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Günther Pallaver

Kooperation statt Fusion

Interkommunale Zusammenarbeit in Südtirol

Cooperation instead of mergers

Inter-municipal cooperation in South Tyrol

Abstract For historical-symbolic reasons, the concept of mergers between municipalities is strongly rejected in South Tyrol, the preferred alternative being inter-municipal cooperation. Voluntary cooperation has been accelerated by the Italian Stability Pact of 2011, resulting in an agreement between representatives of the municipalities, or rather of the municipal council, and the regional governor in 2012.

Cooperation is compulsory for municipalities and forms part of how they are financed. General regulations concern savings with regard to personnel, while special regulations deal with job-sharing and cooperation arrangements amongst municipal secretaries (for municipalities with up to 1,200 inhabitants), municipal police forces, technicians for public works, recycling plants and depots, and staff working in retirement homes. By 31 December 2014, municipalities with fewer than 5,000 inhabitants were required to present proof that they reached two agreements, while those with more than 5,000 inhabitants had to have reached one agreement, or else incur a penalty fee of 15,000 euros.

Aside from a few exceptions, mandatory cooperation has been smoothly implemented, formally checked, and in some cases also rejected. The fact that areas of cooperation are comprehensively listed in the agreements, without general clauses, can be interpreted as a restrictive requirement, which precludes other possible fields of cooperation.

In sum, cooperation amongst municipalities still harbours great potential that remains to be exploited, as parochial attitudes remain quite common in South Tyrol’s municipalities. South Tyrol’s association of municipalities shows no interest in ceding some of the municipalities’ responsibilities to the district communities, even though the latter have been involved in municipal cooperation for several years. The concept of merging municipalities remains a taboo, though an impartial debate on this topic is long overdue.

1. Antworten auf neue ökonomische Herausforderungen

Südtirols Gemeinden stehen wie jene in anderen italienischen Regionen oder die Gemeinden in österreichischen Bundesländern, wie überhaupt in ganz Europa, vor einer Reihe von Herausforderungen, die nicht nur organisatorisch, sondern vor allem wirtschaftlich gemeistert werden müssen. Externe und interne Faktoren spielen dabei eine relevante Rolle. Gesellschaftliche, vor allem demografische Entwicklungen, erhöhte Ansprüche der Zivilgesellschaft, finanzpolitische Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union, der Stabilitätspakt und andere Faktoren schränken den Handlungsspielraum der Gemeinden immer stärker ein. Vielfach können die kommunalen Basisaufgaben von den Gemeinden allein nicht mehr gesichert werden (vgl. Promberger et al. 2016, 155).

Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation sind vor allem kleinere Gemeinden nicht mehr in der Lage, all ihren Verpflichtungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern kostendeckend nachzukommen. Dabei unterscheiden sich in Europa die Gemeinden in ihrer „Kleinheit“ recht stark. Die durchschnittliche Bevölkerung pro Gemeinde beläuft sich in Italien (bei 8.003 Gemeinden, Stand 2016) auf rund 7.300 Einwohner (ISTAT 90, 2016), in Österreich sind es im Durchschnitt rund 3.400 Einwohner (bei 2100 Gemeinden, Stand 2015), aber in Großbritannien haben mittlere Gemeinden bereits rund 120.000, in Irland rund 90.000, in Portugal und Schweden rund 15.500 Einwohner. In Dänemark darf keine Gemeinde weniger als 20.000 Einwohner haben (vgl. Thöni 2013, 179–180).

Aus ökonomischer Sicht haben die Gemeinden im Sinne der Daseinsvorsorge folgende drei Ziele im Auge zu behalten: 1. Ausrichtung der Bereitstellung an den Bedürfnissen der Bevölkerung, 2. Erreichung eines hohen Standards der Güter- und Leistungsbereitstellung und 3. Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Dabei muss ein Mindestmaß an Aufgabenbesorgung für eine Gemeinde auch finanziell sichergestellt sein, um zumindest annähernd in Richtung Übereinstimmung von Entscheidungs-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung zu kommen (vgl. Thöni 2013, 181).

