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Aaron Gottardi

Social Südtirol

Der Südtiroler Landtagswahlkampf 2023 auf Instagram und Facebook. Ein Vergleich zwischen Südtiroler Volkspartei und Süd-Tiroler Freiheit

The South Tyrolean Regional Election Campaign 2023 on Instagram and Facebook. A Comparison between SVP and Süd-Tiroler Freiheit

Abstract This study analyzes the social media campaigning of political parties in the South Tyrolean regional election. It focuses on comparing the strategies of the South Tyrolean People’s Party (SVP) and the South Tyrolean Freedom (STF), as both parties not only represent the winners and losers of the election but also pursue different social media strategies. The analysis aims to understand how Facebook and Instagram were utilized during the campaign,  encompassing content, presentation formats, and language. It was found that no party fully exploits the communication potential, with the STF being highlighted as the only true social media party.

The STF demonstrates a successful social media strategy, particularly on Instagram and  TikTok, where Reels play a key role. The party mobilizes a strong digital community, especially among young voters, with clear messages and easily understandable communication. However, the analysis also raises ethical concerns, as the STF polarizes topics such as migration and foreigner violence. Hate speech on their platforms also goes unmoderated.

In contrast, the SVP present a weak social media performance. The party does not effectively utilize Reels, often publishes uninspiring content and shows little willingness for dialogue. The article emphasizes the need for the SVP to rethink its social media strategy in the future and actively engage in a stronger dialogue with the population. The analysis concludes with a call for liberal forces to increase their presence on social media platforms to counteract populist movements.

1. Einleitung

Die Social-Media-Kommunikation von Parteien und Politiker/-innen im Rahmen von Wahlkämpfen ist immer wieder Gegenstand politik- und kommunikationswissenschaftlicher Forschung. Untersuchungen gibt es beispielsweise für den Landtagswahlkampf in Bayern 2018 (vgl. Lennert 2023) oder für den Bundestagswahlkampf 2021 (vgl. Fuchs/Motzkau 2023). Mit dem folgenden Beitrag wird erstmals ein Südtiroler Landtagswahlkampf aus Social-Media-Sicht analysiert.

Nach einem allgemeinen Überblick über den Social-Media-Wahlkampf der Südtiroler Parteien konzentriert sich der Beitrag auf den Vergleich zwischen Südtiroler Volkspartei (SVP) und Süd-Tiroler Freiheit (STF). Aus zwei Gründen ist die Gegenüberstellung besonders interessant. Zum einen werden die Verlierer und Gewinner der Wahl gegenübergestellt. Zum anderen unterscheiden sich beide Parteien grundlegend darin, wie sie Social Media für die digitale politische Kommunikation nutzen. Zentrale Fragestellung der Analyse ist: Wie wurden die Social-Media-Kanäle für den Wahlkampf genutzt? Dabei wurden sowohl die Inhalte als auch die Formate sowie die verwendete Sprache untersucht.

Facebook und Instagram sind jene beiden Plattformen, die am häufigsten von Bürger/-innen genutzt werden und deshalb auch für die politische Kommunikation in Südtirol die höchste Relevanz haben. Laut ASTAT nutzten 2021 59 Prozent der Südtiroler/-innen über 14 Jahren mindestens einmal wöchentlich Facebook und 44 Prozent Instagram (vgl. ASTAT 2021). In absoluten Zahlen sind das über den Daumen gepeilt rund 260.000 bzw. knapp 200.000 Menschen – bei insgesamt 432.156 Wahlberechtigten zur Landtagswahl (vgl. Landespresseamt 2023).

2. Ein Überblick

Startpunkt für die Analyse ist ein Gesamtüberblick. Vom 01. Juli bis zum 22. Oktober haben die elf in den Landtag gewählten Parteien insgesamt 1.558 Beiträge auf Facebook veröffentlicht, von denen 795 einen direkten Bezug zur Landtagswahl  haben. Im selben Zeitraum wurden auf Instagram 707 Beiträge und Reels veröffentlicht. Grundlage sind eigene Berechnungen.

