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Klaudia Resch

Frauen in der institutionellen Gemeindepolitik in Südtirol

Die Gemeinderatswahlen 2015 in Südtirol

Women in institutional municipal politics in South Tyrol

Abstract In the 2015 municipal elections, a total of 1,785 local councillors were elected, 437 of whom were women. Adding the seven municipalities in which elections were held in 2014, a total of 1,908 local councillors were in office in South Tyrol in 2015, of whom 465 were ­women.

Furthermore, 201 of the 576 members of municipal committees in 2015 were women. This remarkably high rate of female representation in municipal committees compared to the number of local councillors and to the elections of previous years was the result of the municipal electoral law, which gave clear preference to the female gender, hitherto underrepresented in municipal committees. This quota system was once more reduced following the municipal elections.

In 2015, only ten women were directly elected as mayors and 27 as deputy mayors in South Tyrol’s 116 municipalities.

These figures indicate that while women are represented in institutional municipal politics in South Tyrol today, they are still far fewer in number compared to their male counterparts: In the case of South Tyrol’s municipal councils, female representation is currently just under one quarter (24.4 %), while on committees women make up a good third (34.9 %) of the members; 23.3 % of deputy mayors are women, while the figure for mayors is a modest 8.6 %.

It can be stated that quotas have done a lot for female representation: A clear rise in the number of women on municipal councils can be seen thanks to the list ratios that were in place in the 1995 and 2005 elections, just as there is a clearly higher rate of female representation on committees compared to municipal councils (34.9 % compared to 24.4 %) owing to the 2015 representation quota on the committees.

Die Gemeinde ist die kleinste politische und administrative Ebene des Staates. Die Probleme und Entscheidungen in der Gemeinde sind überschaubar, die Politik in direktem und ständigem Kontakt mit der Bevölkerung und damit mit den Wählerinnen und Wählern. Daher gilt die Gemeindepolitik als idealer Ort für erste politische Erfahrungen, als Übungsfeld für politische Laufbahnen (vgl. Schiestl 2013, 103). Umso wichtiger ist es, dass gerade in der Gemeindepolitik die politische Teilhabe der Frauen ermöglicht wird und Frauen sich in der institutionellen Gemeindepolitik engagieren.

Gemeinderätinnen in Südtirol 2015

Bei den Gemeinderatswahlen 20151 wurden insgesamt 1.785 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte gewählt, davon 437 Frauen. Das entspricht einem Prozentsatz von 24,5. Werden die sieben Gemeinden dazugerechnet, in denen bereits 2014 gewählt wurde, so gab es 2015 in den 116 Gemeinden Südtirols insgesamt 1.908 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, davon 465 Frauen (das sind 24,4 %).2

Von den Gemeinden mit mehr als 15.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat Brixen mit etwas mehr als einem Viertel den höchsten Frauenanteil (sieben Frauen auf 27, das sind 25,9 %). Bruneck bildet mit 18,5 Prozent Frauen im Gemeinderat (fünf Frauen auf 27) das Schlusslicht unter den großen Gemeinden.

In den Gemeinden bis 15.000 Einwohner/-innen hat Naturns mit acht Frauen von 18 Gemeinderatsmitgliedern den höchsten Frauenanteil (44,4 %), gefolgt von Hafling, Kurtinig und Vöran mit 41,7 Prozent (fünf Frauen von zwölf), Ulten, Kurtatsch, Kastelbell-Tschars und Jenesien mit je 40 Prozent (sechs Frauen von 15). Die Schlusslichter sind die Gemeinden Ahrntal, Prad, Salurn, Sand in Taufers und Vintl mit zwei Frauen in einem 18-köpfigen Gemeinderat, das entspricht einem Prozentsatz von 11,1, sowie die Gemeinde Lüsen mit 6,7 Prozent Frauenanteil im Gemeinderat (eine Frau von 15).

