Melanie Gross/Sophia Schönthaler
Der Landtagswahlkampf 2023 im Spiegel der Medien
Eine vergleichende Analyse von Dolomiten, Alto Adige und Salto.bz
The 2023 Provincial Election Campaign as Reflected in the Media:
A comparative analysis of Dolomiten, Alto Adige and Salto.bz
Abstract This study investigates the media coverage of the 2023 South Tyrolean provincial elections through an analysis of 609 articles from different newspapers (Dolomiten, Alto Adige) as well as from an online news portal (Salto.bz). Despite divergent topic covered in these publications, a notable convergence exists in the prioritization of key issues across the newspapers. The representation of women in the election discourse appears low, suggesting potential gender-related gaps in coverage. Additionally, while migration emerges as a significant theme, the analysis reveals a predominantly negative framing of the issue, indicating potential bias in reporting. These findings contribute to develop our understanding of media influence on public perceptions of politics during elections. The results emphasize the need for a more detailed analysis of thematic priorities and biases in major South Tyrolean media.
1. Einleitung
Am 22. Oktober 2023 wurde ein neuer Südtiroler Landtag gewählt. Die Monate zuvor waren geprägt von einem energiegeladenen und polarisierenden Wahlkampf. Dieser wurde nicht nur von den politischen Akteurinnen und Akteuren selbst, sondern auch von den Medien stark geprägt. Die Vielschichtigkeit der regionalen Identität spiegelte sich im Wettstreit um die politische Macht und den Gestaltungsspielraum in Südtirol wider. Auch die Bedeutung der medialen Präsenz im politischen Diskurs wurde in diesem Wahlkampf bekräftigt.
Die Rolle der Medien reicht weit über die bloße Berichterstattung hinaus. Sie beeinflussen die Wahrnehmung der Wählerschaft und prägen den öffentlichen Diskurs über politische Akteurinnen und Akteure sowie über relevante Themen.
Medien spielen im Wahlkampf eine entscheidende Rolle. Sie verbreiten Informationen über Positionen, Pläne und Persönlichkeiten der Kandidierenden sowie über politische Themen und Veranstaltungen. Die Medienformate sind heutzutage breit gefächert: angefangen von den traditionellen Printmedien über das Fernsehen bis hin zu den Online-Plattformen und sozialen Medien. Noch nie konnten sich Menschen so schnell und einfach Zugang zu Nachrichten und Informationen verschaffen wie jetzt. Medien fungieren also als Vermittelnde zwischen politischen Akteurinnen und Akteuren und der Bevölkerung. Sie können die öffentliche Meinung maßgeblich formen, den politischen Diskurs lenken und den Erfolg oder Misserfolg von Kandidierenden durch ihre Berichterstattung beeinflussen. Gleichzeitig sind sie aber auch selbst Ziel politischer Strategien, da Parteien und Anwärter/-innen des Landtags bestrebt sind, ihre Botschaften gezielt zu platzieren und ihre öffentliche Darstellung zu kontrollieren. Eine breite, kritische und ausgewogene Medienlandschaft ist daher entscheidend für eine objektiv informierte Wählerschaft und eine funktionierende Demokratie.
Dieser Artikel wirft einen vertiefenden Blick auf den Wahlkampf der Südtiroler Landtagswahlen 2023 und beleuchtet insbesondere die Schlüsselrolle, die der Presse dabei zukommt. Dafür wurden aus dem lokalen Angebot drei Medien ausgewählt. Diese wurden auf Wahlkampfthemen, auf die Sichtbarkeit von Parteien und Kandidierenden und auf den sprachlichen Rahmen untersucht. Dabei wurden besonders die Wahlkampfthemen Migration und Frauenpolitik näher beleuchtet. Eine kritische Analyse der genannten Dynamiken ist unerlässlich, um die Komplexität des Südtiroler Wahlkampfs aufzuzeigen und die Wechselwirkungen zwischen politischem Handeln und medialer Vermittlung zu entschlüsseln. Der Beitrag ergründet dabei folgende Fragen: Welche politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Themen standen im Fokus des Wahlkampfes? Gab es dabei Unterschiede zwischen Medien und Parteien? Wie wurden die Themen von den Medien aufgegriffen und behandelt? Wurden bestimmte Kandidierende in den Fokus gestellt? Wurde in der Berichterstattung eine geschlechterneutrale Sprache verwendet? Gab es Tendenzen zu positiver oder negativer Tonlage in Bezug auf die Themen Frauenpolitik und Migration? Wurden dabei Unterschiede zwischen Medien und Parteien deutlich?
Der erste Teil des Artikels gibt einen Überblick über die Südtiroler Medienlandschaft, die angewandte Methodik sowie eine Kurzbeschreibung der drei ausgewählten Medien. Im zweiten Teil werden die Studienergebnisse präsentiert. Dazu werden insbesondere die Wahlkampfthemen Frauenpolitik und Migration genauer thematisiert, da sie für die Autorinnen aufgrund ihrer Forschungsschwerpunkte von besonderem Interesse sind. Die Analyse zur Thematik Frauenpolitik und „Frauen in der Politik“ bietet Einblicke in die medialen Darstellungen und Diskussionen rund um die politische Gleichberechtigung der Geschlechter. Der Fokus auf Migration ermöglicht eine vertiefende Betrachtung der medialen Perspektiven über ein oft kontrovers diskutiertes gesellschaftliches Thema. Die Forschung zeigt auf, dass die mediale Darstellung der geschlechtlichen als auch ethnischen Minderheiten in der Politik maßgeblich die öffentliche Wahrnehmung prägt (vgl. Koikkalainen et al. 2022). Abschließend thematisiert der Artikel die Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit der Kandidierenden im medialen Diskurs.
