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Marc Röggla

Der Autonomiekonvent und die Rolle der Medien: Die Dauerbrenner der ­Berichterstattung und deren Auswirkungen auf den Prozess

The Autonomy Convention and the role of the media

Abstract The Autonomous Province of Bolzano recently conducted a participatory-democratic process known as the ‘Autonomy Convention’ to debate and draft a proposal for revising the 1972 Autonomy Statute. It is the first such process in the province with the stated intent of amending a power-sharing arrangement. In addition to its political dimension, the fact that the media landscape in South Tyrol is – similar to the demographic landscape – ethnically divided make the effects of the media coverage particularly interesting. This article wants to tackle not only if and to what extend the media coverage of the Autonomy Convention has influenced the process, its stakeholders and its results, but also to specify those happenings of the Convention that the media discussed most.

1. Der Autonomiekonvent und die Medien

Der Autonomiekonvent, der von der Tragweite größte partizipative Prozess Südtirols, war bereits von Anfang an von Schwierigkeiten gekennzeichnet. Neben der heiklen politischen Dimension macht der Umstand, dass Südtirol durch das konkordanzdemokratische auf Trennung fußende Zusammenleben der deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Bevölkerung gekennzeichnet ist, die Untersuchung des Autonomiekonvents und dessen Dynamiken besonders interessant. Diese ethnische Trennung spiegelt sich mit wenigen Ausnahmen auch in der Medienlandschaft Südtirols wider. Medien spielen im gesellschaftspolitischen Diskurs grundsätzlich eine wichtige Rolle, wobei bei einem partizipativen Prozess wie den des Autonomiekonvents die Rolle der Medien umso wesentlicher ist. In einem Minderheitengebiet wie Südtirol, einem Land ohne größere partizipative Erfahrungen, ist besonders entscheidend, wie die Medien ihre Rolle im Rahmen dieses Prozesses empfunden und wahrgenommen haben.

Die Medienberichterstattung nahm bereits vor dem Start des Autonomiekonvents Fahrt auf und versprach viel Konfliktpotenzial. Spätestens als der Autonomie­konvent im Januar 2016 mit neun Open-Space-Diskussionsveranstaltungen startete, begannen sich die Medien immer intensiver mit dem Autonomiekonvent zu beschäftigen. Der Autonomiekonvent sei eine „Kreatur der Mehrheit“ (Kofler 2015), es handle sich nur um „Gerede von Autonomie“ (ff – Das Südtiroler Wochenmagazin 2015), der Autonomiekonvent sei eine „Convenzione sull’Autonomia poco auto­noma“ (Benedikter 2015). Es wurde schnell klar, dass der Autonomiekonvent in Südtirol Staub aufwirbeln und Südtirols Medienlandschaft beschäftigen würde. Zu sehr war er Nährboden für intensive politische Gespräche. Was folgte war eine für Südtirol wohl einmalige Diskussion über Autonomie und das Südtiroler Konkordanzmodell.

2. Methode und Analyse

Als Untersuchungsgrundlage der folgenden Analyse dienten insgesamt 593 Presseausschnitte aus lokalen Print- und Onlinemedien, die über den Zeitraum vom 14.04.2015 bis zum 25.09.2017 gesammelt, gesichtet und ausgewertet wurden. Es handelt sich dabei unter anderem um jene Ausschnitte, die mit Beginn des Auto­nomiekonvents auf der Webseite des Autonomiekonvents www.konvent.bz.it (Süd­tiroler Landtag/Eurac Research 2016-2017a) – in der Presseschau gesammelt und veröffentlicht wurden. Des Weiteren wurden Artikel untersucht, die vor der Veröffentlichung der Webseite publiziert und vom Autor gesammelt wurden. Darunter finden sich vor allem Artikel, Interviews, Erfahrungsberichte und Leserbriefe. Die gesammelten Zeitungs- und Onlineausschnitte liegen dem Autor vor und sind zum Großteil auf der Webseite des Autonomiekonvents einsehbar.

Die Presseschau der Webseite des Autonomiekonvents hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Webseite des Autonomiekonvents wurde vom Institut für Minderheitenrecht und vom Institut für Vergleichende Föderalismusforschung der Eurac Research konzipiert, über den Zeitraum des Autonomiekonvents (16.01.2016-22.09.2017) verwaltet sowie mit Informationen gefüttert. In der Presseschau wurden alle vom Team als relevant erachteten Presseausschnitte zum Autonomiekonvent veröffentlicht und den Besucherinnen und Besuchern der Webseite zugänglich gemacht. In der Presseschau wurden nur Online- und Printartikel gesammelt, keine Berichte aus Fernsehen und Radio. Die Webseite des Autonomiekonvents wurde mit dem Ende des Autonomiekonvents stillgelegt und dient seitdem als Archivseite.

Die nachfolgende Untersuchung, in der auch persönliche Erfahrungen und Beobachtungen mit einfließen, hebt die Kernthemen in der Berichterstattung hervor und gibt eine Antwort auf die Frage, ob und in wie weit die mediale Berichterstattung Einfluss auf den Autonomiekonvent als Prozess und insbesondere dessen Ergebnisse hatte. Dabei sollen nicht nur die Intensität der Berichterstattung, sondern auch die wichtigsten Akteure in der Berichterstattung untersucht werden. Inhaltlich wird zudem nachgeprüft, welche Ereignisse und diskutierten Themen in der Berichterstattung mehr Gewicht erhielten wie andere.