Auffallend ist, dass der durchschnittliche Frauenanteil in den Gemeinden mit über 15.000 Einwohnerinnen und Einwohnern mit 22,2 Prozent unter jenem der kleineren Gemeinden liegt, die insgesamt einen Frauenanteil von knapp einem Viertel (24,6 %) erreichen. Eigentlich wäre ein umgekehrtes Ergebnis zu erwarten, da üblicherweise davon ausgegangen wird, dass sich im ländlichen Bereich das traditionelle Rollenverständnis der Geschlechter und die patriarchalen Strukturen länger halten als in den Städten. Ein Erklärungsversuch für das bessere Abschneiden der Frauen in den Dörfern könnte sein, dass sich die Menschen auf dem Lande noch großteils persönlich kennen und die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten häufig nicht nur über die Parteien, sondern auch über Vereine, Pfarreien und andere Organisationen erfolgt. In den Städten hingegen scheinen die Parteien bei der Nominierung der Kandidatinnen und Kandidaten eine entscheidende Rolle zu spielen. Sie sind die Gatekeeper bei der Listenerstellung. Parteien haben aber nach wie vor vorwiegend männliches Führungspersonal,3 sind von ihrer Organisationsstruktur und ihrer Arbeitsweise eher auf Männer ausgerichtet und schaffen es nur sehr bedingt, auch für Frauen attraktiv zu sein: 12,3 Prozent der Südtiroler Männer geben an, Mitglied einer Partei zu sein, aber nur 6,1 Prozent der Frauen, 7,3 Prozent der Männer haben in den letzten zwölf Monaten an einer Versammlung einer Partei teilgenommen, aber nur 2,6 Prozent der Frauen (Lombardo 2013, 3).

Abb. 1: Frauenanteil in den Gemeinderäten

Quelle: Eigene Berechnung, Stand: 23. Jänner 2016 für die Gemeinden St. Ulrich und Natz-Schabs, für alle anderen Gemeinden 5. September 2015.

In den meisten Gemeinden Südtirols sind Frauen mit 20 bis 30 Prozent in den Gemeinderäten vertreten. Einen Gemeinderat mit über 30 Prozent Frauen haben insgesamt 25 der 116 Gemeinden, in 30 Gemeinderäten sind Frauen mit weniger als 20 Prozent vertreten.

Gemeinderätinnen in Südtirol von 1952 bis heute

Die ersten freien Gemeinderatswahlen nach dem Zweiten Weltkrieg werden in Südtirol 1952 abgehalten, in Bozen finden bereits 1948 demokratische Wahlen statt, zu denen auch Frauen zugelassen sind (vgl. Gemeinde Bozen 2015, 4). Meist wird ­Agnes Guem, die 1952 auf der SVP-Liste in den Brunecker Gemeinderat gewählt wird, als erste Gemeinderätin Südtirols genannt (vgl. Lüftner 2000, 192; Just et al. 2012, 122). Sie ist allerdings nur die erste deutschsprachige Gemeinderätin, denn bereits 1948 wird Marcella Negri von der Democrazia Cristiana in den Gemeinderat von Bozen gewählt und sogar als Ersatzmitglied in den Ausschuss berufen – für den Aufgabenbereich Fürsorge (vgl. Gemeinde Bozen 2015a, 4). Marcella Negri wird 1952 wiedergewählt, als auch Agnes Guem in Bruneck den Sprung in den Gemeinderat schafft. 1956 wird Guem wiedergewählt, Marcella Negri ist da noch im Amt. 1957 finden in Bozen wieder Wahlen statt und zwei Frauen schaffen den Einzug in den Gemeinderat: Anna Lucia Ferraris Chiesa vom Partito Nazionale Monarchico und Lidia Menapace, damals noch auf der Liste der Democrazia Cristiana. 1960 werden weitere vier Frauen in vier verschiedenen Gemeinden in den Gemeinderat gewählt: je eine SVP-Vertreterin in den Gemeinden Bruneck, Kaltern und Auer, eine Frau auf der MSI-Liste in Meran (vgl. Lüftner 2000, 192). Insgesamt gibt es 1960 also sehr wahrscheinlich sechs und nicht drei (vgl. Just et al. 2012, 122) beziehungsweise vier (vgl. Lüftner 2000, 192) Gemeinderätinnen.