Nicht gezählt wurden die auf Facebook und Instagram veröffentlichten Stories sowie Beiträge, die nur als Werbeanzeigen veröffentlicht worden sind. Schon hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen SVP und Süd-Tiroler Freiheit. Während das Edelweiß im Juli und August nur insgesamt zehn bzw. acht Beiträge auf Facebook postet, sind es bei der STF 70 bzw. 71. Ab September nimmt die Kommunikation dann in beiden Parteien Fahrt auf.

In der Gesamtbetrachtung haben die Südtiroler Parteien das große Potenzial für eine reichweitenstarke und dialogfokussierte Social-Media-Kommunikation im Wahlkampf nicht ausgenutzt. Instagram und Facebook bieten viele unterschiedliche Kommunikationsformate, um politische Inhalte zu transportieren, Anhänger/-innen zu mobilisieren oder in den direkten Austausch mit den Wählern und Wählerinnen zu kommen. Unabhängig davon, ob es sich um eine italienisch- oder deutschsprachige Partei handelt, hat keine Partei im Vorfeld zum 22. Oktober diese Vielfalt auch wirklich ausgeschöpft. Eine klare Social-Media-Strategie war nur bei der Süd-Tiroler Freiheit zu erkennen. Bei den meisten anderen Parteien gab es hingegen keinen bewussten Social-Media-Wahlkampf mit besonderen Formaten oder Kommunikationsangeboten gegenüber den Wählern und Wählerinnen. Facebook und Instagram wurden oft lediglich dazu verwendet, bereits veröffentlichte Pressemeldungen, Stellungnahmen, Radio-Werbespots und Fotos von Veranstaltungen weiter zu verbreiten. Das kann man natürlich machen, sollte aber nicht im Zentrum der Social- Media- Kommunikation stehen.

An dieser Stelle muss auch kurz auf die Liste von Jürgen Wirth Anderlan (Liste JWA) eingegangen werden. Die Accounts seiner Liste haben nicht nur deutlich mehr Follower als der Platzhirsch SVP. Hier ist auch wesentlich mehr los: Es gibt eine hohe Frequenz an Beiträgen, unter denen sich wiederum sehr viele Kommentare und andere Interkationen sammeln. Nahezu alle Beiträge hatten das Ziel, die politischen Mitbewerber/-innen und insbesondere die SVP zu delegitimieren. Wirth Anderlan betreibt auf seinen Kanälen eine Dauermobilisierung, die im Wahlkampf begonnen hat und auch nach der Wahl selbst weitergeht. Die veröffentlichten Inhalte polarisieren bewusst und erzeugen bei vielen Nutzer/-innen negative emotionale Reaktionen. Reaktionen, die Wirth Anderlan am 22. Oktober in konkrete Wählerstimmen umgewandelt hat.

