Sophie Mair
Die Rolle der Gleichstellungsräte und Gleichstellungsrätinnen im Kontext der Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz
Ein euroregionaler Vergleich
Equality bodies and their role in enforcing equal opportunities for men and women in the workplace.
An euroregional comparison.
Abstract This essay looks at the principle of equal opportunities for women and men in the workplace and, in particular, at the legal institutions responsible for enforcing this principle. Through a comparative approach, both the Austrian and Italian legal systems are analyzed, focusing on constitutional as well as statutory provisions. The role of the Italian „Consiglieri/e di parità“ and the Austrian „Gleichbehandlungsbeauftragten“ is of particular interest, especially emphasizing legal and practical aspects in the Euregio Tyrol South Tyrol Trentino. To this end, interviews with the current office holders were conducted and are partly reported in this essay. These interviews highlight the practical side of the institutional work and identify points of criticism and opportunities for improvement.
1. Einleitung
Das Thema der Gleichbehandlung von Mann und Frau ist mittlerweile im gesellschaftlichen Diskurs angekommen und daraus nicht mehr wegzudenken. Gleichbehandlung kann viele Gestalten einnehmen, jedoch soll sich dieser Beitrag1 auf die arbeitsrechtliche Dimension in Italien und Österreich konzentrieren, also die Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz.
Dabei bewegt sich die Abhandlung auf verschiedenen Ebenen: Zuerst werden die relevanten verfassungsrechtlichen Bestimmungen analysiert, darauffolgend wird die einfachgesetzliche Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Bestimmungen betrachtet.
Eine wichtige Rolle in der Umsetzung der Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz spielen verschiedene Institutionen, darunter insbesondere die Gleichstellungsräte und Gleichstellungsrätinnen in Italien und die Gleichbehandlungsbeauftragten in Österreich. Diese Institutionen bekämpfen Diskriminierung am Arbeitsplatz und tragen zur allgemeinen Sensibilisierung in diesem Bereich bei. Hierbei liegt der Fokus vor allem auf der lokalen Ebene, spezifisch auf den Autonomen Provinzen Bozen/Südtirol und Trient sowie auf dem Land Tirol (also den Ländern der Euregio). Um die praktische Seite nicht außen vor zu lassen, hat die Verfasserin Interviews mit den aktuellen Amtsinhaberinnen und dem Amtsinhaber innerhalb der Euregio geführt. Ausschnitte dieser Interviews sind im gegenständlichen Beitrag angeführt. Dabei wird auch ein Blick in die Zukunft geworfen.
Das Hauptaugenmerk dieser Betrachtung liegt insbesondere auf dem Rechtsvergleich innerhalb der Euregio und der nationalen Rechtsordnungen. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Gesetzgebung und die diesbezügliche Umsetzung ausreicht, damit die Gleichstellungsräte und Gleichstellungsrätinnen ihre Aufgaben hinreichend erfüllen können. Wo gibt es Verbesserungsmöglichkeiten und Schwachstellen der gesetzlichen Regelung und deren Umsetzung?
2. Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz
2.1 Die italienische Verfassung und die Interpretation des Verfassungsgerichtshofs
Im Bereich der Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz sind verschiedene Artikel der italienischen Verfassung relevant. Darunter fallen die Artikel 3, 4, 37 und 117, Absatz 7, auf die im Nachfolgenden einzeln eingegangen wird.
Artikel 3 der Verfassung findet sich unter deren grundlegenden Rechtssätzen und enthält das Gleichheitsprinzip. Die Stellung am Anfang des grundlegenden Textes der italienischen Rechtsordnung verdeutlicht die Position als „Eckpfeiler des demokratischen Staates“ (Happacher 2022, 35). In Absatz 1 des Artikels 3 wird die formelle, in Absatz 2 die materielle Gleichheit festgeschrieben.
Durch die formelle Gleichheit werden alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gleichgestellt, „ohne Unterschied des Geschlechts, der Rasse, der Sprache, des Glaubens, der politischen Anschauungen, der persönlichen und sozialen Verhältnisse“ (Artikel 3, Absatz 1 Verfassung). Es wird die Basis für die liberale Staatsform gelegt (vgl. D’Amico 2018, 28), indem jedwede Diskriminierung und ungerechtfertigte Privilegien beseitigt werden (vgl. Califano 2021, 56).
Ergänzt wird der formelle Gleichheitsgrundsatz durch den materiellen Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3, Absatz 2. Die Italienische Republik wird dadurch konkret verpflichtet, alle sozialen und wirtschaftlichen Hürden zu beseitigen, die die volle Entfaltung der Persönlichkeit und die „Teilnahme aller Arbeiter an der […] Gestaltung des Landes“ (im Wortlaut von Artikel 3, Absatz 2 Verfassung) behindern. Diese Bestimmung hat programmatischen Charakter und richtet sich deswegen vorwiegend an den Gesetzgeber, dem die Umsetzung dieser Vorgabe obliegt (vgl. Happacher 2022, 37). Die Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung hatten erkannt, dass die alleinige Anerkennung eines formellen Gleichheitsprinzips keine effektive Gleichheit erreichen konnte (vgl. Gregorio 2016, 783). In dieser materiellen Dimension des Gleichheitsprinzips lässt sich auch die soziale Ausprägung der Republik erkennen. Der Staat greift demnach ein, um bestehende soziale und historisch gewachsene Diskriminierungen auf ein Minimum zu beschränken (vgl. Proia 2018, 231).
Daraus kann man jedoch nicht automatisch schließen, dass die Gesetzgebung keine unterscheidenden Regelungen treffen kann. Gleiche Situationen müssen gleich, ungleiche ungleich behandelt werden (siehe dazu z. B. das Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofs Nr. 3 von 1957). Hierbei ist die ausreichende Rechtfertigung und Sachlichkeit der Unterscheidung entscheidend (vgl. D’Amico 2018, 29) (siehe Urteile des Verfassungsgerichtshofs Nr. 15 von 1960 und Nr. 89 von 1996). Das Gleichheitsprinzip wird erst dann verletzt, wenn die Unterscheidung nicht angemessen und objektiv begründet werden kann (vgl. Califano 2021, 56 – 57).
Um konkret festzustellen, ob eine Bestimmung gegen das Gleichheitsprinzip verstößt, wird vom Verfassungsgerichtshof zumeist die Methode des tertium comparationis angewendet (vgl. Happacher 2022, 36). Dabei wird der vorliegende Sachverhalt mit einem anderen, ähnlichen Sachverhalt verglichen, um festzustellen, ob die Situationen ungleich oder gleich behandelt werden sollen (vgl. Sorrentino 2017, 6). Im Zuge dessen analysiert der Verfassungsgerichtshof auch die ratio legis der Bestimmung, also die Gründe und Ziele, die mit einer bestimmten Entscheidung verfolgt werden (vgl. D’Amico 2018, 31).
Mit Artikel 3 der Verfassung und dem Gleichheitsgrundsatz hängen auch die positiven Maßnahmen (englisch affirmative action) zusammen, vor allem in der Herstellung effektiver Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Diese positiven Maßnahmen beseitigen keine Ungleichheiten juristischer Natur, sondern wirken struktureller, kultureller und gesellschaftlicher Benachteiligung entgegen (vgl. Tripodina 2018, 248). Eine solche positive Maßnahme kann z. B. in einer Quote bestehen.
