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Reinhold Gärtner

Integration durch Partizipation

Akteure mit Migrationshintergrund in der kommunalen ­Politik Tirols

Integration and participation in local politics in Tyrol

Abstract Approx. 18 % of Austria’s entire population is made up of people with a migration background, meaning either they or their parents were born abroad. Some of them already have Austrian citizenship, others do not.

In Austria, non-Austrian citizens are not entitled to vote; with the exception of EU citizens, who are entitled to vote for the EU parliament and in municipal elections. As far as citizenship is concerned, Austria’ s policy is quite restrictive and follows the principle of ius sanguinis.

On the regional or national level, especially the Green Party (Alev Korun and Aslan Aygül Berivan), the Social Democratic Party (SPÖ) (Nurten Yilmaz) and the People’s Party (ÖVP) have successfully placed people with a migration background on their electoral lists; meanwhile a Muslim candidate (Asdin El Habassi) holds an ÖVP seat in parliament.

In recent years, more and more people with a migration background have become involved in local politics. In the municipal elections in 2010, some of them were elected into office in the local councils; one of them, Güven Tekcan, by means of a very successful preference vote campaign (with an astounding number of 420 preference votes in 2010 and an even more remarkable 442 in 2016).

People with a migration background are placed on party lists. There is no ethnic political party thus far, neither at the local nor at the national level.

This trend continued in 2016, though we are still a long way from a situation in which people with a migration background frequently make use of the right to be elected. During the most recent election campaign, integration was never really part of the political debate. If inclusion and exclusion were discussed, it was mainly with regard to refugees and asylum policy.

1. Einleitung

Ende 2014 lebten in Österreich 8.584.926 Menschen, davon 1.714.597 mit Migrationshintergrund. Von jenen mit Migrationshintergrund wurden 460.123 in Österreich geboren, die anderen zogen im Laufe ihres Lebens nach Österreich.1 Die Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfolgt nach dem Ius sanguinis, das heißt, dass in Österreich geborene Kinder nicht automatisch auch die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen.2 Deshalb findet eine weitere statistische Kategorie Anwendung und zwar jene der „ausländischen Herkunft“ (bis 2013) bzw. der „im Ausland geborenen Personen“. Ausländische Herkunft bedeutet im Ausland oder in Österreich geborene ausländische Staatsbürger/-innen plus im Ausland geborene österreichische Staatsbürger/-innen. Seit 2014 wird die Kategorie „im Ausland geborene Personen“ verwendet3, diese können entweder österreichische oder aber nicht-österreichische Staatsbürger/-innen sein.

Tab. 1: Bevölkerung mit Migrationshintergrund

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

Migrations­hintergrund

1.426.661

17,3 %

1.468.101

17,8 %

1.543.289

18,6 %

1.568.632

18,9 %

1.578.917

18,9 %

1.625.243

19,4 %

1.714.597

20,4 %

Ausländische Herkunft bzw. (ab 2014) im Ausland geboren

1.384.617

16,6 %

1.422.731

17,0 %

1.452.591

17,3 %

1.493.375

17,7 %

1.518.234

18,0 %

1.414.624

16,6 %

1.484.495

17,3 %

Quelle: eigene Zusammenstellung; Statistik Austria

In Tirol lebten am 01.01.2014 722.038 Menschen, davon etwa 124.600 mit Migrationshintergrund.4 89.858 davon waren nicht-österreichische Staatsbürger (12,4 %), 56.766 (circa 63,2 %) von diesen Personen stammten aus anderen EU-Staaten bzw. dem EWR oder der Schweiz, von den übrigen 33.092 kamen 25.839 (28,7 %) aus anderen europäischen Ländern (inklusive Türkei).