Das Problem der (kleinen) Gemeinden, wie sie die immer größer werdende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben meistern können, sehen viele in der Zusammen­legung von Gemeinden. Als Gemeindefusion wird ein Prozess bezeichnet, in dem zwei oder mehrere Gemeinden zu einer Gemeinde zusammengelegt werden und dadurch ihre rechtliche Selbständigkeit vollständig verlieren (vgl. Steiner 1999, 31).

Die Fusion von Gemeinden wird allerdings kontrovers diskutiert und Befürworter und Gegner bringen eine Reihe von Argumenten ein, die bei den Befürwortern in erster Linie Argumente der Effizienzsteigerung betreffen, bei den Gegnern in erster Linie Argumente der Identität berühren (vgl. Tabelle 1).

Tab. 1: Argumente für und gegen Gemeindefusionen

Argumente für Gemeindefusionen

Gemeinsames, strategisches Handeln

Effektive und effiziente Siedlungspolitik, Wirtschaftsentwicklung und Infrastruktur

Höhere Effizienz und Effektivität bei der Aufgabenerfüllung

Steigende Skalenerträge

Höheres politisches Gewicht größerer Gemeinden

Höherer Grad an Professionalität

Größerer finanzieller Handlungsspielraum

Leichtere Rekrutierung von qualifiziertem Personal

Schaffung klarer Strukturen (im Vergleich zu mehrfachen Gemeindekooperationen)

Argumente gegen Gemeindefusionen

Verlust an lokaler Identität

Rückgang der Ehrenämter und der politischen Partizipation

Längere Wege zu den Dienstleistungen

Konfliktpotenzial zwischen den Bürgern und zwischen den Politikern

Neue, notwendige Infrastruktur

Unnötiger, kontraproduktiver Perfektionismus durch Professionalisierung, höhere ­Bürokratiekosten

Verunsicherung der Gemeindebediensteten (bzw. Stellensicherheit und zukünftige ­Aufgaben)

Personalkosten sinken zumindest kurzfristig in der Regel nicht

Können nur schwer rückgängig gemacht werden

Quelle: Stangl/Stötzer 2014, 15

Für die Lösung von kommunalen Problemen über die Zusammenlegung von Gemeinden steht Südtirols Nachbarprovinz Trient, wo zwischen 2008 und 2015 86 konsultative Referenda über Gemeindefusionen abgehalten wurden, allein im Juni 2015 waren es 55, womit auf den zunehmenden Trend zur Fusionierung verwiesen werden kann. In 67 Fällen hat das Referendum zum Beschluss der Gemeinden geführt, eine Fusion vorzunehmen (vgl. den Beitrag von Pallaver/Brunazzo sowie von Valdesalici/Trettel/Parolari in diesem Band).

Während etwa im Trentino die Fusion von Gemeinden meist „von oben“ initiiert, aber immer „von unten“ legitimiert wird, fanden etwa im österreichischen Bundesland Steiermark im Jahre 2011 mit der Steiermärkischen Gemeindestrukturreform Fusionen in großem Ausmaß nicht nur freiwillig, sondern auch durch Zwang über ein Gesetz des Landes Steiermark statt. Die Reform trat mit 1. Jänner 2015 in Kraft und reduzierte die vormals 542 Gemeinden auf 287. Insgesamt waren 385 Gemeinden von der Reform betroffen. Die Gemeindestrukturreform der Steiermark zeigt, wie die interkommunale Zusammenarbeit im Spannungsfeld zwischen Altruismus gegen Egoismus, zwischen Bauch gegen Kopf liegt. Sehr oft ist diese Kooperation aber gar nicht mehr eine Frage des Wollens, sondern eine Frage des (wirtschaftlichen) Müssens (vgl. Astner 2016, 75–76).

