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Andreas Obexer

Gemeinderatswahlen 2010:
Vorwahlen, Mandatsbeschränkung und ­Zunahme der politischen Vielfalt

1. Einleitung

In allen Mitgliedsländern der Europäischen Union bilden die Gemeinden die unterste substaatliche Regierungsebene. Die zunehmende Dezentralisierung und die Übertragung von Zuständigkeiten der politischen Systeme in Richtung Peripherie haben schrittweise die Nachfrage nach Dienstleistungen auf kommunaler Ebene erhöht. Das hat dazu geführt, dass die Gemeinden beim Management des welfare state mit neuen Aufgaben betraut worden sind. Dadurch ist zugleich auch ihre Verantwortung gestiegen (vgl. Caciagli 2010, 1–2).

Mit dem Anstieg ihrer Zentralität hat auch das Interesse an den Kommunalwahlen zugenommen. Das gilt für alle Länder Europas, das gilt auch für Südtirol.

Bereits die Gemeinderatswahlen des Jahres 2005 waren Vorboten für einen Pluralisierungsprozess in Südtirols Gemeinden gewesen, auf der Ebene des politischen Wettbewerbs vor den Wahlen und auf der Ebene der Anzahl der Akteure in den Gemeindestuben nach den Wahlen. Dieser Trend hat sich 2010 fortgesetzt.

Eine der wohl folgenreichsten Neuerungen, die die Gemeindewahlreform von 1994 mit sich gebracht hat, war die Einführung der sogenannten Mandatsbeschränkung. Diese wurde bei den Gemeinderatswahlen am 16. Mai 2010 zum ersten Mal angewandt. Noch bis kurz vor den Gemeinderatswahlen wurde seitens der Südtiroler Volkspartei (SVP) heftig darüber diskutiert, wie diese Regelung zu Fall gebracht werden könnte. Diese Bemühungen konnten allerdings so kurz vor den Wahlen nicht mehr politisch durchgesetzt werden, sodass dieser Regelung eine ganze Reihe von SVP-Bürgermeisterinnen und -Bürgermeistern sowie Referentinnen und Referenten zum Opfer fielen. Dadurch war der Generationenwechsel weniger über den politischen Wettbewerb erfolgt als vielmehr durch das neue Verbotsgesetz zur Kandidatur nach drei Legislaturperioden.

Mit Fragen der Zunahme des politischen Wettbewerbs, der Pluralisierung innerhalb der politischen Parteienlandschaft bzw. der politischen Bewegungen, aber auch mit Fragen und Folgen der SVP-Vorwahlen wird sich dieser Beitrag auf den nachfolgenden Seiten auseinandersetzen.

2. Gesetzliche Rahmenbedingungen

Im Übergang von der Ersten zur Zweiten Republik kam es in Italien zu einer Reihe von Neuerungen. Mit der Einführung eines neuen Wahlsystems auf allen politischen Ebenen wollte man den politischen Wettbewerb, das Parteiensystem und das Regierungssystem effizienter gestalten. Auf Gemeindeebene kam es zu dieser Neuerung mit dem Gesetz Nr. 81 vom 25. März 1993, das die Gemeinderatswahlen revolutionieren sollte. Bis zu jenem Zeitpunkt war die Gemeindepolitik in Italien von einer Reihe von signifikanten Faktoren geprägt gewesen. Gleich wie auf nationaler Ebene gab es eine starke ideologische Distanz zwischen den beiden dominierenden politischen Parteien, der Democrazia Cristiana und der Kommunistischen Partei. Mit der Abnahme dieser ideologischen Spannungen in den frühen Achtziger­jahren hatte eine Praxis der Proporz- und Verteilungsabsprachen überhandgenommen, welche schlussendlich in das Phänomen Tangentopoli mündete. Das damals angewandte reine Verhältniswahlsystem hatte zudem zu einer starken Parteienfragmentierung in den Gemeinderäten und zugleich zu einer Instabilität der Gemeindeausschüsse geführt (Di Virgilio 2005, 5). „Die Unfähigkeit zur Selbstreform hatte dazu geführt, dass Bewegungen der Zivilgesellschaft, insbesondere die Referendumsbewegung, das Zepter der Erneuerung in die Hand nahmen und die bereits weitgehend delegitimierten Parteien der Ersten Republik dermaßen unter politischen Druck setzten, dass erste, aber entscheidende Reformen eingeleitet wurden.“ (Pallaver 2010, 530).

Mit dem neuen Gemeindewahlgesetz sollten diese Mängel und zum Teil Missstände beseitigt werden: Dem Amt des Bürgermeisters und seinem Gemeindeausschuss sollte durch die Direktwahl Stabilität verliehen werden. Damit verbunden sollten die in vielen Gemeinden Italiens immer wieder vorgezogenen Neuwahlen auf Gemeindeebene eingedämmt werden. Auch sollten die Parteien durch die Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters und der damit verbundenen Personalisierung in ihrer Macht zurückgedrängt sowie eine Regierungsalternanz ermöglicht werden.

Mit dem Regionalgesetz Nr. 3 vom 30. November 1994 wurde auch für die Region Trentino-Südtirol ein Gesetz über die Direktwahl des Bürgermeisters und Änderung des Systems zur Wahl der Gemeinderäte verabschiedet (Regionalgesetz 1994). Dieses ist in weiten Teilen, zumindest was die Direktwahl des Bürgermeisters betrifft, eine an die lokalen Verhältnisse in Südtirol bzw. dem Trentino angepasste Version des staatlichen Gesetzes (vgl. Brunazzo 2008, 2). Bestimmte Neuerungen des Staatsgesetzes, wie etwa Mehrheitsprämie für die siegreiche Liste, die Anzahl der zu vergebenden Vorzugsstimmen sowie einige andere Punkte wurden allerdings nicht übernommen.

Das Gemeindewahlsystem und die Gemeindeordnung sind seit 1993 verschiedentlich gesetzlich neu geregelt oder mit Änderungen versehen worden. Zum einen sei auf beide Gemeindeordnungsgesetze verwiesen (Regionalgesetz Nr. 1 vom 4. Jänner 1993: neue Gemeindeordnung der Region Trentino-Südtirol und Änderungen derselben mittels Regionalgesetz Nr. 10 vom 23. Oktober 1998), des Weiteren auf die Regionalgesetze, welche die Wahl des Bürgermeisters und des Gemeinderates regeln. Es handelt sich dabei um das bereits erwähnte Regionalgesetz Nr. 3 vom 30. November 1994 sowie das Regionalgesetz Nr. 7 vom 22. Dezember 2004. Mit Dekret des Präsidenten der Region vom 1. Februar 2005, Nr. 1/L (welches wiederum durch das Dekret des Präsidenten der Region vom 1. Juli 2008, Nr. 5/L geändert wurde), wurde ein Einheitstext der Regionalgesetze über die Zusammensetzung und Wahl der Gemeindeorgane verfasst, in welchem alle gültigen Regelungen vereint und in dem auch die soeben genannten Gesetze und Regelungen enthalten sind.