Tab. 1: Anzahl der Facebookbeiträge nach Parteien im Zeitraum vom 01. Juli bis

22. Oktober 2023 SVP

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

10

2

8

3

23

16

49

49

Gesamtzahl Beiträge: 90, Beiträge mit Wahl bezug: 70, Instagrambeiträge: 84

Team K

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

22

2

31

24

30

29

65

64

Gesamtzahl Beiträge: 148, Beiträge mit Wahl bezug: 119, Instagrambeiträge: 115

Süd-Tiroler Freiheit

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

70

9

71

11

124

34

128

76

Gesamtzahl Beiträge: 393, Beiträge mit Wahl bezug: 130, Instagrambeiträge: 151

Die Grünen

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

24

4

14

11

33

27

36

33

Gesamtzahl Beiträge: 107, Beiträge mit Wahl bezug: 75, Instagrambeiträge: 48

Fratelli d‘Italia

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

45

4

53

7

53

19

37

21

Gesamtzahl Beiträge: 188, Beiträge mit Wahl bezug: 51, kein Instagramaccount

Liste JWA

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

22

15

25

23

27

24

20

19

Gesamtzahl Beiträge: 94, Beiträge mit Wahl bezug: 81, Instagrambeiträge: 59

Die Freiheitlichen

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

17

3

24

3

25

14

43

33

Gesamtzahl Beiträge: 109, Beiträge mit Wahl bezug: 53, Instagrambeiträge: 87

PD

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

6

1

21

7

62

38

38

25

Gesamtzahl Beiträge: 127, Beiträge mit Wahl bezug: 71, Instagrambeiträge: 117

Für Südtirol mit Widmann

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

0

0

1

1

3

3

2

2

G esamtzahl Beiträge: 6, Beiträge mit Wahl bezug: 6, Instagrambeiträge: 16

Lega

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

42

0

27

1

43

2

22

16

G Vita

Juli

August

September

Oktober

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

Gesamt

Mit Wahlbezug

8

3

21

20

50

45

83

52

G esamtzahl Beiträge: 162, Beiträge mit Wahl bezug: 120, kein Instagramaccount

Anmerkung: La Civica Alto Adige hat im untersuchten Zeitraum weder über Facebook noch über Instagram kommuniziert

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der öffentlich verfügbaren Informationen auf Facebook und Instagram

3. Die Gewinnerin: Süd-Tiroler Freiheit

Losgelöst von den Inhalten und deren Bewertung ist die Süd-Tiroler Freiheit Stand Januar 2024 die einzige wirkliche Social-Media-Partei zwischen Brenner und Salurn. Das Team rund um ihren Vorsitzenden Sven Knoll hat verinnerlicht, wie  digitale politische Kommunikation funktioniert. Über die Zeit hat die Partei eine starke digitale Community aufgebaut: Über 34.000 Nutzer/-innen folgen der Partei auf Facebook, auf Instagram sind es fast 11.000 und auf TikTok schon fast 25.000. 1 Im März 2023 lagen diese Zahlen noch bei knapp 17.000 bzw. bei 5.500. Zum Vergleich: Die SVP ist seit März nur um wenige Hundert Follower gewachsen (Vergleichszahlen: Gottardi 2023). Und TikTok? Gibt es beim Edelweiß nicht.

Nicht nur im Wahlkampf hat es die STF geschafft, diese Follower zu mobilisieren. Beiträge mit über 100 Likes und vielen positiven Kommentaren sind hier die Regel und nicht die Ausnahme. Damit nicht genug. Nahezu jeder Beitrag wird von der Community geteilt. Das pusht insbesondere auf Facebook die Reichweite. Denn der Algorithmus sorgt dafür, dass man in seinem Feed auch besonders viele Bei träge der eigenen Freunde sieht. Somit werden die Inhalte der STF auch in die Profile von jenen Nutzern und Nutzerinnen geschwemmt, welche die Facebookseite der Partei nicht abonniert haben. Und zu teilen gibt es viel: In den 114 Tagen zwischen dem 1. Juli und dem Wahltermin am 22. Oktober hat die STF 393 Postings auf Face book und 151 Beiträge und Reels auf Instagram veröffentlicht.

Ein besonderes Erfolgsrezept im Wahlkampf: Reels. Die knapp eine Minute kurzen Videos im Hochkantformat waren ursprünglich eine Erfindung von TikTok. Schon seit Langem sind sie auch das beliebteste Format auf Instagram. Solche Videos passen perfekt zur kurzen Aufmerksamkeitsspanne vieler Nutzer/-innen und lassen sich am Smartphone schnell konsumieren. Sven Knoll und sein Team kennen die Formel für erfolgreiche Reels:

keine Einleitungen, stattdessen eine direkte Ansprache der Nutzer/-innen es wird ein klar definiertes Thema angesprochen, ein Problem benannt und

Lösungs vorschläge gebracht kurze Sätze, ein umgangssprachlicher und emotionaler Ton