Es gibt eine Tiroler Gemeinde, in der mehr Ausländer als Inländer leben: In Jungholz hatten mit Stichtag 01.12.2014 115 (39,9 %) der 288 Einwohner/-innen die österreichische Staatsbürgerschaft. 136 der 173 Ausländer/-innen waren Deutsche.5

In Österreich gibt es kein Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger/-innen – mit Ausnahme der Wahlen der Kammervertretungen.6 EU-Bürger/-innen haben – wie in anderen Mitgliedsländern – die Möglichkeit, bei Kommunalwahlen und Wahlen zum EU-Parlament mitzuwählen. Nach fünfjährigem Aufenthalt mit Hauptwohnsitz haben EU-Bürger/-innen das passive Wahlrecht, unter bestimmten Umständen auch dann, wenn sie diese Fünfjahresfrist noch nicht erfüllen. Bei Bürgermeisterdirektwahlen gibt es das passive Wahlrecht allerdings nur für österreichische Staats­bür­ger/-innen.7

Ein Versuch, ein Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer/-innen auf der (nicht wirklich bedeutsamen) Bezirksebene einzuführen, scheiterte 2003 in Wien am Einspruch des Verfassungsgerichtshofs.8

In Österreich gibt es – bisher – keine ethnischen Parteien bzw. Listen von Gruppierungen mit Migrationshintergrund oder nationale Listen (z. B. in Rumänien, wo in der Abgeordnetenkammer 18 Sitze [von mehr als 300] für Abgeordnete nationaler Gruppen reserviert sind).

Um kandidieren zu können, muss eine Partei in Österreich als solche nach dem (2012 novellierten) Parteiengesetz angemeldet sein, dies ist relativ einfach: die Gründung ist grundsätzlich frei, die Satzungen müssen beim BMI (Bundesministerium für Inneres) hinterlegt und in geeigneter Art und Weise im Internet veröffentlicht werden. Selbstverständlich dürfen die Satzungen nicht gegen die Bundesverfassung verstoßen. Ist diese Anmeldung erledigt, müssen die Parteien, um an Wahlen teilnehmen zu können, eine bestimmte Anzahl an Unterstützungserklärungen vorweisen können: auf Bundesebene (Nationalratswahlen) 2.600, von 100 (Burgenland und Vorarlberg) bis zu 500 (Wien und Niederösterreich) in den jeweiligen Bundesländern. In Tirol sind 200 Unterstützungserklärungen erforderlich. Auf Landesebene (Landtagswahlen) müssen diese Unterstützungserklärungen in den jeweiligen Bezirken (Wahlkreisen) eingeholt werden: 2013 waren das 732 für ganz Tirol, in den Bezir­ken zwischen 61 (Reutte) und 98 (Innsbruck-Land) (o. A. 2013). Auf Gemeindeebene (Gemeinderatswahlen) müssen 1 Prozent der Einwohner/-innen der betreffenden Gemeinde, mindestens aber acht Wahlberechtigte einen Wahlvorschlag unterzeichnen, damit dieser bei der Wahlbehörde eingereicht werden kann.9

2. Migrationshintergrund und Partizipation

Sprechen wir von Integration durch Partizipation, so können wir dies auf zweierlei Art und Weise untersuchen. Zum einen durch das aktive, zum anderen durch das passive Wahlrecht, also durch die Mitarbeit von Menschen mit Migrationshintergrund in unterschiedlichen Parteien und ihre Kandidatur bei Wahlen.

Das aktive Wahlrecht gilt im Wesentlichen für österreichische Staatsbürger/-innen. Neben dem Ius sanguinis führt die Tatsache, dass der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft im europäischen Vergleich eher restriktiv geregelt ist, dazu, dass ein doch relativ großer Prozentsatz der in Österreich lebenden Bevölkerung von politischen Rechten und damit von politischer Partizipation weitgehend ausgeschlossen ist. Zu Beginn des Jahres 2014 lebten in Österreich 1.066.114 oder 12,5 Prozent Ausländer/-innen.

Bevor die Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund auf regionaler Ebene beleuchtet wird, ein Blick auf die nationale Ebene: Für die ÖVP sitzt Asdin El Habassi, Salzburger mit marokkanischen Wurzeln, seit 2013 im Nationalrat. Er ist der erste praktizierende Moslem in den Reihen der ÖVP.