Jede Gemeinde verfügt über verschiedene Organe, die unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben. Diese sind der Gemeinderat, der Ausschuss und der/die BürgermeisterIn.

Je nach Größe der Gemeinde hat laut Regionalgesetz 2005 der Gemeinderat zwischen 15 (Gemeinden mit einer Bevölkerung von bis zu 3.000 EinwohnerInnen) und 50 Mitglieder (Gemeinden mit mehr als 100.000 EinwohnerInnen bzw. in Provinzhauptstädten).

Der Gemeindeausschuss besteht aus dem/der BürgermeisterIn und einer, von der Gemeindesatzung bestimmten, Höchstzahl an GemeindereferentInnen. Eine Obergrenze dieser Höchstzahl ist gesetzlich festgelegt. Diese Obergrenze beträgt zwischen vier (in Gemeinden mit bis zu 3.000 EinwohnerInnen) und zehn (in Gemeinden ab 100.000 EinwohnerInnen und in den Provinzhauptstädten) GemeindereferentInnen.

In den Gemeinden Südtirols „wird der Gemeindeausschuss vom Gemeinderat auf Vorschlag des Bürgermeisters […] gewählt. Der Vizebürgermeister wird vom Bürgermeister unter den Gemeindereferenten […] gewählt“.

Bei der Bestellung des Gemeindeausschusses muss entsprechend dem Autonomiestatut den verschiedenen Sprachgruppen Rechnung getragen werden. Bei der Bestellung des Vizebürgermeisters in Gemeinden mit mehr als 13.000 EinwohnerInnen wird darauf verwiesen, dass dieser „der Sprachgruppe angehört, die am stärksten vertreten ist, wobei die Sprachgruppe des Bürgermeisters ausgeschlossen ist“. Der Gemeindeausschuss muss im Verhältnis zur Stärke der Sprachgruppen im Gemeinderat zusammengesetzt sein, wobei eine Sprachgruppe das Anrecht auf eine Vertretung im Gemeindeausschuss hat, sofern sie mit mindestens zwei VertreterInnen dem Gemeinderat angehört.

Der Bürgermeister wird in der Provinz Bozen „in allgemeiner und direkter Wahl von den Wählern der Gemeinde gewählt“. Eine der Neuerungen, die die Gemeindewahlreform von 1994 brachte, war die sogenannte Mandatsbeschränkung, die bei den Wahlen 2010 erstmals zur Anwendung kam. Diese Regelung sieht Folgendes vor: „Wer das Amt eines Bürgermeisters drei aufeinander folgende Amtsperioden bekleidet hat, kann für dieses Mandat nicht unmittelbar darauf wiedergewählt werden.“ Als volles Mandat wird eine Amtsausübung von mindestens dreißig Monaten betrachtet. Diese Bestimmung „gilt für die Amtsperioden, die auf die Wahlen folgen, welche nach Inkrafttreten des Regionalgesetzes Nr. 3 vom 30. November 1994 stattfinden“.

Dieses Verbot einer neuerlichen Kandidatur gilt für das Amt des Bürgermeisters und explizit auch für die GemeindereferentInnen, zu denen auch der Vizebürgermeister gezählt wird.

Die Reform des Gemeinderatswahlgesetzes brachte erwartungsgemäß eine Reihe von grundlegenden Änderungen im institutionellen Gefüge, darunter vor allem die Stärkung des Amtes des Bürgermeisters.

Vor der Reform von 1993 war der Bürgermeister, zumindest im restlichen Italien, ein politisch schwacher Akteur gewesen. Seine postelektorale Bestellung hing vom Verhältnis der Mehrheitsparteien untereinander und vom Verhältnis zwischen den internen Strömungen der Parteien ab. Dadurch konnten sowohl die Parteien als auch die Gemeinderäte und -referenten einen starken Einfluss auf den Bürgermeister ausüben. Diese Schwäche des Bürgermeisters resultierte weiters aus einer poten­ziell großen Instabilität der Gemeinderegierung. Regierungskrisen auf Gemeindeebene wurde in der Regel mit politischen Umbauten innerhalb der jeweiligen Mehrheit begegnet. Die Karten zwischen Parteien, Parteiströmungen und Exponenten des Gemeindeausschusses wurden einfach neu gemischt, wobei es durchaus möglich und teilweise sogar üblich war, dass der scheidende Bürgermeister nach dem Ende der Krise das Amt erneut übernahm (Di Virgilio 2005, 12).1

Mittlerweile scheinen die Parteien auf gesamtstaatlicher Ebene einen Teil ihrer Macht wieder zurückerobert zu haben, auch wenn nicht von einer Rückkehr zu alten Verhältnissen gesprochen werden kann. Die aus der Direktwahl resultierende Notwendigkeit eines starken Kandidaten für das Bürgermeisteramt und vor allem die Einführung des sogenannten Destruktiven Misstrauensvotums sind hier wirksame Instrumente für die Verhinderung einer Übermacht der Parteien (Di Virgilio 2005, 11).

Um zur Kandidatur in der Provinz Bozen zugelassen zu werden, darf eine Kandidatenliste nicht weniger als drei Kandidaten aufweisen. Auch darf sie nicht „eine höhere als die um die Hälfte erhöhte Anzahl der Ratsmitglieder umfassen“. In Gemeinden mit mehr als 15.000 EinwohnerInnen muss jeder Kandidat für das Amt des Bürgermeisters eine Verbindung mit einer oder mehreren Listen eingehen. Dies muss im Einverständnis mit der jeweiligen Liste erfolgen, wobei auch jede Liste ihrerseits mit einem Bürgermeisterkandidaten verbunden sein muss. Listen mit ein und demselben Bürgermeisterkandidaten werden als untereinander verbunden betrachtet.

Die Regelung zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern beim Zugang zu Wahlämtern, die sogenannte Frauenquote, besagt, dass auf jeder Liste beide Geschlechter vertreten sein müssen und dass auf jeder Liste „keines der beiden Geschlechter mit mehr als zwei Dritteln der Höchstzahl der Kandidaten vertreten sein (darf), die einer Liste zusteht“.

Die Amtszeit für Gemeinderat und Bürgermeister beträgt fünf Jahre. Sofern der Gemeinderat nicht vorzeitig aufgelöst werden muss, erfolgt die Neuwahl zwischen 1. Mai und 15. Juni des betreffenden Jahres. In Gemeinden mit bis zu 15.000 EinwohnerInnen erfolgt die Wahl des Bürgermeisters und des Gemeinderates auf zwei getrennten Stimmzetteln. Gewählt ist der Kandidat mit den meisten Stimmen. Lediglich im Fall einer Stimmengleichheit kommt es zwei Wochen nach dem ersten Wahlgang zu einer Stichwahl zwischen den beiden meistgewählten KandidatInnen. Sollten mehr als zwei KandidatInnen gleich viele Stimmen haben, so werden jene zwei KandidatInnen zur Stichwahl zugelassen, welche den Listen angehören, die ihrerseits im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Sollte auch die Wahlziffer gleich sein, so wird der ältere Kandidat vorgezogen. Diese Regelung mit der höheren Wahlziffer der jeweiligen Liste kommt auch bei einer Stimmengleichheit im Rahmen der Stichwahl zur Anwendung. Die WählerInnen können eine Listenstimme abgeben, indem sie das entsprechende Listensymbol ankreuzen und bis zu vier Vorzugsstimmen abgeben.