Frontalaufnahmen mit Perspektivwechseln, der gesprochene Text wird als

Unter titel angezeigt

Zusammengenommen zeigen diese Eigenschaften die Quintessenz einer modernen, digitalen politischen Kommunikation: Sie hat klare Botschaften, ist leicht verständlich und kann ganz nebenbei konsumiert werden. Knoll schafft es damit ohne Hürden in den Alltag der Menschen. Von Juli bis Oktober gab es insgesamt 40 solcher Kurzvideos auf TikTok und Instagram, die allermeisten davon mit dem Spitzenkandidaten und zum Thema Ausländerkriminalität. Allein die Videos im Oktober haben bisher über 830.000 Ansichten auf TikTok erzielt, auf Instagram waren es mehr als 606.000. 2 Keine andere Südtiroler Partei hat auf Social Media solche Zahlen im Wahlkampf erreicht. Zum Gesamtbild gehört auch, dass ein Teil dieser Ansichten das Ergebnis von bezahlten Anzeigen ist. Von Ende September bis zum Wahltermin hat die STF eine Reihe von Beiträgen mit insgesamt 2.800 Euro gesponsert. 3

Mit den Reels auf Instagram und TikTok erreicht die STF insbesondere viele Jugend liche und junge Erwachsene direkt in ihrer Lebensrealität. Zur Einordnung: Laut einer Schweizer Studie nutzten 2022 insgesamt 81 Prozent der Jugendlichen entweder täglich oder mehrfach pro Woche Instagram, bei TikTok waren es 67 Prozent (vgl. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften 2022). Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen auch auf Südtirol übertragbar sind. Keine andere Partei aus Südtirol oder deren Jugendorganisationen haben 2023 Jungwähler/-innen auf Social Media so gut erreicht wie die Bewegung rund um Sven Knoll.

In diesem Zusammenhang passt vor allem das Reel vom 18. Oktober sehr gut ins Bild. Hier wendet sich Knoll direkt an die Erstwähler/-innen 4 und triggert sie mit seinem Kernthema der kriminellen Ausländer/-innen. Offensichtlich mit Erfolg: Mehr als 3.000 Likes und über 55.000 Ansichten auf Instagram und TikTok. 5 Das alles ohne einen Cent Werbebudget.

Die STF hat (nicht nur) im Wahlkampf gezeigt, dass sie die politische SocialMedia-Kommunikation beherrscht. Das bringt auch eine große Verantwortung mit sich. Wer insbesondere Reizthemen wie Migration und Ausländergewalt in den  eigenen Fokus stellt, muss sich den Folgen der eigenen Kommunikation bewusst sein. Die STF hat im Wahlkampf immer wieder mit den Ängsten und Vorurteilen der Bürger/-innen gespielt und auf markige Sprüche gesetzt. Das ist nicht nur billig, sondern auch gefährlich. Das scheinen Knoll und sein Team in Kauf zu nehmen. Denn die Kommentare unter den Beiträgen und Reels werden nahezu gar nicht  moderiert. Somit bleiben auch Hassreden und Gewaltaufrufe unkommentiert ohne Antwort der Partei stehen:

„Ob mit dem Gsindel“6.

„[…] wir müssen aktiv diese Feinde bekämpfen mit allen Mitteln ob politisch oder mit Gewalt“7.

„Mal alle zusammen und auf Jagd gehen.wäre dabei und hatte Freude“.8

Aber: Knoll & Co. werden beim Spiel mit Emotionen, Angst und Vorurteilen sogar noch übertroffen. Mit Jürgen Wirth Anderlan hat die Südtiroler Politiklandschaft einen neuen Tiefpunkt erreicht, dessen Auftreten und Kommunikation mehr als einmal an die Alternative für Deutschland (AfD) erinnert.

