sven Knoll für die Süd-Tiroler Freiheit bestätigten, dass die Inhalte der Politik ganz stark mit der Persönlichkeit der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten verwoben werden sollten. Die einzelnen politischen Akteurinnen und Akteure, ihr Charakter, ihre Qualitäten und Eigenschaften wurden thematisch aufgegriffen oder über neue Spitzenkandidatinnen und -kandidaten diskutiert. Das betraf etwa Sabine Zoderer, die erst im Februar des Wahljahres zur neuen Obfrau der Freiheitlichen gewählt worden war, oder den Bürgermeister von Leifers, Christian Bianchi, der völlig überraschend als Exponent seiner Bürgerliste für die Lega als Spitzenkandidat antrat und die beiden Landesräte der Lega gleich wie die Landtagspräsidentin der Lega in die zweite Reihe verdrängte. Für Diskussionsstoff sorgte auch die Kandidatur des ehemaligen Primars für Neonatologie Hubert Messner, der als Unabhängiger auf der SVP-Liste kandidierte.

Unter political issues fallen ideologische Fragen, Koalitionsoptionen, Allianzen oder die Debatten unter den Parteien. Im Wahlkampf wurde beispielsweise die ­Frage diskutiert, ob die SVP eher eine Koalition mit Mitte-rechts bis Rechts-Mitte mit Fratelli d’Italia und Lega bevorzuge oder eher mit den ökosozialen Kräften regieren wolle. Die Oppositionsparteien warfen der SVP politisches Versagen vor, die SVP wiederum warnte vor der Unregierbarkeit des Landes. Die Süd-Tiroler Freiheit startete in den letzten Wochen des Wahlkampfs eine Anti-Ausländer-Kampagne und stahl damit den Freiheitlichen eines ihrer Kernthemen.

Aber nicht nur über Allianzen zur Bildung der neuen Landesregierung wurde spekuliert, sondern auch über die neuen Allianzen zwischen Südtiroler und österreichischen Parteien. Die Freiheitlichen Österreichs unterstützten nicht mehr die Freiheitlichen Südtirols, sondern JWA, der sich bei den Anti-Vax-Kundgebungen der FPÖ in Österreich angedient hatte. Die FPÖ Tirols unterstützte wiederum die Süd-Tiroler Freiheit, nachdem die aus Kurtatsch stammende Nichte von Eva Klotz, Mitbegründerin der Süd-Tiroler Freiheit, seit 2022 für die FPÖ im Tiroler Landtag sitzt.

Der investigative Journalismus brachte besonders für die SVP und für die Liste Widmann einige unliebsame Themen in die mediale Öffentlichkeit. Die beiden Journalisten Christoph Franceschini und Artur Oberhofer veröffentlichten kurz vor der Wahl das Buch „Das Geschäft mit der Angst“ (2023), in dem der sogenannte Masken-Skandal während der Corona-Pandemie aufgearbeitet wurde, in welchen vor allem der ehemalige Gesundheitslandesrat Widmann verwickelt war. Dieser politische „Wirtschaftskrimi“ schlug allerdings weit weniger ein als das ebenfalls von den beiden Autoren veröffentlichte Buch „Freunde im Edelweiß“ (2022). Eine ausführliche Analyse des Wahlkampfs liefert der Beitrag von Sophia Schönthaler und Giorgia Zogu in diesem Band.

6. Wahlumfragen im Vorfeld

Mehr denn je wurden in der Zeit vor den Landtagswahlen Umfragen über die Stimmung im Wahlvolk durchgeführt und veröffentlicht. Die Ergebnisse bezüglich der Sonntagsfrage sind in einem Wikipedia-Artikel zusammengefasst und werden in nachstehender Tabelle wiedergegeben.1

Einige Tendenzen gehen aus der Zeitreihe dieser Umfragen recht gut hervor. So lag die SVP bis März 2023 in Anbetracht der innerparteilichen Turbulenzen erstaunlich gut um die 40 Prozent, verlor dann aber im Laufe des Wahlkampfs zunehmend an Zustimmung. Ähnliches gilt für die Grünen Verdi Vërc, die bis Anfang 2023 bei rund 14 Prozent lagen. Die Lega, zusammen mit Team K die überraschende Wahlsiegerin des Jahres 2018, schwächelte von Anfang an, sank aber weiter ab, je mehr sich der Wahltag näherte. Aufsteigende Tendenz zeigten Fratelli d’Italia sowie Team K, das allerdings im Jahr 2021 nur mehr die Hälfte jenes Zustimmungswerts erreichte, den es bei den Wahlen 2018 erzielt hatte. Die anderen kleineren Parteien, die es schon 2018 gegeben hatte, kamen auf relativ stabile Werte. Den neuen, mit großer medialer Aufmerksamkeit bedachten Listen von Thomas Widmann (SMW), Jürgen Wirth Anderlan (JWA) und Renate Holzeisen (Vita) wurden Achtungserfolge und der Einzug in den Landtag prognostiziert.

Im Wesentlichen erfüllten sich diese Vorhersagen am Wahltag, mit einer bemerkenswerten Ausnahme: die Süd-Tiroler Freiheit. Dass diese ihre Stimmen und Mandate verdoppeln würde, war aus keiner der Umfragen hervorgegangen. Auch JWA schnitt besser ab als prognostiziert, Für Südtirol mit Widmann blieb dagegen unter den Erwartungen. Für dieses teilweise „Versagen“ der Umfragen gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten. Die erste Deutungsmöglichkeit besagt, dass es in den letzten Wochen und Tagen vor der Wahl, angeheizt durch medial aufgebauschte Gewalt­akte, u. a. von „Jugendbanden“, zu einer markanten thematischen Verschiebung des Wahlkampfs gekommen ist, welche Sicherheit und Ausländer/-innen plötzlich in den Mittelpunkt rückte, während die bisherigen Hauptthemen (Klima, Gesundheitsversorgung, Kostensteigerungen, Wohnen, aber auch Regierbarkeit) in den Hintergrund traten. Dieser Umschwung hat offenbar den beiden Überraschungssiegern STF und JWA in die Hände gespielt, die genau auf diese Themen gesetzt hatten. Die zweite Deutungsmöglichkeit ist technischer bzw. soziologischer Natur: Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind mit den heute verwendeten Umfragetechniken kaum erreichbar – einerseits weil sie weder in Telefonverzeichnissen, noch in Online-Panels vertreten sind, andererseits weil sie „dem System“ misstrauen und sich daher an Umfragen grundsätzlich nicht beteiligen. Letzteres hätte allerdings auch im Fall von Vita zu einer fehlerhaften Einschätzung führen können oder sogar müssen. Wie so oft dürften beide Deutungen ein Stück der Wahrheit enthalten und es sich um einen kombinierten Effekt handeln. Vor allem darf nicht vergessen werden, dass sich immer mehr Wahlberechtigte erst in den letzten Tagen entscheiden, ob sie an den Wahlen überhaupt teilnehmen und wem sie ihre Stimme geben.2 Diese „Bauchentscheidungen“ sind vermutlich nicht nur für den Erfolg von Süd-Tiroler Freiheit und Liste Wirth Anderlan verantwortlich, sondern auch dafür, dass die SVP einen Totalabsturz vermeiden konnte oder dass Fratelli d’Italia nicht so gut abgeschnitten haben, wie es von den meisten Beobachterinnen und Beobachtern und den Parteiexponenten selbst erwartet worden war.

