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Theresia Morandell

Reformen der Gemeindeordnung der ­Autonomen Region Trentino-Südtirol seit 1948

Reforms to the municipal code of the Autonomous Region of Trentino-­South Tyrol since 1948

Abstract 1948 was an important election year in South Tyrol, particularly at the local level. On July 11th, 1948, the city of Bolzano held elections to the municipal council for the first time since the fascist takeover and the Second World War. The 1948 local elections marked a successful break with the fascist municipal code under which democratically elected bodies were disempowered. The municipal council was able to regain its central role in the institutional structure of the municipality and affirm the political representation of the citizens. Over the past seventy five years, this role has been consolidated and expanded through a series of legislative reforms that saw a general increase in the importance of the municipality in the political system. This chapter traces the legislative developments regarding the institutional framework and the relations between the three core political bodies of the municipality – municipal council, mayor, and executive committee – since 1948. It highlights interventions regarding the composition of the municipal bodies as well as reforms to the municipal election system and to the area of responsibility of the three core bodies.

1. Das Wahljahr 19481

1948 zeichnete ein bedeutendes Wahljahr auf Gemeindeebene: Am 11. Juli 1948 wurde in Bozen erstmals nach der faschistischen Machtübernahme und dem Zweiten Weltkrieg wieder die Wahl zum Gemeinderat abgehalten. Gleichzeitig schützte die neue Verfassung von 1948 das Recht der örtlichen Gemeinschaft auf Selbstverwaltung (Artikel 5 und 128). Die Wiederabhaltung der Gemeinderatswahlen im Sommer 1948 in Bozen markierte damit nicht nur die Rückkehr zur demokratischen Ordnung in der Gemeindeverwaltung. Gemeinsam mit den Wahlen zum Parlament im April und zum Regionalrat im November 1948 war es auch die erste Wahl, an der Süd­tirols Frauen ihre Stimme abgeben konnten (vgl. Ferrandi 2023; Filippi 1998).

Der Gemeinderat nimmt als politische Vertretung der Bürger/-innen eine zen­trale Rolle im institutionellen Gefüge der Gemeinde ein. Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Bedeutungszuwachses der Gemeinde im politischen System (vgl. ­Ambrosi 2004; Engl et al. 2016; Happacher/Terzer 2018; Klotz 2023; Vandelli 2015; Woelk 2014) hat er diese Rolle in den vergangenen 75 Jahren festigen und schrittweise ausbauen können. Anlässlich der Jubiläumsfeier „75 Jahre Gemeinderat der Stadt Bozen: 1948 – 2023“ (Città di Bolzano/Stadt Bozen 2023) zeichnet der folgende Beitrag diese Entwicklungen in der Gemeindeordnung seit 1948 nach. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den drei politischen Kernorganen der Gemeinde, dem Gemeinderat, dem Ausschuss und dem Bürgermeisteramt, ebenso wie dem Verhältnis dieser Gemeindeorgane zueinander. Beschrieben wird der Rechtsrahmen in der Auto­nomen Region Trentino-Südtirol, welcher im Großen und Ganzen der staat­lichen Gesetzgebung für Gemeinden in Regionen mit Normalstatut folgt, sich in einigen nachfolgend vermerkten Aspekten jedoch auch vom staatlichen Rechtsrahmen abhebt (vgl. D’Orlando/Grisostolo 2018; Vandelli 2015).

2. Die Gemeindeordnung der Nachkriegszeit

Die Gemeindeordnung ist im Trentino-Südtirol vor allem durch die Regionalgesetzgebung geprägt, denn das Autonomiestatut weist der Region zunächst konkurrierende und seit 1993 primäre Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Ordnung der örtlichen Körperschaften zu (Artikel 4). Wurde in der Nachkriegszeit zunächst auf die Gesetzgebung aus der Zeit vor der faschistischen Machtübernahme zurückgegriffen, erfolgten erste umfassende Anpassungen in der Gesetzgebung zum institutionellen Aufbau der Gemeinde 1956 mit dem Regionalgesetz Nr. 5 über die Zusammen­setzung und Wahl der Gemeindeorgane und 1963 mit dem Regionalgesetz Nr. 29 über die Gemeindeordnung. Wesentliche Züge des darin festgelegten institutionellen Gefüges, in dessen Zentrum der Gemeinderat, der Ausschuss und der/die Bürger­meister/-in stehen, bleiben bis heute erhalten, haben jedoch zahlreiche Änderungen erfahren.