Leider divergieren die Angaben zu den gewählten Frauen auf kommunaler Ebene auch für die Folgejahre sehr stark zwischen den Quellen (vgl. Lüftner 2000, 192; Just et al. 2012, 122; Beirat für Chancengleichheit 2010; Beirat für Chancengleichheit 2015), daher wird davon abgesehen, eine Überblickstabelle darzustellen.

Gesichert scheint, dass der Frauenanteil in den Gemeinderäten Südtirols bei rund 9 Prozent liegt, als 1993 das italienische Parlament ein Wahlgesetz verabschiedet, das für Gemeinderatswahlen eine Listenquote von mindestens einem Drittel vorsieht (Art. 5 Abs. 2, Gesetz vom 25.03.1993, Nr. 81). Diese Listenquote beeinflusst die Gemeinderatswahlen von 1995 erheblich: Die Frauenrepräsentanz in den Gemeinderäten steigt auf rund 15 Prozent und liegt damit erstmals über der 10-Prozent-Marke (vgl. Lüftner 2000, 192; Appelt et al. 2003, 37). Doch bereits kurz nach den Gemeinderatswahlen wird die Listenquote vom obersten Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt und gekippt (Urteil Nr. 422/1995). Negative Auswirkungen auf die Frauenrepräsentanz werden für die Wahlen 2000 befürchtet, doch bleiben diese aus. Ganz im Gegenteil, die Frauen erringen im Jahr 2000 noch ein paar Mandate mehr als 1995 (ca. 17 %).

Ein größerer Sprung nach vorne gelingt 2005, als die Frauenrepräsentanz rund 20 Prozent erreicht. Ein Grund dafür ist erneut eine Listenquote, diesmal auf regionaler Ebene. Die Gemeindewahlordnung (Dekret des Präsidenten der Region vom 1. Februar 2005, Nr. 1/L, Art. 45) sieht seit 2004 vor, dass auf keiner Kandidaten-Liste ein Geschlecht mehr als zwei Drittel der Listenplätze einnehmen darf. Wird diese Höchstgrenze überschritten, werden die letzten Namen des überrepräsentierten Geschlechts von der Liste gestrichen.

Bei den Gemeinderatswahlen 2010 schaffen 443 Frauen den Einzug in die Gemeinderäte Südtirols: Schenna hat mit knapp 47 Prozent den höchsten Frauenanteil, gefolgt von Rasen-Antholz mit 40 Prozent. Schlusslichter sind Gsies und Niederdorf mit weniger als 7 Prozent (vgl. Beirat für Chancengleichheit 2010). Im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen 2010 ist die Zahl der gewählten Frauen bei den Wahlen 2015 also nicht signifikant angestiegen (von 443 Frauen auf 465). Da zwischen 2010 und 2015 aber die Gemeinderäte verkleinert wurden, ist es sinnvoller, nicht die absoluten Zahlen zu vergleichen, sondern die Prozente: Von 2000 bis 2005 stieg der Frauenanteil in den Gemeinderäten um rund 3 Prozentpunkte, 2010 nochmals um 1,5 Prozentpunkte und 2015 kann ein Zuwachs von 2,5 Prozentpunkten für die Frauen verbucht werden.