Laut herrschender Meinung, die sich auch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union herausgebildet hat, müssen diese Maßnahmen zeitlich begrenzt und angemessen sein; außerdem müssen konkrete Diskriminierungsfaktoren vorliegen (vgl. Ballestrero/De Simone 2019, 300). Auch der italienische Verfassungsgerichtshof hat sich zu den Grenzen der positiven Maßnahmen geäußert. Im Urteil Nr. 422 von 1995 hält er fest, dass diese dazu beitragen können, bestehende Hürden zu beseitigen, aber nicht ein bestimmtes Ergebnis garantieren dürfen. Im vorliegenden Fall entschied der Verfassungsgerichtshof über ein Wahlgesetz für Gemeinden mit bis zu 15.000 Einwohnern und Einwohnerinnen, in welchem festgelegt wurde, dass auf einer Liste nicht mehr als 2/3 der Kandidaten und Kandidatinnen dem gleichen Geschlecht angehören dürfen.
Außerdem kann eine vergangene Diskriminierung nicht mit einer aktuellen Diskriminierung beglichen werden, was eine sogenannte reverse discrimination darstellen würde. Dies wäre nicht mit den Zielen von Artikel 3 der Verfassung vereinbar. Auch im Fall des erwähnten Urteils Nr. 422/1995 geht der Verfassungsgerichtshof von einer solchen reverse discrimination aus.
Gleichzeitig bezeichnet selbst der Verfassungsgerichtshof die positiven Maßnahmen als stärkstes Mittel der Gesetzgebung zur Erleichterung der Ausgangsbedingungen von bestimmten Personengruppen, die anderweitig benachteiligt wären. Interessant dazu ist Urteil Nr. 109 von 1993, in dem der Verfassungsgerichtshof die positiven Maßnahmen folgendermaßen einordnet: „[S]ono il più potente strumento a disposizione del legislatore […] che tende ad innalzare la soglia di partenza per le singole categorie socialmente svantaggiate“. Dennoch ist die Frage ihrer Anwendung und Grenzen immer noch umstritten und nicht abschließend geklärt (vgl. D’Amico 2018, 34).
In Bezug auf die Arbeit ist auch Artikel 4 der Verfassung relevant, der sich ebenfalls unter den grundlegenden Rechtssätzen befindet und ein grundsätzliches Recht auf Arbeit der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger anerkennt. Diese zentrale Stellung der Arbeit kommt auch in Artikel 1 der Verfassung zum Ausdruck, der Italien als eine „auf die Arbeit gegründete Republik“ beschreibt. Das Recht auf Arbeit ist somit ein grundlegendes Freiheitsrecht, so legt es auch der Verfassungsgerichtshof im Urteil Nr. 45 von 1965 fest (wörtlich: „fondamentale diritto di libertà della persona umana“). Zu diesem Freiheitsrecht zählt auch die volle Eingliederung von Frauen in den Arbeitsmarkt (vgl. Scarponi 2014, 64 – 65).
Allerdings garantiert die Formulierung von Artikel 4 weder allen Bürgerinnen und Bürgern eine Beschäftigung, noch kann daraus ein Recht auf bedingungslose Erhaltung des Arbeitsplatzes abgeleitet werden. Der Artikel bildet jedoch die Grundlage für bestimmte Garantien im Bereich des Arbeitsrechts (z. B. der Schutz vor unbegründeter, unwirksamer oder nichtiger Kündigung) (vgl. Cavino 2018, 37).
Eine weitere zentrale Bestimmung der italienischen Verfassung findet sich in Artikel 37, der die absolute Gleichstellung von Mann und Frau am Arbeitsplatz festschreibt. Spezifisch bezieht sich dieses Gleichheitsprinzip auf den Zugang zur Arbeit, die Arbeitsmöglichkeiten, die Bezahlung sowie den Karrierefortschritt (vgl. De Vergottini 2017, 409). Wesentlich ist hierbei das festgeschriebene Recht auf gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeitsleistung oder solcher, die den gleichen Wert hat. Die Arbeitsleistung ist dann als gleich einzustufen, wenn sowohl die Aufgaben als auch der berufliche Rang miteinander übereinstimmen (vgl. Tripodina 2018, 247) (siehe dazu auch das Urteil des Kassationsgerichtshofs Nr. 2538 von 1968).
Im zweiten Teil der Bestimmung wird allerdings auch festgelegt, dass der Frau am Arbeitsplatz besonderer Schutz zuteil wird, um ihre „wesenhafte Aufgabe im Dienst der Familie“ zu erfüllen. Die Arbeitsbedingungen müssen es also ermöglichen, den familiären Verpflichtungen nachzugehen (vgl. Happacher 2022, 200).
Diese Zweiteilung ist Ausdruck der gesellschaftlichen Wichtigkeit der Mutterschaft und der Aufteilung der familiären Aufgaben. Es soll Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit und Care-Arbeit angestrebt werden (vgl. Scarponi 2014, 66). Die von Artikel 37 postulierte „wesenhafte Aufgabe im Dienst der Familie“ darf der Verwirklichung der Frau am Arbeitsplatz nicht im Wege stehen (siehe dazu das Urteil des Verfassungsgerichtshofes Nr. 374 von 1989).
Kurz muss ebenso auf Artikel 117, Absatz 7 der Verfassung eingegangen werden, der wie folgt lautet:
„(7) Die Regionalgesetze beseitigen sämtliche Hindernisse, welche der vollständigen Gleichbehandlung von Mann und Frau in Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft entgegenstehen, und fördern die Chancengleichheit von Mann und Frau beim Zugang zu Wahlämtern.“
Der gesamte Wortlaut von Artikel 117 und damit auch dieser Absatz wurden mit der Verfassungsreform von 2001 vollständig umformuliert. Die vorliegende Bestimmung schreibt spezifisch fest, dass auch die Regionen ihren Beitrag im Bereich der Gleichbehandlung und Chancengleichheit leisten sollen. Dass mittlerweile zahlreiche statutarische Bestimmungen und Regionalgesetze in Umsetzung zu dieser Bestimmung erlassen wurden, hebt den transversalen Charakter des Gleichstellungsdiskurses hervor (vgl. Caielli 2018, 357).
2.2 Die österreichische Verfassung
Wie in der italienischen Verfassung findet sich auch im österreichischen Verfassungsrecht das Gleichheitsprinzip wieder.
Das Gleichheitsprinzip gilt bereits seit dem Staatsgrundgesetz von 1867. In Artikel 2 wurde darin festgelegt, dass „vor dem Gesetze […] alle Staatsbürger gleich“ seien.
Dieselbe Formulierung greift auch Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes von 1920 auf. Darin wird ergänzt, dass jegliche „Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses […] ausgeschlossen“ sind (Absatz 1). Somit listet der Artikel spezifische Diskriminierungsfaktoren auf, wie es auch Artikel 3 der italienischen Verfassung tut. Artikel 7, Absatz 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes geht auf die Gleichbehandlung von Mann und Frau ein. Darin bekennen sich der Bund, die Länder sowie die Gemeinden zur „tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau“. Zur Förderung dieser faktischen Gleichstellung können Maßnahmen getroffen werden, die bestehende Ungleichheiten beseitigen. Somit ist der Ansatz in der österreichischen Verfassungsgesetzgebung ähnlich wie jener in der italienischen Verfassung in Artikel 3, Absatz 2: In beiden Fällen sind die staatlichen Institutionen dazu angehalten, Gleichstellung durch konkrete Maßnahmen herzustellen.