Der Gemeinderat wurde als Organ zur demokratischen Vertretung der örtlichen Gemeinschaft bestätigt. Seine (in Bozen als Gemeinde mit über 30.000 Einwohnern und Einwohnerinnen) 40 Mitglieder werden seither nach dem Verhältniswahlsystem mit Listenwahl von den Bürgern und Bürgerinnen auf eine Amtszeit von zunächst vier Jahren gewählt. Er fasst Beschlüsse zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der örtlichen Gemeinschaft in allen Bereichen, die in den Zuständigkeits­bereich der Gemeinde fallen – und die gleichzeitig nicht dem Ausschuss oder dem/der Bürgermeister/-in vorbehalten sind. Insbesondere steht es dem Gemeinderat zu, Verordnungen zu erlassen. Es handelt sich hierbei um Verwaltungsakte, die den Grundsätzen der ordentlichen Gesetzgebung unterworfen sind und daher gemäß den Bestimmungen des Autonomiestatuts (Artikel 54) zunächst der Landesregierung zur Gesetzesmäßigkeitskontrolle übermittelt werden müssen. Erst dann können sie in Kraft treten. Die Verordnungsgewalt der Gemeinde bezieht sich insbesondere auf die Personalordnung, die Ordnung der Ämter und Einrichtungen der Gemeinde, die Verwaltung des Gemeindevermögens und der öffentlichen Dienste. Zur Regelung seiner Aufgaben und Tätigkeiten gibt sich der Gemeinderat außerdem eine eigene Geschäftsordnung. Jedes Ratsmitglied, ebenso wie der Ausschuss und der/die Bürgermeister/-in haben das Recht, Initiativen zur Beschlussfassung im Gemeinderat einzubringen.

Der Gemeinderat wählt aus seiner Mitte den/die Bürgermeister/-in und bis zu sechs Assessoren und Assessorinnen in den Gemeindeausschuss (zehn seit 1986; Regionalgesetz Nr. 11/1986). Die effektive Anzahl der Mitglieder im Gemeindeausschuss wird jeweils nach der Bürgermeisterwahl bestimmt und kann daher auch unter der gesetzlich festgeschriebenen Höchstzahl liegen. Der Ausschuss ist für die Durchführung der Amtsgeschäfte zuständig, setzt das Datum der Sitzungen des Rats fest und kann in Dringlichkeitsfällen Beschlüsse auch im Zuständigkeitsbereich des Rats fassen. Gemäß den Bestimmungen des Autonomiestatuts (Artikel 61) muss die Zusammensetzung des Gemeindeausschusses, ebenso wie jene der vom Gemeinderat gebildeten Kommissionen, dem Verhältnis der Stärke der im Gemeinderat vertretenen Sprachgruppen entsprechen. Dem/der Bürgermeister/-in kommt eine duale Funktion als Oberhaupt der Verwaltung und als Amtswalter/-in der Regierung zu. Er/sie führt den Vorsitz im Gemeindeausschuss und zunächst auch im Gemeinderat, vertritt die Gemeinde nach außen, teilt die Amtsgeschäfte der Gemeinde unter den Assessoren und Assessorinnen auf und koordiniert deren Tätigkeit. Als Amts­wal­ter/-in der Regierung übt der/die Bürgermeister/-in Befugnisse im Bereich der Personenstandsregister, der Wahlen und der Statistik aus sowie Funktionen im Bereich der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und der Gerichtspolizei. Außerdem kann der/die Bürgermeister/-in aus Gründen der Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit dringliche und notwendige Maßnahmen auf den Sachgebieten des Bauwesens, der Ortspolizei und der Hygiene erlassen.