2.1 Die Intensität der Berichterstattung

Wie bereits einleitend dargelegt, ist die Südtiroler Medienlandschaft ähnlich wie in anderen Minderheitengebieten stark „ethnisiert“. Insbesondere in Minderheiten­gebieten ist die Rolle der Medien noch substantieller und die Art der Berichterstattung kann empfindlich auf das Zusammenleben der Sprachgruppen einwirken. Die Medien in Südtirol sind Sprachrohr der jeweiligen Sprachgruppe und haben somit bei einem partizipativen Prozess großen Einfluss auf den Ablauf, die Teilnahme der Bevölkerung an Veranstaltungen und Online-Diskussionen sowie die im Laufe des Prozesses diskutierten Themen. Bei einem partizipativen Prozess ist es unerlässlich, dass die Bevölkerung gleichermaßen Zugang zu allen wesentlichen Abläufen und Inhalten haben sollte (Gutmann/Thompson 2004). Besonders in einem Land, in dem die Bevölkerung bisher kaum partizipative Erfahrungen machte, ist es wesentlich, die Bevölkerung über den Ablauf und die Methodik des Prozesses zu infor­mieren.

Da auch der Autonomiekonvent zum Großteil nach den Regeln des in Südtirol vorherrschenden auf Trennung fußenden Konkordanzmodell durchgeführt wurde, gilt es zunächst zu untersuchen, in welcher Frequenz die Medien der jeweiligen Sprachgruppe über den Autonomiekonvent berichtet haben.

Bei der Untersuchung der Intensität der Berichterstattung und der Berichterstattung laut Sprachgruppe (Abbildung 1), bleibt festzuhalten, dass 369 (62,2 Prozent) Presseausschnitte in deutschsprachigen Print- oder Onlinemedien veröffentlicht wurden, 222 (37,4 Prozent) in italienischsprachigen Medien und 2 (0,3 Prozent) in ladinischsprachigen Medien. Wenn man diese Daten mit der Stärke der Sprach­gruppen in Südtirol vergleicht (deutsche Sprachgruppe 69,41 Prozent, italienische Sprachgruppe 26,06 Prozent und ladinische Sprachgruppe 4,53 Prozent, Volkszählung 2011), aber insbesondere mit der Anzahl der Medien in der jeweiligen Sprachgruppe, so ist bemerkenswert, dass in der italienischen Berichterstattung der Autonomiekonvent überproportional stark thematisiert wurde. Im Jahr 2015 hat die italienischsprachige Medienlandschaft noch relativ wenig darüber berichtet (24,6 Prozent), im Jahr 2016 deutlich mehr (37,4 Prozent) und im Jahr 2017 überpropor­tional stark (42 Prozent der Berichterstattung).

Tab. 1: Berichterstattung Autonomiekonvent nach Sprachgruppe, eigene Auswertung

2015

2016

2017

Gesamt

Medien Deutsch

48

228

93

369 (62,2 Prozent)

Medien Italienisch

16

137

69

222 (37,4 Prozent)

Medien Ladinisch

1

1

2 (0,3 Prozent)

Gesamt

65

366

162

593

Dies lässt erahnen, dass der Autonomiekonvent gerade in der italienischsprachigen Bevölkerung, der sprachlichen Minderheit in Südtirol, eine wichtige Rolle gespielt hat und stärker wahrgenommen wurde. Diese Tatsache erstaunt insbesondere, wenn man dies mit den Teilnehmerzahlen bei den Open-Space-Veranstaltungen und thematischen Workshops vergleicht, in denen die italienischsprachige Bevölkerung laut Beobachtungen stark unterrepräsentiert war (vgl. Knoflach 2017). Wobei gerade diese Nicht-Teilnahme der italienischen Sprachgruppe ein gewichtiger Gegenstand in der Berichterstattung zum Autonomiekonvent war.

Tab. 2: Teilnehmeranzahl Open-Space-Veranstaltungen, Beobachtung, eigene Auswertung

Datum

Orte

Teilnehmer-/innen

23.01.16

Bozen - Auftakt

(EURAC)

350

30.01.16

Bruneck

(Mittelschule „Josef Röd“)

130

06.02.16

Meran

(Fachoberschule „Marie Curie“)

250

13.02.16

Brixen

(Landesberufsschule „Tschuggmall“)

250

20.02.16

Schlanders

(Kulturhaus „Karl Schönherr“)

110

27.02.16

Neumarkt

(Deutsche Mittelschule)

160

27.02.16

Bozen Jugend

(EURAC)

150

04.03.16

Stern Open Space

(Kulturhaus)

50

05.03.16

Bozen - Abschluss

(EURAC)

160

Teilnehmerzahl Insgesamt

1610

In Bezug auf die Intensität der Berichterstattung ist festzuhalten, dass die mediale Aufmerksamkeit erst mit dem Start des Autonomiekonvents im Januar 2016 stark zugenommen hat. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass erst zu Beginn des Autonomiekonvents die PR- und Werbekampagne von Seiten des Projektträgers, des Südtiroler Landtages, gestartet wurde. Dabei wurde südtirolweit, insbesondere in der Woche nach der Vorstellung des Autonomiekonvents (16.01.2016), auf allen Kanälen (Print, Radio, TV, Online, Kinowerbung, Plakate bei Bushaltestellen) Werbung geschalten. Diese PR-Kampagne wurde ergänzend durch die regelmäßigen Pressemitteilungen des Sekretariats des Autonomiekonvents, das am Südtiroler Landtag angesiedelt war, verstärkt. Diese Maßnahmen lesen sich auch an den Zahlen der Berichterstattung in Abbildung 1 ab. Im Jahr 2015 wurden 65 Presseausschnitte gesammelt, im Jahr 2016 366, und im Jahr 2017 162.