Auch in der Haushaltsführung haben die verschiedenen Gebietskörperschaften die tatsächliche Gleichstellung anzustreben, wie Artikel 13 Bundes-Verfassungsgesetz festlegt.
3. Die einfachgesetzliche Umsetzung der Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz und des Diskriminierungsverbots
Die Gesetzgebung in Italien und Österreich hat zahlreiche Gesetze hervorgebracht, die die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz umsetzen.
Der Großteil des Rechts in beiden Ländern ist mittlerweile direkt oder indirekt durch das supranationale Recht der EU geprägt. Dies ist auch im Gleichbehandlungsrecht der Fall, wobei die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen besonders erwähnenswert ist. Diese enthält verschiedene Begriffsbestimmungen, sieht die Möglichkeit von positiven Maßnahmen vor und legt ein Diskriminierungsverbot in Bezug auf Entgelt, soziale Sicherheit, den Zugang zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen fest. Die genannte EU-Richtlinie wurde auch von den Mitgliedstaaten Italien und Österreich durch nationale Gesetzgebung umgesetzt.
3.1 Italien
Im Bereich der Durchsetzung des Prinzips der Nichtdiskriminierung und der Gleichstellung von Mann und Frau ist der Kodex für Chancengleichheit zwischen Mann und Frau (gesetzesvertretendes Dekret vom 11. April 2006, Nr. 198,2 nachfolgend: Kodex) der zentrale Gesetzestext. Das gegenständliche gesetzesvertretende Dekret stellt wohl eine der wichtigsten Reformen im Bereich der Chancengleichheit dar. Es fasst die geltenden Bestimmungen zusammen und absorbiert damit zahlreiche andere Bestimmungen in diesem Bereich (vgl. Simonati 2015, 364).
Der Kodex befasst sich organisch mit allen Bereichen, die die Chancengleichheit betreffen, darunter die ethisch-sozialen Beziehungen, die Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen sowie die zivilen und politischen Beziehungen. Es ist sowohl das Amt der Gleichstellungsrätin und des Gleichstellungsrates geregelt als auch die allgemeine Definition von Diskriminierung darin enthalten.
Artikel 1 des Kodex definiert dessen Ziele: Es soll jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts behoben werden, die der Ausübung von politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder zivilen Grund- oder Freiheitsrechten im Wege stehen. Die positiven Maßnahmen werden auch im Kodex der Chancengleichheit aufgegriffen und definiert (Artikel 42). Darin werden sie als Maßnahmen beschrieben, die darauf abzielen, de facto bestehende Hürden zur Erreichung der Chancengleichheit zu beseitigen.
Für diese Betrachtung ist besonders das dritte Buch des Kodex relevant. Dieses bezieht sich auf die Chancengleichheit in den Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen und ist deshalb auch für das Thema der Chancengleichheit von Mann und Frau am Arbeitsplatz interessant.
Die Definition von Diskriminierung findet sich in Artikel 25 des Kodex. Dieser gesetzlich weit definierte Begriff der Diskriminierung kann in jeglicher Bestimmung, jeglichem Kriterium, jeglicher Praxis, jeglichem Akt, jeglicher Abrede oder Verhaltensweise („qualsiasi disposizione, criterio, prassi, atto, patto o comportamento“) bzw. in der Anordnung zu einer bestimmten Handlung oder Verhaltensweise („l’ordine di porre in essere un atto o un comportamento“) bestehen. Außerdem kann eine Definition direkt oder indirekt erfolgen.
Direkte Diskriminierung besteht in einer Handlung, die eine nachteilige Auswirkung („effetto pregiudizievole“) aufgrund des Geschlechts bewirkt bzw. eine weniger günstige Behandlung („trattamento meno favorevole“) von Arbeiterinnen und Arbeitern in gleicher Situation („in situazione analoga“) zur Folge hat (Artikel 25, Absatz 1 Kodex). Dies gilt auch für Kandidatinnen und Kandidaten während des Auswahlverfahrens für Personal.
Indirekt ist die Diskriminierung laut Artikel 25, Absatz 2 Kodex dann, wenn das unterscheidende Kriterium zwar scheinbar neutral („apparentemente neutro“) wirkt, aber eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in eine Situation besonderen Nachteils („posizione di particolare svantaggio“) bringt. Auch hier werden die Bewerberinnen und Bewerber bei der Personalauswahl in den Anwendungsbereich miteingeschlossen. Eine indirekte Diskriminierung ist dann ausgeschlossen, wenn die Auswahlkriterien wesentliche Voraussetzungen („requisiti essenziali“) für die Arbeitsleistung darstellen. Die Zielsetzung einer solchen Bestimmung muss rechtmäßig und die Mittel notwendig und angemessen sein. Trifft all dies zu, besteht im konkreten Fall keine Diskriminierung (vgl. Scarponi 2014, 78).
Als Diskriminierung wird vom italienischen Gesetzgeber auch Belästigung („molestie“) angesehen („considerate come“). In der Definition des Gesetzgebers sind Belästigungen mit dem Geschlecht verbundene unerwünschte Verhaltensweisen, die darauf abzielen, die Würde der Person zu verletzen und ein Klima der Einschüchterung, Feindseligkeit, Herabwürdigung, Demütigung oder Beleidigung zu schaffen (Artikel 26, Absatz 1 Kodex). Dasselbe gilt auch für die sexuelle Belästigung (definiert in Artikel 26, Absatz 2 Kodex), bei der die vorgenannten unerwünschten Verhaltensweisen eine sexuelle Konnotation bekommen.
Eine weitere wichtige Unterscheidung besteht zwischen individueller und kollektiver Diskriminierung (vgl. Arcidiacono/Manna 2013, 119). Kollektive Diskriminierung (Näheres hierzu in Artikel 37 Kodex) betrifft mehrere, durch die Diskriminierung verletzte Subjekte, die nicht bestimmt bzw. bestimmbar sind (z. B. im Falle von Wettbewerbsausschreibungen) (vgl. Scarponi 2014, 84). In diesem Zusammenhang spielen der Gleichstellungsrat und die Gleichstellungsrätin eine wichtige Rolle, diese wird weiter unten genauer beleuchtet.
Was passiert, wenn die obgenannten Diskriminierungsverbote verletzt werden, ist im sogenannten Arbeiterstatut (Gesetz vom 20. Mai 1970, Nr. 300) festgeschrieben. Artikel 15 des Arbeiterstatuts schreibt die Nichtigkeit aller Abmachungen oder Handlungen fest, die aufgrund politischer oder persönlicher Überzeugungen oder Gründen der Religion, der Rassifizierung, der Sprache, des Geschlechts, des Handicaps, des Alters oder der sexuellen Orientierung diskriminieren.