3. Die 1990er-Jahre der Reformen

Zeichneten sich die 1970er und die 1980er-Jahre durch punktuelle Anpassungen der oben umrissenen Bestimmungen aus, so brachten die 1990er-Jahre tiefgreifende Änderungen am institutionellen Gefüge der Gemeinde auf dem gesamten Staatsgebiet. Den Auftakt bildete das Gesetz Nr. 142/1990 mit einer vollumfänglichen Reform der Gemeindeordnung, mit Gesetz Nr. 81/1993 folgte die Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin. Die Gesetzesverordnung Nr. 267/2000 fasste die Entwicklungen in der staatlichen Gesetzgebung schließlich im „Einheitstext zur Ordnung der örtlichen Körperschaften“ (TUEL) zusammen. Diese Reformen durch den staatlichen Gesetzgeber betrafen in erster Linie die Gemeinden in Regionen mit Normalstatut, wurden jedoch in vielerlei Hinsicht zum Vorbild für die Regionalgesetzgebung im Trentino-Südtirol (vgl. D’Orlando/Grisostolo 2018; Vandelli 2015). Insbesondere sind im regionalen Kontext die neue Gemeindeordnung (Regionalgesetz Nr. 1/1993) und die Änderungen am Wahlsystem (Regionalgesetz Nr. 3/1994) zu erwähnen, welche im Laufe des Jahrzehnts mehrfach abgeändert und erweitert wurden.

Als größte Neuerung wird seither neben dem Gemeinderat auch der/die Bür­ger­meister/-in auf eine Amtszeit von fünf Jahren direkt von der örtlichen Bevölkerung gewählt. Beim Wahlsystem für beide Organe wird dabei zwischen großen und kleinen Gemeinden unter 13.000 Einwohnern und Einwohnerinnen unterschieden (15.000 seit 2004; Regionalgesetz Nr. 7/2004). In Bozen als demnach großer Gemeinde ist für die Wahl ins Bürgermeisteramt eine absolute Mehrheit der gültigen Stimmen vonnöten. Wird diese im ersten Wahlgang nicht erreicht, kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden Kandidierenden, die im ersten Wahlgang die höchste Stimmenanzahl erhalten haben. In großen Gemeinden werden außerdem Gemeinderat und Bürgermeister/-in über einen einzigen Stimmzettel gewählt, indem die für die Wahl zum Gemeinderat zum Ausdruck gebrachte Listenstimmen direkt den mit der gewählten Liste verbundenen Bürgermeisterkandidaten und -kandidatinnen zugerechnet werden.

Das reine Verhältniswahlsystem ohne Mehrheitsprämie bei der Wahl zum Gemeinderat bleibt für die Autonome Provinz Bozen erhalten und ist in Südtirol klar an den Schutz der Sprachgruppen geknüpft. Zur Ausübung des aktiven Wahlrechts gilt außerdem bereits seit 1988 die vierjährige Ansässigkeit auf dem Gebiet der Region – eine Ausnahme im Südtiroler Wahlsystem, die in der Autonomen Provinz Trient und in den anderen Regionen nicht zutrifft (Regionalgesetz Nr. 12/1988). Die Amtsdauer des Gemeinderats und des Bürgermeisteramts sind nun aneinander­geknüpft: Verfällt eines der beiden Organe, verfällt auch das andere und beide werden neu gewählt.

Die Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin führte einerseits zu einer Stärkung der Exekutive (vgl. Bobbio 2005; Woelk 2014). Gleichzeitig stärkte die neue Gemeindeordnung auch die Autonomie des Gemeinderats und führte zu einer klareren Trennung der Aufgaben der drei politischen Organe. Fasste der Rat bisher Beschlüsse in allen Bereichen der Gemeindetätigkeit, die nicht anderen Organen vorbehalten waren, kommt die allgemeine Verwaltungszuständigkeit nun dem Ausschuss zu. Dieser Schritt entlastet den Gemeinderat, da er nicht mehr für die Behandlung unzähliger auch geringfügiger Verwaltungsentscheidungen zuständig ist (vgl. Vandelli 2015). Als politisch-administratives Leitungs- und Kontroll­organ konzentrieren sich die Zuständigkeiten des Rats nun auf die Behandlung von grundlegenden Beschlüssen (sogenannte Richtlinienkompetenz) – unter anderem die Annahme der Gemeindesatzung und von Verordnungen, des Haushalts, der Entwicklungsprogramme und Raumpläne sowie die Beschlussfassung zu öffentlichen Diensten, örtlichen Abgaben, zur Schaffung von Einrichtungen und Sonderbetrieben und zu Abkommen mit anderen Gemeinden. Der Rat behandelt und genehmigt außer­dem das von dem/der neu gewählten Bürgermeister/-in vorgelegte programmatische Dokument.