In den Gemeinden mit mehr als 15.000 EinwohnerInnen, das sind in Südtirol Bozen, Meran, Brixen und Leifers, erfolgt die Wahl des Bürgermeisters und des Gemeinderates auf einem einzigen Stimmzettel. Dieser Stimmzettel enthält den Namen der KandidatInnen für das Amt des Bürgermeisters, die Listenzeichen der (eventuell verbundenen) Listen und neben jedem Listenzeichen ein Feld für die Abgabe der Vorzugsstimme für den Gemeinderat.

Der Wähler wählt eine Liste sowie den von dieser Liste unterstützten Bürgermeisterkandidaten. Auch in diesem Fall kann der Wähler bis zu vier Vorzugsstimmen für den Gemeinderat vergeben, die allerdings an KandidatInnen gehen müssen, die auf einer mit dem Bürgermeisterkandidaten verbundenen Liste kandidieren. Falls der Wähler nur den Bürgermeisterkandidaten seiner Wahl, nicht jedoch die ihn unterstützende Liste ankreuzt, so gilt diese Stimme auch der den Kandidaten unterstützenden Liste. Sollte diese Liste einer diese KandidatInnen unterstützenden Listengruppe angehören, dann werden die Stimmen, welche nur dem Bürgermeisterkandidaten gegeben werden, unter den der Listengruppe angehörenden Listen verteilt. Die Möglichkeit, die eigene Stimme zu splitten, das heißt, einen Bürgermeisterkandidaten zu wählen und zugleich einer Liste seine Stimme zu geben, welche diesen Kandidaten nicht unterstützt, ist im Gegensatz zum übrigen Italien nicht möglich.

Erreicht ein Bürgermeisterkandidat die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, so wird dieser als zum Bürgermeister gewählt verkündet.

Im Unterschied zu den kleineren Gemeinden wird in Gemeinden mit mehr als 15.000 EinwohnerInnen eine Stichwahl durchgeführt, wenn keine/r der KandidatInnen die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht. Zur Stichwahl, die am zweiten Sonntag nach dem ersten Wahlgang durchgeführt werden muss, sind dann die beiden KandidatInnen zugelassen, welche im ersten Wahlgang die höchste Zahl an Stimmen erreichen konnten. Bei Stimmengleichheit (zwischen dem zweit- und dem drittplatzierten Kandidaten) kommt der ältere der beiden zum Zug. Innerhalb der ersten sieben Tage ab dem ersten Wahlgang können die an der Stichwahl teilnehmenden KandidatInnen noch weitere Verbindungen mit Listen bzw. Listengruppen eingehen. Es gilt jener Kandidat als zum Bürgermeister gewählt, der bei der Stichwahl die höhere Anzahl von gültigen Stimmen auf sich vereinen konnte. Bei Stimmengleichheit wird jener Kandidat bevorzugt, der mit der Liste bzw. Listenverbindung verbunden ist, welche die höhere Gesamtwahlziffer erreichen konnte.

3. Mandatsbeschränkung, BürgermeisterkandidatInnen, Listen

Die Gemeinderatswahlen vom 16. Mai 2010 und die Stichwahlen vom 30. Mai 2010 haben im Vergleich zu früheren Wahlen eine Reihe von relevanten Neuigkeiten gebracht. Neben den Vorwahlen, die die SVP durchgeführt hat, war die einschneidendste Neuerung sicherlich die sogenannte Mandatsbeschränkung.

Diese bereits in den Neunzigerjahren (Regionalgesetz 1994) beschlossene, aber erst mit den Wahlen 2010 in Kraft getretene Regelung hatte bereits im Vorfeld der Gemeinderatswahlen für heftige Diskussionen gesorgt. Konkret besagt die Regelung Folgendes: Wer das Amt des Bürgermeisters für drei aufeinander folgende Amtsperioden ausgeübt hat, kann für dieses Mandat nicht unmittelbar darauf wiedergewählt werden, wobei eine Amtszeit von 30 Monaten als volle Amtszeit betrachtet wird. Eine analoge Regelung wurde für die Gemeindereferenten, und damit implizit auch für die Vizebürgermeister, getroffen, wobei diese Bestimmungen für die Amtsperioden gelten, „die auf die Wahlen folgen, welche nach Inkrafttreten des Regionalgesetzes Nr. 3 vom 30. November 1994 stattfinden“.

Obwohl von der SVP mit beschlossen, gab es innerhalb der Sammelpartei heftige Auseinandersetzungen über die Sinnhaftigkeit dieser Regelung. Die Junge Generation in der SVP wie auch die Oppositionsparteien vertraten den Standpunkt, dass die neue Regelung zielführend sei, weil damit ein Austausch und eine Verjüngung des politischen Personals eingeleitet werde. Damit würde dem Dorfkaisertum ein Ende gesetzt, die politischen Platzhirsche würden verdrängt werden. Von dieser Seite gab es denn erwartungsgemäß teils heftigen Widerstand. Diese Spannungen innerhalb der SVP, zwischen der Jungen Generation und einigen Parteiexponenten auf der einen und dem Rest der Partei auf der anderen Seite, haben nach den Wahlen keine weiteren Spuren in der Volkspartei hinterlassen.

Insgesamt waren bei den Gemeinderatswahlen 2010 162 Bürgermeister, Vizebürgermeister und Gemeindereferenten von der Mandatsbeschränkung betroffen. 54 von den 111 Gemeinden, in denen am 16. Mai 2010 der Gemeinderat neu gewählt wurde (in den Gemeinden Abtei, Brenner, Feldthurns, Mals und Plaus wurde nicht gewählt), mussten aufgrund dieser Regelung einen neuen Bürgermeister wählen. Ebenso mussten 45 Vizebürgermeister und 63 Gemeindereferenten neu gewählt werden. In einigen Gemeinden wog der personelle Wechsel besonders schwer. So durften z.B. in Kaltern mit einem 20-köpfigen Gemeinderat der Bürgermeister, sein Stellvertreter sowie drei Gemeindereferenten nicht mehr zur Wahl antreten. In der Gemeinde Ritten betraf die Mandatsbeschränkung den Bürgermeister und vier seiner Referenten (Obexer 2010, 49). Im Vorfeld der Gemeinderatswahlen gab es bei der SVP einen weiteren Innovationsschub. So wurden in einem Großteil der Gemeinden erstmals SVP-Vorwahlen durchgeführt. Mit diesen Vorwahlen sollte eruiert werden, welche KandidatInnen im Sinne der Parteibasis am meisten geeignet für den Gemeinderat und vor allem für das Amt des Bürgermeisters seien. In 86 von 111 Gemeinden bzw. 188 von 292 Ortsgruppen fanden Vorwahlen statt (SVP 2010, 9).