Erfolgt dennoch eine Kündigung, die aufgrund des Geschlechts diskriminiert, schafft Artikel 18 Arbeiterstatut Abhilfe. Die Absätze 1 – 3 bieten starken Kündigungsschutz: Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen müssen im Falle von unbegründeter, unwirksamer oder nichtiger Kündigung wieder in den Arbeitsplatz eingegliedert werden und eine Entschädigung erhalten (vgl. Cavino 2018, 36).
3.2 Österreich
Auch in der Republik Österreich sind spezifische Diskriminierungsverbote gesetzlich festgeschrieben. So ist es untersagt, Personen aufgrund ihres Geschlechts, Alters, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, sexueller Orientierung oder einer Behinderung nachteilig zu behandeln (vgl. Bundesministerium Arbeit und Wirtschaft 2022).
Allerdings ist die Gesetzgebung in Bezug auf die Nichtdiskriminierung von Mann und Frau am Arbeitsplatz zersplitterter. Auf der einen Seite wird zwischen verschiedenen Formen von Arbeitsverhältnissen unterschieden. Demnach sind verschiedene Bestimmungen anwendbar, je nachdem, ob ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin beim Bund, beim Land oder bei einem privaten Arbeitgeber bzw. einer privaten Arbeitgeberin angestellt ist. Auf der anderen Seite spiegelt sich in der Gesetzgebung die föderalistische und bundesstaatliche Struktur Österreichs wider. Auf Ebene des Bundes sind die Bestimmungen zur Gleichbehandlung von Mann und Frau hauptsächlich in folgenden Gesetzen festgeschrieben:
Bundesgesetz über die Gleichbehandlung3 (Gleichbehandlungsgesetz-GlBG): Für die Privatwirtschaft und sonstige Bereiche
Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft4 (GBK/GAW-Gesetz): Für die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft
Bundesgesetz über die Gleichbehandlung im Bereich des Bundes5 (Gesetz Nr. 100 des Jahres 1993, Bundes-Gleichbehandlungsgesetz-B-GlBG): Für Arbeitsverhältnisse im Bundesdienst.
Die verschiedenen Bundesländer haben jeweils eigene Landes-Gleichbehandlungsgesetze verabschiedet.6
Auch in Österreich wird zwischen direkter und indirekter Diskriminierung unterschieden, wobei sich die Definitionen mit jenen in der italienischen Gesetzgebung überschneiden (siehe dazu das vorherige Unterkapitel sowie § 4a des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes).
Zur Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung werden zwei zentrale Institutionen eingerichtet: die Gleichbehandlungsbeauftragten (für den Bundesdienst) und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (für private Arbeitsverhältnisse und sonstige Bereiche) (vgl. Österreichs digitales Amt 2023). Auch die Gleichbehandlungskommission als unabhängige Beschwerdekommission befasst sich mit Fragen der Diskriminierung (vgl. Bundesministerium Arbeit und Wirtschaft 2022). Auf die Gleichbehandlungsbeauftragten wird weiter unten eingegangen, wobei der Fokus auf den Gleichbehandlungsbeauftragten des Landes Tirol liegt.
4. Die Gleichstellungsräte und -rätinnen der Autonomen Region Trentino-Südtirol und die Gleichbehandlungsbeauftragten des Landes Tirol
Im vorigen Abschnitt wurde die österreichische und italienische Gesetzgebung im Bereich der Gleichbehandlung von Mann und Frau (am Arbeitsplatz) dargestellt. In diesen Gesetzen werden auch jene Institutionen bestimmt, die mit der Umsetzung des Prinzips der Gleichbehandlung beauftragt sind.
Allerdings finden sich solche Bestimmungen nicht nur in den genannten Gesetzen, sondern auch die nachgeordneten Gebietskörperschaften haben Regelungen für ihre Territorien geschaffen. Diese Bestimmungen beziehen sich mal mehr, mal weniger auf die staatliche Gesetzgebung.
In der gegenständlichen Darstellung wird auf die Gesetzgebung in den drei Ländern der Euregio –Tirol, Südtirol, Trentino – eingegangen.
4.1 Die territorialen Gleichstellungsräte und -rätinnen in Italien
Wie erwähnt, spielt in Italien vor allem der Kodex der Chancengleichheit eine entscheidende Rolle. Dieser regelt unter anderem die Rolle des staatlichen Gleichstellungsrats und der staatlichen Gleichstellungsrätin, aber auch jene der territorialen Gleichstellungsräte und -rätinnen auf Ebene der Regionen, der Großstädte mit besonderem Status und der ehemaligen Provinzen (siehe Artikel 12, Absatz 1 Kodex).
Demnach werden auch in den Autonomen Provinzen Bozen/Südtirol und Trient Gleichstellungsräte und Gleichstellungsrätinnen ernannt. Auf diese finden die Bestimmungen des Kodex der Chancengleichheit Anwendung, jedoch sehen die Landesgesetze teils eigene Regelungen vor.
Die Institution des Gleichstellungsrates und der Gleichstellungsrätin fördert und kontrolliert die Umsetzung der Chancengleichheit zwischen Mann und Frau und die Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz. In diesem Zusammenhang ist vor allem Artikel 15 Kodex relevant, der die Aufgaben des Amtes definiert.
Die territoriale Gliederung bedingt eine besondere Bindung der jeweiligen Gleichstellungsräte und -rätinnen an das Gebiet, in welchem sie tätig sind. Dadurch ist es möglich, Ungleichheiten aufgrund des Geschlechts besser zu erkennen und wirksamer zu beheben als eine zentralisierte Institution (vgl. Guarriello 2007, 483 – 484). Die Gleichstellungsräte und -rätinnen kennen die Beschäftigungssituation auf ihrem territorialen Zuständigkeitsgebiet und wissen, in welchen Bereichen noch Handlungsbedarf besteht. So können Probleme und Lösungsstrategien in einem Gebiet gezielt in Angriff genommen werden.
Die territorialen Gleichstellungsräte und -rätinnen werden durch die jeweils regional zuständige Gebietskörperschaft bestimmt (Artikel 12, Absatz 3 Kodex) und sind auch bei dieser verankert. Anschließend muss der Kandidat oder die Kandidatin vom Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik per Dekret formal ernannt werden.
Eine der einschneidendsten Befugnisse des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin auf Ebene der Gebietskörperschaften ist die Klageberechtigung bei Diskriminierung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, sei diese individuell oder kollektiv (zur Begriffsbestimmung: siehe oben).
Bei der Klage gegen kollektive Diskriminierung handelt es sich um eine öffentliche Sammelklage („azione collettiva pubblica“) (vgl. Ballestrero/De Simone 2019, 304), die den class actions entspricht, die man aus dem common law kennt (vgl. Curcio 2007, 546). Je nachdem, ob sich die kollektive Diskriminierung auf staatlicher oder regionaler Ebene ereignet, sind dafür der staatliche Gleichstellungsrat bzw. die staatlichen Gleichstellungsrätin oder die territorialen Gleichstellungsräte und -rätinnen zuständig.
Die Möglichkeit einer Klage besteht auch, wenn die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht direkt und unmittelbar bestimmt werden können („anche quando non siano individuabili in modo immediato e diretto le lavoratrici o i lavoratori lesi dalle discriminazioni“, Wortlaut von Artikel 37, Absatz 1 Kodex).