„Die täglichen Attacken der Systemmedien gegen die Liste JWA zeigen: Sie sind ganz schön nervös. Uns lässt das kalt. Wir gehen unseren Weg weiter. Holen wir uns unser Land zurück!“ 9

„Schluss mit faulen Kompromissen! Kompetenzen ins Land holen,

Massenmigration stoppen, Rückwanderung einleiten, Kompatscher,  Widmann und Co. vor Gericht stellen!“10

Genau mit dieser Sprache hetzt die AfD seit Jahren auf den sozialen Netzwerken.

4. Die Verliererin: SVP

Keine andere Partei hat so viele Mitglieder und eine ähnliche große politische und finanzielle Schlagkraft wie die Volkspartei. Umso erstaunlicher ist es, wie blutleer der digitale Wahlkampf auf Facebook und Instagram geführt worden ist. Scrollt man durch die Edelweiß-Seiten wird schnell klar: Hier ist die Social-Media-Kommunikation schon lange nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Gutes Beispiel ist die Art und Weise, wie die Kandidaten und Kandidatinnen auf beiden Kanälen vorgestellt worden sind. Anstatt die große Beliebtheit von Reels zu nutzen und kurze Videobotschaften zu veröffentlichen, gab es jeweils ein Foto mit einem hinterlegten Audio O-Ton ohne Untertitel.

Wer so etwas macht, hat die Funktionsweise von Instagram nicht verstanden und lässt einen sehr großen Teil des Potenzials ungenutzt. Reels sind ein reines Bewegtbildformat. Beiträge, die nur ein Standbild haben, werden vom Instagram-Algorithmus nicht gefördert und ausgespielt. Dementsprechend gering sind auch die Abspielzahlen der Kandidaten/Kandidatinnenpostings. Die Bandbreite ist überschaubar und geht von rund 1.500 Medienanzeigen beim Beitrag mit Jutta Telser bis knapp 4.500

Medienanzeigen bei Magdalena Perwanger.11

Wer sich von der SVP eine Auseinandersetzung mit Inhalten und Themen erwartet hat, wurde enttäuscht. Nur in wenigen der 70 Facebookbeiträge zur Landtagswahl wurden die konkreten Themen aus dem Wahlprogramm vorgestellt. Man hat nichts über den Plan für Südtirols Zukunft erfahren oder welche Ziele mit welchen Maßnahmen erreicht werden sollen. Stattdessen gab es Plattitüden wie:

„Wir kämpfen unbeirrt für die Autonomie. Sie ist und bleibt Erfolgsrezept.

Deshalb muss Südtirol zusammenhalten.“ 12

„Es geht um sehr viel bei dieser #Wahl. Es geht um politische #Stabilität. Es geht um #Regierbarkeit. Es geht um #Zukunft. Besinnen wir uns auf das, was #Südtirol bereits in der #Vergangenheit durch noch schwere

#Zeiten gebracht hat: #Zusammenhalt!“ 13

Mit so einer Sprache mobilisiert man weder die eigene Kernwählerschaft, noch neue oder gar junge Wähler/-innen. Das lässt sich an den Interaktionen ablesen: Wenige, meist negative Kommentare und Likes im mittleren zweistelligen Bereich. Im Vergleich zu den Inhalten auf der Seite der Süd-Tiroler Freiheit wird auch deutlich  weniger geteilt.

Das ist eine schlechte Performance. Schließlich sprechen wir von der Sammelpartei SVP mit 280 Ortsgruppen im ganzen Land, die immer noch etwas mehr als 97.000 Stimmen bei der Wahl erhalten hat. Die vielen Wähler/-innen und die Menschen in ihrem direkten Umfeld kann die Partei aber ganz offensichtlich auf den sozialen Medien nicht aktivieren.

Im Gegenteil. Die Social-Media-Kommunikation zeigt eine Partei, die kein großes Interesse am Dialog mit den Bürgern und Bürgerinnen hat. Gleichzeitig fehlte jene Leidenschaft und Emotion, von der die politische Kommunikation gerade in einem Wahlkampf lebt.

„#Gemeinsam für ein starkes #Südtirol. In Südtirol leben wir in einer einzigartigen kulturellen #Vielfalt, die uns verbindet.