Bei den Vorwahlen wurde nicht überall gleich vorgegangen: So war es den Ortsgruppen selbst überlassen, wer über die Vorwahlen ermittelt werden sollte. So wurden in einigen Gemeinden bzw. Ortsgruppen nur die BürgermeisterkandidatInnen ermittelt (z. B. in Neumarkt), in anderen einzig die KandidatInnen für den Gemeinderat (z. B. in Gais) (SVP 2010a).

Insgesamt gab es in Südtirol 2010 435 BürgermeisterkandidatInnen. Dies mag bei 111 Gemeinden viel erscheinen, ergibt sich doch ein Schnitt von fast vier BürgermeisterkandidatInnen je Gemeinde. Wenn man bedenkt, dass sich in den vier größeren Gemeinden zwischen fünf und zehn KandidatInnen der Wahl zum Bürgermeister stellten, erscheint die Anzahl erstaunlich. Des Rätsels Lösung liegt bei sieben Gemeinden, in denen alle oder zumindest die meisten SVP-GemeinderatskandidatInnen gleichzeitig auch für das Bürgermeisteramt kandidiert haben. In diesen Gemeinden gab es 16 (Auer), 17 (Kuens), 19 (Laas), 20 (Truden), 22 (Moos i. P.) und 24 (Gargazon) KandidatInnen. Den Rekord hält die Gemeinde Deutschnofen mit 38 KandidatInnen für das Amt des Bürgermeisters.

Das Aufstellen von so vielen BürgermeisterkandidatInnen kann zwar sinnvoll sein, wenn eine Partei konkurrenzlos ist, wie dies punktuell für die SVP der Fall war. Dies war nur in Moos i. P. und in Kuens der Fall, hier gehörten alle BürgermeisterkandidatInnen der SVP an, die auch als einzige Liste kandidierte. In Deutschnofen kandidierte 2010 neben der SVP auch die Union für Südtirol, die 38 BürgermeisterkandidatInnen gehörten jedoch alle den drei SVP-Listen an. Einen von 24 BürgermeisterkandidatInnen stellten in Gargazon die Freiheitlichen. In Auer war die Situation allerdings etwas anders. Bei den Wahlen von 2005 siegte der Dorflisten-Kandidat Roland Pichler, der seither Bürgermeister ist. Auch im Gemeinderat waren bis Mai 2010 die Dorfliste und die SVP mit je 7 Sitzen gleich stark vertreten. Warum die SVP im Vorfeld der Wahl auf eine Vielzahl der BürgermeisterkandidatInnen setzte, ist auf den ersten Blick schwer verständlich. Die Begründung für die Entscheidung, alle GemeinderatskandidatInnen zugleich in das Rennen um das Bürgermeisteramt zu schicken, war offiziell folgende: „Der Aurer Bevölkerung soll die Möglichkeit gegeben werden, aus mehreren Kandidaten den ersten Bürger zu wählen“ (SVP 2010b).

Von den 435 KandidatInnen stellte die SVP drei Viertel (75,40 Prozent), vier BürgermeisterkandidatInnen traten für Fraktionslisten im Gadertal an, 45 KandidatInnen (10,34 Prozent) gingen für eine der vielen Bürgerlisten ins Rennen. Die Freiheitlichen stellten mit 27 (6,21 Prozent) mehr BürgermeisterkandidatInnen als je zuvor, der Partito Democratico (PD) präsentierte sechs BürgermeisterkandidatInnen. Weitere BürgermeisterkandidatInnen gingen für die Union für Südtirol, Südtiroler Freiheit, Popolo della Libertà/PdL, Lega Nord, Forza Bolzano, Unione di Centro/UdC, Insieme per Bressanone, Ulivo, Comunisti Italiani, Ladins und Grüne ins Rennen.

Zählt man die BürgermeisterkandidatInnen der italienischsprachigen Parteien zusammen, so kamen die Rechts- bzw. Mitte-rechts-Parteien/Listen zusammen auf zehn KandidatInnen, die Zentrums-Listen auf insgesamt fünf und die Links- bzw. Mitte-links-Parteien auf acht KandidatInnen.

Bei den Gemeinderatswahlen traten insgesamt 366 Listen an. Wie bei allen Wahlgängen zuvor gab es auch 2010 Gemeinden, in denen nur die SVP antrat, aller­dings ist deren Zahl im Vergleich zu 2005 zurückgegangen. Die SVP hat vor allem seitens deutschsprachiger Oppositionsparteien, insbesondere durch die Süd-Tiroler Freiheit und die Freiheitlichen, Konkurrenz erhalten. Die Freiheitlichen kandidierten 2010 in 56 von 111 Gemeinden, die Süd-Tiroler Freiheit in 21.

Ein heterogenes Bild zeigte sich 2010 bei den Bürgerlisten. Insgesamt traten 104 Listen zur Wahl an, welche sich entweder explizit Bürgerlisten nannten oder jedenfalls als Bürgerlisten erkennbar waren. Diese 104 Listen traten allerdings nicht in allen Gemeinden an. In 47 Gemeinden kandidierte keine Bürgerliste, in den restlichen 64 Gemeinden traten teils eine teils mehrere an. In der Stadt Leifers etwa kandidierten fünf verschiedene Bürgerlisten.

In drei der vier Gadertaler Gemeinden, in denen gewählt wurde, traten, wie schon in früheren Jahren, Fraktionslisten an, aus denen nicht immer erkennbar war, ob und welcher Partei sie politisch nahe stehen.

Die SVP trat in 108 Gemeinden an, wobei hier verschiedene SVP-Listen in einer Gemeinde jeweils zusammengezählt wurden. In folgenden 20 Gemeinden kandidierte die SVP konkurrenzlos als einzige Liste.

Tabelle 1: Gemeinden, in denen nur die SVP kandidiert hat

Gemeinde

Bezirk

Altrei

Überetsch – Unterland

St. Pankraz

Burggrafenamt

Barbian

Eisacktal

Stilfs

Vinschgau

Kuens

Burggrafenamt

Tiers

Bozen Umgebung

Laurein

Burggrafenamt

Tirol

Burggrafenamt

Martell

Vinschgau

Tisens

Burggrafenamt

Moos in Passeier

Burggrafenamt

Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix2

Burggrafenamt

Proveis

Burggrafenamt

Riffian

Burggrafenamt

Villnöß

Eisacktal

Schnals

Vinschgau

Vöran

Burggrafenamt

St. Leonhard in Passeier

Burggrafenamt

Waidbruck

Eisacktal

St. Martin in Passeier

Burggrafenamt

Quelle: Obexer 2010, 55.