Bereits seit 2008 Nationalratsabgeordnete ist Alev Korun (Grüne): Sie wurde in der Türkei geboren, besuchte Schulen in Istanbul und studierte von 1988 bis 1992 Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Ebenso wie Korun sitzt seit 2013 Aslan Aygül Berivan für die Grünen im Nationalrat: Die gebürtige Türkin stammt aus Telfs und absolvierte ihr Jus-Studium an der Universität Innsbruck. Im Bundesrat saß von 2008–2015 der Grüne Efgani Dönmez aus Oberösterreich: Auch er wurde in der Türkei geboren, ist Diplomsozialarbeiter und absolvierte an der Universität Linz die Ausbildung zum PMM (Professional Master of Mediation).

Schließlich sitzt für die SPÖ seit 2013 Nurten Yilmaz im Nationalrat: Auch sie wurde in der Türkei geboren und absolvierte die Höhere Technische Bundeslehranstalt Wien.

An diesen wenigen Beispielen wird ersichtlich, dass es auf Bundesebene, wie eben erwähnt, keine ethnischen Parteien gibt. Vertreter/-innen der Migrationsgesellschaften werden von etablierten Parteien aufgestellt und sitzen für diese im Parlament. Wenig überraschend für SPÖ, ÖVP oder Grüne und nicht für die FPÖ.

Ein ähnliches Bild zeigt sich auf regionaler bzw. kommunaler Ebene. Wenn wir den aktuellen, 2013 neu gewählten Tiroler Landtag ansehen, so hat mit Dipl. Päd. Ahmed Demir (Grüne) lediglich einer der 36 Abgeordneten Migrationshintergrund (Stand Februar 2015). Die Landesfrauenvorsitzende der SPÖ Tirol ist seit 2014 Selma Yildirim. Seit 2014 ist sie auch im Bundesparteivorstand der SPÖ.

3. Gemeindepolitik

Nicht jeder, vor allem nicht jede Partei, sieht es als Vorteil, wenn Menschen mit Migrationshintergrund in die Kommunalpolitik einsteigen. Interessanterweise, aber nicht überraschend, kommen Bedenken in erster Linie von der FPÖ, die immer wieder rasch zur Stelle ist, wenn es um Forderungen an die Zuwanderungsgesellschaft bzw. an Menschen mit Migrationshintergrund geht. Allerdings sind dies meist Forderungen in Richtung Assimilierung – um Integration bemüht ist die FPÖ nicht wirklich.

Beispiel Telfs: „Droht Telfs ein türkischer Gemeinderat?“. Dieter Schilcher, damals von der Telfer FPÖ, hatte schon im Vorfeld der Gemeinderatswahl 2010 seine Ängste geäußert und vor einem möglichen Gemeinderatsmitglied Güven Tekcan gewarnt:

„Wer glaubt, dass der türkischstämmige Kandidat, Herr Güven Tekcan, für einen Platz im Gemeinderat an aussichtsloser Position (Platz 20) auf der Bürgermeisterliste gereiht ist, der täuscht sich gewaltig. Denn wie bereits durchgedrungen ist, führt dieser einen extremen Vorzugsstimmenwahlkampf‘, gibt der FP-Bürgermeisterkandidat Mag. Dieter Schilcher angesichts der kürzlich erfolgten Listenpräsentation der Bürgermeisterliste – Liste 1/ÖVP Telfs zu bedenken. An die 1.400 türkischstämmige Wahlberechtigte gäbe es in Telfs, erläutert Schilcher: ‚Bei ausreichender Mobilisierung sind das nicht nur drei Gemeinderatsmandate für Bgm. Opperer, Herr Tekcan wird damit auch mit Leichtigkeit die erforderlichen 300 Vorzugsstimmen bekommen. Ist dies der Fall, so hat Herr Tekcan einen Fix-Platz im Gemeinderat. Und wo einer ist, folgen mehr! Der Wähler wird entscheiden, ob diese Entwicklung zu unterstützen ist.“ (Schilcher 2010)

„Wo einer ist, folgen mehr!“ – ein bekanntes Bedrohungsszenario der FPÖ.

Jenes Feld, auf dem seit einiger Zeit mehr und mehr Politiker/-innen mit Migrationshintergrund aktiv sind, ist das der Gemeindepolitik: „Drei Vorreiter hoffen auf Nachahmer“, titelte die Tiroler Tageszeitung im April 2015. Porträtiert wurden in diesem Beitrag Güven Tekcan aus Telfs, Yavuz Öztürk aus Hall und Ali Gündogdu aus Fulpmes.