2. Südtirol: Keine Gemeindefusionen

Während anderswo auf die neuen ökonomischen Rahmenbedingungen mit Gemeindefusionen geantwortet wird, wird eine solche Lösung in Südtirol nicht in Betracht gezogen. Dies hängt vor allem mit den Erfahrungen während der Zeit des Faschismus zusammen (der in diesem Falle auch etwas instrumentell eingesetzt wird, um die Diskussion im Keime zu ersticken), als mit 1. Jänner 1928 zahlreiche kleinere Gemeinden der Provinz Bozen mit Regierungsdekret aufgehoben und in größere Nachbargemeinden einverleibt wurden. Damit wies die Provinz Bozen im Jahre 1934 nur mehr 96 Gemeinden auf. Grund für die Zusammenlegungen waren unter anderem die Probleme, nach der Einführung der Amtsbürgermeister (Podestà) geeignete Bürgermeister zu finden. Dadurch sollten aber auch Amtsentschädigungen eingespart werden (vgl. Kofler 2004, 16). Zusammenlegungen von Gemeinden gab es nach 1945 keine mehr, es kam lediglich zu Änderungen bei der Gemeindezuordnung von Fraktionen, wie dies etwa für Rungg in der Gemeinde Kurtatsch der Fall war, das 1978 in einer Volksabstimmung für den Anschluss an die Gemeinde Tramin stimmte.

Dabei gäbe es in Südtirol sicherlich ein gewisses Potential für Fusionierungen. Bei 519.000 Einwohnern zählt Südtirol acht Städte. Die Landeshauptstadt Bozen als größte Gemeinde hat 106.000, Glurns als kleinste Stadt 897 Einwohner. Von den 116 Gemeinden gibt es fünf mit weniger als 500 Einwohnern. Kleinste Gemeinde überhaupt ist Waidbruck mit 205 Einwohnern. 17 Gemeinden weisen weniger als 1.000, 48 weniger als 2.000 Einwohner auf (vgl. Denicolò et al. 2016, 177). Die durchschnittliche Gemeindegröße liegt bei rund 4.470, ohne Hauptstadt Bozen bei rund 3.590 Einwohnern.

Eine Debatte zu Gemeindefusionen kam bislang nur punktuell vor. So sah der von der BürgerUnion im Dezember 2014 im Landtag eingebrachte Beschlussantrag die Reduzierung der 116 Gemeinden auf 100 vor. Dadurch sollte der Einfluss der Gemein­den, die Effizienz der Gemeindeverwaltungen sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den Gemeinden gesteigert werden. Die Fusionen sollten durch Anreize gefördert werden. Vorgeschlagen wurde unter anderem, dass das Land die Kosten für die Zusammenlegung übernehmen sollte, verbunden mit steuerlichen Entlastungen und höheren Zuweisungen aus dem Landeshaushalt. Die Fusionierungen sollten durch Volksbefragungen demokratisch legitimiert werden und aus Respekt vor dem „Dorfpatriotismus“ sollten die fusionierten Gemeinden Doppelnamen tragen. Der Beschlussantrag wurde vom Landtag mehrheitlich abgelehnt (BürgerUnion 2015). Bei der Zusammenlegung von Gemeinden verhält sich auch der Südtiroler Gemeindenverband nach wie vor sehr zurückhaltend (vgl. Hinterwaldner 2015, 41).

3. Die Alternative zur Fusion: Gemeindekooperation

Als Alternative zu den Fusionen wird in Südtirol auf die Kooperation unter Gemeinden gesetzt. 2012 trafen die Vertreter der Gemeinden bzw. der Rat der Gemeinden und der Landeshauptmann im Sinne des Landesgesetzes vom 14. Februar 1992 Nr. 6 eine Zusatzvereinbarung zur Gemeindefinanzierung. Bis zum Jahresende 2014 waren die Gemeinden dazu verpflichtet, einen oder zwei Dienste zusammenzulegen. Alle Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern mussten zwei, jene mit mehr als 5.000 Einwohnern einen Dienst zusammenlegen. Bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen gab es Sanktionen: Fehlt ein Dienst, gab es einen Abzug von 15.000 Euro von den laufenden Zuweisungen des Landes, fehlten zwei Dienste, erhöhte sich der Abzug auf 30.000 Euro.