Doch ist es noch ein weiter Weg zur paritätischen Vertretung beider Geschlechter in den Gemeinderäten Südtirols. Und so gibt es immer wieder Vorschläge, wie die Vertretung von Frauen in politischen Gremien gefördert werden könnte. Dabei werden vor allem eine Listenquote von 50 Prozent, die Anwendung des Reißverschlussprinzips bei der Listenerstellung und die doppelte Vorzugsstimme gefordert. Der Schwachpunkt der Listenquote ist, dass sie nichts darüber aussagt, auf welchem Platz der Liste die Frauen platziert werden. Das Reißverschlussprinzip geht da einen Schritt weiter und schreibt vor, dass die Kandidatinnen und Kandidaten abwechselnd auf der Wahlliste gereiht werden müssen. Die doppelte Vorzugsstimme schließlich gibt es in Italien seit 1992 und sie wird mittlerweile in allen italienischen Regionen außer in Trentino-Südtirol angewandt. Sie gibt die Möglichkeit, eine zusätzliche Vorzugsstimme zu vergeben, falls die Stimmen auf beide Geschlechter aufgeteilt werden. Da in Südtirol bis zu vier Vorzugsstimmen abgegeben werden können, würde die doppelte Vorzugsstimme bedeuten, dass einem Geschlecht maximal eine Vorzugsstimme mehr gegeben werden kann als dem anderen Geschlecht, also zum Beispiel zwei Vorzugsstimmen für Frauen, eine für einen Mann oder umgekehrt. Falls alle vier Vorzugsstimmen vergeben werden, müssten zwei Männer und zwei Frauen gewählt werden. Angewandt wurde die doppelte Vorzugsstimme in Südtirol bisher nur bei den Europawahlen 2014 und bei den internen Vorwahlen zur Listenerstellung der Grünen-Verdi-Vërc für die Landtagswahlen 2013.

Frauen in den Gemeindeausschüssen Südtirols 2015

Nach den Gemeinderatswahlen 2015 waren in Südtirol 201 der 576 Mitglieder der Gemeindeausschüsse Frauen, das sind 34,9 Prozent.4 Damit liegt der Frauenanteil bei den Gemeindeausschüssen erstmals über dem Wert von 30 Prozent, der auf der vierten Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 als notwendige kritische Masse für Veränderungen definiert wurde.

Die höchste Frauenrepräsentanz in den Ausschüssen haben die Gemeinden Hafling, Jenesien, Karneid und Tscherms mit jeweils 60 Prozent (drei Frauen in einem fünfköpfigen Ausschuss). Weitere 17 Gemeinden haben einen paritätisch besetzten Gemeindeausschuss mit drei Frauen und drei Männern (Innichen, Naturns und Sterzing) oder mit zwei Frauen und zwei Männern (Andrian, Branzoll, Feldthurns, Franzensfeste, Margreid, Mölten, Pfitsch, Rodeneck, Schluderns, St. Christina, St. Pankraz, Terenten, Tisens, Wolkenstein). Und immerhin weitere 37 Gemeinden kommen auf einen Frauenanteil von 40 Prozent oder mehr in ihren Ausschüssen.

Allerdings gibt es auch 39 Gemeinden, in denen nur eine einzige Frau in den Ausschuss gewählt wurde. Von diesen bilden die Gemeinden Gais, Prad am Stilfser Joch, Sand in Taufers und Vahrn mit 16,7 Prozent Frauenanteil (eine Frau und fünf Männer) das Schlusslicht.

Abb. 2: Frauen in den Gemeindeausschüssen

Quelle: Eigene Berechnung, Stand: 23. Jänner 2016 für die Gemeinden St. Ulrich und Natz-Schabs, für alle anderen Gemeinden 5. September 2015.

Die auffallend hohe Frauenpräsenz in den Gemeindeausschüssen im Vergleich zu den Gemeinderäten und im Vergleich zur Vergangenheit5 ist das Ergebnis der Gemeindewahlordnung, die im Art. 3 bis seit 2013 vorsieht, dass das weniger stark vertretene Geschlecht im Ausschuss mindestens im Verhältnis zu seiner Stärke im Gemeinderat garantiert werden muss und dass bei Dezimalstellen immer zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechts aufgerundet wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass bei einem 18-köpfigen Gemeinderat mit vier Frauen (22,2 % Frauenanteil) mindestens zwei Frauen (40 % Frauenanteil) in einem fünfköpfigen Ausschuss vertreten sein müssen, denn mit einer Frau im Ausschuss würden nur 20 Prozent erreicht. Sollte eine Besetzung des Ausschusses durch die Ratsmitglieder des unterrepräsentierten Geschlechts nicht möglich sein, müssen Personen von außen berufen werden, um die Quote zu erfüllen. Bei Missachtung der Quote wird der Gemeinderat aufgelöst und es kommt zu Neuwahlen.