Auffällig ist, dass sich von den 20 Gemeinden, in denen lediglich die SVP zu den Wahlen angetreten ist, zwölf im Bezirk Burggrafenamt befinden. Dieser Bezirk umfasst 24 Gemeinden, sodass in der Hälfte der Gemeinden nur eine Liste zur Auswahl stand.

Auch in der Gemeinde Wengen im Gadertal trat eine einzige Liste an. Dieser gehörten allerdings nicht nur SVP-Kandidaten an, sondern auch Kandidaten anderer Parteien (vgl. Obexer 2010, 53–68).

4. Die Wahlergebnisse 2010 im Vergleich

Wahlbeteiligung: Vergleicht man die Wahlbeteiligung der letzten drei Gemeinderatswahlen, so kann man einen stetigen Rückgang der Wahlbeteiligung feststellen. Betrug die Beteiligung bei den Gemeinderatswahlen im Jahr 1995 noch 82,79 Prozent, so sank sie im Jahre 2000 auf 80,90 Prozent. Im Jahr 2005 sank die Beteiligung unter die 80-Prozent-Grenze (79,10 Prozent), um 2010 bei 74,80 Prozent anzukommen. Zwischen 2005 und 2010 gab es mit rund fünf Prozent den vergleichsweise größten Rückgang (vgl. Lantschner 2010, 68).

Wenn wir einen Blick auf die Gemeinden mit der höchsten und auf jene mit der niedrigsten Wahlbeteiligung werfen, so lassen sich einige Besonderheiten feststellen.

Die Gemeinden mit der höchsten Wahlbeteiligung in den letzten zwei oder drei Wahldurchgängen sind durchwegs Gemeinden mit unter 3.000 EinwohnerInnen. Jenesien, Lajen, Feldthurns und Kiens liegen sogar unter 2.000 EinwohnerInnen. Gab es im Jahre 2000 noch sechs Gemeinden mit einer Wahlbeteiligung von über 90 Prozent, so gibt es davon im Jahre 2005 nur mehr eine.

Im Gegensatz zur hohen Wahlbeteiligung ist die Streuung der Gemeinden mit niedriger Wahlbeteiligung nicht einheitlich. Hier finden sich die Städte mit einer hohen EinwohnerInnenzahl wie Bozen, Meran und Bruneck, aber auch Kleingemeinden wie Pfatten (842 EinwohnerInnen laut Volkszählung 2001), Glurns (883), Martell (891) und Taufers i. M. (949), vier Gemeinden mit weniger als 1.000 EinwohnerInnen.

Tabelle 2: Gemeinden mit der höchsten Wahlbeteiligung 2000–2010

Gemeinde

WB* 2000

Gemeinde

WB 2005

Gemeinde

WB 2010

Kuens

91,8

Altrei

90,7

U. L. F. i. W. / St. Felix

90,4

Villanders

91,7

Terenten

89,8

Altrei

89,5

Terenten

91,1

Villanders

89,3

Jenesien

87,3

Feldthurns

90,6

Wengen

89,1

Villanders

87,0

U. L. F. i. W. / St. Felix

90,0

Kuens

88,6

Aldein

86,9

Kiens

90,0

U. L. F. i. W. / St. Felix

88,6

Terenten

86,7

Hafling

89,8

Margreid

88,3

Proveis

86,2

Altrei

89,7

Montan

88,2

Margreid

85,9

Jenesien

89,6

Kurtinig

88,1

Waidbruck

85,9

Schnals

89,6

Feldthurns

88,0

Lajen

85,9

* WB = Wahlbeteiligung in Prozent

Bei den fett gedruckten Gemeinden handelt es sich um Gemeinden, die sich sowohl 2000 als auch 2005 und 2010 unter den zehn Gemeinden mit der höchsten Wahlbeteiligung befanden. Bei den kursiv gedruckten Gemeinden handelt es sich um Gemeinden, die bei zwei dieser Wahlgänge unter den zehn Gemeinden mit der höchsten Wahlbeteiligung waren.

Quelle: Gemeindewahlen 2010

Weiters ist ein Trend nach unten feststellbar. Im Jahre 2000 lagen die niedrigsten Werte noch bei knapp 73 Prozent, im Jahre 2005 nur mehr bei knapp 64 Prozent.

Fasst man die Gemeinden Südtirols nach Bezirken zusammen und vergleicht deren Wahlbeteiligung, so ist bei allen drei Wahlgängen der Vinschgau der Bezirk mit den meisten Gemeinden mit der niedrigsten Wahlbeteiligung.

BürgermeisterInnen: Die Südtiroler Volkspartei bleibt nach den Gemeinderatswahlen 2010 auch weiterhin die prädominante Partei. In 103 der 111 Gemeinden, in denen 2010 gewählt wurde, stellt die SVP den/die BürgermeisterIn. In drei dieser Gemeinden stellte 2005 noch eine Bürgerliste den/die erste/n BürgerIn, in den restlichen 100 Gemeinden wurde die SVP als Bürgermeisterpartei bestätigt.

Tabelle 3: Gemeinden mit der niedrigsten Wahlbeteiligung 2000–2010

Gemeinde

WB* 2000

Gemeinde

WB 2005

Gemeinde

WB 2010

Taufers i. Münster

72,8

Taufers i. Münster

66,8

Meran

63,8

Meran

74,2

Glurns

68,6

Bozen

65,7

Mals

74,9

Meran

68,9

Taufers i. Münster

65,8

Graun i. Vinschgau

75,7

Mals

70,0

Glurns

66,0

Bozen

76,0

Graun i. Vinschgau

74,3

Prad a. Stilfser Joch

71,5

Auer

76,2

Algund

75,1

Marling

71,6

Brixen

77,3

Bozen

75,2

Pfatten

72,1

Prad a. Stilfser Joch

77,7

Martell

75,6

Algund

72,2

Glurns

78,0

Sterzing

75,9

Welschnofen

72,2

Bruneck

78,1

Bruneck

76,3

Graun i. Vinschgau

72,4

* WB = Wahlbeteiligung in Prozent

Fett gedruckt: Gemeinden, die in den Jahren 2000, 2005 und 2010 unter den zehn Gemeinden mit der niedrigsten Wahlbeteiligung waren.

Kursiv gedruckte Gemeinden sind solche, die bei zwei der drei Wahlgänge unter den zehn Gemeinden mit der niedrigsten Wahlbeteiligung waren.

Quelle: Gemeindewahlen 2010

Bürgerlisten stellen in der aktuellen Legislaturperiode fünf BürgermeisterInnen. In zwei dieser fünf Gemeinden, nämlich in Toblach und in Eppan, löste ein Vertreter solcher Bürgerlisten den bisherigen SVP-Bürgermeister ab.