Diese Art der Klage ist die einzige, die der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin autonom und direkt einbringen kann (vgl. Pipponzi 2018) und die damit in seiner oder ihrer alleinigen Zuständigkeit liegt (vgl. Arcidiacono/Manna 2013, 123). Die Klageberechtigung wird dabei direkt durch den Kodex zugesprochen und nicht durch die Ermächtigung der betroffenen Personen. Der Gleichstellungsrat und die Gleichstellungsrätin nehmen so die Rolle eines Prozessstandschafters („sostituto processuale“) gemäß Artikel 81 der Zivilprozessordnung ein (vgl. Curcio 2007, 543).
Stellt der Richter bzw. die Richterin eine Diskriminierung fest, verfügt er oder sie im Urteil einen Plan zur Behebung der Diskriminierungen. Dieser Plan gilt als positive Maßnahme und soll zukünftige Diskriminierungen verhindern (vgl. Pipponzi 2018). Bei der Festsetzung des Plans bedient sich der Richter bzw. die Richterin der Expertise des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin. Der Richter bzw. die Richterin legt auch die Kriterien zur Umsetzung des Plans fest (Artikel 37, Absatz 3 Kodex). Außerdem kann die Leistung von Schadensersatz angeordnet werden.
Durch die Ermächtigung zu einer kollektiven Klage vertreten die Gleichstellungsräte und -rätinnen allgemeine Interessen zur Umsetzung der Gleichheit (vgl. Pipponzi 2018). Die Sammelklage lässt Interessen zu Tage kommen, die ansonsten ungeschützt wären. Sie hilft dabei, die fehlende Effektivität der Einzelklage zu überwinden, da diese oft finanzielle Ressourcen erfordert, die der Einzelne nicht aufbringen kann (vgl. Pirone 2020, 212 – 213).
Die Klageberechtigung bei individueller Diskriminierung steht allein den Gleichstellungsräten und -rätinnen auf territorialer Ebene zu (siehe Artikel 36 Kodex). Dies kommt bei Diskriminierungsfällen beim Zugang zur Arbeit, bei Beförderungen, Berufsausbildung und Arbeitsbedingungen zum Tragen. Dabei kann der territorial zuständige Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin bevollmächtigt werden, den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vor Gericht zu vertreten. In diesem Fall wird von einer gewillkürten Vertretung gemäß Artikel 1387 des Zivilgesetzbuches gesprochen. Der Gleichstellungsrat oder die Gleichstellungsrätin kann auch in einem Verfahren intervenieren, das bereits vom Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin angestrebt wird. Hierbei spricht man von einer Unterstützungsintervention („intervento ad adiuvandum“, gemäß Artikel 105 der Zivilprozessordnung), welche keine autonome Klage des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin darstellt und somit abhängig von der Hauptklage ist (vgl. Curcio 2007, 543).
Ein zentrales Problem in Bezug auf die territorialen Gleichstellungsräte und -rätinnen ist jenes der Entschädigung für die Tätigkeit.
In einer vorherigen Formulierung von Artikel 18 Kodex wurden die Kosten und Spesen durch einen staatlichen Fonds gedeckt. Nunmehr muss die Entschädigung von jener Gebietskörperschaft getragen werden, die den Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin bestellt hat (siehe Artikel 17, Absatz 2 Kodex). Allerdings ist eine Entschädigung nicht zwingend vorgeschrieben. Dies hat zur Folge, dass die übertragenen Aufgaben besser in jenen Gebieten erfüllt werden, in denen die nötigen Mittel zur Verfügung stehen. Dies führt zu territorialen Ungleichheiten in der Ausübung der Tätigkeit (vgl. Bagni Cipriani/Molendini 2022, 13).
Die Kriterien für eine eventuelle Entschädigung werden jährlich von der Gemeinsamen Konferenz („Conferenza Unificata“) erarbeitet. Für den Zeitraum 2021 – 2022 betrug diese Entschädigung monatlich zwischen 390 Euro und 780 Euro brutto für die regionalen Gleichstellungsräte und Gleichstellungsrätinnen sowie monatlich 68 Euro brutto für die Gleichstellungsräte und Gleichstellungsrätinnen der unteren Ebene (vgl. Bagni Cipriani/Molendini 2022, 13). Eine solch niedrige, nicht zwingend vorgeschriebene Entschädigung wirkt in diesem Zusammenhang fast symbolisch.
4.1.1 Die Autonome Provinz Bozen/Südtirol
Die Autonome Provinz Bozen/Südtirol befasst sich in verschiedenen Landesgesetzen mit der Thematik der Gleichstellung – im Allgemeinen und am Arbeitsplatz – und dem Gleichstellungsrat bzw. der Gleichstellungsrätin.
Relevant ist hierbei das Landesgesetz vom 8. März 2010, Nr. 5,7 welches die Gleichstellung und Frauenförderung regelt und sich in Abschnitt VI mit der Gleichstellung und Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Privatwirtschaft befasst. Vor einer Reform im Jahre 2020 war auch der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin im gegenständlichen Landesgesetz geregelt.
Nunmehr finden sich die Bestimmungen zu Gleichstellungsrat und -rätin im Landesgesetz vom 9. Oktober 2020, Nr. 11.8 Dieses Landesgesetz enthält „Bestimmungen über die beim Landtag angesiedelten Ombudsstellen“, darunter fallen, neben dem Gleichstellungsrat bzw. der Gleichstellungsrätin, auch die Volksanwaltschaft, die Kinder- und Jugendanwaltschaft und der Landesbeirat für das Kommunikationswesen. Beim Landtag angesiedelt ist der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin schon seit dem Jahr 2014 (vgl. Morandini 2023, 11), formal als Ombudsstelle charakterisiert ist die Institution erst seit der gegenständlichen Gesetzesreform.
In Artikel 1, Absatz 4 des Landesgesetzes Nr. 11/2020 wird festgelegt, dass der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin für die Förderung und Beaufsichtigung der „Umsetzung der Prinzipien der Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung zwischen Frauen und Männern am Arbeitsplatz“ zuständig ist. Dieselbe Formulierung findet man auch auf staatlicher Ebene in Artikel 13, Absatz 1 Kodex.
Abschnitt I des gegenständlichen Landesgesetzes beinhaltet allgemeine Bestimmungen, die alle beim Landtag angesiedelten Ombudsstellen betreffen. Dabei handelt es sich um organisatorische Bestimmungen, die unter anderem die Zugangsvoraussetzungen, das Wahlverfahren, Unvereinbarkeitsgründe, die Amtsdauer und die Besoldung betreffen.
Abschnitt IV des Landesgesetzes betrifft spezifisch den Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin. Die genauen Aufgaben und Befugnisse werden in Artikel 28 festgelegt, wobei sich die landesgesetzlichen Bestimmungen an die Bestimmungen im Kodex der Chancengleichheit anlehnen. Letzterer kommt immer dann zum Tragen, wenn Sachverhalte im Landesgesetz nicht explizit anders geregelt werden. So hat der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol z. B. auch Klageberechtigung bei individueller oder kollektiver Diskriminierung, wie es durch die nationale Gesetzgebung vorgesehen ist. Das unterscheidet die Gleichstellungsrätin bzw den Gleichstellungsrat grundlegend von den anderen Ombudsstellen in der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol, welche nicht die Berechtigung zur Klageerhebung haben (vgl. Morandini 2022b).