Die #SüdtirolerVolkspartei setzt sich als #Sammelpartei für den gesellschaftlichen #Zusammenhalt ein und fördert das #Miteinander. Gemeinsam sind wir stark, deshalb am 22. Oktober #Edelweiß wählen!“

Hier kommt keine Aufbruchsstimmung, kein Wir-Gefühl auf.

Eine Analyse der SVP-Kommunikation wäre unvollständig ohne einen Blick auf die Social-Media-Profile von Landeshauptmann Arno Kompatscher zu werfen. Auf Facebook und Instagram zeigt sich Kompatscher in seiner Rolle als Landesvater, Parteithemen und das kleinteilige politische Tagegeschäft sind die Ausnahme. Das kann man so machen und es passt auch grundsätzlich gut zu seiner institutionellen Rolle als Landeshauptmann. Das ändert sich aber auch nicht im Wahlkampf. Es ist ein Rätsel, warum er seine durchaus vorhandene Reichweite auf Instagram und  Facebook nicht einsetzt. Die wenigen Ausnahmen wie ein 20-sekündiges Wahlaufruf-Reel am 20. Oktober fallen da nicht weiter ins Gewicht. Als Landeshauptmann und Stimmenkönig der letzten Landtagswahlen wäre er auf Social Media das natürliche Zugpferd rund um den digitalen Wahlkampf der SVP gewesen. Im Herbst 2023 ist das Zugpferd aber im Stall geblieben.

Aktiver und kreativer schaut es bei Philipp Achammer aus. In seiner Videoserie „60 Sekunden“ geht Achammer in einer Minute auf die sieben Schwerpunkte Bildung, Stabilität, Arbeitslosengeld, Integration, praktische Berufe, faire Löhne und Sicherheit ein. Gute Idee, aber nur mäßig umgesetzt: Keine wechselnden Perspektiven und eine formelle, akademische Sprache ohne Emotion. Alle sieben Reels wurden zudem innerhalb von zwei Tagen, kurz vor dem Wahltermin veröffentlicht. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die Videos deutlich öfter abgespielt worden wären, wenn man pro Woche jeweils zwei veröffentlicht hätte. Das sind vermeid bare handwerkliche Fehler.

Dass Achammer es auch besser kann, zeigt ein anderes Video. „Du Südtirol, mir miasen reden. Du bisch a wunderscheans Landl. Obo in die letzten Johr hoschs nit olm leicht kop.“ 15 Drei Sätze, drei Volltreffer, die sofort Emotionen wecken. Leidenschaft, eine direkte Ansprache der Zuschauer, Kampfgeist und eine Portion Optimismus: Alles Zutaten für eine gute politische Kommunikation. Eigentlich ein  gelungener Auftakt für einen leidenschaftlichen Social-Media-Wahlkampf. Eigentlich – denn auch dieses Video ist erst am 16. Oktober erschienen und ein Einzelfall geblieben.

Auf Facebook und Instagram hat Kompatscher Ausschnitte aus seiner Rede am Tag der Autonomie vom 05. September veröffentlicht. Darin sagt er unter anderem: „Wir müssen Antworten geben. Wir können nicht das Blaue vom Himmel versprechen. […] Den Populismus überlassen wir der Opposition. Wir müssen geschlossen und entschlossen handeln.“ 16 Das kann man problemlos unterschreiben. Kompatscher und die SVP haben aber nicht nur den Populismus der Opposition überlassen, sondern auch einen wesentlichen Teil der politischen Debatte auf den sozialen Kanälen. Das ist aus Wahlkampfsicht falsch und in Hinblick auf die Debattenkultur im Land schlecht.