2. Die Südtiroler Medienarena im Wahlkampfgeschehen
Die Medienlandschaft in Südtirol ist vielseitig und reflektiert die sprachliche sowie kulturelle Vielfalt der autonomen Provinz. Aufgrund der historischen und geografischen Gegebenheiten existieren sowohl deutsch- als auch italienischsprachige Medien und mit dem Zuwachs der Online-Medien wurde auch die Medienlandschaft in Südtirol bunter. Das Medienverzeichnis der Südtiroler Landesverwaltung zählt beispielsweise vier öffentliche Rundfunkanstalten, 20 Online-Medien, sechs überregionale Wochen- und Sonntagszeitungen, 18 private Hörfunkanstalten und vier Tageszeitungen (vgl. Autonome Provinz Bozen – Südtirol 2024). Die medialen Angebote teilen sich in etwa in gleichem Maße auf die beiden Sprachgruppen auf. So gibt es in Südtirol zum Beispiel neben zwei deutschsprachigen Tageszeitungen auch zwei italienischsprachige.
Im Allgemeinen ist die Berichterstattung stark lokal fokussiert, prägt somit beträchtlich das öffentliche Bewusstsein und den politischen Diskurs in Südtirol. Deshalb sind die redaktionellen Beiträge der Medien auch in Südtirol zentrale Komponenten eines jeden politischen Wahlkampfes, sowohl auf Landesebene als auch auf Gemeindeebene. Die Berichterstattung durch Tageszeitungen, Wochenzeitungen, TV, Radio und Online-Nachrichtenportale begleitet Parteien und Politiker/-innen, regt Diskussion über Problematiken in der Gesellschaft an und bestimmt über die Salienz verschiedener Kernthemen. Nicht zuletzt gestalten Medien so die politische Agenda mit. Die Forschung bezeichnet deshalb die Medien als Agenda-Setter (vgl. Fawzi 2014; Geiß/Schemer 2016).
Durch die Auswahl bestimmter Nachrichten setzen Medien ihre politische Agenda und beeinflussen somit, welche Thematiken und Fragestellungen im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Zu spezifizieren ist dabei, dass sie mit der Auswahl ihrer Berichterstattungsthemen nicht das Denken der Menschen selbst beeinflussen, sondern lediglich über welche gesellschaftlichen Angelegenheiten nachgedacht wird (vgl. McCombs 1977). Sie formen somit die Wahrnehmung und Prioritäten der Bevölkerung. Neben dem Agenda-Setting tragen Medien zum Framing bestimmter Thematiken bei. Framing bezieht sich auf die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden, um bestimmte Interpretationen und Perspektiven zu betonen. In Bezug auf die Medien bezeichnet Framing die bewusste Entscheidung von Journalistinnen und Journalisten Nachrichten zu präsentieren, um die Wahrnehmung eines Themas zu beeinflussen. Durch die Auswahl bestimmter Wörter, Bilder oder Betonungen können Medien die Bedeutung eines Ereignisses verstärken und die Wahrnehmung der Lesenden in eine bestimmte Richtung lenken (vgl. Koikkalainen et al. 2022). Framing ist daher ein Werkzeug, um die öffentliche Meinung zu formen und politische Diskussionen zu beeinflussen. Es kann dazu dienen, komplexe Probleme zu vereinfachen bzw. einzelne Themen aufzubauschen, Schwerpunkte zu setzen sowie bestimmte Narrative zu verstärken oder zu unterdrücken. Das Verständnis von Framing ist entscheidend, um die Vielfalt der Perspektiven in den Medien zu erkennen und kritisch zu hinterfragen, wie Informationen präsentiert werden (vgl. Geiß/Schemer 2016).
Der vorliegende Artikel befasst sich mit der Rolle der Medien als Agenda-Setter und analysiert gezielt das Framing in den ausgewählten Medien im Monat vor den Landtagswahlen 2023.
3. Methodik
Für die Wahlkampfanalyse der Landtagswahlen 2023 wurden drei verschiedene Südtiroler Medien ausgewählt. Bei den traditionellen Printmedien fiel die Wahl auf die „Dolomiten“ – die meistgelesene Tageszeitung unter der deutschsprachigen Bevölkerung – und auf die Tageszeitung „Alto Adige“ als Pendant für die italienischsprachigen Südtiroler/-innen. Die Zeitungen wurden in ihrer digitalen Version konsultiert. Um auch die Online-Medienlandschaft abzubilden, wählten die Autorinnen zudem das Nachrichtenportal „Salto.bz“, welches als erstes Online-Medium in Südtirol in den Landesprachen Deutsch und Italienisch berichtet.
Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf publizierte Artikel der genannten drei Medien im Monat vor den Wahlen, sprich im Zeitraum vom 22. September bis 22. Oktober 2023. Alle Artikel in dieser Zeitspanne wurden dabei anhand vorab bestimmter Schlüsselwörter gesammelt. Beispiele der gewählten Keywords sind:
Name der Partei
Landesregierung
Kandidierende
Name der Kandidierenden
Landtagswahl
Die selektierten Artikel wurden im Anschluss in eine Excel-Tabelle eingetragen und manuell kodiert. Das Datenset umfasst insgesamt 609 Artikel für den oben genannten Zeitabschnitt. Davon sind 407 Artikel aus der Tageszeitung „Dolomiten“, 137 aus der Tageszeitung „Alto Adige“ sowie 65 von „Salto.bz“. Die unterschiedliche Anzahl an Beiträgen je Medium wird in der Darlegung der Ergebnisse berücksichtigt.
Die Kodierung ist in zwei Themengebiete unterteilt. Das erste Themenfeld fokussiert sich auf die gendergerechte Sprache, die spezifischen Wahlkampfthemen und die in diesem Zusammenhang erwähnten Parteien und Kandidierenden. Dies ermöglichte die Identifikation und Bewertung sowohl der Themen als auch der Parteien und Kandidierenden, die während des Wahlkampfs in den Medien vermehrt Sichtbarkeit erhielten.