In Südtirol gibt es fünf Gemeinden, in denen der Anteil der italienischen Sprachgruppe größer ist als jener der deutschen: Bozen, Leifers, Salurn, Branzoll und Pfatten. In acht Gemeinden (Abtei, Corvara, Enneberg, St. Christina, St. Martin in Thurn, St. Ulrich, Wengen und Wolkenstein) gehört die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der ladinischen Sprachgruppe an. Diese ethnische Zuordnung hat, was die Sprachgruppenzugehörigkeit der Südtiroler BürgermeisterInnen betrifft, aber keine relevanten Änderungen nach sich gezogen. Gehörten 2005 noch hundert BürgermeisterInnen der deutschen Sprachgruppe an, so reduzierte sich deren Anzahl 2010 auf 98. Das aus ethnischer Sicht landesweit am meisten kommentierte Wahlergebnis gab es in der mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinde Toblach, wo mit Guido Bocher ein italienischsprachiger Bürgermeister gewählt wurde.

Einer der bisherigen Bürgermeister der fünf mehrheitlich italienischsprachigen Gemeinden Südtirols, nämlich der Branzoller Alessandro Bertinazzo, gehörte der deutschen Sprachgruppe an. Deshalb gab es 2005 in Südtirol auch nur vier italienischsprachige Bürgermeister. Mit der Abwahl von Bertinazzo ist die Anzahl der italienischsprachigen BürgermeisterInnen auf sechs gestiegen. Neben Toblach sind dies die mehrheitlich italienischsprachigen Gemeinden Bozen, Leifers, Branzoll, Pfatten und Salurn. In den sieben Gemeinden mit ladinischsprachiger Bevölkerungsmehrheit werden auch in Zukunft ladinischsprachige Bürgermeister regieren.

Waren Bürgermeisterinnen in der Vergangenheit eine Ausnahme auf der politischen Landkarte Südtirols, so hat deren Anteil innerhalb der letzten 15 Jahre eine Zunahme erfahren. Mit Einführung der Bürgermeister-Direktwahl im Jahre 1995 hatten es zwei Frauen auf den Bürgermeistersessel geschafft. Es waren dies Marianna Überbacher in Natz-Schabs und Waltraud Kofler in Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix. Beide Frauen wurden auch im Jahre 2000 als einzige Bürgermeisterinnen Südtirols bestätigt (Lantschner 2010, 66). Im Jahre 2005 konnte der Anteil der Bürgermeisterinnen von zwei auf vier verdoppelt werden, im Jahre 2010 kletterte die Anzahl der weiblichen Bürgermeisterinnen auf zehn.

Die Zahl der sich im Amt befindenden Bürgermeisterinnen änderte sich bereits während der Legislaturperiode 2005–2010. Bereits am 14. November 2004 war Anna Elisabeth Aichner-Schenk im Rahmen von vorgezogenen Neuwahlen zur Bürgermeisterin von Olang gewählt worden (Gemeinde Olang 2010). Deshalb fand im Jahre 2005 in Olang keine Gemeinderatswahl statt, weshalb Frau Schenk als fünfte Südtiroler Bürgermeisterin bei den Gemeinderatswahlen 2005 nicht mitgezählt worden ist. Andererseits hatte die 2005 zur Bürgermeisterin der Gemeinde Natz-Schabs gewählte Marianne Überbacher-Unterkircher 2007 aus Unvereinbarkeitsgründen von ihrem Amt zurücktreten müssen. Bei den Neuwahlen im Jahre 2010 hat Marianne Überbacher zwar wieder für das Bürgermeisteramt kandidiert, die Wahl aber gegen Peter Gasser verloren, der sie bereits 2007 beerbt hatte.

Nur in den Gemeinden Gais (Romana Stifter) und Margreid (Theresia Degasperi-Gozzi) wurden 2010 die Bürgermeisterinnen bestätigt, die bereits 2005 die Wahlen gewonnen hatten. Waltraud Kofler, die nach 2000 auch 2005 als Bürgermeisterin von Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix in ihrem Amt bestätigt worden war, musste 2010 wegen der Regelung zur Mandatsbeschränkung auf eine erneute Kandidatur verzichten. Die Bürgermeisterinnen von Kaltern (Gertrud Benin-Bernard), Klausen (Maria-Anna Gasser-Fink), Montan (Monika Delvai-Hilber), St. Martin in Passeier (Rosmarie Pamer), Tirol (Elisabeth Laimer) und Ulten (Beatrix Mairhofer) sind zwar neu in ihrem Amt, waren aber bereits 2005 in den Gemeinderat gewählt worden.

Die Bürgermeisterin von Mölten, Angelika Wiedmer-Perkmann, sowie jene von Leifers, Liliana Di Fede, waren im Jahre 2005 keine Mitglieder des Gemeinderats, Liliana Di Fede war von ihrem Vorgänger Giovanni Polonioli aber zur Leiferer Stadträtin berufen worden. Was die Sprachgruppen betrifft, so gehört als einzige die Bürgermeisterin von Leifers der italienischen Sprachgruppe an, alle anderen der deutschen (vgl. Obexer 81–85).

Der politische Wettbewerb bei der Bürgermeisterdirektwahl war in mehreren Gemeinden eingeschränkt. Sowohl 2005 als auch 2010 gab es Gemeinden, in denen lediglich ein Kandidat oder eine Kandidatin zur Wahl antraten. In mehreren anderen Gemeinden gab es zwar mehrere BürgermeisterkandidatInnen, die aber alle für dieselbe Partei (SVP) kandidierten.

Tabelle 4: Anzahl der BürgermeisterkandidatInnen 2005 und 2010 pro Gemeinde

2005

2010

Anzahl ­Gemeinden

Prozentsatz

Anzahl ­Gemeinden

Prozentsatz

Mehrere KandidatInnen verschiedener Listen

55

47,83 %

51

45,94 %

Mehrere SVP-KandidatInnen

48

41,74 %

42

37,84 %

Ein einziger SVP-Kandidat

12

10,43 %

18

16,22 %

Summe

115

100 %

111

100%

Quelle: Obexer 2010, 110.

Sowohl die Anzahl der Gemeinden, in denen mehrere Bürgermeisterkandidat­Innen auf unterschiedlichen Listen kandidiert haben, als auch die Anzahl jener Gemeinden, in denen mehr als ein SVP-Kandidat angetreten ist, ist von 2005 bis 2010 leicht zurückgegangen.

Wenn man aber berücksichtigt, dass im Jahr 2010 im Gegensatz zum Jahr 2005 in vier Gemeinden weniger gewählt wurde, so sieht man, dass diese Rückgänge kaum relevant sind.

Einen umgekehrten Trend finden wir bei Gemeinden mit nur einem SVP-Bürgermeisterkandidaten. War dies 2005 nur in 12 Gemeinden Südtirols der Fall, so hat sich im Jahre 2010 die Anzahl auf 18 Gemeinden erhöht. Interessant ist auch, dass sich nur drei Gemeinden, nämlich Glurns, Laurein und Prags, sowohl 2005 als auch 2010 unter den Gemeinden mit nur einem SVP-Kandidaten befanden. In Glurns und in Prags sind bei den Wahlen jeweils die alten Bürgermeister bestätigt worden, in Laurein hat hingegen Hartmann Thaler den bisherigen Bürgermeister Oswald Ungerer abgelöst.