Im Jahr 2015 war der Autonomiekonvent in der medialen Berichterstattung besonders nach der Verabschiedung des Landesgesetzes Nr. 3/2015 im April (12 Ausschnitte) Thema, aber auch im Zeitraum September-Dezember 2015 (44 Ausschnitte) als die Vorbereitungen für den Autonomiekonvent in die finale Phase gingen und die Auftaktveranstaltung am 16. Jänner 2016 bereits kommuniziert worden war. Vergleicht man die Anzahl der Artikel pro Medium, ist bemerkenswert, dass sich 2015, also vor Beginn des Autonomiekonvents, besonders das zweisprachige Onlinemedium salto.bz (21; Anm. d. Verf.: inklusive Besucherbeiträge) und der Online-Blog Brennerbasisdemokratie (12) in der Berichterstattung hervorgetan haben (Abbildung 2), während die Print-Tageszeitungen sich erst im Jahr 2016 intensiver mit dem Autonomiekonvent befassten.

Abb. 1: Artikel nach Medium, eigene Auswertung

Wie bereits eingangs erwähnt, stieg mit dem Beginn des Autonomiekonvents im Januar 2016 die Medienpräsenz deutlich. Besonders intensiv wurde im Zeitraum der Open-Space-Veranstaltungen (23.01.2016-05.03.2016) berichtet, welcher zeitgleich ist mit der Werbekampagne zum Autonomiekonvent. Insgesamt wurden 149 Artikel in diesem Zeitraum verfasst. Weitere 75 Artikel wurden im April 2015 verfasst, dem Monat in dem die beiden Gremien, das Forum der 100 (das Bürgerforum des Autonomiekonvents) und der Konvent der 33 ihre Arbeiten aufnahmen.

Abb. 2: Artikel 2016 nach Monaten, eigene Auswertung

2017 hingegen konzentrierten sich die meisten Medienberichte auf die letzten Monate der Arbeit des Konvent der 33 (Mai 2017, 39 Artikel; Juni 2017, 52 Artikel) und die bereits bekanntgegebenen Ergebnisse. 2016 und 2017 waren die Medien mit der intensivsten Berichterstattung die italienische Tageszeitung Alto Adige (60 Artikel (2016); 38 Artikel (2017)) und die deutsche Tageszeitung Dolomiten [75 Artikel (2016); 33 Artikel (2017)].

2.2 Der Inhalt der Berichterstattung

Gewisse Themen waren in der Berichterstattung wiederkehrend und stark präsent und hatten somit auch Einfluss auf den Autonomiekonvent als Prozess, dessen Verlauf, die teilnehmenden Akteure, die politischen Stakeholder, die Außenwirkung, die Ergebnisse und deren Legitimität. Eine vollumfassende Inhaltsanalyse der Berichterstattung würde die Länge dieses Beitrages sprengen, deshalb wird im folgenden Abschnitt auf Kernelemente der Berichterstattung hingewiesen.

Um eine Inhaltsanalyse der Berichterstattung vorzunehmen ist aufgrund des methodischen Ablaufs des Autonomiekonvents eine Einteilung des Untersuchungszeitraums notwendig. Die Kernpunkte der Berichterstattung sind nämlich stark von der Methode und den verschiedenen Phasen des Autonomiekonvents geprägt, auch wenn gewisse Narrative im gesamten Prozess wiederkehrend waren. Im Konkreten wird für diese Untersuchung die Berichterstattung in folgende Phasen eingeteilt: Berichterstattung vor dem Auftakt (2015), Open-Space-Veranstaltungen und Registrierung Forum der 100 (Januar bis April 2016), Arbeiten des Konvent der 33 und des Forum der 100 (April 2016-September 2017).

2.2.1 Berichterstattungen vor dem Auftakt (2015)

Wie bereits im Artikel von Elisabeth Alber erwähnt, wurde das Landesgesetz Nr. 3/2015 zur Einsetzung des Autonomiekonvents ausnahmslos von den beiden Regierungsparteien, der Südtiroler Volkspartei und dem Partito Democratico verabschiedet. Ein von den Grünen/Verdi/Verc eingebrachter Gesetzesvorschlag kam aufgrund der Ablehnung der Regierungsparteien nicht zur Behandlung. Dieser Allein­gang der Regierungsparteien bildete den Auftakt in der Berichterstattung. Die Berichterstattung 2015 konzentrierte sich dabei speziell auf die Aussagen der politischen Akteure (57 Artikel). Die Oppositionsparteien machten ihrer Enttäuschung in der Diskussion im Plenum im Südtiroler Landtag und in der Folge in der Berichterstattung Luft:

Grüne/Verdi/Verc „Obwohl wir Grüne dem Konventgedanken positiv gegenüberstehen (nicht umsonst hatten wir ja zwei Monate vor der SVP einen ausgefeilten Gesetzentwurf dazu eingereicht), enttäuscht uns die erlebte Vorgangsweise zutiefst.“ (zit. nach Kofler 2015)

die Freiheitlichen „Etikettenschwindel“ (zit. nach ff 2015)

die BürgerUnion „Gedankengefängnis“ (zit. nach stol.it .2015)

Die Südtiroler Volkspartei und der Partito Democratico verteidigten hingegen medial das von ihnen verabschiedete Landesgesetz und die Sinnhaftigkeit des Autonomiekonvents. Aufgrund dieser politischen Auseinandersetzung wurde der Prozess von Anfang an sehr stark politisiert, auch weil die Medien den Wortspenden der Parteien reichlich Aufmerksamkeit in der Berichterstattung gaben. Die konfliktorientierte Haltung und Enttäuschung der Oppositionsparteien durch den Alleingang der Regierungsparteien war in der medialen Berichterstattung sehr präsent.