5. Schlussfolgerungen

Die schwache kommunikative Leistung war sicher nicht der Grund für den Einbruch der SVP. Vielmehr spiegelt der uninspirierte Social-Media-Auftritt die Verfassung des Edelweißes wider: Wenig Leidenschaft, eine inhaltliche Orientierungslosigkeit und eine kommunikative Distanz zwischen Partei und einem größer werdenden Teil der Bevölkerung. Der Aufholbedarf in Sachen Social Media ist groß. Und eine gute und glaubwürdige Kommunikation der Regierungsarbeit wird in den nächsten fünf Jahren nochmal deutlich wichtiger, angesichts von nunmehr vier Koalitionspartnern. Der langfristige Aufbau einer sozialen Community auf den unterschiedlichen Plattformen hat sich bei der Süd-Tiroler Freiheit ausgezahlt. Im Gegensatz zur SVP hat die starke Präsenz auf den sozialen Kanälen sicherlich dazu beigetragen, die eigene Kernwählerschaft und auch neue Wähler/-innen für den 22. Oktober zu mobilisieren. Vor allem, wenn es darum geht, die jungen Generationen von Wähler/-innen zu erreichen, hat die STF Stand Januar 2023 einen wesentlichen Vorsprung. Das wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in den kommenden Wahlen bemerkbar machen.

Die politische Landschaft in Südtirol verträgt grundsätzlich mehr Mut und Kreativität in der Kommunikation. Ein Blick auf die anderen im Landtag vertretenen Parteien zeigt, dass noch viel Potenzial in der politischen Kommunikation nicht  genutzt wird. Der Wahlkampf hat für keinen Qualitätssprung gesorgt, wenn man sich die Kommunikation aus dem Frühjahr 2023 anschaut (vgl. Gottardi 2023).  Hinter der guten Handwerksarbeit der Süd-Tiroler Freiheit auf Instagram, Facebook und TikTok steckt kein Geheimrezept. Was Knoll & Co. können, kann im Prinzip jede politische Organisation mit ein wenig Technik und Leidenschaft für Kommunika tionsarbeit. Und mit Personen wie Angelo Gennaccaro, Zeno Oberkofler, Alex  Ploner und Paul Köllensperger gibt es im Landtag engagierte Kommunikatoren jenseits der STF.

Die große Online-Reichweite und der Erfolg von Populisten wie Jürgen Wirth Anderlan verlangt mehr denn je nach einer starken Präsenz aller liberalen Kräfte auf den Social-Media-Kanälen. Mit Leidenschaft gemachte politische Kommunikationsformate dürfen kein Alleinstellungsmerkmal von Rechten und Populisten sein.

Anhang: Bezahlte Anzeigen

In der Werbebibliothek des Facebook-Mutterkonzerns Meta sind alle Informationen rund um bezahlte Beiträge mit Politikbezug frei zugänglich verfügbar, inklusive der Daten zu Laufzeit, eingesetztem Budget und Zahl der erreichten Nutzer/-innen (alles Schätzwerte). Die Prüfung ergibt: Von Ende September bis zum Wahltermin sind 244 unterschiedliche bezahlte Beiträge veröffentlicht worden, mehrheitlich mit einem Werbewert von rund 100 Euro oder weniger. Der Gesamtwert des eingesetzten Mediabudgets betrug 17.095 Euro netto. Nicht berücksichtigt ist in dieser Zahl das eingesetzte Mediabudget der jeweiligen Kandidaten und Kandidatinnen.

Tab. 2: Bezahlte Beiträge mit Politikbezug nach Parteien

Partei

Bezahlte Beiträge

Werbewert, in Euro

Team K

51

4.700

Die Freiheitlichen

44

3.900

SVP

53

3.026

Süd-Tiroler Freiheit

25

2.800

Angelo Gennaccaro

42

1.200

Grüne

11

868

Für Südtirol mit Widmann

16

481

Liste JWA

2

120

Gesamt

244

17.095

Anmerkung: Keine bezahlten Beiträge hatten laut Meta Werbebibliothek Vita, Fratelli d’Italia, Lega  Salvini Alto Adige und PD

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten im Meta-Werbeanzeigenmanager

Anmerkungen

    Die Seiten der Süd-Tiroler Freiheit auf Facebook (www.facebook.com/suedtirolerfreiheit), Instagram (www.instagram.com/suedtirolerfreiheit/) und TikTok (www.tiktok.com/@suedtirolerfreiheit) (04.01.2024).