Der zweite Themenbereich der Kodierung konzentriert sich auf das Framing der Kandidierenden sowie auf die zwei speziell ausgewählten und analysierten Wahlkampfthemen: Frauenpolitik und Migration. Im Hinblick auf die Kandidierenden liegt der Fokus beispielsweise darauf, wie diese porträtiert werden. In politischen Debatten wird Framing oft verwendet, um bestimmte Politiker/-innen oder politische Maßnahmen in einem positiven oder negativen Licht zu präsentieren. In Bezug auf die Wahlkampfthemen Frauenpolitik und Migration wurden Unterthemen kategorisiert, um detailliertere Informationen zu erhalten. Im Zuge des Monitorings und des Kodierens der Fokusthemen wurde auch der positive und negative Kontext zum Thema festgehalten. Dies wurde anhand der verwendeten Sprache festgelegt. Beispielsweise wurde der Artikel mit „negativer Haltung“ kodiert, wenn Migration im Kontext von Unsicherheit und Kriminalität diskutiert wurde bzw. Kandidierende negative Haltungen zum Thema äußerten. Falls im Artikel sowohl negative als auch positive Aspekte hervorkamen, wurden die jeweiligen Passagen unterschiedlich kodiert und entweder dem Kode „positive“ bzw. „negative Haltung“ zugeordnet. Anschließend wurde mit Hilfe von Power Pivot eine quantitative Analyse durchgeführt.
3.1 Die gewählten Medien im Überblick
Wie erwähnt wurden für die Wahlkampfanalyse drei verschiedene lokale Medien aus Südtirol ausgewählt. Folgend werden sie anhand einer kurzen Beschreibung vorgestellt.
1. Die Tageszeitung „Dolomiten“
Die deutschsprachige Tageszeitung „Dolomiten“ ist die meistgelesene Zeitung Südtirols sowie die auflagenstärkste Lokalzeitung Italiens und gehört zur Verlagsanstalt Athesia. Mit einer durchschnittlichen täglichen Print-Auflage von ca. 46.200 Exemplaren (von Montag bis Samstag) und einem Leserkreis von maximal 210.000 Personen ist sie deutlicher Marktführer (vgl. Athesia Medien 2023). Die „Dolomiten“ wird nicht nur in Südtirol, sondern auch in den größeren Städten Mittel- und Norditaliens, in italienischen Urlaubsorten sowie in größeren bundesdeutschen Städten verkauft. Die Zeitung wurde 1923 begründet und ist demnach die erste deutschsprachige Tageszeitung Italiens. Sie erscheint sechsmal wöchentlich und publiziert zudem verschiedene Wochen- und Monatsbeilagen. Seit 2002 gibt es die „Dolomiten“ auch in digitaler Form. Sie zeichnet sich durch ihren starken regionalen Ansatz aus, nämlich mit lokalen Redaktionen und eigenen Bezirksseiten. Das Medium hat auch ein einzigartiges Community-Konzept und einen damit verbundenen Mehrwert für die Abonnentinnen und Abonnenten (beispielsweise südtirolweite Freikarten oder Rabatte). Darüber hinaus hat die „Dolomiten“ bereits mehrere Auszeichnungen des „European Newspaper Award“ erhalten.
Als älteste Tageszeitung Südtirols mit der größten Reichweite ist sie ein zentrales Instrument der Meinungsbildung in der politischen Landschaft Südtirols. Das Informationsmonopol der „Dolomiten“ innerhalb des deutschsprachigen Südtirols gab ab den 1970er-Jahren vermehrt Anlass für Kritik. Dies führte ab den 1980er-Jahren zur Gründung konkurrierender Wochen- und Tageszeitungen.
2. Die Tageszeitung „Alto Adige“
Den größten Anteil an der italienischsprachigen Leserschaft in Südtirol hat die Tageszeitung „Alto Adige“. Fast 8.000 Print-Kopien werden täglich verkauft und sie wird von 111.000 Interessierten gelesen (vgl. Manzoni Advertising 2024).
Die Tageszeitung „Alto Adige“ wurde 1945 vom Nationalen Befreiungskomitee gegründet, einer italienischen politischen und militärischen Organisation, die sich aus den wichtigsten antifaschistischen Parteien und Bewegungen des Landes zusammensetzte. Sie ist die erste italienischsprachige Tageszeitung in Südtirol und fungiert als Gegenpart zur „Dolomiten“. Ab 1958 gab die Tageszeitung „Alto Adige“ zwei deutschsprachige Seiten mit dem Namen „Deutsches Blatt“ heraus, die jedoch 1999 eingestellt wurden. Die Tageszeitung ist aktuell sowohl als Print- als auch als Online-Version erhältlich und erscheint sechsmal wöchentlich. Zusätzlich werden jährlich verschiedene Themenbeilagen veröffentlicht. Sie spielt eine wichtige Rolle in der medialen Landschaft der Provinz. Seit die Tageszeitung „Alto Adige“ 2016 von der Athesia Druck GmbH übernommen wurde, steht sie jedoch öfters der Kritik gegenüber, sie habe an meinungsbildender Bedeutung verloren.
3. Das Nachrichtenportal „Salto.bz“
„Salto.bz“ ist ein Nachrichten- und Communityportal in Südtirol. Die Website ist seit 2013 im Netz und ist das erste zweisprachige Südtiroler Online-Nachrichtenportal. Es bedient die deutsche und die italienische Sprachgruppe. „Salto.bz“ wurde von der Genossenschaft Demos2.0 gegründet, die auch als Herausgeber fungiert und mehr als 160 Mitglieder aufweist. Das Portal bietet Informationen, Analysen und Kommentare mit Schwerpunkt zu Politik, Wirtschaft, Umwelt und gesellschaftlichen Themen. Im Vordergrund der Berichterstattung steht die regionale Information, die durch Meldungen aus Italien und internationale Nachrichten ergänzt wird. „Salto.bz“ beschränkt sich nicht nur auf die passive Anwendung des Nachrichtenportals, sondern gibt angemeldeten Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit der Beteiligung an Diskussionen. Zudem erlaubt „Salto.bz“ den Nutzerinnen und Nutzern die Bereitstellung eigener Beiträge in Artikelform. Damit soll proaktiv Bürger/-innen-Journalismus in Südtirol gefördert werden. „Salto.bz“ zielt darauf ab, alternative Perspektiven und Nachrichten anzubieten und ist bekannt für seine kritische Berichterstattung über lokale Angelegenheiten. Mittlerweile kann das Portal jährlich ca. 15 Millionen Seitenaufrufe und rund 2,3 Millionen Userinnen und User verbuchen (vgl. Salto.bz 2020; 2024).