Diese Quotenregelung hat nicht nur bei ihrer Verabschiedung, sondern auch nach den Wahlen zu heftigen Diskussionen und Reaktionen geführt. Insbesondere die Bürgermeister der Gemeinden Hafling, Kurtinig und Glurns wehrten sich gegen die Quote. In Hafling und Kurtinig wurden fünf Frauen in den zwölfköpfigen Gemeinderat gewählt, also 41,67 Prozent. Der Ausschuss besteht aus fünf Mitgliedern, 41,67 Prozent davon sind 2,08 Frauen. Da die Gemeindewahlordnung vorsieht, dass bei Dezimalstellen immer zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechts aufgerundet werden muss, hätten drei Frauen in den Ausschuss gewählt werden müssen. In Kurtinig musste zudem aufgrund des Proporzes ein italienischsprachiger Vizebürgermeister ernannt werden, sodass im Ausschuss kein Platz mehr für den meistgewählten Mann blieb. In Hafling stellte sich das Problem, dass aufgrund der Quote kein Bauernvertreter in den Ausschuss gewählt werden konnte. In der dritten Gemeinde, Glurns, fanden sich im Gemeinderat nicht genügend Frauen, die bereit waren, im Gemeindeausschuss mitzuarbeiten. Für den Bürgermeister kam eine Berufung von außen nicht in Frage.

Letztendlich erfüllte die Gemeinde Hafling die Quote, die Gemeinden Kurtinig und Glurns zogen vors Verwaltungsgericht und erreichten, dass die Auflösung der Gemeinderäte mit Neuwahlen bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens ausgesetzt wurde. Noch im August – und damit vor den Neuwahlen in Natz-Schabs und St. Ulrich und vor Abschluss des Rekurses vor dem Verwaltungsgericht – brachten die Regionalratsabgeordneten Borga, Cia und Civettini einen Gesetzentwurf ein, der vorsah, dass bei der Berechnung der Quote nicht automatisch zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechts aufgerundet wird, sondern erst ab einer Kommastelle von 0,5 (vgl. Borga et al. 2015). Der Gesetzentwurf wurde mit 34 Ja-, sechs Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen am 21. Oktober 2015 vom Regionalrat genehmigt (vgl. Regionalrat 2015).

Doch gab es nicht nur Widerstand gegen die Frauenquote: Acht der 116 Gemeinden haben mehr Frauen in den Ausschuss gewählt, als zur Erfüllung der Quote notwen­dig gewesen wären. Es sind dies die Gemeinden Salurn, Martell, Montan, St. Lorenzen, Terenten, Jenesien, Karneid und Tscherms.

Bei der Zuweisung der Kompetenzen innerhalb der Gemeindeausschüsse lässt sich feststellen, dass Frauen zwar nach wie vor vorwiegend für „typisch weibliche“ Bereiche zuständig sind, dass es aber auch viele Frauen gibt, die sehr gewichtige Ressorts übernommen haben und in „typisch männliche“ Bereiche vordringen konnten.

Zu den typisch weiblichen Kompetenzen zählen die umsorgenden Bereiche für alle Lebensabschnitte wie Soziales, Kleinkinderbetreuung, Kinder, Jugend, Fami­lien, Senioren, die Sorge um die Gemeinde und die Umwelt, die sich in Kompetenzen wie Heimat- und Denkmalpflege, Dorfgestaltung, Abfallbewirtschaftung, Natur- und Umweltschutz ausdrückt, der Bereich Chancengleichheit mit Frauen, Migration und Integration, der geförderte und der soziale Wohnbau, Kirche und Pfarrei, Gesundheit. Auch Kultur, Bibliothek, Museum, Aus- und Weiterbildung, Kindergarten, Schule sind Bereiche, die sehr häufig Frauen zugewiesen werden, weiters der Bereich Freizeit und Ehrenamt mit Sport, Musikkursen, Vereinen, Veranstaltungen. Da Frauen gute kommunikative Fähigkeiten zugeschrieben werden, sind sie häufig für Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Dorfzeitung, Partnergemeinde und Personal zuständig.