Dass die Parteien der Regierungskoalition Einbußen erleiden würden, kündigte sich in einer beständig sinkenden Zufriedenheit mit der Arbeit der Südtiroler Landesregierung an. Äußerten sich in den Umfragen des Jahres 2021 noch über 60 Prozent der Befragten sehr oder eher zufrieden, so sank dieser Anteil bis kurz vor den Wahlen auf 45 Prozent. Erstmals überwog damit die Zahl der Unzufriedenen, wobei diese viel häufiger angaben, für Oppositionsparteien votieren zu wollen.3

Tab. 4: Wahlumfragen im Vorfeld der Landtagswahlen 2023 – Zufriedenheit mit der Arbeit der Landesregierung (in Prozent)

Aug.–Sep. 2023

Feb.–März 2023

Juli–Aug. 2022

Nov.–Dez. 2021

Juni 2021

sehr zufrieden

6

7

5

10

9

eher zufrieden

39

48

48

51

55

weniger zufrieden

41

34

35

28

25

gar nicht zufrieden

12

7

10

10

8

(keine Angabe)

3

4

2

2

2

Differenz zufrieden-
unzufrieden

– 8

14

8

23

31

Quelle: apollis, eigene Daten „Politbarometer“ (zum Großteil publiziert in der „Südtiroler Wirtschaftszeitung“)

Interessant ist hier ein Vergleich mit der Bewertung der Arbeit von Landeshauptmann Arno Kompatscher. Mit dieser zeigten sich in den Umfragen zwischen Juni 2021 und März 2023 immer an die 70 Prozent der Befragten zufrieden; der Landeshauptmann schnitt also um einiges besser ab, als die von ihm geführte Regierung. Zwar sank auch seine Bewertung im Lauf dieser Beobachtungszeit auf zuletzt 62 Prozent Zufriedene gegenüber 35 Prozent Unzufriedene, doch der Bonus gegenüber der Landesregierung insgesamt – gemessen als Differenz des Anteils von Zufriedenen – nahm stetig zu: von 6 auf 17 Prozentpunkte. Anders gesagt: Der Regierungschef wurde kaum für die als mangelhaft empfundene Leistung anderer Regierungsmitglieder bzw. der gesamten Regierung verantwortlich gemacht.

Die Diskrepanz in der Wertschätzung bestätigt sich, wenn man die „Noten“, die der Landeshauptmann bekam, mit jenen der anderen Landesrätinnen und -räte vergleicht. Hier fällt zunächst auf, dass die beiden von der Lega gestellten Landesräte von mehr als der Hälfte der Befragten keine Bewertung erhielten; das heißt, die Befragten kannten sie überhaupt nicht oder hatten kein Bild von ihren Aufgaben und Leistungen. Nach dem Landeshauptmann waren die bekanntesten Amtsinhaber ­Philipp Achammer, Arnold Schuler und Waltraud Deeg – maximal ein Viertel gab kein Urteil ab. Die beiden anderen Vertreter/-innen der SVP, Daniel Alfreider und Maria Hochgruber Kuenzer, wurden dagegen von ca. einem Drittel nicht bewertet. Alfreider, Schuler und Deeg wurden vergleichsweise gute Noten für ihre Arbeit ausgestellt, Achammer ist der einzige, bei dem die Zahl der Unzufriedenen höher lag als jene der Zufriedenen. Diese Rangfolge bestätigt sich übrigens im Wesentlichen in den Sympathiewerten, die ebenfalls bei verschiedenen Wellen des Politbaro­meters abgefragt worden sind.

Tab. 5: Wahlumfragen im Vorfeld der Landtagswahlen 2023 – Zufriedenheit mit der Arbeit der Landesrätinnen und -räte (in Prozent)

Kompatscher

Achammer

Alfreider

Bessone

Deeg

Hochgruber Kuenzer­

Schuler

Vettorato

sehr zufrieden

21

6

6

1

7

6

7

3

eher zufrieden

47

33

34

24

35

28

36

22

weniger zufrieden

21

29

22

18

24

21

24

17

gar nicht zufrieden

7

14

6

6

10

9

9

5

(keine Angabe)

3

17

32

51

25

36

23

53

Differenz zufrieden-
unzufrieden

40

– 4

12

1

8

4

10

3

Quelle: apollis, eigene Daten „Politbarometer“ – Welle 4: März 2023 (publiziert in der „Südtiroler Wirtschaftszeitung“)

Die verschiedenen Wahlumfragen deuteten somit klar darauf hin, dass es zu einem Vertrauensverlust für die beiden Regierungsparteien kommen würde. Offen war, wie stark die große Wertschätzung für Landeshauptmann Arno Kompatscher den ­offenbar unvermeidlichen Rückgang der SVP abfedern können würde. Zudem war ­unklar, wer am meisten von der schlechten Stimmung im Wahlvolk profitieren würde.

7. Das Wahlergebnis

7.1 Wahlbeteiligung

Während generell mit einem Rückgang der Wahlbeteiligung zu rechnen war, ist dieser im Konkreten doch in unerwarteter Weise erfolgt: In den meisten ländlichen Gemeinden haben fast gleich viele Wahlberechtigte den Weg zu den Urnen gefunden wie vor fünf Jahren, in den größeren Städten und in anderen Gemeinden mit hohem italienischsprachigem Bevölkerungsanteil ist die Teilnahme dagegen stark eingebrochen. Den größten Rückgang gab es dabei in Leifers mit 10 Prozentpunkten, es folgen Neumarkt, Branzoll, Franzensfeste, Bozen und Pfatten, wo die Beteiligung um jeweils 5 – 6 Prozentpunkte gesunken ist. In den Stadtgemeinden Meran, Leifers und Bozen haben unter 60 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Über den gesamten Zeitraum von 20 Jahren hat sich die Schere in der Wahlbeteiligung zwischen Landgemeinden und größeren Städten von 10 Prozentpunkten auf fast 20 Prozentpunkte geöffnet.

Es bedarf keiner ausgefeilten statistischen Analyse, um zu erkennen, dass es vor allem die Angehörigen der italienischen Sprachgruppe waren, die sich diesmal noch weniger an den Wahlen beteiligt haben als bei früheren Wahlgängen auf Landes­ebene. Der 2018 etwas geschrumpfte Unterschied in der Wahlbeteiligung zwischen den Sprachgruppen ist damit erneut auf rund 20 Prozentpunkte angewachsen: Während immer noch fast drei Viertel aller deutsch- und ladinischsprachigen Wahl­berechtigten an den Landtagswahlen 2023 teilgenommen haben, liegt der entsprechende Anteil bei den italienischsprachigen nur mehr bei etwas über der Hälfte. Zu den Gründen für diesen Rückzug gibt es keine harten Daten, es liegt jedoch nahe zu vermuten, dass viele Angehörige der italienischen Sprachgruppe das Gefühl haben, die Landespolitik betreffe sie wenig und ihre Vertreter/-innen in der Landesregierung hätten ohnehin kaum Einfluss.

Diese erneut gesunkene Wahlbeteiligung der italienischsprachigen Wählerschaft hatte zur Folge, dass nur fünf italienischsprachige Abgeordnete den Sprung in den Landtag schafften. Da drei von ihnen auf italienische Rechtsparteien entfallen und nur einer auf die Demokratische Partei als einzige verbliebene Linkspartei, wurde das allgemein als Rechtsrutsch der italienischen Wählerschaft gedeutet. Dass das nur bedingt stimmt, zeigt die Analyse im Abschnitt Wahlarenen.