Laut Zusatzvereinbarung muss die gemeinsame Führung von Diensten die Beanspruchung von Personal betreffen. Für jede beteiligte Gemeinde muss die Vereinbarung die Beanspruchung von mindestens zwanzig Prozent eines Vollzeitdienstes in der eigenen Gemeinde vorsehen. Für den Bereich des privaten Bauwesens wurden auch Vereinbarungen für die gemeinsame Beauftragung von freiberuflichen Gemeindetechnikern anerkannt. Bereits bestehende Vereinbarungen zur gemeinsamen Führung von Diensten als Nachweis der verpflichtenden Zusammenarbeit wurden ebenfalls berücksichtigt.

Die Vereinbarung sieht weiters eine Reihe von Sonderregelungen vor. So mussten Gemeinden mit bis zu 1.200 Einwohnern, bei Freiwerden der besetzten Stelle des Gemeindesekretärs, zur gemeinsamen Beanspruchung des Gemeindesekretärs eine Vereinbarung mit einer Gemeinde des eigenen Einzugsgebietes abschließen, wobei Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern keinem Einzugsgebiet angehören.

Eine Sonderregelung gab es auch für die Gemeindepolizei, Techniker für öffentliche Arbeiten, Recycling- und Bauhöfe und Gemeinde-Altersheime. Sofern eine Gemeinde entschied, einen Gemeindepolizeidienst einzuführen, musste sie dafür eine Vereinbarung zur gemeinsamen Führung des Gemeindepolizeidienstes mit einer Gemeinde des eigenen Einzugsgebietes abschließen. Die Bezirksgemeinschaften konnten aufgrund von Vereinbarungen mit den Gemeinden Techniker einstellen, die für die Gemeinden Aufgaben der Projektüberprüfung, die Ausarbeitung von Projekten und die Bauleitung für öffentliche Arbeiten übernehmen. Gemeinden, die über keinen eigenen Techniker verfügen, müssen für die in der Vereinbarung aufgelisteten Leistungen den Techniker der Bezirksgemeinschaft beanspruchen. Die Beauftragung eines externen Technikers kann nur dann erfolgen, falls die Bezirksgemeinschaft diese Dienste nachweislich nicht gewährleisten kann.

Eine Empfehlung sprach die Zusatzvereinbarung hinsichtlich der Kooperation unter Gemeinden zur Führung von Recyclinghöfen und Bauhöfen aus.

Was die Gemeinde-Altersheime betrifft, mussten die Gemeinden, die solche Altersheime führen, innerhalb 31.12.2014 ein Konsortium mit anderen Altersheimen bilden. Als Alternative wurde der Abschluss einer Vereinbarung mit einer anderen Gebietskörperschaft zur Übernahme der gemeinsamen Führung des Altersheims vorgesehen. Bei Missachtung der Vorgaben waren wie bei den allgemeinen Regelungen auch bei den Sonderregelungen unterschiedliche finanzielle Sanktionen vorgesehen (zu all diesen Punkten vgl. Koordinierungskomitee 2012).

Laut Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes Andreas Schatzer müsse man heute innovativ denken und auch eine Auslagerung von Diensten in Kauf nehmen (vgl. o. A. 2014, 25).

Die vom zuständigen Landesamt der Provinz Bozen erstellte Statistik über die von den Gemeinden abgeschlossenen Vereinbarungen über zusammengelegte Dienste zeigt auf, dass über 70 Gemeinden Vereinbarungen zur gemeinsamen Nutzung von Technikern abgeschlossen haben, gefolgt von knapp 70 Gemeinden zur gemeinsamen Führung eines Gemeindepolizeidienstes. Knapp 30 Gemeinden haben Vereinbarungen zum gemeinsamen Einsatz eines Gemeindesekretärs getroffen und ebenfalls rund 30 Gemeinden haben Abkommen zur gemeinsamen Führung von Recyclinghöfen, Grünzentren, Kompostier- und Biomüllanlagen abgeschlossen. Rund 15 Gemeinden haben Vereinbarungen zur Führung von Altersheimen getroffen. All diese Vereinbarungen beziehen sich auf den Bereich der Sonderregelungen. Aber es gibt eine Vielzahl von weiteren Diensten, die unter die allgemeinen Regelungen fallen und die von den Gemeinden gemeinsam verwaltet werden. Darunter befinden sich: Bibliotheken, Schlachthöfe, die Führung von Kindergärten, Volks-, Mittel- und Musikschulen, Friedhofsdienste, Bauhöfe, Schulausspeisungen, Buchhaltung, Seniorenwohnungen/begleitetes Wohnen, Nachtbusse, Jugenddienste, Mülltransport, Personal unterschiedlichen Typs (unter anderem Köchinnen, Geometer, Physiotherapeuten) und anderes mehr (Statistik 2015)1.