4. Der Landtagswahlkampf 2023 in den Medien: Analyse und Ergebnisse
4.1 Die Top-Themen im medialen Diskurs
Die Analyse der vorherrschenden Themen im Wahlkampf der Landtagswahlen 2023 basiert auf der Auswertung von insgesamt 593 Artikeln in den ausgewählten Medien „Dolomiten“, „Alto Adige“ und „Salto.bz“. Die kodierten Artikel betreffen die Thematik der Wahlkampfthemen und bilden die Grundlage aller weiteren Analysen. Diese umfangreiche Datenbasis ermöglichte es, die Schwerpunkte und Trends im Wahlkampfgeschehen umfassend zu erörtern. Das Spektrum der Themen in den betrachteten Artikeln spiegelt die breite Palette von Anliegen und Interessen wider, die die Bevölkerung in dieser entscheidenden Phase vor der Landtagswahl bewegten. Welche waren nun die zentralen Themen, die die mediale Berichterstattung dominierten?
Abb. 1: Die fünf Top-Wahlkampfthemen in „Dolomiten“, „Alto Adige“ und „Salto.bz“ (n = 593)
Quelle: Eigene Erhebung, Eurac Research
Die Landtagswahl war das dominierende Thema in den Medien im Zeitraum vom 22. September bis 22. Oktober 2023: die politischen Parteien präsentierten ihre Programme und Kandidierenden, Medien veröffentlichten Meinungsumfragen und Analysen. Von den 593 Artikeln thematisierten 104, somit ca. 18 Prozent, die Landtagswahl an sich, beispielsweise wurden dabei mögliche Wahlausgänge oder potentielle Wahlsieger oder -verlierer diskutiert.
Ein weiteres zentrales Wahlkampfthema war die Migration – knappe 10 Prozent der analysierten Artikel (57 von 593) behandelten das Thema. Die Diskussion um die Integration von Migrantinnen und Migranten, die Asylpolitik und mögliche Veränderungen in diesem Bereich prägten die Schlagzeilen. Dabei spielten sowohl lokale Ereignisse wie das Abschiebezentrum in Bozen, als auch nationale Geschehen, wie die steigenden Asylzahlen in Italien, eine entscheidende Rolle.
Das Thema Gesundheit und Sanität war ebenso medial präsent. Debatten über die Gesundheitspolitik, den Zugang zu medizinischer Versorgung und die Qualität des Sanitätssystems in der Provinz standen dabei im Fokus von 9 Prozent der Artikel (55 von 593).
In weiteren 9 Prozent (51 von 593) der Beiträge war Mobilität ein Thema. Im Vordergrund standen dabei Diskussionen über den Ausbau von Verkehrsinfrastrukturen, den öffentlichen Nahverkehr und alternative Mobilitätskonzepte.
Als wichtig wurden auch der Wohnraum in Südtirol und das leistbare Wohnen empfunden. In etwa 7 Prozent der Artikel wurden primär der fehlende Wohnraum sowie die steigenden Preise diskutiert (44 der 593 Artikel).
Die viel debattierten Themen in den Tageszeitungen „Dolomiten“ und „Alto Adige“ und auf „Salto.bz“ spiegeln die Bandbreite der Herausforderungen und Interessen unserer Gesellschaft wider. Sowohl für die Medien als auch für die Kandidierenden war es entscheidend, die verschiedenen Bedürfnisse der Bevölkerung bestmöglich zu adressieren.
Das Fokusthema Frauenpolitik schaffte es nicht in die Top-Fünf Themen und reihte sich mit 6 Prozent aller kodierten Artikel auf Platz sechs ein. Während die oben genannten Themenergebnisse die Berichterstattung aller drei Medien umfasst, ergibt die getrennte Analyse ein detaillierteres Bild.
Die drei Medien setzten also teilweise andere thematische Schwerpunkte und gaben diesen somit verschiedene Wichtigkeit und folglich unterschiedliche Präsenz und Sichtbarkeit. Sie platzierten damit ihre politische Agenda und beeinflussten die Debatten bei der Bevölkerung. Einzig das Thema Landtagswahl fand sich in allen drei Medien in der Liste der drei Hauptthemen wieder. Da es sich bei der hier präsentierten Analyse um die Berichterstattung im Monat vor der Landtagswahl handelt, ist dies jedoch nicht überraschend.
Im folgenden Teil des Artikels wird nun ein genauerer Blick auf die zwei spezifisch behandelten Themen Migration und Frauenpolitik geworfen. Es wird erörtert, wie diese im medialen Diskurs dargestellt und diskutiert wurden.
4.2 Themenlupe: Frauenpolitik
Unter Frauenpolitik werden politische Maßnahmen und Strategien verstanden, die darauf abzielen, die Rechte, Interessen und die Gleichstellung von Frauen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft zu fördern. Dies umfasst Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Chancengleichheit, Frauenrechte und die Beseitigung der Geschlechterdiskriminierung.
Frauenpolitik spielt im politischen Tagesgeschäft nur selten eine Rolle (mit Ausnahme in Zeiten der Pandemie). Im ersten Landtags-Wahlkampf nach der Coronakrise war es nicht anders.
Von einer Gesamtzahl von 593 relevanten Artikeln im Monat vor den Landtagswahlen widmeten sich 38 Beiträge dem Thema Frauenpolitik. Dabei richtete sich knapp ein Drittel dieser Medienaufmerksamkeit der Gewalt gegen Frauen. Grund dafür waren die in dieser Zeit aktuellen Vorfälle von Gewalttaten an Frauen sowie Femizide in Südtirol und im restlichen Italien. In 14 Berichten wurde die wirtschaftliche, politische oder soziale Gleichstellung der Frauen thematisiert. In sechs Fällen wurde die letzthin viel diskutierte Kinderbetreuung und die damit verbundene Forderung nach besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen. Themen wie der Gender-Gap oder die Geschlechterquote waren im Wahlkampf kaum vorhanden bzw. wurden nur am Rande angeschnitten.
Betrachtet man die drei analysierten Medien getrennt, stellt man fest, dass die Tageszeitung „Dolomiten“ 79 Prozent der Artikel über Frauenpolitik schrieb. Dabei ging es spezifisch um Gewalt an Frauen, Geschlechtergleichstellung und Vereinbarkeit bzw. Kinderbetreuung. Setzt man diese Zahl jedoch in Relation zu den gesamten kodierten Beiträgen der „Dolomiten“, umfasste das Thema Frauenpolitik lediglich 8 Prozent der Berichterstattung.