7.2 Ergebnisse nach Listen

Als die Wahlen am 22. Oktober 2023 geschlagen waren, hat es zum Teil erwartete Ergebnisse, zum Teil ziemliche Überraschungen gegeben. Die vermutlich größte war das starke Abschneiden der deutschsprachigen „patriotischen“ und impfkritischen Parteien JWA – Wirth Anderlan und Süd-Tiroler Freiheit. Ebenso hat kaum jemand damit gerechnet, dass nur fünf italienischsprachige Abgeordnete den Sprung in den Landtag schaffen würden. Die beiden Regierungsparteien SVP und Lega wurden kräftig abgestraft, der Wahlerfolg von Fratelli d’Italia, von Grünen Verdi Vërc und der Liste Für Südtirol mit Widmann fiel geringer aus als allgemein erwartet.

Die größten Verluste gegenüber 2018 musste die Lega hinnehmen: Sie verlor fast 23.000 Stimmen oder fast drei Viertel ihrer damaligen Wählerschaft. Das ist mehr als der nationale Abwärtstrend der Lega hätte erwarten lassen und umso bemerkenswerter, als die Partei diesmal von einigen italienischen Bürgerlisten unterstützt wurde, allen voran von jener des bisherigen Bürgermeisters von Leifers, Christian ­Bianchi. Letzterer errang auch das einzige verbliebene Mandat der Liste, während alle bis­herigen Mandatare scheiterten.

Auch Forza Italia, repräsentiert durch den 2018 auf der Legaliste gewählten Abgeordne­ten Carlo Vettori, büßte Stimmen ein und verfehlte das angestrebte Restmandat ebenso deutlich wie die weitere Lega-Abspaltung Centro Destra des ehemaligen Kammerabgeordneten Filippo Maturi. Fratelli d’Italia, die Partei der regierenden Ministerpräsidentin, die sich auf nationaler Ebene großer Gunst erfreute, legte dagegen um knapp 12.000 Stimmen zu, konnte also nur rund die Hälfte jener Wähler/-innen überzeugen, die sich von der Lega abgewandt haben. Berücksichtigt man für 2018 noch die Stimmen für CasaPound, so hat das italienische Rechtslager gut 13.000 Stimmen oder 4,5 Prozentpunkte verloren. Deutlich geringere Verluste erlitten die italienischen Mitte-links-Parteien PD, Movimento 5 Stelle und La Civica zusammen, nämlich etwas unter 4.000 oder 1,2 Prozentpunkte, wenn man 2018 auch die PD-Abspaltung Noi per l’Alto Adige und Vereinte Linke Sinistra Unita diesem Lager zurechnet. Allerdings konnte die Bürgerliste La Civica mit ihrem Spitzenkandidaten Angelo Gennacaro mit 7.000 Stimmen einen unerwarteten Erfolg verbuchen, während die 5-Sterne-Bewegung fast 5.000 Stimmen oder zwei Drittel ihrer Wählerschaft verlor und der PD um gut 1.000 schrumpfte, obwohl Noi per l’Alto Adige nicht mehr kandidierte.

Die beschriebenen Verschiebungen hatten zur Folge, dass die italienischsprachigen Parteien insgesamt deutlich geschwächt aus den Wahlen hervorgingen, was sich auch in der Zahl der errungenen Mandate niederschlägt: Waren es 2018 ohne den Grünen Riccardo dello Sbarba sieben italienischsprachige Abgeordnete gewesen, nämlich vier für die Lega, je einer für Fratelli, d’Italia, PD und Movimento 5 Stelle, so sank diese Zahl auf fünf: zwei für Fratelli d’Italia, je einer für Lega, PD und La Civica.

Unter den deutschsprachigen ethnoregionalen Parteien musste die SVP die höchsten Verluste hinnehmen: ein Minus von 22.000 oder 7,4 Prozentpunkte aller gültigen Stimmen. Ihre Mandatszahl verringerte sich dadurch von 15 auf 13, was vor allem die Regierungsbildung wesentlich komplexer machte als in der Vergangenheit. Auch das Team K, das 2018 bei seinem ersten Antreten einen fulminanten Erfolg erzielt hatte, verzeichnete mit 12.000 Stimmen bzw. 4,1 Prozentpunkten einen deutlichen Verlust. Die Freiheitlichen büßten rund 4.000 Stimmen oder 1,3 Prozentpunkte ein, konnten jedoch ihre zwei Mandate halten. Größte Gewinner waren die erstmals antretende Liste JWA – Wirth Anderlan mit fast 17.000 und die Süd-Tiroler Freiheit mit einem Zuwachs um fast 14.000 Stimmen, auch der ehemalige SVP-Politiker Thomas Widmann erzielte mit knapp 10.000 Stimmen einen Achtungserfolg, blieb dabei aber deutlich unter den (eigenen) Erwartungen. Keinen Erfolg hatte der 2018 auf der Liste des Team K gewählte Josef Unterholzner mit seiner Liste Enzian, die nur auf knapp 2.000 Stimmen kam. Insgesamt wurden in der deutschen Wahlarena die patriotischen und rechtspopulistischen Parteien gestärkt: zählt man auch die Liste JWA dazu, so konnte diese Parteienfamilie 21,7 Prozent aller Stimmen auf sich vereinigen, das sind um fast 10 Prozentpunkte mehr als 2018.

Die Grünen Verdi Vërc als historische interethnische Partei verbesserten sich um 6.000 Stimmen oder 2,2 Prozentpunkte, was aber nicht für die Eroberung des erhofften vierten Mandats reichte. Das könnte zum Teil mit dem Erfolg der impf- und systemkritischen Liste Vita um Renate Holzeisen zusammenhängen, die ebenfalls interethnisch agierte und offensichtlich auch in der italienischen Sprachgruppe auf gewisse Zustimmung stieß: sie erreichte gut 7.000 Stimmen und damit ein Mandat.

In der ethnischen Einordnung der Parteien haben die Wahlen die schon angesprochene Schwächung der italienischsprachigen Parteien (17 Prozent), eine Stärkung der interethnischen Parteien (12 Prozent) sowie eine weitgehende Konstanz der deutschsprachigen Parteien gebracht, die den Löwenanteil der Stimmen (71 Prozent) auf sich vereinigen konnten.

Nach politischer Orientierung betrachtet haben klar rechtsorientierte bzw. patrio­tische Parteien auf deutscher und italienischer Seite ihren Anteil von 28 auf 32 Prozent gesteigert, während der Anteil von Parteien des Mitte-links-Spektrums (Grüne, PD) von 10,6 Prozent im Wahljahr 2018 auf 12,8 Prozent gestiegen ist (+2,2 Prozent). Die Gruppe der Zentrumsparteien im engeren Sinn (SVP, Team K, Für Süd­tirol mit Widmann, La Civica) umfasst etwas mehr als die Hälfte aller Stimmen (52 Prozent), das politische Zentrum hat aber gegenüber 2018 an Gewicht verloren, denn damals sind SVP, Team K und Noi per l’Alto Adige4 zusammen auf 58 Prozent gekommen. Nicht zugeordnet wurden dabei die wenigen Enzian-Stimmen und jene Stimmen, die 2023 auf die Liste Vita entfallen (zusammen 3 Prozent), da diese Gruppierung mit ihrer fundamental systemkritischen Ausrichtung schwer ins Rechts-Links-Schema einzuordnen ist. Eher weist sie jedoch programmatische Berührungspunkte mit rechten als mit linken Parteien auf. Insofern ist es richtig, dass diese Wahlen einen gewissen Rechtsruck gebracht haben, wobei noch immer fast zwei Drittel der Stimmen auf gemäßigte Parteien der Mitte und Mitte-links-Parteien entfallen.