1993 im Zuge der Reform der Gemeindeordnung neu eingeführt, stellte die Anerkennung der Satzungsgewalt einen bedeutenden Zuwachs der normativen Befugnisse der Gemeinde, insbesondere des Gemeinderats, dar. Vom Gemeinderat mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, legt die Satzung unter Einhaltung der gesetzlich festgelegten Leitsätze grundlegende Bestimmungen zur Organisation der Gemeinde und zur Ausführung ihrer Tätigkeiten fest (z.B. die Zusammensetzung und Zuständigkeiten der Organe, ebenso wie die Ordnung der Ämter und der öffentlichen Dienste). Die Satzung stellt seitdem die wichtigste Rechtsquelle der Gemeinde dar, an der sich die Verordnungen und alle weiteren Verwaltungsmaßnahmen ausrichten müssen. Auch die Satzung ist zunächst der Gesetzesmäßigkeitskontrolle durch die Landesregierung unterworfen.

Unter den neuen Bestimmungen zur Stärkung der Autonomie des Gemeinderats dürfen Beschlüsse im Zuständigkeitsbereich des Rats außerdem nicht mehr im Dringlichkeitsverfahren vom Ausschuss gefasst werden, es sei denn, es handelt sich um dringliche Beschlüsse zur Abänderung des Haushaltsplans, die dem Gemeinderat daraufhin binnen 60 Tagen zur Genehmigung vorzulegen sind. Bezüglich der Ratssitzungen obliegen die Einberufung und der Vorsitz nun nicht mehr dem/der Bürgermeister/-in, sondern dem Ratspräsidenten/der Ratspräsidentin, sofern dieses Amt von der Satzung der Gemeinde vorgesehen ist. Die in der Landeshauptstadt 50 Gemeinderatsmitglieder haben das Initiativrecht in allen Bereichen, die in die Zuständigkeit des Gemeinderats fallen, können mündliche und schriftliche Anfragen stellen, Beschlussanträge und nun auch Tagesordnungspunkte einbringen. Um ihre Kontrollfunktion effektiv ausüben zu können, haben die Gemeinderäte und Gemeinderätinnen außerdem das Recht, Einsicht in alle Verwaltungsunterlagen der Gemeinde und ihrer abhängigen Körperschaften zu erhalten. Die Leitungs- und Kontrollfunktion des Gemeinderats spiegelt sich auch darin wider, dass der Ausschuss dem Rat jährlich Bericht über seine Tätigkeit erstattet und dessen allgemeine Anweisungen ausführt. Der Ausschuss kann dem Rat jedoch auch eigene Vorschläge und Anregungen unterbreiten.

Die bis zu zehn Assessoren und Assessorinnen (heute Gemeindereferenten und Gemeindereferentinnen), die gemeinsam mit dem/der Bürgermeister/-in den Ausschuss bilden, werden vom Gemeinderat auf Vorschlag des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin gewählt. Diese Wahl des Ausschusses durch den Gemeinderat stellt eine weitere Südtiroler Ausnahme dar; im restlichen Staatsgebiet wird der Ausschuss von dem/der Bürgermeister/-in ernannt (vgl. D’Orlando/Grisostolo 2018). Maximal die Hälfte der Ausschussmitglieder kann nun auch von außen berufen werden, muss also nicht mehr dem Gemeinderat angehören. Bereits in den 1980er-Jahren in Ergänzung zum Grundsatz der verhältnismäßigen Vertretung aller Sprachgruppen eingeführt, wurde außerdem das Recht jeder Sprachgruppe, im Ausschuss vertreten zu sein, sofern dem Gemeinderat mindestens zwei Mitglieder derselben Sprachgruppe angehören (Regionalgesetz Nr. 11/1986). Der/die Bürgermeister/-in wählt unter den Ausschussmitgliedern eine/-n Vizebürgermeister/-in – und zwar unter den Mitgliedern derjenigen Sprachgruppe, die im Gemeinderat neben der Sprachgruppe des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin am zweitstärksten vertreten ist. In der Praxis stellte die italienische Sprachgruppe in Bozen bisher immer den Bürgermeister, während der Vizebürgermeister stets der deutschen Sprachgruppe angehörte.