Mit Beschluss der Landesregierung vom 23. Juni 2015 wurde auf Antrag von Landesrat Arnold Schuler, zuständig für die Örtlichen Körperschaften, eine Überprüfung der 4. Zusatzvereinbarung zur Gemeindefinanzierung aus dem Jahre 2012 durchgeführt, ergänzt durch die weiteren Zusatzvereinbarungen Nr. 2 und Nr. 9 für das Jahr 2014.

Zur Erinnerung: Es ging um den Nachweis, dass innerhalb von 31.12.2014 die Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern den Abschluss von Vereinbarungen zur gemeinsamen Führung von Diensten in mindestens zwei Bereichen nachweisen müssen. Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern müssen nur den Nachweis über den Abschluss einer Vereinbarung in mindestens einem Bereich nachweisen, für Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern sind zwei Vereinbarungen notwendig. Bei Missachtung dieser Vorgaben sehen die Sanktionen vor, dass Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern 15.000 Euro beim Fehlen eines Dienstes bzw. 30.000 Euro beim Fehlen von zwei Diensten von der 4. Rate der laufenden Zuweisungen des Jahres 2015 abgezogen werden.

Gemeinden, die statt zwei nur eine Vereinbarung vorweisen konnten und somit mit einem Abzug von 15.000 Euro bestraft wurden, sind: Auer, Barbian, Enneberg, Gsies, Kiens, Pfitsch und Völs am Schlern.

Was die Sondervereinbarungen betrifft, so sieht die 4. Zusatzvereinbarung vor, dass Altersheime, die von den Gemeinden geführt werden, innerhalb 31.12.2014 eine verpflichtende Form der Zusammenarbeit nachweisen müssen, entweder in Form eines Konsortiums mit anderen Altersheimen oder in Form einer Vereinbarung über die Übernahme der gemeinsamen Führung des Altersheims mit anderen Trägerkörperschaften. Die Gemeinde Tirol erhielt in dieser Hinsicht einen Abzug von 15.000 Euro, weil diese die Abtretung ausdrücklich verweigerte.

Die Gemeinde Kurtatsch hatte zum Zeitpunkt der Überprüfung nur einen Grundsatzbeschluss zur Abtretung der Führung an die Bezirksgemeinschaft gefasst, während die Gemeinde Ritten die Übertragung der Führung an einen noch zu gründenden Betrieb für Pflege- und Betreuungsdienste beschlossen hatte. Den beiden Gemeinden wurde deshalb eine Frist bis 31.12.2015 für den Abschluss der Umsetzung der Abtretung gesetzt (vgl. Beschluss der Landesregierung 2015). Beide Gemeinden sind diesen Verpflichtungen innerhalb der Frist nachgekommen.2

4. Die Rolle der Bezirksgemeinschaften

Eine intermediäre Gebietskörperschaft öffentlichen Rechts zwischen Gemeinde und Land bilden die Bezirksgemeinschaften, die auch bei der interkommunalen Kooperation eine zunehmend wichtige Funktion ausüben. Ihre gesetzliche Regelung erfolgte mit Landesgesetz Nr. 7/1991. Den Bezirksgemeinschaften vorangegangen waren die Talgemeinschaften, die bereits 1973 gesetzlich eingerichtet worden waren. Die Bezirksgemeinschaften nehmen im Sinne der administrativen Dezentralisierung eigene, vor allem übergemeindliche, delegierte Aufgaben wahr und bilden ein Bindeglied zwischen Gemeinden und Landesverwaltung. Die sieben Bezirksgemeinschaften sind: Vinschgau, Wipptal, Pustertal, Burggrafenamt, Eisacktal, Salten-Schlern, Überetsch-Unterland. Die Gemeinde Bozen übt die den Bezirksgemeinschaften übertragenen Verwaltungsbefugnisse aus und hat das Eigentum an den Vermögensgütern der aufgehobenen Bezirksgemeinschaft Bozen übernommen.