In der Tageszeitung „Alto Adige“ und auf dem Nachrichtenportal „Salto.bz“ wurden im genannten Zeitraum zum Thema jeweils vier Artikel publiziert. Hierbei wurden die Gewalttaten an Frauen und die Unvereinbarkeit aufgegriffen.
Neben den unterschiedlichen Inhalten zum Thema Frauenpolitik kann auch die Tonlage in den Artikeln stark variieren. Einige waren positiv konnotiert, indem sie Fortschritte und Erfolge in der Frauenpolitik hervorhoben. Andere hingegen zeigten einen negativen Kontext auf, der auf Diskriminierung oder auf unterschiedliche Herausforderungen hinwies.
In 63 Prozent der Fälle wurden die im Artikel behandelten Themen in einem positiven Licht dargestellt. Dies vor allem beim Thema der wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Chancengleichheit sowie der Vereinbarkeit. In ablehnendem und verwerflichem Zusammenhang standen die Gewalttaten gegen Frauen. Die Geschlechterquote wurde sowohl positiv als auch negativ dargestellt. Die insgesamt vier Berichte in der Tageszeitung „Alto Adige“ waren allesamt negativ konnotiert, bei „Salto.bz“ war die Tonlage hingegen ausgeglichen.
Und welche Parteien beschäftigten sich im Wahlkampf mit dem Thema Frauenpolitik? In absoluten Zahlen betrachtet konnten 20 der 38 Beiträge keiner Partei zugeordnet werden. In neun Artikeln war die Südtiroler Volkspartei (SVP) vertreten. Der prozentuelle Anteil der Südtiroler Volkspartei an Berichten zum Wahlkampfthema Frauenpolitik betrug also knapp 24 Prozent. Dahinter folgten das Team K und die Grünen mit einem Anteil von knapp 8 Prozent. Die Freiheitlichen, die Süd-Tiroler Freiheit und die Lega schlossen sich mit jeweils 5 Prozent an.
Setzt man die Anzahl der „Artikel zum Thema Frauenpolitik nach Parteien“ in Relation zu den „gesamten kodierten Berichten nach Parteien“ ergibt sich jedoch folgendes Bild: Demnach setzte sich das Team K während des betreffenden Monats vor den Landtagswahlen am meisten für die Frauenbelange, insbesondere für die wirtschaftliche, politische und soziale Gleichstellung, ein. Diesem folgten die Grünen, die Freiheitlichen, die Süd-Tiroler Freiheit und die Südtiroler Volkspartei. Dabei stand bei den Freiheitlichen und bei der Süd-Tiroler Freiheit vor allem das Thema Vereinbarkeit und Gewalt an Frauen im Mittelpunkt. Der negative und positive Kontext zum Thema war im Allgemeinen bei allen Parteien ausgeglichen.
Einige Kandidierende der Landtagswahlen sind in Südtirol bereits für ihre engagierte Auseinandersetzung mit dem Thema Frauenpolitik bekannt. Doch welche erhielten auch im Rahmen der medialen Berichterstattung Sichtbarkeit? 55 Prozent (21 Berichte) der analysierten Artikel wurden in den drei Medien ohne konkreten Bezug auf einen Landtagskandidaten bzw. eine Landtagskandidatin veröffentlicht. Diesen folgte Arno Kompatscher in sechs Artikeln teils mit Zitaten und Foto. Als Landeshauptmann, Landesrat für Wirtschaft und Landesrat für Chancengleichheit war er in allen drei Medien hauptsächlich zu den Themen Gender-Gap und politische Gleichstellung zu Wort gekommen. Auf ihn folgte Waltraud Deeg. Weitere 18 Kandidierende wurden in der medialen Berichterstattung zum Thema Frauenpolitik nur einmal angeführt.
Im Kontext Frauenpolitik waren 70 Prozent der erwähnten Kandidierenden weiblich. Das beweist einmal mehr, dass die Thematik noch immer Frauenthema ist und somit noch lange nicht als Gesellschaftspolitik bei Politikerinnen und Politikern, Journalistinnen und Journalisten sowie der Bevölkerung angekommen ist. Dies hat wiederum zur Folge, dass auch Parteien in ihren Wahlprogrammen wenig mit Frauenthemen werben. Denn immerhin sind knapp 50 Prozent der Wahlberechtigten in Südtirol Männer.
Auch im Wahlkampf wurde also der Diskriminierung und den Herausforderungen des weiblichen Geschlechts immer noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Frauenpolitik ist nach wie vor als Wahlkampfthema zu wenig attraktiv.
4.3 Themenlupe: Migration
Im untersuchten Zeitraum wurden in den drei Medien insgesamt 57 Artikel veröffentlicht, welche sich mit dem Thema Migration auseinandersetzten. Das entspricht in etwa 10 Prozent aller analysierten Beiträge. Es zeigt sich somit, dass das Thema sehr wohl angesprochen wurde, jedoch nicht den medialen Diskurs dominierte. Im Kontext der Migration wurden dabei unterschiedliche Unterthemen behandelt, wie beispielsweise das Abschiebezentrum in Bozen (in 51 Prozent der Artikel zu Migration) oder die Thematik Kriminalität und Sicherheit (in 39 Prozent der Artikel). Dabei standen besonders Südtirols Städte im Fokus des Geschehens. Thematiken, welche die Integration bzw. Inklusion von Personen mit Migrationshintergrund betreffen, wurden im Wahlkampf so gut wie gar nicht angesprochen (in 6 Prozent der Artikel).