Wichtig ist in diesem Zusammenhang das oben bereits angeschnittene Problem der Besoldung und Entschädigung. Hier befindet sich der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol in einer privilegierten Situation im Vergleich zu vielen Amtskollegen und -kolleginnen. Artikel 10 des Landesgesetzes Nr. 11/2020 sieht die Besoldung nicht nur als Eventualität (wie Artikel 17, Absatz 2 Kodex auf staatlicher Ebene), sondern als Anspruch auf eine monatliche Bruttoaufwandsentschädigung in Höhe von 6.000 Euro vor. Außerdem verfügt Artikel 29 des Landesgesetzes, dass der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin vom Landtag mit einem Büro, dem notwendigen Personal und den notwendigen Geldmitteln ausgestattet wird. So hat das Büro der Gleichstellungsrätin aktuell vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (vgl. Morandini 2023, 15 – 16).
Eine Besonderheit der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol besteht darin, dass der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin neben anderen Funktionen auch für den Monitoringausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung zuständig ist, in welchem er oder sie den Vorsitz übernimmt (siehe Artikel 32 des Landesgesetzes).
Besonders ist außerdem eine neue Zuständigkeit, die dem Gleichstellungsrat bzw. der Gleichstellungsrätin durch das Landesgesetz vom 21. Juni 2021, Nr. 49 („Prävention und Umgang mit Mobbing, Straining und Gewalt am Arbeitsplatz“) zugesprochen wurde. Das genannte Landesgesetz siedelt einen neuen Anti-Mobbing-Dienst beim Gleichstellungsrat bzw. bei der Gleichstellungsrätin an. Dieser Anti-Mobbing-Dienst bietet „Beratungs-, Informations- und Mediationsdienste“ für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an, die von Mobbing, Straining und Gewalt am Arbeitsplatz betroffen sind (Artikel 3 des Landesgesetzes). Die Gleichstellungsrätin, Dr. Michela Morandini (2022a, 11), sieht darin eine „wesentliche Veränderung im Aufgabenprofil der Gleichstellungsrätin“. Diese Veränderung in der Aufgabenstellung ist deswegen relevant, weil Mobbing seit Beginn der Beratungstätigkeit eines der wichtigsten Themen darstellt (vgl. Morandini 2023, 20).
Diese beiden Sonderkompetenzen (für die Rechte von Menschen mit Behinderung und für Mobbing) sind auf staatlicher Ebene nicht vorgesehen.
Der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol ist der oder die Einzige in ganz Italien, der oder die in Vollzeit tätig ist (vgl. Morandini 2023, 11).
4.1.2 Die Autonome Provinz Trient
In der Autonomen Provinz Trient dreht sich das System der Chancengleichheit zwischen Mann und Frau um das Landesgesetz vom 18. Juni 2012, Nr. 1310 (Landesgesetz über die Chancengleichheit). Dieses Landesgesetz entspricht damit dem Landesgesetz der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol Nr. 5/2010 und enthält in einem einzigen Artikel (Artikel 16) die Bestimmungen zum Gleichstellungsrat bzw. der Gleichstellungsrätin.
Bekanntermaßen liegt der allgemeine Aufgabenbereich des Gleichstellungsrats bzw. der Gleichstellungsrätin darin, Maßnahmen zur Einhaltung des Prinzips der Nichtdiskriminierung und zur Förderung der Chancengleichheit am Arbeitsplatz zu ergreifen. So ist es auch in Artikel 16, Absatz 3 des Trientner Landesgesetzes festgelegt, ähnlich wie in Artikel 1 des Landesgesetzes der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol Nr. 11/2020 und in Artikel 13 des Kodex der Chancengleichheit auf nationaler Ebene. Zu diesem Zweck wird die Institution beim Landtag der Autonomen Provinz Trient eingerichtet.
Artikel 16 des Landesgesetzes Nr. 13/2012 legt neben den genauen Aufgaben (Absatz 3) auch organisatorische Aspekte fest, die z. B. die Dauer des Mandats oder die Berichterstattung über die Tätigkeit betreffen.
Die Verankerung des Gleichstellungsrates und der Gleichstellungsrätin beim Landtag der Autonomen Provinz Trient ist eine Neuerung der letzten Jahre, erfolgt durch das Landesgesetz vom 4. August 2021, Nr. 1811 und beginnend mit dem 01.01.2022 (vgl. Borzaga 2023a, 4). So will man die Rolle des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin mit den anderen beim Landtag angesiedelten Ombudsstellen vergleichbar machen, sprich, mit der Volksanwaltschaft, der Anwaltschaft für Häftlinge und der Anwaltschaft für Minderjährige (vgl. Borzaga 2023a, 3). So, meint der aktuelle Gleichstellungsrat, Univ.-Prof. Dr. Matteo Borzaga (2023a, 4), will man das Amt von einer möglichen politischen Einflussnahme schützen und adaptiert sozusagen das „Südtiroler Modell“. Die Autonome Provinz Bozen/Südtirol hat diese Entscheidung schon im Jahr 2014 aus ähnlichen Überlegungen getroffen (vgl. Morandini 2022b).
Eine weitere wichtige Änderung des Jahres 2021, erfolgt durch Landesgesetz vom 27. Dezember 2021, Nr. 22, betrifft die Entschädigung des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin. Die vorherige vage Formulierung des Absatzes machte starke Schwankungen in der Entlohnung möglich (vgl. Borzaga 2023a, 3 – 4). Durch die neuen Bestimmungen wird die Entschädigung gleichbleibend festgelegt und auch an die anderen Ombudsstellen beim Landtag angepasst (vgl. Borzaga 2023a, 4).
Im Unterschied zur Autonomen Provinz Bozen/Südtirol wird dem Gleichstellungsrat bzw. der Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Trient weniger Personal zur Verfügung gestellt, lediglich zwei Teilzeit-Mitarbeiterinnen sind bei verschiedenen Aufgaben unterstützend tätig (vgl. Borzaga 2023a, 5). Außerdem ist auch der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin selbst nicht in Vollzeit tätig, was die Vereinbarkeit der verschiedenen Aktivitäten nicht immer einfach gestaltet (vgl. Borzaga 2023b).
In Übereinstimmung mit der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol ist auch der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Trient für Mobbing am Arbeitsplatz zuständig (siehe Artikel 16, Absatz des Landesgesetz Nr. 3/2012 und Artikel 4 des Landesgesetzes vom 14. März 2013, Nr. 2).12
Diese besondere Zuständigkeit für Mobbing besteht in beiden Autonomen Provinzen seit Jahren, stellt aber eine inneritalienische Besonderheit dar, die auf staatlicher Ebene von der derzeitigen staatlichen Gleichstellungsrätin teils kritisch beäugt wird. Es herrscht die Meinung vor, dass der Diskriminierungsfaktor Geschlecht eine von den anderen Diskriminierungsfaktoren getrennte gesetzliche Regelung erfahren soll, wie es auch bisher der Fall war. Die Zuständigkeit für Mobbing geht über diese traditionelle Trennung hinaus. Es wird nicht danach unterschieden, aus welchen Gründen Mobbing erfolgt.