Bei einem Prozess, bei dem es um die Überarbeitung des Zweiten Autonomiestatuts geht, war eine Politisierung zu erwarten, aber der starke Fokus auf die kontroverse Verabschiedung des Gesetzes stellte den Prozess einschneidend in das politische Rampenlicht. Im Umkehrschluss wurden der Inhalt des Gesetzes sowie die Methodik des partizipativen Prozesses und der Ablauf des Autonomiekonvents in den Hintergrund gedrängt. Das Landesgesetz wurde in den Medien, möglicherweise auch aufgrund des politischen Geplänkels, eher negativ gewertet. Besonders wurden eine größere Gestaltungsmöglichkeit, weitreichendere Befugnisse der Bürgerinnen und Bürger und mehr politische Unabhängigkeit des Forum der 100 und des Konvent der 33 erhofft. Ebenso wurde in der Berichterstattung die Ergebnisoffenheit des Prozesses in Frage gestellt. Der Autonomiekonvent sei „Una ,Convenzione sull’autonomia‘ poco autonoma“ (Benedikter 2017) und ein „PR-Gag“ (Gasser 2015). Die konfliktorientierte Berichterstattung und der negative Fokus auf den Autonomiekonvent werden dadurch bestärkt, dass 2015 nur zwölf Presseausschnitte neutral über die Struktur und Methode des Autonomiekonvents berichtet haben.

Obwohl von Seiten verschiedenster Parteien stets auf die Wichtigkeit der Ergebnisoffenheit hingewiesen wurde, war die Fokussierung auf Teilaspekte in der medialen Berichterstattung von Anfang an sehr prominent. In 30 Artikeln wurden bereits vor Beginn des Autonomiekonvents von verschiedenen, meist politischen Akteuren, Themenbereiche aufgeworfen, welche im Autonomiekonvent diskutiert werden sollten, oder welche nicht. Unter diesen Themen befanden sich mit dem Ausbau der Kompetenzen auch die Selbstbestimmung, das Recht auf Unterricht in der Muttersprache (Art. 19 des Autonomiestatuts) und Südtiroler Sportler, die für Südtirol an den Start gehen sollten, bereits einige die anschließend von den Bürgerinnen und Bürgern in den Open-Space-Veranstaltungen diskutiert wurden. Manche fanden dann auch Eingang in die Arbeiten des Konvent der 33 und des Forum der 100 und finden sich in den Ergebnissen der beiden Gremien wieder. Die Themen Selbstbestimmung, Zukunft der autonomen Region Trentino-Südtirol/Alto Adige und das Recht auf Unterricht in Muttersprache waren mediale Dauerbrenner, die von Anfang bis zum Ende des Autonomiekonvents größte Aufmerksamkeit erhielten. Eine mediale Themendebatte gehört zu einem partizipativen Prozess und ist eigentlich keine Besonderheit. Hervorzuheben ist allerdings, dass sie im Zuge des Autonomiekonvents meist sehr elitär und insbesondere von den Parteien geführt wurde.

Andere Sektoren der Gesellschaft haben sich medial kaum an der Debatte beteiligt. Zusammenfassend darf also festgehalten werden, dass bereits vor dem Start des Autonomiekonvents die Diskussionen sehr stark von politischen Akteuren monopolisiert wurden. Die Bürgerschaft, aber auch andere gesellschaftliche Akteure aus Kultur, Wirtschaft oder Forschung kamen in der Berichterstattung kaum vor. Auch die in Südtirol normalerweise stark präsenten Verbände und Vereine waren medial nicht präsent. Die für den Autonomiekonvent zu diskutierenden Themen wurden zum Teil bereits vorab von Regierungs- und Oppositionsparteien aufgeworfen bzw. abgeschmettert und gaben so dem Autonomiekonvent die Richtung vor.

2.2.2 Open-Space-Veranstaltungen und Registrierung Forum der 100
(Januar bis März 2016)

Mit der Bekanntgabe der Auftaktveranstaltung am 16. Januar 2016 wurde die Erwartungshaltung an den Autonomiekonvent und die Open-Space-Veranstaltungen stark geschürt. Der Autonomiekonvent wurde sprachgruppenübergreifend als eine einmalige Chance für die Gestaltung der Zukunft Südtirols angesehen: “La Convenzione è tremendamente importante. […] Secondo me, la scommessa la vinciamo o la perdiamo qui“, so Francesco Palermo (zit. nach Gonzato 2016) sowie

„Es ist eine Chance, um eine konstruktive Dialogkultur zwischen den Sprachgruppen, den Parteien, den Interessensvertretungen und allgemein zwischen den Menschen, die in diesem Land leben, auszubauen. Viele weitere solcher Bausteine werden notwendig sein um der demokratischen Kultur neue Triebkraft zu verleihen.“ (Gudauner 2016)

In Bezug auf die Wahrnehmung des Autonomiekonvents in Südtirol, wurde die anfangs positive Erwartungshaltung, vor allem durch den in den Medien wahrgenommenen Ablauf der ersten Open-Space-Veranstaltung in Bozen am 23. Januar 2016 gebremst. Die Open-Space-Veranstaltungen folgten der sogenannten Open-Space-Methode (Harrison 2008). Nach dieser Methode, gibt es im Open Space („offener Raum“) eine klare, vordefinierte Struktur von Workflows, aber es ist weder eine Agenda noch eine Registrierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgesehen. Mit anderen Worten, sind die Anwesenden die Protagonisten einer Open-Space-Veranstaltung und diese geben auch die Themen vor.