Von den typisch männlichen Bereichen haben Frauen sehr häufig den Bereich Mobilität und Verkehr (häufig noch mit der Einschränkung öffentlicher Verkehr) und Wirtschaft (oft beschränkt auf Tourismus) übernommen. Weniger häufig sind sie für Finanzen, Haushalt, Vermögen, Gebühren, Steuern, Rechnungswesen, Verträge, Informatik, E-Government und Energie zuständig, bislang noch selten für Raumordnung, öffentliche Arbeiten und Infrastrukturen, Trinkwasser und Abwasser, Wegenetz und Straßenbau. Die Bürgermeisterinnen zeichnen dann noch für Feuerwehr, Zivilschutz und öffentliche Sicherheit verantwortlich.

Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen in Südtirol

Bei den Gemeinderatswahlen 2015 gewannen zehn Frauen die Direktwahl zum Bürgermeisteramt, sieben von diesen bekleideten dieses Amt bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode und wurden wiedergewählt. Die bestätigten Bürgermeisterinnen sind Theresia Degasperi Gozzi (seit 2005 Bürgermeisterin in Margreid), Gertrud Benin Bernard (seit 2010 Bürgermeisterin in Kaltern), Monika Delvai Hilber (seit 2010 Bürgermeisterin in Montan), Maria Gasser Fink Bernard (seit 2010 Bürgermeisterin in Klausen), Beatrix Mairhofer (seit 2010 Bürgermeisterin in Ulten), ­Rosmarie Pamer (seit 2010 Bürgermeisterin in St. Martin in Passeier) und Angelika Wiedmer (seit 2010 Bürgermeisterin in Mölten). 2015 erstmals gewählte Bürgermeisterinnen sind Rosmarie Burgmann in Innichen, Roselinde Gunsch Koch in Taufers im Münstertal und Martina Lantschner Pisetta in Karneid. In Gemeinden mit mehr als 15.000 Einwohnern gibt es keine Bürgermeisterin. Die scheidende Bürgermeisterin in Leifers und Vorsitzende des Partito Democratico, Liliana di Fede, schaffte es zwar in die Stichwahl. Allerdings gewann der Kandidat des Mitte-rechts-Bündnisses, Christian Bianchi, die Stichwahl mit 207 Stimmen Vorsprung und 51,7 Prozent der Stimmen (vgl. Südtiroler Bürgernetz 2015).

Die Anzahl der Bürgermeisterinnen hat sich 2015 im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen von 2010 nicht verändert. Bereits 2010 wurden in den 116 Gemeinden zehn Bürgermeisterinnen gewählt, das sind 8,6 Prozent. 2010 hatte sich die Anzahl der gewählten Bürgermeisterinnen im Vergleich zu 2005 jedoch mehr als verdoppelt – von vier auf zehn Frauen. Dies war vor allem darauf zurückzuführen, dass die Mandatsbeschränkung für das Bürgermeisteramt 2010 erstmals griff und nahezu die Hälfte der amtierenden Bürgermeister sowie eine Bürgermeisterin (Waltraud Kofler in Unsere Liebe Frau im Walde-St. Felix) auf eine neuerliche Kandidatur verzichten mussten. Das schuf Platz für neue Gesichter. Mit Liliana di Fede als Bürgermeisterin in Leifers stand von 2010 bis 2015 auch erstmals eine Frau an der Spitze einer Gemeinde mit mehr als 15.000 Einwohnern.