Der Kompetenzkatalog in den Autonomen Provinzen ist somit breiter definiert als auf staatlicher Ebene.
4.2 Das Land Tirol
Die Umsetzung des Prinzips der Gleichbehandlung in den österreichischen Bundesländern wird, wie bereits erwähnt, durch eigene Landes-Gleichbehandlungsgesetze geregelt. Im Fall des Landes Tirol finden sich die Bestimmungen im Gesetz vom 17. November 2004 über die Gleichbehandlung im Landesdienst (Landes-Gleichbehandlungsgesetz 2005, Nr. 1). Diese auf Länderebene zersplitterten Regelungen spiegeln die starke bundesstaatliche Trennung der Kompetenzen wider und zeigen die Auswirkungen des Föderalismus (vgl. Kafka 2022).
Auch auf Länderebene besteht eine Trennung zwischen der Beschäftigung im öffentlichen Bereich und in der Privatwirtschaft. Die Zuständigkeit für die Gleichstellung von Mann und Frau in der Privatwirtschaft liegt bei den jeweiligen Regionalbüros der Gleichbehandlungsanwaltschaft (in diesem Fall: das Regionalbüro Tirol, Salzburg und Vorarlberg). Für Angestellte im öffentlichen Dienst haben regionale Einrichtungen in den einzelnen Bundesländern die Kompetenz, eigenständige Regelungen zu treffen (vgl. Kafka 2022). Im Land Tirol sind demnach die Gleichbehandlungskommission, die Gleichbehandlungsbeauftragten und die Vertrauenspersonen zuständig. Diese Einrichtungen setzen sich folgende Ziele: die „Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die besondere Förderung von Frauen“ (Land Tirol 2023a), die Gleichbehandlung ohne Unterscheidung aufgrund verschiedener Faktoren (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung) sowie die „besondere Förderung von Menschen mit Behinderungen“ (Land Tirol 2023a). Im vorliegenden Beitrag liegt das Augenmerk auf den Gleichbehandlungsbeauftragten für die Landesverwaltung, Musikschulen und Konservatorium und die Landarbeiter und Landarbeiterinnen.
Die Gleichbehandlungsbeauftragten können sich mit allen Fragen befassen, die die Gleichbehandlung und Gleichstellung betreffen. Hierfür können sich Bedienstete für Fragen, Beschwerden und Anregungen an sie wenden. Auf Antrag einer bzw. eines Bediensteten führen sie Schlichtungsverfahren durch oder geben Gutachten bei der Gleichbehandlungskommission in Auftrag. Außerdem wirken sie beim sogenannten Frauenförderungsprogramm mit. Genauere Informationen zu den institutionellen Aufgaben finden sich in §§ 28, 42 und 46 des Landes-Gleichbehandlungsgesetzes.
Die Gleichbehandlungsbeauftragten haben keine Klageberechtigung, wie es bei den italienischen Gleichstellungsräten und -rätinnen der Fall ist. Allerdings können sie die genannten Anträge bei der Gleichbehandlungskommission stellen oder Disziplinaranzeige erstatten (vgl. Kafka 2022). Die fehlende Klageberechtigung wird zum Teil dadurch ausgeglichen, dass der bzw. die Gleichbehandlungsbeauftragte Mitglied beim Klagsverband ist. Dieser bietet Diskriminierungsopfern rechtliche Unterstützung an.13
In der Funktion als Antidiskriminierungsbeauftragter bzw. Antidiskriminierungsbeauftragte besteht ebenso eine Zuständigkeit für die besondere „Förderung von Menschen mit Behinderungen im Landesdienst“ (vgl. Land Tirol 2023a). Zusätzlich wird auch der Vorsitz im Tiroler Monitoringausschuss geführt (vgl. Land Tirol 2023b). Der Südtiroler Monitoringausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung ist nach dem Beispiel Tirols und den entsprechenden Erfahrungen aufgebaut (vgl. Morandini 2022b).
5. Vergleich, Fazit und Schlussbetrachtungen
In Italien sind die Gleichstellungsräte und -rätinnen vollumfassend für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die aufgrund des Geschlechts diskriminiert werden, zuständig. In Österreich wird, wie bereits erwähnt, nach der Art des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin unterschieden.
Innerhalb der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wird in Österreich jedoch nicht weiter nach Diskriminierungsgrund unterschieden, die Diskriminierung kann aufgrund des Geschlechts, der Hautfarbe, der sexuellen Orientierung usw. erfolgen. Die Gleichstellungsräte und -rätinnen in Italien sind ihrer ursprünglichen Ausrichtung nach ausschließlich für Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zuständig. Dies kann Schwierigkeiten bei Mehrfachdiskriminierungen bereiten. Dass der Diskriminierungsfaktor Geschlecht so eindeutig von anderen Diskriminierungsfaktoren abgegrenzt wird, hat unter anderem damit zu tun, dass Italien ein historisch und kulturell bedingtes Problem mit weiblicher Erwerbstätigkeit hat (vgl. Morandini 2022b).
In Österreich besteht dieses Problem der Zuständigkeitsabgrenzung bei Mehrfachdiskriminierungen nicht. Verschiedenste Institutionen setzen sich für Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz ein. Dies kann insofern von Nachteil für Betroffene sein, weil diese oft erst an die richtige Anlaufstelle gelangen müssen. Hierfür müssen häufig der Arbeitsvertrag und der rechtliche Aufbau des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin analysiert werden (vgl. Kafka 2022). Die Lage präsentiert sich in Österreich also insgesamt zersplitterter.
In Tirol sei man schon einen weiten Weg gegangen, stellt die Gleichbehandlungsbeauftragte des Landes Tirols, Mag.a Isolde Kafka, im Interview fest. Es sei ein „langjähriger Kampf“ (Kafka 2022) gewesen, bis man die Figur des bzw. der Gleichbehandlungsbeauftragten etabliert habe, jedoch zeige die Entwicklung der letzten Jahre, das dies mittlerweile erreicht worden sei. Kafka (2022) stellt auch fest, dass das Thema der Gleichbehandlung in den fast 25 Jahren ihrer Tätigkeit immer ernster genommen werde.
In Italien ist die Ernsthaftigkeit und Aufmerksamkeit für das Thema der Gleichbehandlung und die Figur des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin nicht in gleicher Weise angekommen. Michela Morandini und Matteo Borzaga sind sich in diesem Punkt einig und weisen beide in ihren jeweiligen Interviews darauf hin, dass stark zwischen den Autonomen Provinzen und der staatlichen Ebene differenziert werden müsse.
Im sonstigen Staatsgebiet funktioniere leider fast nichts, meint Borzaga (2022) im Interview („mi dispiace dire, ma non funziona quasi niente, a causa di questi problemi di implementazione“). Auch Morandini (2022b) kritisiert die Situation auf staatlicher Ebene stark.