Für Aufsehen sorgte 2010 der bereits erwähnte Güven Tekcan in Telfs. Er war auf der ÖVP-Liste auf Platz 20 gereiht, angesichts der 21 zu vergebenden Sitze und der neun antretenden Listen war vorhersehbar, dass Tekcan nur über die Listenreihung nicht in den Gemeinderat einziehen würde. Er bekam aber aufgrund eines sehr erfolgreich geführten Wahlkampfs 420 Vorzugsstimmen und stand damit plötzlich an der zweiten Stelle der Parteiliste. Seit 2013 ist Tekcan auch im Gemeindevorstand vertreten. Wenn Tekcan ein knappes Jahr vor der nächsten Gemeinderatswahl 2016 eine Botschaft hätte vermitteln wollen, so wäre dies der Appell an andere Menschen mit Migrationshintergrund gewesen, sich in der Gemeindepolitik zu engagieren: „Ich glaube, die Parteien sind jetzt so weit.“ (md 2015) Er könne seinen Weg anderen nur empfehlen, ihm habe die Gemeindepolitik Spaß gemacht. Abraten möchte er aber von ethnischen Listen.

Gefragt, ob sie sich in ihren Parteien Politiker/-innen mit Migrationshintergrund vorstellen könnten, meinten die Vertreter/-innen der anderen Telfer Parteilisten, dies sei keinesfalls ein Hindernis – es gehe um Inhalte, um Eignung und nicht um Per­sonen.

Yavuz Öztürk saß damals als einer der ersten Gemeinderäte mit Migrationshintergrund von 2004–2008 für die SPÖ im Stadtparlament in Hall. 2016 wollte er wieder kandidieren, diesmal aber für die NEOS. Diese traten aber nicht zur Gemeinderatswahl an. Eines seiner Anliegen war, „denen, die sich nicht trauen, vorzuleben, dass ihnen alle Wege offenstehen.“ (md 2015) Die Reaktionen der anderen Parteien waren ähnlich wie in Telfs: durchaus Interesse bei ÖVP und SPÖ, bei der Liste „Für Hall“ und den Grünen, Personen mit Migrationshintergrund einzubinden. Für den FPÖ-Vertreter Karl-Ludwig Faserl müssten die Personen die Werte der Partei hochhalten, das Problem stelle sich aber nicht, da sich bisher niemand gemeldet habe. Es sei schon schwer genug, Einheimische zu finden, so Faserl.10

Mit einer eigenen Liste trat Ali Gündogdu im Jahr 2010 zur Kommunalwahl in Fulpmes im Stubaital an. Damals hatten etwas mehr als 105 der Wahlberechtigten in Fulpmes türkischen Migrationshintergrund (300 von 2.900). Zwei Männer und fünf Frauen waren auf der Liste von „Miteinander für Fulpmes“ angetreten. Ein Jahr lang hatten sie bei Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürgern mit und ohne Mi­gra­tionshintergrund Überzeugungsarbeit geleistet. Ein Antreten bei der Bürgermeisterdirektwahl schloss Gündogdu damals noch aus, Ziel waren ein bis zwei Mandate (vgl. o. A. 2009). 2016 kandidierte Gündogdu aus familiären Gründen nicht mehr, ein Antreten bei der Bürgermeisterdirektwahl 2022 sei allerdings eine Möglichkeit: „Allein als Bürgermeister anzutreten, wäre für mich eine Ehre. Früher haben viele gesagt, ein Türkischstämmiger als Gemeinderat ja, als Bürgermeister nein. Das hat sich mittlerweile geändert.“ (md 2015) Insgesamt betont Gündogdu die konstruktive Zusammenarbeit sowohl mit dem Bürgermeister als auch mit den anderen Fraktionen (vgl. Amt der Tiroler Landesregierung 2012).

Die Arbeitsmigration ins Stubaital begann in den 1960er- und 1970er-Jahren; viele der türkischstämmigen Bewohner des Stubaitales haben ihre Wurzeln in der Provinz Usak. Im Sommer 2014 kam der Bürgermeister von Usak mit einigen Gemeinderatsmitgliedern nach Fulpmes, im November 2014 folgte ein Gegenbesuch des Fulpmer Gemeinderates in Usak. Ein Ergebnis dieser Besuche war, dass beide Seiten vereinbarten, die Kontakte in Hinkunft auszubauen und intensiv zu pflegen.