Die erste Bürgermeisterin Südtirols war Joachina Mussner, genannt Anda Gioachina (Frau Joachina). Sie wurde 1907 in Wolkenstein geboren, hat in Trient studiert und jahrelang als Volksschullehrerin gearbeitet. Nach ihrer Pensionierung kandidierte sie 1969 erstmals für den Gemeinderat in St. Christina, wurde gewählt und auch in den Gemeindeausschuss geholt. Als der Bürgermeister aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, wurde sie am 18. Oktober 1971 vom Gemeinderat zur Bürgermeisterin gewählt. Joachina Mussner blieb bis Dezember 1974 im Amt, stellte sich dann aber nicht mehr der Wahl (vgl. Gemeindenverband 2004, 94).

Erst 20 Jahre später schafften es wieder zwei Frauen auf den Bürgermeistersessel: Waltraud Kofler in St. Felix und Claudia Chistè in Meran. Waltraud Kofler, Gemeindesekretärin von Beruf, wurde 1990 in den Gemeinderat und Gemeindeausschuss gewählt und war von 1994 bis 2010 Bürgermeisterin in St. Felix. Claudia Chistè, von Beruf Lehrerin, war von 1994 bis 1995 Bürgermeisterin von Meran und von 1996 bis 2000 Kulturreferentin.

Bisher haben in Südtirol 17 Frauen das Amt der ersten Bürgerin bekleidet, 14 davon wurden über die Südtiroler Volkspartei gewählt. Es sind dies:

Joachina Mussner (1971–1974), St. Christina in Gröden – Südtiroler Volkspartei

Claudia Chistè (1994–1995), Meran – Lista Chistè

Waltraud Kofler (1994–2010), Unsere Liebe Frau im Walde-St. Felix – Südtiroler Volkspartei

Marianna Überbacher (1995–2010), Natz-Schabs – Südtiroler Volkspartei

Romana Stifter (2000–2015), Gais – Südtiroler Volkspartei

Theresia Degasperi Gozzi (seit 2005), Margreid – Südtiroler Volkspartei

Liliana di Fede (2010–2015), Leifers – Partito Democratico

Elisabeth Laimer (2010–2015), Tirol – Südtiroler Volkspartei

Gertrud Benin Bernard (seit 2010), Kaltern – Südtiroler Volkspartei

Angelika Wiedmer Perkmann (seit 2010), Mölten – Südtiroler Volkspartei

Maria Gasser Fink (seit 2010), Klausen – Südtiroler Volkspartei Edelweiß Klausen

Monika Delvai Hilber (seit 2010), Montan – Südtiroler Volkspartei

Rosmarie Pamer (seit 2010), St. Martin in Passeier – Südtiroler Volkspartei

Beatrix Mairhofer (seit 2010), Ulten – Südtiroler Volkspartei

Rosmarie Burgmann (seit 2015), Innichen – Bürgerliste – Lista civica

Roselinde Gunsch Koch (seit 2015), Taufers im Münstertal – Südtiroler Volkspartei

Martina Lantschner Pisetta (seit 2015), Karneid – Südtiroler Volkspartei

Von den 116 Vizebürgermeister/-innen sind 27 Frauen und 89 Männer6. Damit liegt hier der Frauenanteil mit 23,3 Prozent weit über jenem der Bürgermeister/-innen (8,6 %). Vor 15 Jahren gab es nur sechs Vizebürgermeisterinnen in den damals 110 Südtiroler Gemeinden, das sind 5,5 Prozent. Die Frauenrepräsentanz stieg also in diesem Amt sehr viel schneller als beim Bürgermeisteramt, aber auch weit schneller als bei den Gemeinderätinnen.

Auffallend ist, dass in allen fünf Gemeinden mit über 15.000 Einwohnern nicht nur der Bürgermeister, sondern auch der Vizebürgermeister ein Mann ist. Frauen als Vizebürgermeisterinnen gibt es also nur in den kleineren Gemeinden und dort kommen sie zur überwiegenden Mehrheit aus der Südtiroler Volkspartei: 24 der 27 Vizebürgermeisterinnen Südtirols sind Vertreterinnen der Südtiroler Volkspartei, nur in Corvara (Uniun Calfosch-Pescosta Corvara), Kurtinig (Nuova Cortina – Neues Kurtinig) und Schluderns (Mitnond – freie Liste Schluderns) gehören sie einer anderen Partei an.