7.3 Wählerstruktur und Wahlmotive

Genaue Daten zur Wählerstruktur, die auf Nachwahlbefragungen beruhen, sind leider nicht verfügbar. Tendenzielle Aussagen lassen sich jedoch auch aus Wahlumfragen gewinnen, wenn sie nah am Wahltag liegen. Für die nachfolgenden Aussagen wurden die beiden letzten Wellen des Politbarometers (März und September 2023) herangezogen, welches apollis regelmäßig im Auftrag der “Südtiroler Wirtschaftszeitung“ durchführt.5

Dieser Sonderauswertung zufolge weisen folgende Parteien einen höheren Anteil von Wählerinnen auf: PD, Team K und Grüne. Ausgewogen ist das Geschlechterverhältnis bei Freiheitlichen, Fratelli d’Italia und den drei impfskeptischen Parteien. Die SVP wird etwas überdurchschnittlich von Männern gewählt. Stark männer­dominiert scheint dagegen die Wählerschaft von Süd-Tiroler Freiheit, Lega und der Liste Widmann zu sein. Über die anderen Parteien kann aufgrund niedriger Fall­zahlen keine Aussage gemacht werden.

Das weitaus höchste Durchschnittsalter (ca. 60 Jahre) weist die Wählerschaft der italienischen Mitte-rechts-Parteien und des PD auf, knapp darunter liegen die Vita-Wähler/-innen. Es folgen die Wähler/-innen der SVP mit 53 Jahren. Bei allen anderen Parteien liegt das Durchschnittsalter unter 50 Jahren: am niedrigsten ist es beim Movimento 5 Stelle und der Liste von Wirth Anderlan, nämlich unter 40 Jahren. Etwas jünger als der Durchschnitt (ca. 46 Jahre) ist auch die Anhängerschaft des Team K und der deutschen Mitte-rechts-Parteien (Freiheitliche, Süd-Tiroler Freiheit) sowie der Grünen (48 Jahre).

Groß sind die Unterschiede nach Bildungsgrad. Hier liegen Wähler/-innen von Grünen und PD klar an der Spitze: rund drei Viertel ihrer Anhängerschaft haben mindestens die Matura. Auch Team-K-Wähler/-innen gehören eher den oberen Bildungsschichten an. Im Durchschnitt – das heißt etwa gleich viele Personen mit und ohne Matura – liegt die Wählerschaft der italienischen Mitte-rechts-Parteien. Wäh­ler/-innen der SVP, vor allem aber der deutschen Mitte-rechts-Parteien und der Liste Widmann, verfügen dagegen mehrheitlich über den Abschluss der Pflichtschule oder einer berufspraktischen Ausbildung als höchsten Studientitel. Dasselbe gilt ­übrigens auch für Nicht- und Weißwähler/-innen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass deutsch- und ladinischsprachige Personen höheren Alters nur selten über hohe formale Bildungsabschlüsse verfügen.

Für die Zusammensetzung der Wählerschaft nach Sprachgruppe wird auf den nächsten Abschnitt verwiesen.

Die Gründe für die Wahlentscheidung der Wähler/-innen sind vielfältig und von Partei zu Partei unterschiedlich. Sinkendes Vertrauen in die politischen Institutionen und Politiker/-innen im Allgemeinen sowie die wachsende Unzufriedenheit mit der Arbeit der Landesregierung können bis zu einem gewissen Grad erklären, warum die Wahlbeteiligung weiter gesunken ist und warum die Kräfte an der Regierung generell verloren haben. Spezifischere Motive gehen aus einer von Demox Research im Auftrag der SVP durchgeführten Nachwahlbefragung hervor, die in einer Wahlanalyse der SVP dargestellt wurden (vgl. Südtiroler Volkspartei 2023).

Demnach gaben 63 Prozent der SVP-Wähler/-innen als Hauptgrund an: „Die SVP ist die Partei der Autonomie“, für 56 Prozent „vertritt die SVP die Interessen der Südtiroler Bevölkerung gegenüber Rom“. Immerhin 51 Prozent wiederholten den Wahlslogan der Partei „SVP garantiert stabile Verhältnisse in Südtirol“ und 38 Prozent haben die Partei (auch) wegen Arno Kompatscher gewählt. Die eher selbstverständliche Aussage „vertritt am ehesten meine Interessen“ wurde bei der SVP – wie bei vielen anderen Parteien – ebenfalls häufig als Grund angeführt; auf sie wird im Weiteren nicht mehr eingegangen.

Die Wähler/-innen des Team K schätzen diese Partei häufig als „Alternative, die frischen Wind in die Politik bringt“ (42 Prozent) bzw. geben ihr aus Protest gegenüber der Politik der Landesregierung (30 Prozent) oder der SVP (23 Prozent) ihre Stimme. Spitzenkandidat Paul Köllensperger spielt eine eher untergeordnete Rolle (22 Prozent).

Bezeichnend sind die Gründe für die Wahl der Süd-Tiroler Freiheit. „STF tritt für ein unabhängiges Südtirol ein“ geben 64 Prozent als Hauptgrund an. Dahinter steht mit 55 Prozent die Ausländer/-innen- und Asylpolitik der STF. Spitzenkandidat Sven Knoll wird von 22 Prozent als Wahlmotiv genannt.

61 Prozent der Wähler/-innen der Südtiroler Grünen geben als Hauptgrund „schauen auf Umwelt und Natur“ an. 42 Prozent der grünen Wähler/-innen wollten damit eine Koalition mit der SVP unterstützen, 27 Prozent nannten die Spitzenkandidatin Brigitte Foppa als Motiv ihrer Wahlentscheidung.

Für die Wähler/-innen von zwei Parteien steht der „Protest gegenüber der Politik der Landesregierung“ eindeutig im Vordergrund. Ein Großteil der JWA-Wähler/-innen (78 Prozent) geben das als Hauptgrund für ihre Wahl an, 57 Prozent bei der Liste Widmann sehen das ebenso. Jürgen Wirth Anderlan spielt jedoch als Spitzenkandidat mit 46 Prozent eine deutlich größere Rolle als Thomas Widmann (23 Prozent). Die Freiheitlichen werden von ihren Wählerinnen und Wählern häufig als Alternative gesehen (37 Prozent), die Spitzenkandidatin Sabine Zoderer konnte aber nicht überzeugen (6 Prozent). Vita wurde vor allem wegen ihrer Positionierung in Sachen Impfung und Corona gewählt (41 Prozent). Über andere Parteien gehen aus dem zitierten Dokument keine Informationen hervor.

7.4 Ethnische Wahlarenen

Es ist bekannt, dass der politische Wettbewerb in Südtirol weitgehend getrennt nach ethnischen Wahlarenen verläuft: Deutsch- und ladinischsprachige Wähler/-innen geben ihre Stimme zumeist deutschen oder interethnischen Regionalparteien. Ita­lie­nisch­spra­chige tendieren zu italienischen Parteien, die zumeist Ableger nationaler Parteien sind oder zu interethnischen Parteien. Aber auch die SVP hat schon seit längerem eine Anhängerschaft in der italienischen Sprachgruppe. In welchem Umfang sich dieses Muster auch bei den Landtagswahlen 2023 bestätigt, soll die nachfolgende Analyse zeigen.