Ebenso seit 2010 im Gemeinderat (in Jenbach) ist Mustafa Isilak (vgl. Amt der Tiroler Landesregierung 2012). Er kandidierte gemeinsam mit den Grünen auf der Liste „Gemeinsam für Jenbach“, auch sein Ziel war es, die Interessen der Zugewanderten zu vertreten. Nur wenn sich Migrantinnen und Migranten auch in der Gemeindepolitik einbringen, könne Integration gelingen.

In Innsbruck schließlich sitzt mit Mesut Onay ebenfalls ein Abgeordneter mit Migrationshintergrund im Gemeinderat.

Im Wahlkampf spielte das Thema Integration – wenn überhaupt – in Bezug auf Flüchtlinge eine Rolle. Angesichts der Tatsache, dass beim aktuellen gesellschaftspolitischen Diskurs gerade bei diesem Thema die unterschiedlichsten Ebenen – Ausländer/-innen, Fremde, Asylwerber/-innen, Migrantinnen und Migranten – in einen Topf geworfen werden und damit eine differenzierte Diskussion häufig unmöglich gemacht wird, scheinen wir von einer entspannten, entemotionalisierten Debatte über Integration doch noch einigermaßen entfernt zu sein.

Am 28.02.2016 fanden die jüngsten Gemeinderatswahlen in Tirol statt (mit Ausnahme von Innsbruck, wo erst 2018 wieder gewählt wird, und Gramais, wo keine Liste antrat und die Wahl deshalb ausfiel).

2016 kandidierten bei der Liste „Gemeinsam für Jenbach“ drei Kandidatinnen und Kandidaten mit Migrationshintergrund auf aussichtsreichen Plätzen (Ränge 2, 3 und 5 für Yesim Sahan, Turgay Kilicer und Vahap Esen); für die ÖVP Aracely ­Sayas de Scheitnagl an 7. Stelle. Der Listenführer der Grünen und Unabhängigen, Wolfgang Palaver, verzichtete auf sein Mandat, für ihn zieht Yesim Sahan in den Gemeinderat ein.

In Telfs ist Abdulkadir Özdemir bei der SPÖ auf dem dritten Listenplatz, bei der ÖVP Güven Tekcan ebenso als Dritter. Für die Grünen – allerdings an aussichtsloser achter bzw. zehnter Stelle – kandidieren Gordana Davidovic und Ahmet Demirci. In Fulpmes ist bei „MFF-Miteinander für Fulpmes“ Seyma Taskiran an dritter Stelle; Spitzenkandidat der Landecker Grünen ist Ahmet Demir, an dritter Stelle in Schwaz ist Tarik Özbek.

Aufregung gab es kurz vor der Wahl in Wörgl. Kaya Kayahan, Mitarbeiter der Integrationsstelle in Wörgl und an 14. Stelle der Bürgerliste Wörgler Volkspartei gereiht, hatte auf seinem privaten Facebook-Account auf die Wahl am 28.02. verwiesen und Menschen animiert, zur Wahl zu gehen. Diese Ermunterung, zur Wahl zu gehen, hatte er auch mit einigen wenigen Worten auf Türkisch wiederholt. Das sollte genügen, dass die FPÖ in Wörgl das Abendland in Gefahr sah: Carmen Schimanek, FPÖ-Gemeinderats- und Nationalratsabgeordnete, meinte, sämtliche Integra­tions­maß­nahmen würden mit Füßen getreten:

„Für jene, die sich bisher bemüht haben, die Integration ausländischer Mitbürger zu unterstützen, ist das ein Schlag ins Gesicht, ist doch die deutsche Sprache ein grundlegender Pfeiler dieser Bemühungen. […] Offen wirbt Kaya in türkischer Sprache um Stimmen für sich und die Bürgerliste Wörgler Volkspartei und das als zuständiger Integrationsbeauftragter [Kaya ist nicht Integrationsbeauftragter, sondern Abteilungsleiter für Integration bei besagtem Verein, Anm. d. Autors], der von der Stadt wie auch vom Land dafür ein Einkommen bezieht.“ (Otter 2016)

Man müsse überlegen, so Schimanek weiter, „ob Kaya für seine Position überhaupt weiter geeignet sei.“ (Otter 2016) Dessen ungeachtet erreichte Kayahan Kaya bei den Wahlen auf seiner Bürgerliste Wörgler Volkspartei ein Direktmandat und schaffte den Sprung vom 14. Listenplatz in den Gemeinderat.