Abb. 3: Geschlecht Bürgermeister/-in und Vizebürgermeister/-in

Quelle: Eigene Berechnung, Stand: 23. Jänner 2016 für die Gemeinden St. Ulrich und Natz-Schabs, für alle anderen Gemeinden 5. September 2015.

In 30 Prozent der Gemeinden haben Bürgermeister/-in und Vize ein unterschiedliches Geschlecht, in mehr als zwei Drittel der Gemeinden werden beide Ämter von Männern bekleidet und nur in einer Gemeinde – in Innichen – hat die Bürgermeisterin der Bürgerliste eine Frau (Südtiroler Volkspartei) zur Vizin ernannt.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Frauen heute zwar in der institutionellen Gemeindepolitik vertreten sind, dass es aber noch ein weiter Weg ist bis zur paritätischen Vertretung der Geschlechter: In den Gemeinderäten Südtirols sind Frauen derzeit mit einem knappen Viertel (24,4 %) vertreten, in den Ausschüssen mit einem guten Drittel (34,9 %), von den Vizebürgermeistern sind 23,3 Prozent Frauen, von den Bürgermeistern bescheidene 8,6 Prozent.

Festgestellt werden kann auch, dass Quoten sehr viel für die Frauenrepräsentanz gebracht haben: So zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Frauenanzahl in den Gemeinderäten aufgrund der geltenden Listenquoten bei den Wahlen 1995 und 2005, wie auch eine deutlich höhere Frauenrepräsentanz in den Ausschüssen im Vergleich zu den Gemeinderäten (34,9 % gegenüber 24,4 %) aufgrund der Vertretungsquote in den Ausschüssen 2015. Die Quote und vor allem die öffentliche Diskussion über Quoten scheinen aber nicht nur unmittelbar bei den Wahlen eine Auswirkung zu haben, sondern auch im Bewusstsein der Wählerinnen und Wähler, denn als 2000 ohne Listenquote gewählt wurde, gab es entgegen den Erwartungen doch einen leichten Anstieg der Frauenmandate.

Anmerkungen

1 Am 10. Mai 2015 wurde in 109 Gemeinden Südtirols gewählt. In zwei dieser Gemeinden wurde am 15. November 2015 nochmals gewählt: in St. Ulrich, weil dort die Wahlen vom Mai aufgrund der zu niedrigen Wahlbeteiligung ungültig waren, und in Natz-Schabs, weil nach den Wahlen im Mai keine Ausschussbildung möglich war.

2 Dies ist der Stand vom 5. September 2015 für alle Gemeinden außer Natz-Schabs und St. Ulrich. Bei diesen zwei Gemeinden ist das Bezugsdatum der 23. Jänner 2016.

3 Von den neun Parteien, die im Südtiroler Landtag vertreten sind, haben zwei eine Frau als Vorsitzende, eine hat eine Doppelspitze Frau-Mann.

4 Da es nach den Gemeinderatswahlen immer wieder Umbildungen der Ausschüsse und kommissarische Verwaltungen der Gemeinden gab und gibt, wurde die Zählung an einem Stichtag gemacht. Die Zahlen beziehen sich also bei allen Gemeinden auf den 5. September 2015, außer bei den Gemeinden St. Ulrich und Natz-Schabs, wo die Datenerhebung am 23. Jänner 2016 gemacht wurde.

5 1998 waren die Frauen zum Beispiel mit 14 Prozent in den Ausschüssen vertreten (vgl. Lüftner 2000, 194), 2009 mit 27 Prozent (vgl. Pitro 2010, 8).

6 Um alle 116 Gemeinden Südtirols berücksichtigen zu können, wurde auch hier – wie bei den Gemeinderäten und Gemeindeausschüssen – an zwei Stichdaten gezählt: Stichtag 5. September 2015 für alle Gemeinden außer St. Ulrich und Natz-Schabs (Stichtag 23. Jänner 2016).

Literaturverzeichnis

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