Bereits die ersten Analysen deuteten darauf hin, dass Migration insbesondere im Kontext negativer Berichterstattung vorkam. Weitere Untersuchungen zeigten auf, dass Migration ein Wahlkampfthema war, zu welchem sich viele der wahlwerbenden Parteien äußerten und es damit nicht nur bei konservativen Parteien Erwähnung fand. Zum Thema Migration wurden zwölf der insgesamt 16 Parteien medial genannt. Die Partei mit der höchsten Sichtbarkeit war dabei die SVP, die in insgesamt 20 Artikeln angeführt wurde. Dies entspricht etwa 35 Prozent der kodierten Beiträge zu Migration. An zweiter Stelle folgte die Lega, welche zwölfmal Erwähnung fand. Ebenso mischten unter anderem der Partito Democratico (PD; zehn der 57 Artikel) sowie die Süd-Tiroler Freiheit (neun der 57 Artikel) mit. Im Detail zeigt sich beispielsweise, dass bis auf vier Listen (Jürgen Wirth Anderlan, Enzian Südtirol, Team K und Für Südtirol mit Widmann) alle Parteien zum Thema Abschiebezentrum Stellung nahmen. Bei der getrennten Betrachtung der drei Medien stellt man fest, dass das geplante Abschiebezentrum in der Berichterstattung von „Alto Adige“ (neun von zwölf Artikeln) und „Salto.bz“ (neun von 16 Artikeln) das zentrale Thema im Migrations-Kontext war. In der Tageszeitung „Dolomiten“ standen indessen Kriminalität und Sicherheit (13 von 29 Artikel) an erster Stelle.
Die Tonlage der Medienberichte wurde auch zum Thema Migration überprüft. Medien beeinflussen den öffentlichen Diskurs und die Haltung der Gesellschaft gegenüber Migration: wird positiv über das Thema berichtet, ist auch die Haltung der Bevölkerung optimistischer. Dasselbe Prinzip gilt für negative Berichterstattung. Dies wird in wissenschaftlichen Studien bestätigt (vgl. Eberl et al. 2018). Wenn man nun die drei ausgewählten Medien im Hinblick auf diesen Aspekt durchleuchtet, zeigt sich, dass die Artikel mehrheitlich eine negative Haltung einnahmen: nämlich 50 der 57 Artikel (also fast 90 Prozent) thematisierten Migration aus einer negativen Perspektive, wie beispielsweise im Kontext von Kriminalität und Unsicherheit. Schaut man sich die drei Medien getrennt an, zeigt sich ein vergleichbares Bild: Von den 16 Artikeln, die im analysierten Zeitraum auf „Salto.bz“ erschienen sind, thematisierten 14 negative Aspekte von Migration, dies entspricht über 80 Prozent. Ähnlich war es bei den Tageszeitungen „Alto Adige“ (in über 90 Prozent der Artikel wurden negative Aspekte betont) und „Dolomiten“ mit ebenfalls fast 90 Prozent (25 von 29 Artikel).
4.4 Kandidierende in der medialen Berichterstattung
Nach der Analyse der dominierenden Wahlkampfthemen beschäftigt sich dieser Teil spezifisch mit der medialen Sichtbarkeit der einzelnen Kandidierenden und den daraus resultierenden Geschlechterunterschieden in der Medienpräsenz. Die Missverhältnisse der Sichtbarkeit von Politikerinnen und Politikern in den Medien, sowie die bestehenden Geschlechterungleichheiten in der Berichterstattung wurden international von der Forschung belegt. Eine Studie von Norris und Lovenduski (1995) zeigt beispielsweise, dass männliche Politiker in den Medien tendenziell präsenter sind als ihre weiblichen Kolleginnen. Dieses Ungleichgewicht wird als Gender-Media-Gap bezeichnet und kann die öffentliche Wahrnehmung und politische Partizipation beeinflussen (vgl. Lengauer et al. 2012). Auch die Ergebnisse dieser Analyse bestätigen, dass die Landtagskandidaten in den Medien präsenter waren als die weiblichen Kolleginnen.
Von den insgesamt 489 Frauen und Männern, die bei den Landtagswahlen 2023 angetreten sind, wurden 242 in den Tageszeitungen „Dolomiten“ und „Alto Adige“ oder auf „Salto.bz“ zumindest einmal genannt. 41 Prozent der Kandidierenden auf den Wahllisten waren weiblich und 38 Prozent der in den Artikeln zumindest einmal genannten 242 Personen waren Frauen. So scheint die Berichterstattung im Verhältnis zu den kandidierenden Frauen als ausgewogen. Dem ist aber nicht so wenn man die Häufigkeit der Beiträge betrachtet, in denen die jeweiligen Landtagsanwärter/-innen Sichtbarkeit erhielten.
In Anbetracht seiner politischen Rolle ist die Reihung von Landeshauptmann Arno Kompatscher auf dem ersten Platz der sichtbarsten Kandidierenden – sowohl in den Tageszeitungen „Dolomiten“ und „Alto Adige“ als auch auf „Salto.bz“ – wenig überraschend.
Gefolgt wurde Arno Kompatscher in den vorderen Rängen von hauptsächlich männlichen Mitbewerbern: Weder in der Tageszeitung „Dolomiten“ noch in der Tageszeitung „Alto Adige“ befand sich in der Liste der fünf Meistgenannten eine Frau. Das zeigt, dass auch in Südtirol der Gender-Media-Gap relevant ist. Bei „Salto.bz“ reihten sich auf Platz zwei mehrere Kandidierende ein: nämlich vier Männer und drei Frauen.
In der Liste der Top-Fünf der beiden Tageszeitungen reihten sich hinter Landeshauptmann Arno Kompatscher einige Landesräte der letzten Legislatur, wie zum Beispiel Philipp Achammer, Arnold Schuler, Thomas Widmann oder Giuliano Vettorato. Zwei der sichtbarsten Kandidaten in der Berichterstattung der Tageszeitung „Alto Adige“, nämlich Marco Galateo und Christian Bianchi, sind nun auch Teil der neuen Landesregierung.
Wie vorhin erwähnt, folgten auf dem Nachrichtenportal „Salto.bz“ neben vier Männern auch drei Frauen auf dem zweiten Platz der meistgenannten Kandidierenden, nämlich Waltraud Deeg (SVP), Madeleine Rohrer (Grüne) und Sabine Zoderer (Die Freiheitlichen).