Nach Vorliegen der Ergebnisse hat es in Telfs wieder Güven Tekcan geschafft – die ÖVP musste deutliche Verluste hinnehmen, nicht so aber Güven Tekcan, der mit 442 wieder die meisten Vorzugsstimmen erhielt. In Landeck konnten die Grünen mit Spitzenkandidat Ahmet Demir ein Mandat erreichen, in Jenbach allerdings kam die Liste „Gemeinsam für Jenbach“ nur mehr auf ein Mandat.

Langsam wird es also selbstverständlicher, dass Personen mit Migrationshintergrund auf Listen zu Kommunalwahlen zu finden sind. Allerdings noch zu oft auf aussichtslosen Listenplätzen.

4. Resümee

In seiner Studie „Who Governs?“ aus den frühen 1960er-Jahren hat Robert Dahl drei grundsätzliche Arten von politischer Vertretung für Zuwanderungsgesellschaften definiert: In einer ersten Phase werden die Interessen der neuen ethnischen Gruppe durch Eliten der Aufnahmegesellschaft vertreten, die betreffende ethnische Gruppe selbst hat noch keine Möglichkeit, sich politisch zu engagieren. Voraussetzung um überhaupt politisch aktiv zu werden und diese Vertretung durch Angehörige anderer Eliten unterstützen zu können, wäre das aktive Wahlrecht.

In einer zweiten Stufe gibt es ethnic-voting (Voraussetzung ist wiederum, dass die ethnische Gruppe das Wahlrecht besitzt), das heißt, dass sich aus einer mittlerweile komplexer gewordenen ethnischen Gruppe eine Mittelschicht entwickelt, die die Interessen der eigenen Gruppe wahrnimmt. Schließlich spielt in der dritten Phase ethnische Zugehörigkeit eine immer weniger wichtige Rolle, weil die Mitglieder der Gruppe Zugang zu anderen nicht-ethnischen Eliten gefunden haben (vgl. Pelinka 2005, 141f).

Wenn wir ein vorläufiges Resümee über Partizipation und Integration ziehen und dabei vergleichend auf Dahls Studie zurückgreifen, so scheint dieser gegenwärtige Prozess von Zuwanderung und Integration allochthoner Minderheiten zwischen der zweiten und der dritten Phase zu liegen. Am Beispiel „Miteinander für Fulpmes“ ist zu sehen, dass zwar (noch) die eigene ethnische Gruppe angesprochen, gleichzeitig aber auch eine Öffnung für andere ethnische Gruppen angestrebt wird. Ähnlich in Telfs: Güven Tekcan hatte zwar sowohl 2010 als auch 2016 für seinen Vorzugsstimmenwahlkampf die eigene ethnische Community angesprochen, gleichzeitig aber auf einer ÖVP-Liste kandidiert. Auch auf der Jenbacher Liste „Gemeinsam für Jenbach“ kandidierten sowohl 2010 als auch 2016 Personen mit und ohne Migrationshintergrund.

Wie die Äußerung von Dieter Schilcher zeigt, spielt Ethnizität nach wie vor aber eine große Rolle – für ihn und die FPÖ vor allem als potentielles Bedrohungsszenario. Das heißt, dass verschiedentlich das Thema Ethnizität nach wie vor eingebracht wird – wenngleich für einen zunehmend größeren Teil der Bevölkerung die ethnische Zugehörigkeit als immer weniger wichtig erachtet wird.