Tab. 3: Ablauf Open-Space-Veranstaltung Autonomiekonvent, Eurac Research

9.00 Uhr

Ankunft und Registrierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer

9.30 Uhr

Eröffnung und Begrüßung durch das Präsidium des Südtiroler Landtags und der Wissenschaftler der Eurac Research

9.50 Uhr

Moderatorinnen erklären den Teilnehmerinnen und Teilnehmern den ­Tagesablauf

10.30 Uhr

Gemeinsame Themensammlung mit den Moderatorinnen

11.15 Uhr

Erste Diskussionsrunde in verschiedenen Kleingruppen

12.00 Uhr

Pause

12.15 Uhr

Zweite Diskussionsrunde in verschiedenen Kleingruppen

13.00 Uhr

Pause

13.15 Uhr

Dritte Diskussionsrunde in verschiedenen Kleingruppen

14.00 Uhr

Pause

14.15 Uhr

Vierte Diskussionsrunde in verschiedenen Kleingruppen

15.00 Uhr

Pause

15.15 Uhr

Fünfte Diskussionsrunde in verschiedenen Kleingruppen

16.00 Uhr

Pause

16.15 Uhr

Abschluss durch Vertreterinnen und Vertreter des Präsidiums des Südtiroler Landtags

Wiederkehrend waren dabei, die bereits 2015 medial-diskutierten Themen, die dadurch aufs Neue in der Berichterstattung die größte Aufmerksamkeit erhielten. Methodisch wurden die Themen allerdings nicht quantitativ, sondern nur qualitativ gesammelt und festgehalten (Südtiroler Landtag/Eurac Research 2016b). Dies bedeutet konkret, dass die Protokolle, welche von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst verfasst wurde, von der Prozessbegleitung gesammelt wurden, digitalisiert, und thematisch geclustert wurden. Dabei wurde keine Inhaltsanalyse vorgenommen, sondern es wurden, im Sinne der vom Landesgesetz geforderten Transparenz, die Protokolle vollinhaltlich auf die Webseite des Autonomiekonvents gestellt. Das Clustering hatte die Aufgabe, die Vielfalt der Themen prägnant für die Öffentlichkeit aufzuarbeiten. Trotz dieser transparenten Vorgangsweise war eine Vielzahl der Themen in den Medien kaum präsent und erhielt sehr wenig Aufmerksamkeit. Die Vielfalt der eingebrachten Themen ist aber in den Protokollen der Open-Space-Veranstaltungen (Südtiroler Landtag/Eurac Research 2016-2017c) zu finden und nachzulesen.

Die Tageszeitung Alto Adige sprach am 24.01.2016, dem Tag nach dem ersten Open Space in Bozen von der „Convenzione, primo round secessionista“ und schrieb „la destra tedesca è arrivata in massa“, salto.bz von einer „Ideensammlung mit Rechtsdrall“. Es war schwer wegzuleugnen, dass in Bozen und in den weiteren Open-Space-Veranstaltungen eine verhältnismäßig übermäßige Präsenz der deutschen Sprachgruppe auszumachen war. Ebenso eine verhältnismäßige starke Präsenz von Mitgliedern des Südtiroler Schützenbundes. Die Vereinnahmung des Autonomiekonvents durch den Südtiroler Schützenbundes war im Zeitraum Jänner – März ein immer wiederkehrendes Thema in der Berichterstattung. Kritisiert wurde dabei oft die Methode des Open Space, die eine Vereinnahmung zulasse. Dabei ist allerdings die reine numerische Anwesenheit einer Gruppe nicht ausschlaggebend, da die diskutierten Themen, wie bereits erwähnt, vom Projektteam zusammen mit den Moderatorinnen qualitativ und nicht quantitativ gesammelt wurden. Insgesamt wurde in 43 Artikeln (Deutsch: 16; Italienisch: 27) die überproportionale Vertretung von Mitgliedern des Schützenverbandes oder der „destra tedesca“ bzw. die unterproportionale Anwesenheit der italienischsprachigen Bevölkerung thematisiert.

„Zumindest online ist die basisdemokratische Veranstaltungsreihe damit nämlich so unverdächtig wie es ihr Gründungsgedanke vorschreibt – praktisch aber zeigt sich seit Wochen ein anderes Bild: Patriotische Vertreter aus Schützenbund, Heimatbund und Süd-Tiroler Freiheit färben den Konvent ohne großen Widerstand Rot-Weiß-Rot ein, politische Reibeflächen suchte man zumindest bei den beiden Auftaktveranstaltungen in Bozen und Bruneck nahezu vergeblich.“ (Rainer 2016)

Ebenso Andrea Carlà, „Gli open space tenutisi finora […] sono stati caratterizzati da due elementi. La presenza organizzata i gruppi della destra nazionalista di lingua tedesca e l’assenza del gruppo linguistico italiano“ (zit. nach Alto Adige 2016a). ­Elmar Thaler, Landeskommandant des Schützenbundes, brachte die Methode der Veranstaltungen so auf den Punkt: „Wer sich einbringt, dessen Themen werden ­gespielt“ (zit. nach Varesco­ 2016a). Dieses Thema verfolgte den Autonomiekonvent über die gesamte Open-Space-Phase, bis hin zu den thematischen Workshops und der Zusammensetzung des Forum der 100. Italienischsprachige und deutschsprachige Medien gleichermaßen standen dabei dem Mitwirken und der größeren Präsenz einer Sprachgruppe und der Nicht-Anwesenheit der anderen sehr kritisch gegenüber.

Leider entstand durch diese Art der Berichterstattung der Eindruck, dass die Anwesenheit italienischsprachiger Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Autonomiekonvent weder relevant sei, noch Gehör finden würde. Dies führte dazu, dass noch weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmer der italienischsprachigen Sprachgruppe an den Open-Space-Veranstaltungen und den thematischen Workshops präsent waren. Die Folgen dieser Abwesenheit fasste Francesco Palermo wie folgt zusammen: „Gli italiani non partecipano alla Convenzione perché hanno la sensazione di contare poco? Così conteranno sempre meno.“ (Alto Adige 2016b).