Das Problem liege dabei nicht in der Gesetzgebung, die sehr fortschrittlich sei. Auch das Kompetenzprofil der Gleichstellungsräte und -rätinnen in Bezug auf Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts beinhalte sehr viel. Was nicht funktioniere, sei die Umsetzung und Anwendung der Gesetzgebung: Den Gleichstellungsräten und -rätinnen werden keine adäquaten Mittel zur Ausübung ihrer Tätigkeit zur Verfügung gestellt. Die staatlichen Fonds stünden oft nicht zur Verfügung und die Gleichstellungsrätinnen und -räte würden ihre Tätigkeit ehrenamtlich oder nur mit minimaler Entschädigung ausüben. Den territorialen Gleichstellungsräten und -rätinnen sei es deshalb nicht möglich, die vom Gesetz zugeschriebenen Zuständigkeiten auszuüben. Diese Tatsache drückt sich auch in den in Angriff genommenen Fällen aus: Auf dem gesamten Staatsgebiet wurden im Jahr 2020 1.078 Fälle bearbeitet, von welchen ungefähr 1/3 auf die Autonomen Provinzen Bozen und Trient fallen (jeweils rund 200 bzw. 100), die gemeinsam eine Million Einwohner und Einwohnerinnen haben. Und dies, obwohl es insgesamt 125 territoriale Gleichstellungsrätinnen und -räte gibt (vgl. Borzaga 2023b, 20).
Durch all dies lasse man die Figur „aushungern“, meint Michela Morandini (2022b), es sei eine „Augenauswischerei“. Man merke, dass die Figur stärker sei, wenn man sie angemessen entschädige. Matteo Borzaga (2022) spricht sogar von einer Verhöhnung („presa in giro“). Man müsse die Figur so ausstatten, dass sie wirksam arbeiten könne. Dies bedeute vor allem, die dafür nötigen Ressourcen in die Hand zu nehmen. Erst dann könne man ihr mehr Zuständigkeiten geben und z. B. vorschreiben, dass ein Teil der Tätigkeit verpflichtend den Beratungen gewidmet werden soll, wie es Matteo Borzaga (2022) vorschwebt. Der Gesetzgeber sollte also der Institution die nötige Aufmerksamkeit schenken und aufhören, sie zwar formal zu stärken, sie aber de facto mehr und mehr auszuhöhlen.
Die angesprochenen Problemfelder sind auf Ebene der Autonomen Provinzen nicht in der gleichen Weise ausgeprägt, wie auf den vorherigen Seiten dargestellt wurde, obwohl sich auch die Autonomen Provinzen voneinander unterscheiden. Die Figur des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin hat in den beiden Autonomen Provinzen eine eigene Entwicklung genommen und ist in Teilen anders ausgestaltet als auf dem restlichen italienischen Staatsgebiet. Sowohl Morandini (2022b) als auch Borzaga (2022) bewerten ihre individuellen Arbeitsbedingungen positiv und sind der Meinung, dass diese mitunter die besten auf dem Staatsgebiet seien.
Die Autonomen Provinzen Bozen und Trient nehmen also durchaus eine Vorreiterrolle ein und können als Vorbild dienen, um die Figur des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin auf dem gesamten Staatsgebiet umzugestalten. Als Beispiel dafür kann die mehrmals erwähnte Zuständigkeit für Mobbing am Arbeitsplatz genannt werden.
Im Bereich der Umstrukturierung muss auch auf die Thematik der Ombudsstelle eingegangen werden. Wie erwähnt, ist der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Bozen bereits per landesgesetzlicher Definition eine Ombudsstelle; der Gleichstellungsrat bzw. die Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Trient ist es de facto.
Matteo Borzaga (2023b, 22) schwebt jedoch vor, die Figur des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin auch auf staatlicher Ebene zu einer Ombudsstelle („organi di garanzia contro le discriminazioni“) umzubauen – als Anlaufstelle für alle von Diskriminierung betroffenen Personen, unabhängig vom Diskriminierungsfaktor im konkreten Fall. Dies wäre unter anderem auch bei vermehrt auftretenden Fällen von Mehrfachdiskriminierungen sinnvoll. Außerdem bestehe für Personen, die nicht aus Gründen des Geschlechts, sondern aufgrund anderer Faktoren diskriminiert werden, kein gleichwertiger Schutz (vgl. Borzaga 2023b, 22). Dieses Modell würde jenem entsprechen, dass im Land Tirol bereits besteht.
Eine solche Umstrukturierung erscheint erstrebenswert, wenn man die Figur des Gleichstellungsrates bzw. der Gleichstellungsrätin modernisieren und an neue Gegebenheiten anpassen will. Dies kann aber nur gelingen, wenn man das Verständnis ablegt, das Geschlecht als getrennten Diskriminierungsfaktor zu begreifen und ihn von anderen Diskriminierungsfaktoren getrennt zu regeln. Deshalb erscheint es wünschenswert, diese Trennung und damit in gewisser Weise auch ein binäres Geschlechterverständnis zu überwinden.14
Oft fängt es schon bei der Sichtbarkeit des Themas der Gleichbehandlung an. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan, die Gleichbehandlung ist ins Zentrum der gesellschaftlichen Diskussion gerückt. Dennoch ist es oft schwierig, sich ein klares Bild über die Situation der Frauen am Arbeitsplatz zu machen, da statistische Daten fehlen. Diese „Unsichtbarkeit“ wirkt paradox, wenn man bedenkt, dass die Arbeit im Allgemeinen und die Gleichbehandlung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Besonderen Einfluss auf (fast) jeden Aspekt des alltäglichen Lebens einer Person haben.
Auch die Sichtbarkeit der Gleichstellungsräte und -rätinnen fehlt im öffentlichen Diskurs, was sich unter anderem dadurch ausdrückt, dass vor allem zu den territorialen Gleichstellungsräten und -rätinnen wenig Literatur vorhanden ist. Dieser Umstand kann auf eine geringe Bekanntheit der Figur hindeuten. Auf jeden Fall fehlt die (rechts)wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Dazu kann der vorliegende Artikel einen (kleinen) Beitrag leisten.
Anmerkungen
2 Kundgemacht im Gesetzesanzeiger vom 31.05.2006, Nr. 125.
3 Kundgemacht im Bundesgesetzblatt vom 23. Juni 2004, Nr. 66.
4 Kundgemacht im Bundesgesetzblatt vom 15. März 1979, Nr. 38.
5 Kundgemacht im Bundesgesetzblatt vom 12. Februar 1993, Nr. 43.
7 Kundgemacht im Beiblatt Nr. 4 zum Amtsblatt vom 16. März 2010, Nr. 11.
8 Kundgemacht im Amtsblatt vom 15. Oktober 2020, Nr. 42.
9 Kundgemacht im Beiblatt 4 zum Amtsblatt vom 24. Juni 2021, Nr. 25.
10 Kundgemacht im Amtsblatt vom 19. Juni 2012, Nr. 25.
11 Kundgemacht im Amtsblatt vom 4. August 2021, Nr. 30, außerordentlich Nr. 3.
12 Kundgemacht im Amtsblatt vom 19. März 2013, Nr. 12.
13 Nähere Informationen zum Klagsverband unter: www.klagsverband.at (28.01.2024)
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Interviews
Interview mit dem Gleichstellungsrat der Autonomen Provinz Trient Matteo Borzaga am 25.11.2022
Interview mit der Gleichbehandlungsbeauftragten des Landes Tirol Isolde Kafka am 14.11.2022
Interview mit der Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Bozen Michela Morandini am 08.11.2022 (2022b)