Durch die Regelung zur Mandatsbeschränkung hat es 2010 einen großen Wechsel bei den BürgermeisterInnen in Südtirol gegeben. Dadurch, dass 54 bisherige BürgermeisterInnen von dieser Regelung betroffen waren und deswegen nicht mehr antreten durften, gab es umso weniger abgewählte BürgermeisterInnen. Seit Einführung der Bürgermeisterdirektwahl im Jahr 1995 gab es noch nie so wenige BürgermeisterInnen, die gegen ihren Willen das Feld räumen mussten (Lantschner 2010, 73).

Tabelle 5: BürgermeisterInnen: Mandatsbeschränkung und Abwahl

Wahlen

Neue
BürgermeisterInnen

Grund

Amtsinhaber nicht mehr angetreten

Amtsinhaber abgewählt

1995

31

23

8

2000

24

16

8

2005

36

23

13

2010

67

653

2

Quelle: Lantschner 2010, 72–73.

Interessant ist auch, dass der Anteil der NeueinsteigerInnen unter den neuen BürgermeisterInnen seit 2000 leicht angestiegen ist. Hatten 2000 noch 25 Prozent der neuen BürgermeisterInnen vor der Wahl kein politisches Amt in ihrer Gemeinde inne, so waren dies 2010 34,4 Prozent (Lantschner 2010, 74).

In Ermangelung von Wettbewerb in Gemeinden mit nur einer kandidierenden Liste oder mit nur einem Bürgermeisterkandidaten kann man davon ausgehen, dass die Wahlbeteiligung sinkt. Dies war bei den Gemeinderatswahlen 2010 aber nicht der Fall. Betrachtet man allerdings die Anzahl der im Rahmen der Bürgermeisterwahl abgegebenen weißen Stimmzettel, so ergibt sich ein differenzierteres Bild.

Tabelle 6: Gemeinden unter 15.000 EinwohnerInnen mit einem Anteil an weißen ­Stimmzetteln von über zehn Prozent

Gemeinde

BM-K

Wahlbeteiligte

Weiße ­Stimmzettel

Prozent

Prags

1

441

183

41,5 %

Glurns

1

556

177

31,8 %

Gais

1

1.981

577

29,1 %

Wengen

1

854

202

23,7 %

Nals

1

1.110

261

23,5 %

Laurein

1

214

46

21,5 %

Gsies

1

1.479

301

20,4 %

Ahrntal

3

3.894

780

20,0 %

Völs am Schlern

1

1.958

387

19,8 %

Naturns

3

3.275

630

19,2 %

Hafling

1

483

91

18,8 %

Kurtinig

2

421

76

18,1 %

Welschnofen

2

1.139

191

16,8 %

Marling

1

1.468

243

16,6 %

Ritten

1

4.432

665

15,0 %

Pfatten

1

539

73

13,5 %

Niederdorf

3

883

110

12,5 %

Gargazon

24

949

114

12,0 %

Sand in Taufers

3

3.339

389

11,7 %

Salurn

6

1.873

213

11,4 %

Karneid

10

1.993

224

11,2 %

Schenna

1

1.785

198

11,1 %

Rodeneck

1

803

89

11,1 %

Tscherms

2

876

97

11,1 %

Bruneck

5

8.751

956

10,9 %

Proveis

2

194

21

10,8 %

Algund

3

2.796

302

10,8 %

Eppan

3

8.402

848

10,1 %

Moos i. P.

22

1.388

140

10,1 %

Sexten

2

1.224

123

10,0 %

St. Ulrich

2

2.757

277

10,0 %

Abkürzungen: BM-K: Bürgermeisterkandidaten

Quelle: Lantschner 2010, 79–80.

In sieben der acht Gemeinden, in denen der Anteil an weißen Stimmzetteln bei der Bürgermeisterdirektwahl zwischen 20 Prozent und 41,5 Prozent lag, stand nur ein einziger Bürgermeisterkandidat zur Wahl. Der Anteil der weißen Stimmzettel in den weiteren Gemeinden mit nur einem Bürgermeisterkandidaten lag in jedem Fall immer über zehn Prozent (mit einer Ausnahme: Tisens verzeichnete 9,1 Prozent weiße Stimmzettel) (Lantschner 2010, 79). Nichtwählen kann viele Gründe haben, ungültig oder weiß wählen kann aber als Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem politischen Angebot interpretiert werden.

Gemeinderäte: Bei der folgenden Analyse der Mandatsverteilung werden die italienischsprachigen Parteien in die Blöcke Mitte-rechts, Zentrum und Mitte-links eingeteilt. Die Parteien Die Freiheitlichen, Union für Südtirol und die Bewegung Süd-Tiroler Freiheit werden als Deutschsprachige Mitte-rechts-Parteien zusammengefasst. Unter Fraktionslisten sind jene Listen zu verstehen, die weniger parteigebunden, sondern als Interessenvertretung von Fraktionen einzelner Gemeinden auftreten. Die meisten davon finden wir im Gadertal (mit Ausnahme von Corvara).

Die Südtiroler Volkspartei bleibt mit 70,7 Prozent auch nach den Wahlen des Jahres 2010 die prädominante Partei auf Gemeindeebene, auch wenn sie gegenüber den Wahlen im Jahre 2005 3,4 Prozentpunkte eingebüßt hat.

Der leichte Rückgang bei den (Gadertaler) Fraktionslisten kann dadurch erklärt werden, dass 2010 in der Gemeinde Abtei nicht gewählt worden ist.

Tabelle 7: Listen und politische Lager in Südtirols Gemeinden 2005 und 2010

Liste/Lager

2005

2010

Sitze

Prozent

Sitze

Prozent

SVP, inkl. aller Edelweiß-Listen

1.503

74,04 %

1.364

70,67 %

Fraktionslisten

50

2,46 %

33

1,71 %

Bürgerlisten

271

13,35 %

257

13,32 %

Italienische Mitte-rechts-Parteien

54

2,66 %

50

2,59 %

Italienisches Zentrum

6

0,30 %

11

0,57 %

Italienische Mitte-links-Parteien

72

3,55 %

41

2,12 %

Deutschsprachige Mitte-rechts-Parteien

48

2,36 %

156

8,08 %

Grüne-Verdi-Vërc

16

0,79 %

14

0,73 %

Ladins

10

0,49 %

4

0,21 %

Summe

2.030

100,00 %

1.930

100,00 %

Quelle: Obexer 2010, 112.

Auch die Bürgerlisten mussten 2010 einen wenn auch leichten Rückgang ihrer Mandate verzeichnen, da sie von 271 auf 257 Sitze zurückfielen.

Das italienischsprachige Mitte-rechts-Lager verlor vier Mandate, das italienischsprachige Zentrum konnte sich prozentmäßig fast verdoppeln, in absoluten Zahlen bedeutete dies aber nur ein Anwachsen von 6 auf 11 Mandate.