Münzt man die mediale Sichtbarkeit der Landtagswahlkandidierenden auf die Parteizugehörigkeit um, bestätigt die Analyse, dass die Tageszeitung „Dolomiten“ als Sprachrohr der Südtiroler Volkspartei gilt: vier der fünf Männer sind Vertreter der Südtiroler Volkspartei. In der Berichterstattung der Tageszeitung „Alto Adige“ fanden sich mehrere Parteien in der Top-Fünf-Liste, nämlich die Südtiroler Volkspartei, Fratelli d‘Italia (FdI), Lega, La Civica und Forza Italia. Auch in den Beiträgen des Nachrichtenportals „Salto.bz“ war die Parteienlandschaft der vorderen Plätze bunter und reicht unter anderem von der SVP über die Süd-Tiroler Freiheit und Lega bis hin zu den Grünen und dem Partito Democratico.
Ein prozentualer Vergleich zeigt: In 21 Prozent der analysierten Artikel war Arno Kompatscher namentlich genannt. Er ist wie erwähnt Spitzenreiter. Ihm folgte Philipp Achammer mit 10 Prozent. Brigitte Foppa schaffte es auf Platz eins bei den Frauen und erreichte im Unterschied aber gerade mal 4 Prozent.
76 Personen der vorhin angesprochenen 242 sichtbaren Landtagsanwerberinnen und -anwerber wurden nur einmal genannt. Dies entspricht 31 Prozent.
Nun zum Geschlechterungleichgewicht und zum Gender-Media-Gap: von 593 kodierten Artikeln, in denen es um verschiedene Wahlkampfthemen geht, wurden in lediglich 8 Prozent nur Kandidatinnen angeführt. Nur Männer hingegen wurden in 60 Prozent der Artikel erwähnt. Sowohl Kandidatinnen als auch Kandidaten kamen in 16 Prozent der Beiträge vor. In weiteren 16 Prozent der Artikel wurden keine Personen namentlich genannt.
Gründe für das Ungleichgewicht können sein: Erstens, weil es in der letzten Legislatur mehr männliche Landesräte gab als weibliche und Politiker/-innen der Landesregierung wohl mehr mediale Aufmerksamkeit erhalten. Zweitens hatten die Parteien mehr männliche Spitzenkandidaten als weibliche. Auch diese stehen gewohnheitsgemäß häufiger im Rampenlicht. Zudem kann die mediale Auswahl darauf zurückzuführen sein, dass bestimmte Politiker als „schlagzeilenträchtiger“ betrachtet werden. Nichtsdestotrotz ist der Gender-Media-Gap mehr als beachtlich. Das weibliche Geschlecht war mit einer Sichtbarkeit von nur 24 Prozent aber einem Kandidatinnen-Anteil von 41 Prozent klar unterrepräsentiert.
Eine getrennte Bewertung der drei Medien lässt erkennen, dass das Nachrichtenportal „Salto.bz“ einen frauenfreundlicheren Journalismus betrieb. Dort wurden nur Kandidatinnen in 23 Prozent der Berichte erwähnt und sowohl Frauen als auch Männer in 6 Prozent der Fälle. Das ergibt eine mediale weibliche Sichtbarkeit von insgesamt 29 Prozent.
4.5 Sprachbewusstsein: Gendern in den drei Medien
Als geschlechtergerechte Sprache bezeichnet man den Sprachgebrauch, der die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und darüber hinaus aller Geschlechter zum Ziel hat und damit die Gleichstellung der Geschlechter in gesprochener und geschriebener Sprache zum Ausdruck bringt. Dabei gilt es, die maskuline Form im Plural – das generische Maskulinum – als Verallgemeinerung für Personen aller Geschlechter zu vermeiden. Die gendergerechte Sprache bezieht sich somit auf den Gebrauch von Ausdrücken und Formulierungen, die geschlechtsneutrale oder geschlechtergerechte Alternativen bieten.
Die Analyse zeigt, dass 56 Prozent der 593 kodierten Beiträge in der finalen Phase des Wahlkampfes im generischen Maskulinum geschrieben wurden. Kandidatinnen verschiedener Parteien wurden beispielsweise mit ihren männlichen Mitbewerbern schlichtweg verallgemeinernd als „Kandidaten“ bezeichnet und demzufolge, sowohl in Texten als auch in Titeln, unsichtbar. In 2 Prozent der Artikel wurde das generische Maskulinum auch im Singular verwendet, beispielsweise in Textstellen wie diesen: „Bei Punktegleichheit ist der jüngere Kandidat zu bevorzugen“. Bei den restlichen 41 Prozent konnte keine sprachliche Geschlechterdiskriminierung festgestellt werden, da entweder keine personenbezogenen Bezeichnungen verwendet oder diese geschlechtsneutral ausgedrückt wurden.
Tab. 3: Gendergerechte Sprache in den drei Medien (n = 593)
Gendergerechte |
Alto Adige |
Dolomiten |
Salto |
Gesamtergebnis |
generisches Maskulinum im Plural |
95 (73,08%) |
208 (52,26%) |
29 (44,61%) |
332 (55,99%) |
ja |
30 (23,08%) |
183 (45,98%) |
33 (50,77%) |
246 (41,48%) |
Maskulinum im Singular |
5 (3,85%) |
7 (1,76%) |
3 (4,61%) |
15 (2,53%) |
Quelle: Eigene Erhebung, Eurac Research
Auffallend ist, dass weder die Tageszeitungen „Dolomiten“ und „Alto Adige“ noch das Nachrichtenportal „Salto.bz“ beim Gendern eine einheitliche Linie aufweisen. Bei der italienischsprachigen Tageszeitung wurde in 23 Prozent der analysierten Artikel eine geschlechtergerechte Ausdrucksweise verwendet. Bei der Tageszeitung „Dolomiten“ lag der Prozentanteil bei 46. „Salto.bz“ schnitt mit 51 Prozent im Vergleich am besten ab.
Ebenfalls untersucht wurde, ob die Anwendung der gendergerechten Sprache einen Zusammenhang mit den Themeninhalten aufweist. Das Ergebnis zeigt: Bei redaktionellen Artikeln, in denen es um das Wahlkampfthema Frauenpolitik ging, wurde am fleißigsten gegendert. Diese Berichte weisen mit 63 Prozent die höchste Prozentzahl an geschlechterneutralen Formulierungen auf. Journalistinnen und Journalisten reagieren bei frauenbezogenen Themen auf Geschlechtergleichstellung wohl sensibler und geben sich mit dem Schreibstil etwas mehr Mühe. Jedoch ist auch zu bedenken, dass bei dieser Thematik hauptsächlich über Frauen gesprochen wurde und weniger über beide Geschlechter. Dabei ist es für Berichterstatter/-innen einfacher und das Gendern erübrigt sich bzw. wird weniger angewandt.