Zunächst muss man abschätzen, wie viele Angehörige der einzelnen Sprach­gruppen überhaupt gewählt haben, um dann die Verteilung ihrer Stimmen auf die Listen berechnen zu können. Laut der letzten Volkszählung des Jahres 2011 (vgl. ASTAT 2012) liegt der Anteil der italienischen Sprachgruppe bei 26 Prozent oder ca. 110.000 Personen; wenn von diesen – wie die Daten zur Wahlbeteiligung nach Gemeinden erkennen lassen – nur gut die Hälfte (52 Prozent) an den Landtagswahlen 2023 teilgenommen haben, dann entspricht das rund 58.000 abgegebenen oder 56.500 gültigen Stimmen. Wenn 70 Prozent der Wahlberechtigten auf die deutsche und vier Prozent auf die ladinischen Sprachgruppe entfallen, dann entspricht das ca. 300.000 deutschsprachigen und ca. 17.000 ladinischen Wähler/-innen. Deren Beteiligungsquote muss bei rund 73 Prozent liegen, damit das gewichtete Mittel das amtliche Datum von 67,5 Prozent ergibt.

Unter Berücksichtigung der obigen Abschätzung der Wahlberechtigten in den beiden Wahlarenen sowie aufgrund von Umfragedaten, welche es erlauben, die politischen Präferenzen der Befragten nach Sprachgruppe aufzuschlüsseln, kommt man zum Ergebnis, das in den nachfolgenden Abbildungen veranschaulicht und anschließend erörtert wird.

Am meisten Zustimmung in der italienischsprachigen Wählerschaft hat Fratelli d’Italia erhalten (28 Prozent), es folgen der PD, die Lega, La Civica und die SVP. Entgegen der verbreiteten Annahme, die italienische Sprachgruppe in Südtirol sei politisch mehrheitlich rechts ausgerichtet, entfallen auf die vier italienischen Rechtsparteien Fratelli d’Italia, Lega, Forza Italia und Centro Destra (als Abspaltung der Lega), kaum die Hälfte aller „italienischen“ Stimmen. Die andere Hälfte geht an Mitte-links (PD, Civica, Grüne, Movimento 5 Stelle) oder an „deutsche“ Parteien (SVP, Team K, Liste Widmann) bzw. an Vita. Dieses Ergebnis ist auch deshalb überraschend, weil eine ähnliche Abschätzung für die Landtagswahlen 2018 noch eine klare Mehrheit (57 Prozent) für rechte italienische Parteien erbracht hatte. Letzteres war wohl der 2018 von der Lega beflügelten Aufbruchstimmung geschuldet, die italienischsprachige Wähler/-innen vermehrt zu den Urnen gezogen hat. Auf die beiden interethnischen Gruppierungen – Grüne Verdi Vërc und Vita – entfallen dabei knapp 8 Prozent, auf deutsche Parteien (SVP, Team K, Für Südtirol mit Widmann) 13 Prozent.

Insgesamt machen die italienischsprachigen Wähler/-innen einen Anteil von ca. 20 Prozent aller gültigen Stimmen aus. Damit sollten sie eigentlich sieben von 35 Abgeordneten bestimmen können. Dass tatsächlich nur fünf italienischsprachige Kandidierende gewählt wurden, ist einerseits Folge der starken Zersplitterung des Parteienspektrums. Andererseits ist die meistgewählte italienischsprachige Kandidatin auf der Liste der Grünen ja nur knapp gescheitert und das 13. Mandat der SVP offensichtlich den Stimmen italienischsprachiger Wähler/-innen zu verdanken. So gesehen bilden auch die drei Mandatare von Fratelli d’Italia und Lega nicht die Mehrheit jener Abgeordneten zum Südtiroler Landtag, denen die italienischsprachige Wählerschaft ihr Vertrauen geschenkt hat.

Veränderungen gegenüber 2018 sind auch in der deutsch-ladinischen Wahlarena festzustellen. Die bedeutendste ist wohl darin zu sehen, dass die Südtiroler Volkspartei erstmals die absolute Mehrheit in der deutschsprachigen und ladinischen Wählerschaft verloren hat; mit einem Stimmenanteil von 41 Prozent kann sie ihren Alleinvertretungsanspruch für die sprachlichen Minderheiten nicht mehr glaubhaft aufrechterhalten (selbst dann nicht, wenn man jene 4 Prozent der Stimmen mitzählt, die an die Liste von Thomas Widmann gegangen sind). Für die Wahlen vor fünf Jahren hatte eine analoge Schätzung für die SVP immerhin noch einen Anteil von 54 Prozent aller Stimmen ergeben, die von deutsch- und ladinischsprachigen Wählerinnen und Wählern stammen. War 2018 das Team K eindeutig zur zweitstärksten Kraft in der deutsch-ladinischen Arena geworden, so muss es sich diesen Rang diesmal mit der Süd-Tiroler Freiheit teilen. Auf alle patriotisch-populistischen Kräfte (dazu zählen noch Die Freiheitlichen und die Liste JWA) entfällt mehr als ein Viertel aller Stimmen von deutsch- oder ladinischsprachigen Wählerinnen und Wählern. Die beiden interethnischen Parteien haben einen Anteil von 13 Prozent. Italienische Parteien sind bedeutungslos.

Insgesamt bestätigt sich damit die Geschlossenheit der Wahlarenen: abgesehen von den interethnischen Parteien sind es schätzungsweise nur drei bis vier Prozent aller Wählenden, die nicht entsprechend ihrer Wahlarena votierten; und das geht in erster Linie auf die Attraktivität der SVP für einen Teil der italienischsprachigen Wählerschaft zurück.

8. Wählerwanderungen

Um Wählerwanderungen verlässlich analysieren zu können, bräuchte es entweder Nachwahlbefragungen, die auf sehr großen Stichproben beruhen, oder eine ausgefeilte auf statistischen Regressionen beruhende Analyse der amtlichen Ergebnisse der Landtagswahlen 2018 und 2023 nach Wahlsprengeln. Beides liegt uns nicht vor. Man kann daher nur grobe Tendenzen angeben, die auf den Wahlumfragen kurz vor der Wahl und auf der für die SVP durchgeführten Nachwahlbefragung beruhen.

Die SVP hat ihre Stimmen offenbar in verschiedene Richtungen verloren: zu den Listen Widmann und JWA, zur Süd-Tiroler Freiheit, zum Team K, zu den Grünen und nicht zuletzt zu den Nichtwählenden. Die Lega hat sicher an Fratelli d’Italia und wohl auch an La Civica verloren, vor allem aber scheinen viele ihrer Wähler/-innen des Jahres 2018 zu Hause geblieben zu sein. Frühere Wähler/-innen der Freiheit­lichen haben sich teilweise der Süd-Tiroler Freiheit und der Liste JWA zugewandt. Ehemalige Team-K-Wähler/-innen sind am ehesten zu den Grünen, zur Liste ­Widmann und zur Liste JWA abgewandert. Ein Teil der ehemaligen Wählerschaft des Movimento 5 Stelle findet sich 2023 unter den Stimmen für La Civica und für Vita.

Wendet man sich den Wahlsiegern zu, dann dürften die Stimmen der Liste Wirth Anderlan unterschiedlicher Herkunft sein: SVP, Team K und Freiheitliche sowie die heimatlosen ehemaligen Wähler/-innen der Bürgerunion kommen da in erster Linie in Frage. Darüber hinaus dürfte JWA viele erstmals Wählende angezogen haben. Die Zugewinne der Süd-Tiroler Freiheit kommen primär von der SVP, von den Freiheitlichen und von Jungwählerinnen und Jungwählern. Für Südtirol mit Widmann hat primär im Wählerreservoir der SVP geschöpft; daneben scheinen einige Team-K-Wähler/-innen, vielleicht auch Freiheitliche oder Wähler/-innen der Süd-Tiroler Freiheit hier ihre neue politische Heimat gefunden zu haben. La Civica hat dem Anschein nach frühere Wähler/-innen des Movimento 5 Stelle, von Forza Italia und der SVP angezogen. Vita schließlich ist – auch wegen der geringen Stimmenzahl – am schwersten einzuschätzen. Die neue Liste dürfte Zustrom aus verschiedenen Richtungen bekommen haben, nicht zuletzt von Menschen, die schon länger nicht mehr an Wahlen teilgenommen haben.

9. Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten

Seit langem wird in der Politik eine Tendenz zur Personalisierung beobachtet (vgl. Swanson/Mancini 1996; Brettschneider 2002). Es stellt sich daher auch bei dieser Wahl die Frage nach der Bedeutung der Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der einzelnen Parteien, die hier anhand der abgegebenen Vorzugsstimmen analysiert werden sollen.

Wie schon bei vorhergehenden Wahlgängen (Atz/Pallaver 2014, 177 – 179; Atz/Pallaver 2019) zeigt sich, dass die Wähler/-innen von Parteien der deutsch-ladinischen Wahlarena im Mittel wesentlich mehr Vorzugsstimmen vergeben als jene der italienischen Wahlarena. Im Durchschnitt waren es diesmal 2,1 Vorzugsstimmen je Listenstimme, der Vergleichswert 2018 beträgt 1,9.

An der Spitze steht dabei die Wählerschaft der SVP mit durchschnittlich 2,8 Vorzugsstimmen, aber auch beim Team Köllensperger, der Süd-Tiroler Freiheit und den Grünen Verdi Vërc liegt die mittlere Zahl der Vorzugsstimmen je Stimme für die Liste jeweils über zwei, bei der Liste JWA knapp darunter. Es folgen die Liste Widmann, die Freiheitlichen, Enzian und Vita mit Quoten zwischen 1,9 und 1,5. Dagegen erreichen unter den italienischen Parteien lediglich La Civica (1,4) und der PD (1,2) eine Quote, die merklich über eins liegt. Für Centro Destra (1,1) und Lega (1,0) entspricht die Zahl der Vorzugsstimmen in etwa jener der Listenstimmen, bei den anderen italienischsprachigen Listen wurden jeweils deutlich weniger Vorzugsstimmen als Listenstimmen abgegeben. Das Schlusslicht bilden dabei Fratelli d’Italia und Forza Italia.

Meistgewählter Kandidat war – wir vor fünf Jahren – Arno Kompatscher als Listenführer der SVP mit rund 59.000 Stimmen, das ist eine Abnahme von fast 10.000 Stimmen gegenüber 2018. Ihm folgen mit großem Respektabstand Hubert Messner, parteiloser Kandidat auf der SVP-Liste, mit über 30.000 persönlichen Stimmen sowie Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit, der rund 25.000 Stimmen erhielt (das ist das Zweieinhalbfache seines Ergebnisses 2018). Dahinter liegen SVP-Obmann und Landesrat Philipp Achammer, der auf knapp 17.000 Stimmen kam, sowie Paul Köllensperger vom Team K mit gut 15.000 Vorzugsstimmen. Für beide bedeutet das einen veritablen Absturz gegenüber 2018, der neben den Verlusten der Liste auch persönliche Gründe haben dürfte (schlechte Performanz als Obmann bei Achammer, 600-Euro-Bonus-Affäre bei Köllensperger). Die Schwelle von 10.000 Vorzugsstimmen überschreiten weiters Peter Brunner, Jürgen Wirth Anderlan, Maria Elisabeth Rieder, Rosmarie Pamer, Brigitte Foppa, Waltraud Deeg, Daniel Alfreider und Luis Walcher. Auffällig ist dabei das gute Abschneiden der erstmals Kandidierenden auf der SVP-Liste Brunner, Pamer und Walcher (der Erfolg von Messner wurde schon oben genannt) sowie auf Oppositionsseite des ebenfalls zum ersten Mal antretenden Wirth Anderlan sowie von Rieder, die 2018 erst bei 3.000 Stimmen gelegen war und 2023 mit über 12.000 ihrem Listenführer Köllensperger nahekam. Neben Achammer mussten drei weitere Mitglieder der vorigen Landesregierung herbe Einbußen hinnehmen, nämlich Arnold Schuler (–11.000), Waltraud Deeg (– 6.000) und Maria Hochgruber Kuenzer (–4.000), die damit sogar den Wiedereinzug in den Landtag verpasste.

Aufgrund des niedrigeren Bevölkerungsanteils, aber auch wegen der fehlenden Gewohnheit Vorzugsstimmen zu geben, liegen die italienischsprachigen Kandidatinnen und Kandidaten hinsichtlich ihres Vorzugsstimmenergebnisses weit abgeschlagen. Am meisten Stimmen erhielt Sabine Giunta auf der Liste der Grünen Verdi Vërc mit über 4.000, sie verfehlte den Einzug in den Landtag dennoch knapp. Die anderen relativ gut gewählten Vertreter der italienischen Sprachgruppe, Angelo Gennaccaro, Christian Bianchi und Marco Galateo erzielten allesamt um die 3.000 Vorzugsstimmen.

So weit die absoluten Zahlen. Bezogen auf die Zahl der für die Liste abgegebenen Stimmen nehmen dagegen Jürgen Wirth Anderlan und Sven Knoll die ersten Stellen ein: Sie bekamen von über 80 Prozent der Wähler/-innen ihrer Liste eine persönliche Vorzugsstimme. Es folgen Renate Holzeisen mit 75 Prozent und Thomas Widmann mit 72 Prozent, Anteile um die 60 Prozent erhielten Josef Unterholzner, Arno Kompatscher und Ulli Mair; Paul Köllensperger, dessen Vorzugsstimmenergebnis 2018 bei zwei Drittel seiner Liste gelegen war, rutschte diesmal knapp unter die 50-Prozent-Schwelle. Brigitte Foppa von den Grünen konnte sich anteilsmäßig von 36 Prozent auf 46 Prozent verbessern. Aus den schon genannten Gründen schneiden die Spitzenkandidaten aller italienischen Parteien vergleichsweise schlecht ab. Am meisten Erfolg in der eigenen Wählerschaft hatten Angelo Gennaccaro (44 Prozent) und Christian Bianchi (36 Prozent); alle anderen Spitzenkandidaten konnten weniger als 30 Prozent der Listenstimmen auf sich vereinigen, wobei Carlo Vettori mit 12 Prozent das Schlusslicht bildet. Die Zweitgewählten mit dem bestem relativen Vorzugsstimmenergebnis sind übrigens Maria Elisabeth Rieder (40 Prozent) und Andreas Reber Leiter (38 Prozent).

Doch erst, wenn auch die für die anderen Kandidatinnen und Kandidaten abgegebenen Vorzugsstimmen einbezogen werden, ergibt sich ein vollständiges Bild. Sehr aussagekräftig ist diesbezüglich der Vorsprung des oder der Meistgewählten gegenüber der Nummer Zwei der jeweiligen Liste (in der Tabelle als „Überlegenheitsfaktor“ dargestellt). Hier zeigt sich, dass Renate Holzeisen eine echte Galionsfigur ihrer Liste bildet: sie erzielte rund fünfmal so viele Vorzugsstimmen wie der an zweiter Stelle gewählte Kandidat Rudolph Schöpf. Hoch ist der Vorsprung auch bei Repetto, Unterholzner, Wirth Anderlan, Knoll und Widmann mit Faktoren um die 3. Betrachtet man die beiden Aspekte Anteil an den Listenstimmen und Über­legenheitsfaktor zusammen, dann sind es fünf Parteien, die primär von ihrem Spitzenkandidaten bzw. ihrer Spitzenkandidatin geprägt werden: JWA, Vita, Widmann, Enzian und die Süd-Tiroler Freiheit. Vier der fünf sind im Wesentlichen Einpersonenlisten, deren Gründer/-innen einige Mitstreitende gefunden haben, doch bei der Süd-Tiroler Freiheit war die fast vollständige Identifikation mit dem Listenführer nicht unbedingt zu erwarten. Eine starke, aber nicht dominierende Position in ihrer jeweiligen Partei haben Kompatscher, Mair, Köllensperger, Foppa und Gennaccaro.