Ein zweiter wesentlicher Aspekt aber ist das (aktive und/oder passive) Wahlrecht: Die angesprochenen Personen sind Menschen mit Migrationshintergrund, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und damit selbstverständlich im Besitz aller politischen Rechte sind. In Österreich – und in vielen anderen Ländern – ist das Problem aber, dass ein relativ großer Teil der Bevölkerung die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes besitzt. Diese Personen sind damit von der politischen Partizipation weitgehend ausgeschlossen. Eine Überlegung, dies zu ändern, wäre, den Zugang zu politischen Rechten nicht aufgrund der Staatsbürgerschaft (citizenship) zuzuerkennen, sondern aufgrund der Wohnbürgerschaft (denizenship), also nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen.

Anmerkungen

1 Migrationshintergrund haben jene Personen, die selbst oder deren Eltern im Ausland geboren wurden.

2 Der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft wird relativ restriktiv gehandhabt; einen Rechtsanspruch haben Personen nach 30 Jahren Aufenthalt; bei besonderer Integration bereits nach 15 Jahren und bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (z. B. Ehe oder Geburt in Österreich) nach sechs Jahren. Vgl. dazu www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/26/Seite.260430.html

3 Vgl. dazu „Migration & Integration – Zahlen. Daten. Fakten.“ Aus den Jahren 2008 bis 2014; erstellt bzw. herausgegeben vom Österreichischen Integrationsfonds bzw. der Statistik Austria;

www.integrationsfonds.at/zahlen_und_fakten/statistisches_jahrbuch_2014/

4 Vgl. dazu die Statistiken von Statistik Austria: www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/­bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_migrationshintergrund/033241.html

www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_staatsangehoerigkeit_geburtsland/index.html

5 Vgl. dazu www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/zahlen-fakten/migramap/

6 In den Kammern – Arbeiterkammer (AK), Landwirtschaftskammer (LWK), Wirtschaftskammer (WKO), Kammern der freien Berufe – besteht Pflichtmitgliedschaft, d. h. Berufstätige werden entsprechend ihrer Berufstätigkeit einer Kammer zugeordnet.

7 Bürgermeister/-innen werden in den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg direkt gewählt.

8 In Wien gibt es 23, in Graz 17 Stadtbezirke, in denen jeweils die Bezirksvertretung bzw. die Bezirksräte direkt gewählt werden. Diese Bezirke sind – anders als die 95 politischen Bezirke Österreichs (15 Statutarstädte und 80 Landbezirke) – als Stadtteile zu sehen.

9 www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrT&Gesetzesnummer=20000186, Tiroler Gemeinderatswahlordnung, § 35

10 Allein die Wortwahl „Einheimische“ deutet darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen „einheimisch“ und „nicht-einheimisch“ nach wie vor aufrecht ist: wie bei den berühmten Zuagroasten in Tirol, denen erst nach langer Zeit Zugehörigkeit attestiert wird.

Literaturverzeichnis

Amt der Tiroler Landesregierung (2012). Fremd? Heimat Tirol. Integrationskalender 2012, www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/gesellschaft-soziales/integration/downloads/Unterlagen/I-Kalender_2012/I-
Kalender_2012_Rueckseite.pdf

md (2015). Drei Vorreiter hoffen auf Nachahmer, Tiroler Tageszeitung, www.tt.com/politik/9944327-92/drei-vorreiter-hoffen-auf-nachahmer.csp, 27.04.2015

o. A. (2009). Gemeinderatswahl, http://tirv1.orf.at/stories/350109, 21.03.2009

o. A. (2013). LT-Wahl: Listen auf Unterschriftenjagd, http://tirol.orf.at/news/stories/2571626/, 15.02.2013

Otter, Wolfgang (2016). Wahlwerbung auf Türkisch regt auf, Tiroler Tageszeitung, www.tt.com/politik/landespolitik/11156413-91/wahlwerbung-auf-t%C3%BCrkisch-regt-auf.csp, 23.02.2016

Pelinka, Anton (2005). Vergleich politischer Systeme, Wien: Böhlau

Schilcher, Dieter (2010). Telfs-Bgm.-Kandidat Mag. Dieter Schilcher: Droht Telfs ein türkischer Gemeinderat, www.fpoe-tirol.at/news-detail/telfs-bgm-kandidat-mag-dieter-schilcher-droht-telfs-ein-tuerkischer-gemeinderat, 11.02.2010