Die Bezirksgemeinschaften waren ursprünglich mit dem Zweck errichtet worden, ganz oder teilweise in Berggebieten liegende Flächen aufzuwerten und dort den Umweltschutz voranzutreiben, indem die Beteiligung der Bevölkerung an der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Entwicklung gefördert wird. Land und Gemeinden können den Bezirksgemeinschaften Aufgaben übergemeindlichen Charakters übertragen. Die Bezirksgemeinschaften nehmen außerdem Zuständigkeiten wahr, die ihnen mit Landesgesetz übertragen werden. Organe der Bezirksgemeinschaft sind der Bezirksrat, der Bezirksausschuss, der Präsident der Bezirksgemeinschaft und die Rechnungsprüfer. Die Bezirksgemeinschaft beschließt Verordnungen, in denen die Organisation der Ämter und der Dienste sowie die Wahrnehmung deren Aufgaben und deren Befugnisse geregelt sind.

Vielfach beschränkten sich die Bezirksgemeinschaften auf die Verteilung von Finanzierungen an die Gemeinden. Sehr bald erlebte die Delegierung von Sozialdiensten seitens des Landes aber eine regelrechte Explosion: Es wurden Sozialsprengel errichtet, die Hauspflegekonsortien wurden aufgelöst; die Führung der bereits bestehenden Strukturen für Menschen mit Behinderung wurde vom Land abgetreten, im Laufe der Zeit kamen neue Dienste und Strukturen wie Wohngemeinschaften oder Pflegeheime dazu. Auch im Umweltbereich wurden neue Dienste für die Gemeinden übernommen. Die Bezirksgemeinschaften können mit der Landesverwaltung, der Sanitätseinheit, den Gemeinden, den öffentlichen und privaten Wohlfahrtseinrichtungen eigene Vereinbarungen treffen, um im Sozial- und Gesundheitsbereich in koordinierender Weise Aufgaben und Dienste wahrzunehmen, sodass heute die Bezirksgemeinschaften eine Reihe von Strukturen eigenständig verwalten (vgl. Bezirksgemeinschaften 2016). In letzter Zeit haben die Bezirksgemeinschaften in Kooperation mit den Gemeinden verstärkt Aufgaben der Integration von ausländischen Bürgerinnen und Bürgern übernommen (vgl. Autonome Provinz Bozen-Südtirol 2014).

Durch ihre Aufgaben in der übergemeindlichen Zusammenarbeit und durch die Organisation verschiedener Sozialdienstleistungen nehmen die sieben Bezirksgemeinschaften und ihre mehr als 2.000 Mitarbeiter eine zunehmende Bedeutung bei der Mitgestaltung und Mitverwaltung von Diensten ein, die von den Gemeinden allein nicht mehr oder nur mehr sehr schwer bewältigt werden können. Unter diesen Aspekten werden die Bezirksgemeinschaften vielfach als funktionale Plattformen angesehen, um Synergieeffekte zu erzielen und um die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden zu fördern. Zu erwarten ist, dass die Bezirksgemeinschaften in Zukunft noch mehr Aufgaben von den Gemeinden übernehmen oder diese mit den Gemeinden gemeinsam verwalten werden. Angedacht sind seitens der Bezirksgemeinschaften unter anderem gemeinsame Polizeidienste (inkludiert die Videoüberwachung), Umweltdienste oder das Facilitymanagement (Liegenschaftsverwaltung), bei dem es um die Verwaltung und Bewirtschaftung von Gebäuden sowie deren technische Anlagen und Einrichtungen geht. Zwar sind die Gemeinden für eine freiwillige Kooperation mit den Bezirksgemeinschaften, nicht aber für eine gesetzliche Abtretung von eigenen Zuständigkeiten.