4. Paradigmenwechsel in der Verwaltung

Parallel zu den Reformen der Gemeindeordnung wurden im Laufe der 1990er-Jahre wichtige Neuerungen in der Gemeindeverwaltung eingeführt (vgl. Bobbio 2005; Vandelli 2015). Neben einer verstärkten Anlehnung an betriebswirtschaftliche Prinzipien in der Personalführung zielten die Verwaltungsreformen insbesondere auf eine schärfere Trennung zwischen Politik und Verwaltung ab. Trafen die politischen Organe – Rat, Bürgermeister/-in und Ausschuss – zunächst alle Verwaltungs­beschlüsse sowohl allgemeiner als auch punktueller Natur, die in den Verantwortungsbereich der Gemeinde fielen, ist ihre Funktion nun nach den Grundsätzen der New Public Management-Philosophie auf die Annahme von Beschlüssen und Zielvorgaben allgemeiner Natur begrenzt. Es liegt hingegen im Verantwortungsbereich der leitenden Beamten und Beamtinnen, die Mittel und Ressourcen zur Umsetzung der Zielvorgaben festzusetzen. Die Kontrolle über die Umsetzung dieser punktuellen Maßnahmen im Sinne der zuvor gesetzten Zielvorgaben kommt wiederum den politischen Organen zu (vgl. Bobbio 2005; Vandelli 2015).

Als Verbindungsglied zwischen der politischen und der administrativen Sphäre wurde 1998 für große Gemeinden mit mehr als 30.000 Einwohnern und Einwohnerinnen die Figur der City Managers bzw. der Generaldirektoren und -direktorinnen eingeführt (Regionalgesetz Nr. 10/1998). Durch den/die Bürgermeister/-in ernannt und an seine/ihre Mandatsdauer gebunden, koordiniert der/die Generaldirektor/-in die Tätigkeit der Verwaltung bei der Umsetzung der von den politischen Organen festgesetzten Zielvorgaben. Diese Rolle ist nicht zu verwechseln mit dem Amt des Gemeindesekretärs/der Gemeindesekretärin, in Bozen Generalsekretär/-in. Rang­höchste/-r Beamte/-r der Gemeinde und funktionsmäßig ebenfalls dem Bürger­meister­amt unterstellt, übt der/die Gemeindesekretär/-in eine rechtlich-administrative Beratungsfunktion für die politischen Organe der Gemeinde aus. Er/sie nimmt an den Sitzungen des Gemeinderats und Ausschusses teil, führt Protokoll und gewährleistet die Übereinstimmung der Verwaltungstätigkeit mit den Rechtsbestimmungen. Außer­dem führt er/sie Maßnahmen aus, bereitet Beschlüsse vor und veröffentlicht diese. Der/die Ge­meinde­sekre­tär/-in ist Angestellte/-r der Gemeinde und wird infolge einer Befä­higungs­prüfung und eines öffentlichen Wettbewerbs vom Gemeinderat ernannt (vgl. Happacher/Bertel 2016; Vandelli 2012).

5. Das neue Jahrtausend zwischen Kontinuität und Aufbruch

Der Reformgeist der 1990er-Jahre kulminierte 2001 in einer umfassenden Verfassungsreform (Verfassungsgesetz Nr. 3/2001), welche die Autonomie der Gemeinde bedeutend ausweitete: Ausbau ihrer Verwaltungsbefugnisse, Bestärkung ihrer Finanzautonomie, ihrer Satzungs- und Verordnungsgewalt, stärkere Beteiligung an regionalen Entscheidungsfindungsprozessen und Aufhebung der externen Gesetzesmäßigkeitskontrollen über die Verwaltungsakte der Gemeinde. Die neuen Verfassungsbestimmungen waren zunächst nicht direkt auf die Gemeinden in der Autonomen Provinz Bozen anwendbar, da eine derartige Ausweitung der Gemeindeautonomie die im Autonomiestatut zentral verankerte Autonomie der Region und der beiden autonomen Provinzen beschnitten hätte. Dennoch hat sich die Regionalgesetzgebung seit der Jahrtausendwende stark an den Prinzipien des neuen Titel V der Verfassung orientiert (vgl. Ambrosi 2004; Happacher/Terzer 2018). Dazu wurde die fragmentierte Regionalgesetzgebung über die örtlichen Körperschaften zunächst in mehreren Einheitstexten – zur Wahl und Zusammensetzung der Gemeindeorgane (Dekret des Präsidenten der Region [DPReg.] Nr. 1/2005), zur Gemeinde-, Personal- und Finanzordnung (DPReg. Nr. 3/2005, DPReg. Nr. 2/2005, DPReg. Nr. 4/2005) – gesammelt und schließlich im „Kodex der örtlichen Körperschaften der Autonomen Region Trentino-Südtirol“ zusammengefasst (Regionalgesetz Nr. 2/2018).