Die Bedeutung politischer Persönlichkeiten nimmt somit auch in Südtirol kontinuierlich zu, wobei sie je nach Partei oder Liste recht unterschiedlich zu gewichten ist. Etliche Listen werden von einer einzigen Persönlichkeit geprägt, bei anderen steht eher das Team in Verbindung mit der Marke im Vordergrund. Zudem fällt auf, dass Frauen unter den jeweiligen Führungsfiguren der Parteien rar gesät sind: nur drei von 16 gehören dem weiblichen Geschlecht an.

10. Schlussbemerkungen

Die Landtagswahlen 2023 und die darauf folgende Regierungsbildung, so die Eingangsthese, können wohl als Zeitenwende in der Politik Südtirols angesehen werden und nicht nur als Zwischenspiel. Denn es ist nur schwer vorstellbar, dass sich die politischen Verhältnisse mittelfristig auf das Niveau von vor 2023 wieder einpendeln.

Die Wahlen haben wohl definitiv die politische Landschaft Südtirols verändert, was in mehrfacher Hinsicht zum Ausdruck kommt. Die Südtiroler Volkspartei hat ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis eingefahren, bleibt aber die stimmenstärkste Partei. Am schwersten wiegt wohl der Umstand, dass die SVP ihren Anspruch, die Sammelpartei der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung Süd­tirols zu sein, nicht mehr aufrecht erhalten kann, denn sie vertritt nicht mehr die absolute Mehrheit der beiden ethnischen Minderheiten.

Die traditionelle Parteienfragmentierung in der italienischen Wahlarena ist nun auch in der deutschen eingezogen. Noch nie wie im Oktober 2023 sind so viele deutsche Parteien zu den Wahlen angetreten, noch nie haben so viele deutsche Parteien den Sprung in den Landtag geschafft, wie überhaupt noch nie so viele Parteien (insgesamt zwölf) im Landtag vertreten waren, darunter mehrere Einpersonenparteien. Erstmals sind neben den Grünen mit der Liste Vita zwei interethnische Parteien in den Landtag eingezogen. Zugenommen haben weiters rechtspopulistische sowie impfkritische Protestparteien sowie stark personalisierte Parteien.

Die Wahlumfragen wurden im Wesentlichen vom Wahlergebnis bestätigt, wenn auch mit Ausnahmen. Die Verdoppelung der Mandate der Süd-Tiroler Freiheit hatte niemand vorhergesehen. Auch JWA schnitt besser ab als prognostiziert. Unter den Erwartungen blieben hingegen die Liste Für Südtirol mit Widmann und Fratelli d’Italia.

Der Trend innerhalb der italienischsprachigen Bevölkerung, sich in weit geringerem Ausmaß an der Wahl als die deutsch- und ladinischsprachige zu beteiligen, setzt sich fort und führt zu einschneidenden Folgen für die politische Vertretung der Italiener/-innen, die nur mehr fünf von 35 Abgeordneten im Landtag stellen. In diesem Zusammenhang muss auch auf das ethnische Wahlverhalten verwiesen werden. Nach wie vor präsentieren sich die ethnischen Wahlarenen als ziemlich undurch­lässig. Bei diesem Wahlgang hat aber die SVP ihr 13. Mandat wohl den italienischen Stimmen zu verdanken. Fast keine Stimmen sind hingegen von deutschsprachigen Wählerinnen und Wählern zu italienischen Parteien gewandert. Schätzungsweise waren es nur drei bis vier Prozent aller Wähler/-innen, die ihre ethnische Wahlarena verließen.

Ein seit langem bestehender, inzwischen konsolidierter Trend der Personalisierung wurde bei den Landtagswahlen bestätigt. Fast die Hälfte der im Landtag vertretenen Parteien, insgesamt fünf, sind primär von ihrem Spitzenkandidaten bzw. ihrer Spitzenkandidatin geprägt. Vier davon sind im Wesentlichen Einpersonenlisten.

Nach politischer Orientierung betrachtet, haben klar rechtsorientierte bzw. patrio­tische Parteien auf deutscher und italienischer Seite ihren Anteil von 28 auf 32 Prozent gesteigert, während der Anteil von Parteien des Mitte-links-Spektrums von 72 auf 65 Prozent gesunken ist, sofern man die Sammelpartei SVP und die ­Widmann-Liste hinzu rechnet. Insgesamt kann man sicher von einem rechtspopulistischen Trend sprechen und von einer Denkzettelwahl, zumal die beiden Regierungsparteien SVP und Lega starke Verluste erfahren mussten. Irrig ist allerdings die weit verbreitete Meinung, die italienische Bevölkerung habe mehrheitliche rechte Parteien gewählt, während sich ihre Stimmen in Wirklichkeit in etwa paritätisch zwischen rechten und Mitte-links-Parteien aufteilen.

Tab. 2: Zusammensetzung der Kandidierenden nach Sprachgruppe, Durchschnittsalter und Frauenanteil der jeweiligen Listen

Liste
(in offizieller Reihung)

Kandidierende
(Anzahl)

Sprachgruppe (Zeilen-%)

Durchschnittsalter
(Jahre)

Frauenanteil (%)

deutsch

italienisch

ladinisch

Team K

35

74

23

3

52

40

Movimento 5 Stelle

34

18

82

52

41

Enzian

23

78

22

53

39

STF Süd-Tiroler Freiheit

30

100

46

36

PD Partito Democratico – Demokratische Partei

35

11

89

54

46

Verdi Grüne Vërc

35

63

31

6

48

49

Fratelli d’Italia

35

14

86

50

37

La Civica

35

11

89

46

34

JWA – Wirth Anderlan

35

100

46

46

Die Freiheitlichen

28

100

52

32

Forza Italia

20

20

80

51

50

Vita

16

56

44

55

44

Centro Destra

35

14

86

51

40

SVP Südtiroler Volkspartei

35

94

6

51

34

Lega Salvini Premier – ­Uniti per l’Alto Adige

35

26

71

3

50

40

Für Südtirol mit Widmann

22

82

9

9

52

41

Quelle: van Gerven 2023

Tab. 3: Wahlumfragen im Vorfeld der Landtagswahlen 2023 – Ergebnisse der Sonntagsfrage (in Prozent)

Institut

Landtags-wahl 2023

INSA [1]

Apollis 2]

INSA [1]

Demox [3]

Apollis [2]

Apollis [2]

Apollis [2]

Apollis [2]

Landtags-wahl 2018

Datum

22.10.

2023

09.

2023

09.

2023

07.

2023

04.

2023

03.

2023

08.

2022

12.

2021

06.

2021

21.10.