    Eigene Berechnungen. Zur Erläuterung: Wie häufig ein Reel den Nutzer/-innen bisher angezeigt worden ist, wird bei jedem Video auf Instagram und TikTok angezeigt.

    Angaben aus der Meta-Werbebibliothek zum Account der Süd-Tiroler Freiheit.

    Instagram-Beitrag auf der Seite der Süd-Tiroler Freiheit: www.instagram.com/p/CyjDg7GLt1y/ (04.01.2024).

    Eigene Berechnungen.

    Kommentar unter dem Video auf Facebook vom 4. Oktober www.facebook.com/suedtirolerfreiheit/ videos/628875179392945 (04.01.2024).

    Kommentar unter dem Video auf Facebook vom 26. September 2023,  www.facebook.com/suedtirolerfreiheit/videos/877162890694620 (04.01.2024).

    Kommentar unter dem Video auf Facebook vom 8. September 2023,  www.facebook.com/suedtirolerfreiheit/videos/316118647625976 (04.01.2024).

    Video vom 22. August 2023 auf der Facebook-Seite der Liste JWA, https://fb.watch/pIGU8LYx9N/ (04.01.2024).

  Facebook-Beitrag vom 25. Juli 2023 auf der Seite von Liste JWA.

  Instagram-Reels auf der Seite der SVP, www.instagram.com/reel/Cx0fp_BsewZ/ (Magdalena Perwanger) bzw. www.instagram.com/reel/CxnMJK3LYz4/ (Jutta Telser) (04.01.2024). Die Abrufzahlen zeigen den Stand von Anfang Januar 2024.

  Facebook-Beitrag vom 19. Oktober 2023 auf der Seite der SVP.

  Facebook-Beitrag vom 17. Oktober 2023 auf der Seite der SVP.

  Facebook-Beitrag vom 19. Oktober auf der Seite der SVP.

  Instagram-Beitrag vom 15. Oktober auf der Seite von Philipp Achammer,  www.instagram.com/reel/CybLgyQoRpR/ (04.01.2024).

  Beitrag vom 19. Oktober auf der Instagram-Seite von Arno Kompatscher,  www.instagram.com/reel/Cyh6M8KN_Bg/ (04.01.2024).

Literaturverzeichnis

ASTAT (2021), ASTAT info, Nr. 42, Juli 2021, Mediennutzung in Südtirol, https://astat.provinz.bz.it/de/ aktuelles-publikationen-info.asp?news_action=4&news_article_id=657551 (04.01.2024)

Fuchs, Martin/Motzkau, Martin (Hg.) (2023), Digitale Wahlkämpfe. Politische Kommunikation im Bundestagswahlkampf 2021, Wiesbaden: Springer VS

Gottardi, Aaron (2023), Insta-Arno und Facebook-Philipp, in: ff – Südtiroler Wochenmagazin/13,

30.03.2023, 22-25

Landespresseamt (2023), Landtagswahl. 432.156 Südtirolerinnen und Südtiroler wahlberechtigt, https:// news.provinz.bz.it/de/news/landtagswahl-432-156-sudtirolerinnen-und-sudtiroler-wahlberechtigt (04.01.2024)

Lennert, Felix (2023), Wahlkampf in Sozialen Medien. Eine Inhaltsanalyse der Twitter-Kommunikation politischer Eliten zur Landtagswahl in Bayern 2018, in: Walter-Rogg, Melanie/Heinrich, Tassilo (Hg.), Die Landtagswahl 2018 in Bayern, Wiesbaden: Springer, 453-495

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (2022), JAMES Studie, www.zhaw.ch/de/psychologie/ forschung/medienpsychologie/mediennutzung/james/ (04.01.2024)