Weitere konkrete Schritte hin zur Umsetzung der Verfassungsreform wurden durch den Regionalgesetzgeber mit Gesetz Nr. 7/2004 getätigt, welches die Auf­hebung der externen Gesetzesmäßigkeitskontrollen der Landesregierung über die Verwaltungsakte der Gemeinde vorsah. Diese wurden bereits im Laufe der 1990er-Jahre schrittweise abgebaut, bis 1998 nur mehr die wichtigsten Beschlüsse des Gemeinde­rats – wie Satzungen, Verordnungen und Haushaltsvoranschläge – der Landesregierung zur Kontrolle übermittelt werden mussten. Mit der Aufhebung der externen Gesetzesmäßigkeitskontrollen kommt der Kontrollfunktion des Gemeinderats nun eine verstärkte Bedeutung zu, ebenso wie jener der gemeindeinternen Rechnungsprüfer/-innen über die buchhalterische, finanzielle und wirtschaftliche Gebarung der Gemeinde und jener des Gemeindesekretärs/der Gemeindesekretärin über die Gesetzesmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit.

Aufrecht bleibt die im Autonomiestatut (Artikel 54) verankerte Aufsicht der Landesregierung über die Organe der Gemeinde. Kann deren normale Tätigkeit nicht gewährleistet werden, z.B. bei Amtsverlust oder Rücktritt von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Gemeinderats, kann die Landesregierung den Gemeinderat auflösen und die Gemeinde unter kommissarische Verwaltung stellen. Der Landesregierung obliegt es weiterhin, die Gemeinderäte bei verfassungswidrigen Handlungen sowie bei schweren und andauernden Gesetzesverletzungen aufzulösen und ­unter kommissarische Verwaltung zu stellen. In Bozen als Gemeinde mit mehr als 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen obliegen diese außerordentlichen Maßnahmen dem Staat.

Detailanpassungen wurden 2013 und 2014 bei der Zusammensetzung der Gemeindeorgane vorgenommen (Regionalgesetz Nr. 1/2013 und Regionalgesetz Nr. 11/2014). Die Anzahl der Gemeinderatsmitglieder wurde für die Landeshauptstadt auf 45 festgesetzt. Für den Ausschuss kann in der Satzung nunmehr eine Höchstanzahl von sieben Gemeindereferenten und Gemeindereferentinnen vorge­sehen werden. In der Stadtgemeinde Bozen setzt sich der Ausschuss aktuell aus dem Bürgermeister, dem Vize-Bürgermeister und fünf Stadträten und Stadträtinnen zusammen. Neben den Bestimmungen zur verhältnismäßigen Vertretung der Sprachgruppen gewinnen nun auch Bestimmungen zur Gleichberechtigung beider Geschlechter beim Zugang zum Gemeindeausschuss an Bedeutung. So muss der Anteil des unterrepräsentierten (weiblichen) Geschlechts im Gemeindeausschuss mindestens im Verhältnis zu seiner Stärke im Gemeinderat garantiert werden. Wird dieser Grundsatz auch nach erfolgter Verwarnung durch die Landesregierung nicht respektiert, so löst die Landes­regierung den Gemeinderat im Zuge ihrer oben genannten Aufsichtsfunktion über die Gemeindeorgane auf und es kommt zu Neuwahlen.