Nur sehr punktuell war in den Medien festgehalten, dass die Diskussionen durch gegenseitigen Respekt gekennzeichnet waren und sprachgruppenübergreifend zum Großteil sehr gut funktionierten. Diese Erfahrungsberichte kamen meist von Personen, die selbst am Open-Space teilgenommen haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer empfanden die Diskussionen oft bereichernd, kamen aber medial nur selten zu Wort:

„Mein Résumé der Veranstaltung fällt nämlich zu einhundert Prozent positiv aus. Ganz egal, ob die Open-Space-Diskussionen konkrete Ergebnisse zur Folge haben werden oder nicht (schön wär’s natürlich); allein die Tatsache, dass ergebnisoffen und auf Augenhöhe politische Themen in einem institutionalisierten Rahmen diskutiert werden konnten, ist ein Meilenstein für die Demokratie in Südtirol. Sämtliche Diskussionen […] waren von einer überaus disziplinierten und respektvollen Diskussionskultur geprägt. Aufkeimende Widrigkeiten wurden rasch, gemeinschaftlich und in reifer Art und Weise aus der Welt geschafft. Lediglich bei den Protokollen gab es hin und wieder intensivere Widersprüche. Wobei die Aufgabe der Protokollanten eine sehr schwierige war und es bestimmt nicht leicht ist, alles so zu formulieren, dass sich ein jeder angemessen abgebildet fühlt.“ (Knoflach 2016)

Während den Open-Space-Veranstaltungen konnten sich alle in Südtirol ansässigen Personen über 16 Jahre (Art. 5, Landesgesetz Nr. 3/15) für das Forum der 100 registrieren. Man konnte sich direkt bei den Open-Space-Veranstaltungen über ein Formular registrieren, aber auch über ein elektronisches Formular auf der Webseite des Autonomiekonvents. Aus allen registrierten Personen wurden dann über ein geschichtetes Stichprobenverfahren nach den Kriterien Alter, Geschlecht und Sprache die Mitglieder des Forum der 100 ermittelt, das ein Abbild Südtirols darstellen sollte.

Tab. 5: Forum der 100 nach Sprachgruppe und Alter, eigene Auswertung

Altersklassen
(in Jahren)

Männer

it

Frauen

it

Männer

dt

Frauen

dt

Männer

lad

Frauen

lad

15-29

3

3

7

7

0

0

30-44

3

3

9

10

1

1

45-59

4

3

9

9

1

2

60 und älter

3

4

9

9

0

0

Im Zusammenhang mit dieser Registrierung entstand der wohl größte mediale „Skandal“, der sprachgruppenübergreifend in allen Medien für Schlagzeilen sorgte. Die Südtiroler Volkspartei (SVP) wurden von Seiten der Oppositionspartei Südtiroler Freiheit (STF) beschuldigt mehrere 100 Parteimitglieder, teilweise ohne deren Einverständnis, für das Forum der 100 eingeschrieben zu haben. Die SVP bestritt diese Vorgangsweise, und argumentierte, dass sie nur eine Hilfestellung gegeben habe (vgl. Varesco 2016b, 13). Nichtsdestotrotz machte die Südtiroler Freiheit (STF) medienwirksam eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft gegen die SVP. Die Oppositionsparteien drohten gar mit dem Ausstieg aus dem Autonomiekonvent. Verständlicherweise haben sich die Medien diesem Thema stark gewidmet, 38 Artikel nahmen zu dieser Anschuldigung Stellung. Dies fiel mit einer besonders heiklen Zeit im Prozess zusammen, nämlich mit dem Beginn der Arbeiten des Forum der 100 und dem Konvent der 33, welche von dieser Art der Berichterstattung überschattet wurden. Die Akteure in der Berichterstattung waren auch in diesem Fall vor allem die Parteien selbst.

Myriam Atz-Tammerle: „Durch diese konzertierte Aktion hat die SVP dem Instrument der partizipativen Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Das Forum der 100 wurde durch die perfide Unterwanderung der SVP zum Parteiforum. Jene Bürger, die sich selbst angemeldet haben, müssen draußen bleiben, und jene, die sich nicht angemeldet haben, kommen zum Zug!“ (stol.it 2016)

„‚Stimmt so nicht‘, meint Obmann Philipp Achammer. Man habe die Ortsobleute aufgerufen, in den Ortsauschüssen zu mobilisieren. Dabei haben wir angeboten, ihnen bei der Einschreibung behilflich zu sein, und manche Ortsobleute haben dann eben gesagt: Schreibt gleich alle von uns ein.“ (Dolomiten 2016b)

Ebenso war im Anschluss die Wahl der Vertreterinnen und Vertreter aus dem Forum der 100 in den Konvent der 33 (13 Artikel) medial stark präsent. Bei der Wahl konnten alle 100 Mitglieder acht Vertreterinnen und Vertreter in den Konvent der 33 wählen, also sprachgruppenübergreifend und nicht gesondert per Sprachgruppe. Der Wahlmodus wurde kritisiert, da die deutschsprachigen Mitglieder die Mehrheit im Forum der 100 darstellten und so auch die Wahl der italienischsprachigen Vertreterinnen und Vertreter beeinflussen konnten (das Forum der 100 wurde nach der Stärke der Sprachgruppen zusammengestellt). Dieser Wahlmodus wurde insbesondere von Seiten der italienischen Mitglieder im Konvent der 33 und von den italienischen Medien kritisiert. Die beiden Vertreter (Walter Eccli und Olfa Sassi) seien nicht die geeigneten Vertreter der italienischsprachigen Bevölkerung und nur durch die Stimmen der deutschsprachigen Mitglieder gewählt worden (vgl. Alto Adige 2016c).