5. Resümee und kritische Reflexion

Die Alternative zu Gemeindefusionen, die in Südtirol vor allem aus historisch-symbolischen Gründen abgelehnt (und mitunter auch instrumentell zur Vermeidung einer solchen Diskussion eingesetzt) werden, stellt in Südtirol die Zusammenarbeit unter den Gemeinden dar. Die freiwillige Zusammenarbeit, die bereits seit vielen Jahren praktiziert wird, ist durch den italienischen Stabilitätspakt 2011 beschleunigt worden und hat 2012 zu einer Vereinbarung zwischen der Vertretung der Gemeinden bzw. des Rates der Gemeinden und dem Landeshauptmann geführt.

Es handelt sich um die verpflichtende Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und stellt für die Kommunen Südtirols einen Teil ihrer Finanzierung dar, zumal die Zusatzvereinbarung von 2012 im Rahmen der Gemeindefinanzierung abgeschlossen worden ist. Dabei stehen den Gemeinden zwei Typologien der Kooperation zur Verfügung: Bei den allgemeinen Regelungen geht es um die Einsparung im Personenbereich, bei den Sonderregelungen um das Jobsharing bei Gemeindesekretären (für Gemeinden mit bis zu 1.200 Einwohnern), um die Kooperation bei der Gemeindepolizei, bei Technikern für öffentliche Arbeiten, bei Recycling- und Bauhöfen sowie bei Altersheimen. Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern mussten innerhalb 31.12.2014 den Nachweis über den Abschluss von zwei Vereinbarungen, Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern von einer Vereinbarung nachweisen, andernfalls war ein Pönale von 15.000 Euro fällig. Innerhalb 31.01.2015 mussten die Vereinbarungen der Abteilung Örtliche Körperschaften des Landes mitgeteilt werden.

Mit wenigen Ausnahmen ist diese verpflichtende Kooperation reibungslos umgesetzt, formal auch kontrolliert, vereinzelt auch zurückgewiesen worden. Der Umstand, dass in der Vereinbarung die Kooperationsbereiche ohne Generalklausel taxativ aufgelistet sind, kann als restriktive Vorgabe interpretiert werden, womit potentielle Kooperationsfelder ausgeschlossen wurden (auch wenn diese auf freiwilliger Basis zusammengeführt werden können).

Die strukturelle Schwäche der Vereinbarung soll mittelfristig durch eine gesetzliche Regelung ersetzt und durch den Einbau von einer Reihe von Parametern differenziert werden (z. B. Fläche, Einwohner usw.), die erlauben, eine realistischere Einordnung der einzelnen Gemeinden vorzunehmen.

Insgesamt hat die Zusammenarbeit unter Gemeinden in den letzten Jahren zwar zugenommen, weist aber noch große Potentiale auf, die mitunter auch deshalb nicht ausgeschöpft werden, weil das „Kirchturmdenken“ unter Südtirols Gemeinden noch recht verbreitet ist. Die institutionellen Reformen, bei denen es um die Neuordnung der Kompetenzen zwischen Land und Gemeinden geht, können hier wichtige Weichenstellungen vornehmen. Dabei zeigt der Gemeindenverband Südtirols kein Interesse, Zuständigkeiten der Gemeinden an die Bezirksgemeinschaften abzutreten, auch wenn sich diese in den letzten Jahren in die Gemeindekooperation eingebracht haben. Tabu bleibt nach wie vor das Thema Gemeindefusion, auch wenn die Zeit längst reif wäre, unvoreingenommen darüber zu diskutieren.

Anmerkungen

1 Für die Hilfe bei der Datenrecherche danke ich recht herzlich René Tumler vom Ressort für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bevölkerungsschutz und Gemeinden in der Südtiroler Landesregierung.

2 Freundliche Auskunft von Frau Christine Zelger, Generalsekretärin der Gemeinde Ritten (24.02.2016) und Frau Gabriela Kerschbaumer, Generalsekretärin der Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland (24.02.2016).

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