2016 wurde schließlich das System zur Wahl des Gemeinderats für die Stadt­gemeinde Bozen abgeändert, um der häufig mit dem Verhältniswahlsystem einher­gehenden Fragmentierung der Parteienlandschaft zu begegnen (Regionalgesetz Nr. 1/2016). Für die Zuweisung der Sitze im Gemeinderat gelten nun Sperrklauseln von 7 Prozent der gültigen Stimmen für Listenverbindungen und von 3 Prozent für Listen, die nicht in Gruppen verbunden sind.

6. Schlussreflektionen

Seit 1948 hat es zahlreiche Reformen im institutionellen Aufbau und Zusammenspiel der politischen Kernorgane der Gemeinde – Gemeinderat, Bürgermeister/-in und Ausschuss – gegeben, wobei drei Teilbereiche besonders hervorstechen. Erstens wirkten sich die Reformen auf die Zusammensetzung der Gemeindeorgane aus. So änderte sich die gesetzlich festgeschriebene Anzahl der Gemeinderatsmitglieder für Bozen als Beispiel einer großen Gemeinde von 40 in den 1950er und 1960er-Jahren über 50 in den 1990er-Jahren auf eine aktuelle Zahl von 45 Gemeinderäten und Gemeinde­rätinnen. Wichtig sind im Südtiroler Kontext außerdem die Bestimmungen zur verhältnismäßigen Vertretung der Sprachgruppen in den Kollegialorganen der Gemeinde. Bereits im Autonomiestatut verankert und in den 1980er-Jahren weiter ausgebaut, wurden diese im vergangenen Jahrzehnt außerdem um Bestimmungen zur verhältnismäßigen Vertretung beider Geschlechter beim Zugang zum Gemeindeausschuss ergänzt. Zweitens gab es tiefgreifende Reformen beim Wahlsystem auf Gemeindeebene, insbesondere 1994 durch die Einführung der Direktwahl des Bürger­meisters/der Bürgermeisterin und die Differenzierung seither im Wahlsystem zwischen kleinen und großen Gemeinden über 15.000 Einwohnern und Einwohnerinnen. Drittens wirkten sich die Reformen der vergangenen 75 Jahre auf den Zuständigkeitsbereich der drei politischen Kernorgane aus. Bis in die 1990er-Jahre ­hinein wurden die Sitzungen des Gemeinderats durch den/die Bürgermeister/-in einberufen und der Ausschuss konnte in Dringlichkeitsfällen Beschlüsse auch im Zuständigkeitsbereich des Rats fassen. Letzterem kam die allgemeine Verwaltungs­befugnis zu und damit die Annahme einer großen Zahl an Akten allgemeiner und punktueller Natur, welche die Ratstätigkeit langsam und bisweilen mühselig gestalteten (vgl. Vandelli 2015). Die Reformen führten mitunter zu einer Stärkung der Auto­nomie des Gemeinderats gegenüber den Exekutivorganen der Gemeinde, ins­besondere durch die deutlichere Abgrenzung und Stärkung seines Tätigkeitsbereichs als Leitungs- und Kontrollorgan der Gemeindetätigkeit.

Hinzu kommen Reformen in Bezug auf die normativen Befugnisse der Gemeinde und insbesondere des Gemeinderats, in Bezug auf das System der internen und externen Kontrollen der Tätigkeit der Gemeindeorgane, ebenso wie eine zunehmende Trennung von Verwaltung und Politik. Insgesamt spiegeln die Reformen in der Gemeindeordnung eine allgemeine Stärkung der Gemeinde im politischen System wider (vgl. Ambrosi 2004; Engl et al. 2016; Happacher/Terzer 2018; Klotz 2023; Vandelli 2015; Woelk 2014), welche sich auch auf die zentralen Gemeindeorgane ausgewirkt und zu einem Zuwachs ihrer administrativen, normativen und organisatorischen Autonomie geführt hat.

Anmerkungen

1 Der vorliegende Beitrag wurde anlässlich der Jubiläumsfeier „75 Jahre Gemeinderat der Stadt Bozen: 1948 – 2023“ im Auftrag der Stadt Bozen verfasst. Eine kürzere Version wurde in der entsprechenden Festschrift (Città di Bolzano/Stadt Bozen 2023) veröffentlicht und ist unter dem folgenden Link einsehbar: https://opencity.gemeinde.bozen.it/Aktuelles/Pressemitteilungen/Festakt-anlaesslich-der-75-Jahr-Feier-des-Bozner-Gemeinderates..

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