2.2.3 Arbeiten des Konvent der 33 und des Forum der 100
(April 2016 – September 2017)

Insgesamt haben sich 2016 und 2017 zweihundertzwölf Artikel mit den Sitzungen der beiden Gremien des Autonomiekonvents und den in den Sitzungen diskutierten Themen beschäftigt, oft neutral, aber auch oft konfliktorientiert. Dabei ist festzuhalten, dass die neutraleren Artikel meist die Inhalte der Pressemitteilungen des Sekretariats des Autonomiekonvents im Südtiroler Landtag übernahmen.

Neben den Inhalten des Autonomiekonvents waren medial allerdings auch Ereignisse präsent, die wiederum eine politische Dimension hatten. So zum Beispiel wurde über den möglichen Rücktritt von Alt-Landeshauptmann Durnwalder berichtet, dem Rücktritt (und dann Rücktritt vom Rücktritt) von Landtagspräsidenten Roberto Bizzo und Maurizio Vezzali. Auch in dieser Zeit waren die medialen Wortspender meist die Mitglieder im Konvent der 33 mit politischem Mandat. Die Vertreterinnen und Vertreter des Forum der 100 im Konvent der 33 bekamen wenig mediale Aufmerksamkeit. Ebenso muss festgehalten werden, dass dem Forum der 100 grundsätzlich weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wie dem Konvent der 33, das sich aber auch durch die differenzierte Zielsetzung der beiden Gremien und vor allem durch die Anzahl der Sitzungen erklären lässt.

Gegen Ende der Arbeiten wurde in der Berichterstattung verstärkt über die Legitimität und Repräsentativität der Ergebnisse des Konvent der 33 und des Forum der 100 diskutiert. Dabei wurde immer wieder auf die ethnischen Spannungen im Konvent hingewiesen. Dies lässt sich unter anderem darauf zurückzuführen, dass im Forum der 100 eine Arbeitsgruppe sich nicht auf einen Vorschlag einigen und so die italienischen Mitglieder der Gruppe und die deutschsprachigen Mitglieder einen unterschiedlichen Vorschlag vorlegten. Alle weiteren sieben Arbeitsgruppen konnten sich allerdings auf gemeinsame Ergebnisse einigen. Auch dem Abschlussdokument des Konvent der 33 wurden vier Minderheitenberichte beigefügt. Diese wurden ausnahmslos von Mitgliedern der italienischen Sprachgruppe unterzeichnet. Somit wurde das Abschlussdokument des Konvent der 33, insbesondere von Medien der italienischen Sprachgruppe, als ein Dokument der deutschsprachigen Mehrheit empfunden und sei deshalb nicht repräsentativ. In der Folge erhielten die durchaus relevanten Themen, in denen sprachgruppenübergreifender Konsens herrschte, sehr wenig Aufmerksamkeit (nachzulesen in den Protokollen des Konvent der 33, www.konvent.bz.it).

3. Schlussfolgerungen

Es bleibt festzuhalten, dass sich die Medien sprachgruppenübergreifend intensiv mit dem Autonomiekonvent und den dort diskutierten Themen auseinandergesetzt haben. Die inhaltliche Analyse der Berichterstattung hat einige wesentlichen Elemente aufgezeigt, die auf den Prozess und deren Ergebnisse Einfluss nahmen. Auch aufgrund der meist politisch geprägten Berichterstattung waren verschiedene Narrative in der Berichterstattung wiederkehrend:

1. Schuldzuweisungen von Seiten der Oppositionsparteien an die Regierungsparteien: Wie bereits aufgezeigt, bedeutete der Alleingang der Regierungsparteien bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Einsetzung des Autonomiekonvents keinen guten Start für den Prozess und forcierte die Kritik von Seiten der Oppositionsparteien. Laut der Berichterstattung, die sich stark auf Aussagen der Oppositionsparteien stützte, trug die Südtiroler Volkspartei und der Partito Democratico unter anderem Schuld am zu wenig „partizipativen“ Prozess, am verspäteten Beginn des Autonomiekonvents, an der Vereinnahmung der Open-Space-Veranstaltung, an der zu Missbrauch führenden Registrierung des Forum der 100, an der Ernennung der Mitglieder des Konvents der 33 und den parallelen Arbeiten am Autonomiestatut im römischen Parlament. In wie weit diese Anschuldigungen zu Recht oder zu Unrecht gemacht wurden bzw. zum politischen Spiel dazugehören, sei an dieser Stelle dahingestellt. Umso relevanter ist, dass diese Aussagen den Autonomiekonvent in den Augen der Öffentlichkeit Legitimität absprachen und einen demotivierenden Effekt auf die mitarbeitenden Bürgerinnen und Bürger hatten.

2. Die Methodendiskussion (Open-Space-Methode, Forum der 100, Zusammensetzung der Organe nach Stärke der Sprachgruppen, Wahlmodi, Konsensprinzip, Minderheitenberichte und die nicht bindende Wirkung der Ergebnisse): Die Methode des Autonomiekonvents sei laut Medienberichten zu kompliziert, zu undurchsichtig, zu wenig weitreichend oder nicht zielführend. In der Berichterstattung wurde dabei allerdings selten über die Methode und die Abläufe des Autonomiekonvents informiert. Es wurde weder eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Methode gesucht, noch die Methode über den gesamten Prozess analysiert. Vielmehr wurden gezielt einzelne Aspekte der Methode kritisiert. Die Kommentatoren waren dabei wiederum meistens politische Akteure, der Projektträger hielt sich in der Diskussion zurück. Dabei wäre es umso wichtiger gewesen, die Bürgerschaft stärker über die Methode zu informieren, um gewisse Dynamiken, wie die „Vereinnahmung“ der Open-Space-Veranstaltungen, zu vermeiden. Dies wäre allerdings nicht die alleinige Aufgabe der Medien gewesen, sondern auch die der Parteien, die den Prozess auf den Weg gebracht haben und des Projektträgers. In einem partizipativen Prozess ist es unerlässlich, dass die Bevölkerung im Vorfeld über den Ablauf und die Methode des Prozesses informiert wird, damit alle Bürgerinnen und Bürger mit dem möglichst gleichen Wissenstand in den Prozess starten.