5. Schlussgedanken
Die Ergebnisse belegen, dass die drei Medien – jedes in seiner Eigenheit – als Agenda-Setter fungieren und damit die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen können. Das zeigt sich sowohl bei der Auswahl ihrer Berichterstattungsthemen, in der Art und Weise der Darlegung als auch in Verbindung mit der medialen Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit der verschiedenen Parteien und deren Kandidierenden. So ist beispielsweise auffallend, dass die vier meistgenannten Wahlkampfkandidaten der Tageszeitung „Dolomiten“ aus den Rängen der SVP stammen. Die Relevanz des Framing wird insbesondere bei der Analyse der zwei Fokusthemen Migration und Frauenpolitik deutlich.
Die Berichterstattung beleuchtet das Thema Migration vermehrt aus einer kritischen Blickrichtung. Negative Thematiken stehen dabei im Vordergrund, denn de facto wurde Migration direkt oder indirekt zumeist mit Un(sicherheit) in Verbindung gebracht, ebenfalls waren Parteien bzw. Kandidierende mit negativer Haltung zu Migration viel präsenter als jene, die eine andere Haltung zum Thema einnahmen. Dieses einseitige Narrativ kann maßgeblich die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen und dazu beitragen, Stereotype und negativ konnotierte Ansichten über Migrantinnen und Migranten zu verstärken. Der Erfolg der rechten Parteien, insbesondere der Südtiroler Freiheit, die das Thema Migration zu ihrem Steckenpferd im Wahlkampf machten, kann möglicherweise auch darauf zurückgeführt werden. Inwieweit die Südtiroler Wählerschaft aber nun wirklich von der Berichterstattung beeinflusst wird, wäre durch Umfragen festzustellen.
Auch bei der Auseinandersetzung mit dem Fokusthema Frauenpolitik zeigt sich Bedarf an Veränderung. Die seltenen Beiträge zum Thema weisen darauf hin, dass verstärkte Bemühungen notwendig sind, um eine ausgewogenere und vielfältigere Darstellung der Thematik zur wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gleichstellung sicherzustellen. Gleicherweise müssen Kandidatinnen mehr an Sichtbarkeit erlangen, denn der Gender-Media-Gap ist mehr als beachtlich: mit nur 24 Prozent an medialer Präsenz aber einem Kandidatinnen-Anteil von 41 Prozent waren Frauen im Wahlkampf deutlich unterrepräsentiert.
Die vorliegende Studie trägt dazu bei, die Auswirkungen der Agenda-Setter auf die Meinungsbildung der Gesellschaft aufzuzeigen und diese Thematik (auch in Südtirol) weiter zu vertiefen und zu erforschen. Zukünftige Forschung kann sich dabei sowohl umfangreicher mit der Südtiroler Medienlandschaft auseinandersetzten oder den Einfluss auf die Meinungsbildung der Leserschaft näher durchleuchten.
Literaturverzeichnis
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Fawzi, Nayla (2014), Chronisten, Agenda-Setter oder Politikmacher? Der Einfluss der Medien im politischen Prozess, in: Zeitschrift für Politik, 61(4), 437 – 460
Geiß, Stefan/Schemer, Christian (2016), Frames – Framing – Framing-Effekte: Theoretische und methodische Grundlegung des Framing-Ansatzes sowie empirische Befunde zur Nachrichtenproduktion, in: Potthoff, Matthias (Hg.), Schlüsselwerke der Medienwirkungsforschung, Wiesbaden: Springer Fachmedien, 309 – 322
Koikkalainen, Sara/Pyrhönen, Niko/Wahlbeck, Östen (2022), Die öffentliche Meinung über Migration und die Rolle der Medien im Kontext der „Europäischen Flüchtlingskrise“, in: Jochen, Franzke/José, Ruano de la Fuente (Hg.), Politik zur lokalen Integration von Migranten, Cham: Springer, 307 – 333
Lengauer, Günther/Esser, Frank/Berganza, Rosa (2012), Negativity in Political News: A Review of Concepts, Operationalizations and Key Findings, in: Journalism, 13(2), 179 – 202
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Salto.bz (2024), Was ist Salto? https://salto.bz/de/saltodescription (23.01.2024)
Tab. 1: Die drei Hauptthemen in „Dolomiten“, „Alto Adige“ und „Salto.bz“ (n = 593)
Dolomiten |
Alto Adige |
Salto.bz | |
1. |
Landtagswahl |
Landtagswahl |
Migration |
2. |
Mobiltät |
Wohnraum/leistbares Wohnen |
Landtagswahl |
3. |
Gesundheit |
Migration |
Gesundheit/Sanität |
Abb. 2: Die Parteien und das Thema Frauenpolitik (n = 38)
Quelle: Eigene Erhebung, Eurac Research
Abb. 3: Wahlkampfunterthemen zu Migration (n = 57)
Quelle: Eigene Erhebung, Eurac Research
Tab. 2: Die sichtbarsten Kandidierenden in den drei Medien (n = 593)
Dolomiten |
Alto Adige |
Salto.bz |
1. Arno Kompatscher (SVP) |
1. Arno Kompatscher (SVP) |
1. Arno Kompatscher (SVP) |
2. Philipp Achammer (SVP) |
2. Marco Galateo (FdI) |
2. Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), Masimo Bessone (Lega), Waltraud Deeg (SVP), Filippo Maturi (Centro Destra), Madeleine Rohrer (Grüne), Sabine Zoderer (Die Freiheitlichen), Elio Dellantonio (PD) |
3. Arnold Schuler (SVP) |
3. Giuliano Vettorato (Lega) | |
4. Luis Walcher (SVP) |
4. Angelo Gennacaro (La Civica) | |
5. Thomas Widmann (Für Südtirol mit Widmann) |
5. Philipp Achammer (SVP), Christian Bianchi (Lega), Carlo Vettori (Forza Italia) |
Quelle: Eigene Erhebung, Eurac Research