2018

SVP

34,5

35

32

37

35 – 37

40

37

42

43

41,9

TK

11,1

11

14

8

15 – 17

13

11

8

9

15,2

Lega

3,0

4

5

7

4 – 5

3

5

8

10

11,1

Grüne

9,0

12

10

12

8 – 9

14

17

14

13

6,8

dF

4,9

6

6

9

6 – 7

7

8

6

4

6,2

STF

10,9

5

6

7

6 – 7

6

4

7

7

6,0

PD

3,5

3

4

3

2 – 3

4

4

4

6

3,8

M5S

0,7

2

1

1

1 – 2

2

2

1

2

2,4

FdI

6,0

7

7

7

7 – 8

6

6

4

2

1,7

FI

0,6

2

2

4

1 – 2

1

1

1

1

1,0

Enzian

0,7

1

1

2

1

1

SMW

3,4

5

5

JWA

5,9

2

3

Vita

2,6

2

2

1

Sonstige

3,2

4

2

4

4 – 5

3

2

3

2

4,0

Quellen: [1] Wikipedia 2023; [2] apollis, eigene Daten „Politbarometer“ (zum Großteil publiziert in der „Südtiroler Wirtschaftszeitung“); [3] Demox Research, den Autoren von der SVP bereitgestellt

Abb. 1: Wahlbeteiligung nach Wohngebiet 2008 bis 2023 (in Prozent)

Quelle: amtliche Wahldaten aus dem Südtiroler Bürgernetz 2023; 2024, eigene Auswertung

Abb. 2: Wahlbeteiligung 2023 nach Anteil der italienischen Sprachgruppe in der Gemeinde

Quelle: amtliche Wahldaten aus dem Südtiroler Bürgernetz 2023; ASTAT 2012, eigene Auswertung

Tab. 6: Ergebnis der Landtagswahlen 2023 – Stimmen und Mandate

Liste
(absteigende Reihung
nach Stimmenzahl)

Ergebnisse 2023

Veränderung zu 2018

Stimmen

%

Sitze

Stimmen

%

SVP Südtiroler Volkspartei

97.099

34,5

13

–22.010

–7,4

Team K

31.203

11,1

4

–12.112

–4,1

STF Süd-Tiroler Freiheit

30.585

10,9

4

13.658

4,9

Grüne Verdi Vërc (a)

25.444

9,0

3

6.052

2,2

Fratelli d’Italia

16.751

6,0

2

11.869

4,2

JWA – Wirth Anderlan

16.597

5,9

2

16.597

5,9

Die Freiheitlichen

13.838

4,9

2

–3.782

–1,3

PD Partito Democratico – Demokratische Partei

9.707

3,5

1

–1.101

–0,3

Für Südtirol mit Widmann

9.647

3,4

1

9.647

3,4

Lega Salvini Alto Adige Südtirol – Uniti per l’Alto Adige

8.545

3,0

1

–22.970

–8,0

La Civica

7.301

2,6

1

7.301

2,6

Vita

7.223

2,6

1

7.223

2,6

Movimento 5 Stelle

2.087

0,7

0

–4.583

–1,6

Enzian

1.990

0,7

0

1.990

0,7

Forza Italia

1.627

0,6

0

–1.199

–0,4

Centro Destra

1.601

0,6

0

1.601

0,6

Insgesamt

281.245

100,0

35

–3.116

Gültige Stimmzettel

281.245

96,9

–3.116

–0,1

Weiße Stimmzettel

3.014

1,0

–634

–0,2

Ungültige Stimmzettel

6.040

2,1

729

0,3

Ausgezählte Stimmzettel

290.299

100,0

–3.021

Wahlberechtigte

429.841

11.873

Wahlbeteiligung

67,5%

–2,6%

(a) Gemeinsam mit Sinistra die Linke, die im Jahr 2018 mit eigener Liste (Vereinte Linke Sinistra Unita) angetreten war und 1.753 bzw. 0,6 Prozent aller gültigen Stimmen erzielt hatte.

Quelle: amtliche Wahldaten aus dem Südtiroler Bürgernetz 2023, eigene Auswertung

Abb. 3: Stimmenverteilung in der italienischen Wahlarena nach Listen

Quelle: amtliche Wahldaten aus dem Südtiroler Bürgernetz 2023; apollis, eigene Schätzung

Abb. 4: Stimmenverteilung in der deutsch-ladinischen Wahlarena nach Listen

Quelle: amtliche Wahldaten aus dem Südtiroler Bürgernetz 2023; apollis, eigene Schätzung

Tab. 7: Vorzugsstimmen und Stärke der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten 2023

Liste

Meistgewählt

Vorzugsstimmen Meistgewählte/-r

Vorzugsstimmen Zweite/-r

Vorzugsstimmen insgesamt

Mittlere Zahl Vorzugsstimmen

Anteil Meistgewählt/Listen­stimmen

Abstand
Erste/r Zweite/r

Überlegen­heits­faktor

Südtiroler Volkspartei

Arno ­Kompatscher

58.775

30.607

268.064

2,76

60,5%

29,0%

1,92

Team K

Paul ­Köllensperger

15.409

12.496

66.882

2,14

49,4%

9,3%

1,23

Süd-Tiroler Freiheit

Sven Knoll

25.290

8.825

62.245

2,04

82,7%

53,8%

2,87

Grüne Verdi Vërc

Brigitte Foppa

11.772

6.412

52.707

2,07

46,3%

21,1%

1,84

Fratelli d’Italia

Marco Galateo

2.993

1.641

11.290

0,67

17,9%

8,1%

1,82

JWA – Wirth Anderlan

Jürgen Wirth Anderlan

14.043

4.380

32.621

1,97

84,6%

58,2%

3,21

Die Freiheit­lichen

Ulli Mair

7.883

5.320

24.792

1,79

57,0%

18,5%

1,48

Partito ­Democratico

Sandro Repetto

2.703

769

11.680

1,20

27,8%

19,9%

3,51

Für Südtirol mit Widmann

Thomas Widmann

6.928

2.522

18.151

1,88

71,8%

45,7%

2,75

Lega Salvini

Christian Bianchi

3.098

1.646

8.699

1,02

36,3%

17,0%

1,88

La Civica

Angelo Gennaccaro

3.191

1.764

10.075

1,38

43,7%

19,5%

1,81

Vita

Renate Holzeisen

5.446

1.120

11.009

1,52

75,4%

59,9%

4,86

Movimento 5 Stelle

Diego Nicolini

381

197

1.660

0,80

18,3%

8,8%

1,93

Enzian

Josef ­Unterholzner

1.245

365

3.534

1,78

62,6%

44,2%

3,41

Forza Italia

Carlo Vettori

200

145

949

0,58

12,3%

3,4%

1,38

Centro Destra

Filippo ­Maturi

449

221

1.774

1,11

28,0%

14,2%

2,03

Quelle: Amtliche Wahldaten aus dem Südtiroler Bürgernetz 2023, eigene Auswertung

Anmerkungen

1 Einige der Angaben wurden nach Prüfung der ursprünglichen Quellen korrigiert.

2 Laut der Nachwahlbefragung von Demox hat rund ein Viertel der Wähler/-innen die persönliche Wahlentscheidung für eine Partei in den letzten Tagen oder gar erst in der Wahlkabine getroffen.

3 Diesen Zusammenhang bestätigt auch die Nachwahlbefragung von Demox Research.

4 Hat sich im Vorfeld der Landtagswahlen 2018 vom PD abgespalten und wird wegen der Nähe etlicher Vertreter/-innen zur ehemaligen DC und Nachfolgegruppierungen (u. a. der frühere Landesrat Roberto Bizzo) der Mitte zugerechnet.

5 Die Ergebnisse der Politbarometer-Umfragen wurden auszugsweise in verschiedenen Ausgaben der „Südtiroler Wirtschaftszeitung“ wiedergegeben, der Rest ist unveröffentlicht.

Literaturverzeichnis

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(14.01.2024)

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