3. Die Vorgabe der Inhalte: Es ist der Natur der Medien und deren Verkaufszielen geschuldet, dass der Fokus in der Berichterstattung auf die am kontroversesten Themen gelegt wird. So geschah es auch beim Autonomiekonvent: Mittelpunkt der Berichterstattung bildeten die Diskussionen rund um die Abschaffung oder Beibehaltung der Region, die Selbstbestimmung oder Art. 19 des Autonomiestatuts. Diese Themen wurden bereits in der Berichterstattung vor dem Autonomiekonvent von verschiedenen Parteien lanciert, von den Medien aufgegriffen und waren Dauerbrenner im Konvent und der gesamten Berichterstattung. Themen, bei denen rasch ein Konsens herrschte, wie Fragen zur Europäischen Union, Europaregion oder zur ladinischen Minderheit waren medial kaum bis nie präsent. Auch Themen, die bei der Open-Space-Phase von Bürgerinnen und Bürger aufgeworfen wurden und keinen politischen Fürsprecher hatten, fanden kaum Aufmerksamkeit. Es entstand der Eindruck, dass in den Gremien nicht konstruktiv und ergebnisorientiert gearbeitet werde, sondern die Diskussionen von hohem Konfliktpotenzial und Polemiken gekennzeichnet seien. So entstand in Südtirol eine Außensicht des Autonomiekonvents, die von den Mitgliedern oft nicht nachvollziehbar war (siehe Protokolle Konvent der 33, www.konvent.bz.it).

Insbesondere die Wahrnehmung des Prozesses in der Südtiroler Gesellschaft und bei den Mitgliedern des Konvent der 33 und Forum der 100 wurde von den Medien maßgeblich mitgestaltet. Durch die konfliktreiche Berichterstattung der Medien wurde die negative Außendarstellung des Autonomiekonvents forciert, die die Arbeiten in den Gremien und deren Mitglieder beeinflusst haben und, in der Folge, auf die Ergebnisse des Prozesses delegitimisierend wirkten.

Anhand der immer wiederkehrenden Narrative ist festzuhalten, dass die Berichterstattung der Südtiroler Medien den Autonomiekonvent wirksam mitgestaltet und beeinflusst haben.

Es steht außer Frage, dass die medialen Akteure von Beginn an die Parteien waren und andere Stakeholder kaum mediale Aufmerksamkeit erhielten. Insbesondere die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Autonomiekonvents ohne politisches Mandat erhielten von Seiten der Medien kaum Beachtung. Dadurch wurde der bereits politiknahe Autonomiekonvent noch stärker in das politische Tagesgeschäft gezogen und verfehlte damit das erklärte Ziel: abseits vom politischen Tagesgeschäft ergebnisoffen über Südtirols Zukunft diskutieren.

In wie weit sich die Journalisten und Medien ihrer Rolle als Mitgestalter des partizipativen Prozesses „Autonomiekonvent“ bewusst waren, sei dahingestellt. Am Beispiel Autonomiekonvent ist allerdings zu erkennen, dass neben den Blattlinien der verschiedenen Print- und Onlinezeitungen, in Südtirol noch immer die ethnische Brille in der Berichterstattung zum Vorschein kommt. Gerade bei einem politischen Prozess wie dem Autonomiekonvent, in dem es um die Zukunft Südtirols, und folglich auch um das Zusammenleben der drei Sprachgruppen ging.

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Tab. 4: Themenübersicht Open Space Bozen, 23.01.2016, Eurac Research

Raum 1 Aula

Raum 2 Aula

Raum 3 Aula

Raum 4 Aula

Raum 5 Aula

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Raum 7 Aula

11.15-12.00

Scuola bi- e trilingue

Selbstbestimmung

Orts­namens­gebung

Schutz der deutschen und ladinischen Volksgruppen

Schule wohin? (einsprachig?, mehrsprachig?)

Sportautonomie für Südtirol möglich?

Autonomie und Orts­namens­gebung

12.15-13.00

Steuer­hoheit/Steuer­autonomie

Südtirols Brückenfunktion stärken

La visione della futura societá sudtiro­lese

Competenze P.A.B.

Ottimale convivenza

Ausbau primäre Kompetenzen des Statutes

Autonomia decisionale dalla scuola di ogni gruppo etnico

13.15-14.00

Der Bürger als Souverän in einem autonomen Land

Vorrang Gemeinwohl – Schutz und Verwaltung der vitalen Gemeingüter

Muster und Prägungen aufarbeiten um Frieden und Gerechtigkeit zu erhalten

Interesse pubblico urbanistica participate e beni comuni

Identität und Vielfalt

Das Zusammenleben der Sprachgruppen in der Autonomie

Auto­deter­mina­zione

14.15-15.00

Cono­scere e valorizzare plurilingue; posti pubblici per merito

Landespolizei und Gerichtsbarkeit

Verankerung des Vaterlandes im Statut

Rispetto delle linuge e parità per tutti i partiti

Eliminare le gabbie etniche

Principi dell’autonomismo nel terzo millenio

Neues Raumordnungsgesetz

15.15-16.00

Le infrastrutture necessarie al futuro dell’Alto Adige

La proporzionale negli enti pubblici

Istruzione apprendimento delle lingue

Förderung lokaler Kreisläufe (Regionalgeld)

Erarbeitung einer Präambel zum Autonomiestatut…

Vollautonomie

Unabhängigkeit