Starke Einbußen (43 Prozent) musste hingegen das italienischsprachige Mitte-links-Lager hinnehmen. Von 72 Sitzen im Jahr 2005 konnten 2010 nur noch 41 erobert werden.

Einen sehr starken Zuwachs konnten die deutschsprachigen Oppositionsparteien verbuchen, vor allem die Freiheitlichen konnten einen Zuwachs von 70,4 Prozent verzeichnen und erhöhten die Zahl ihrer Sitze in den Gemeinden von 37 im Jahre 2005 auf 125 im Jahre 2010. Die Union für Südtirol war 2005 auf elf Sitze gekommen, 2010 auf sechs. Dies hat sicherlich auch mit der Bewegung Süd-Tiroler Freiheit zu tun, die sich 2007 von der Union abspaltete. Die Partei von Eva Klotz kam 2010 aber bereits auf 29 Sitze, mehr als die Union vor fünf Jahren erringen konnte.

Einen leichten Rückgang von 16 auf 14 Mandate mussten die Grünen verzeichnen.

Die Liste Ladins war 2005 noch in allen drei Grödner Gemeinden St. Ulrich, St. Christina und Wolkenstein angetreten und hatte elf Sitze erobert. 2010 gab es nur mehr in der Gemeinde Wolkenstein eine Ladins-Liste, die sich um ein Mandat von drei auf vier Sitze verbesserte.

Die Südtiroler Volkspartei bleibt zwar auf Gemeindeebene prädominant, die Anzahl jener Gemeinden, in denen die SVP als einzige Partei in den Gemeinderat gezogen ist, hat aber abgenommen.

2005 gab es in Südtirol 35 Gemeinden, in denen nur eine Partei bzw. Liste im Gemeinderat vertreten war. Eine von diesen Gemeinden war Wengen mit der Fraktionsliste Campanile-Turm-ciampanì. In den restlichen 34 Gemeinden war allein die SVP vertreten. Nach den Gemeinderatswahlen von 2010 hat sich deren Anzahl halbiert. Die SVP übt nur mehr in 16 Gemeinden die Alleinvertretung aus, wobei dies in 14 davon bereits 2005 der Fall gewesen war. Neu dazugekommen sind 2010 die Gemeinden Riffian und Moos in Passeier. 2005 saßen in diesen beiden Gemeinden auch Vertreter der Union für Südtirol im Gemeinderat (vgl. Obexer 2010, 109–113).

Geschlecht: Was die Vertretung von Frauen in der Kommunalpolitik betrifft, so kann Südtirol als politischer Nachzügler bezeichnet werden, auch wenn die Frauenquote mit den Gemeinderatswahlen von 2010 leicht angestiegen ist, nämlich von 20,7 Prozent im Jahr 2005 auf 21,9 Prozent.

2005 wiesen 71 Gemeinderäte einen Frauenanteil auf, der unter 25 Prozent lag. 2010 sind dies nur noch 57 Gemeinden. Zu diesen Gemeinden gehör(t)en bei beiden Wahlen die fünf einwohnerstärksten Gemeinden Südtirols, nämlich Bozen, Meran, Brixen, Leifers und Bruneck. 2005 hatten 15 Gemeinderäte einen Frauenanteil von 30 % und mehr, 2010 ist deren Anzahl auf 14 Gemeinderäte zurückgegangen.

Eine relativ starke Zunahme des Frauenanteils gab es hingegen in den Gemeindeausschüssen. Betrug der Anteil der Frauen in der Gemeindeexekutive im Jahre 2005 noch 18,9 Prozent, so stieg dieser nach den Gemeinderatswahlen 2010 auf 22,30 Prozent.

Die absoluten Zahlen der weiblichen Gemeinderäte haben sich seit 1995 folgendermaßen entwickelt: Nach den Gemeinderatswahlen 1995 waren 321 Frauen in Südtirols Gemeinden gewählt worden, 2000 waren es 361, im Jahre 2005 dann 416 und 2010 (in allen 116 Gemeinden) schließlich 421 Frauen (Lantschner 2010, 98).

1995 gab es noch 57 Südtiroler Gemeinden ohne Frauenvertretung im Gemeindeausschuss. Diese Zahl sank 2000 auf 41, 2005 auf 17, während nach den Wahlen 2010 nur noch vier Gemeinden einen Ausschuss ohne weibliches Mitglied aufweisen (Lantschner 2010, 99). Insgesamt ist die Anzahl der Frauen in Südtirols Gemeindeausschüssen von 73 im Jahr 1995 auf 156 im Jahr 2010 angestiegen, im Jahre 2000 lag sie noch bei 90, 2005 bei 127. Erwähnenswert ist, dass in den Gemeinden Montan, Gais und Tirol die amtierende Bürgermeisterin keine weiteren Frauen in den Ausschuss nominiert hat (Lantschner 2010, 97, 100).

Pluralismus: Der politische Wettbewerb in den Gemeinden hat im Laufe der Jahre kontinuierlich zugenommen. Lediglich in einer einzigen Gemeinde, nämlich in Tisens, hat sich 2005 wie auch 2010 jeweils nur ein einziger Bürgermeisterkandidat und die SVP als einzige Partei zur Wahl gestellt. In den drei Gemeinden Martell, St. Martin i. P. und in Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix hat sich von 2005 bis 2010 zwar die Zahl der SVP-BürgermeisterkandidatInnen erhöht, nicht aber die Zahl der Parteien im Gemeinderat, in dem ausschließlich SVP-Mandatare vertreten sind. In Glurns und Laurein ist zwar, wie schon 2005, nur ein SVP-Bürgermeisterkandidat angetreten, nach den Wahlen 2010 sitzen jedoch zwei Parteien im Gemeinderat. In Mühlwald hat sich sowohl die Zahl der im Gemeinderat vertretenen Listen als auch die Zahl der Bürgermeisterkandidaten erhöht, beide Kandidaten für das Bürgermeisteramt gehörten aber einer einzigen Partei an, nämlich der SVP.

In den sechs Südtiroler Gemeinden Gsies, Karneid, Kurtinig, Marling, Ritten und Völs am Schlern waren bzw. sind sowohl vor als auch nach den Gemeinderatswahlen 2010 mehrere Parteien im Gemeinderat vertreten. Waren in diesen Gemeinden im Jahre 2005 noch mehrere BürgermeisterkandidatInnen verschiedener Listen gegeneinander angetreten, so kandidierte 2010 ausschließlich jeweils ein einziger SVP-Bürgermeisterkandidat.

Die Gemeinden Moos in Passeier und Riffian sind die einzigen Gemeinden Südtirols, in denen nach den Wahlen von 2005 mit der SVP und mit der Union für Südtirol zwei Parteien im Gemeinderat vertreten waren und in denen nach den Wahlen von 2010 nur noch die SVP den Einzug in den Gemeinderat geschafft hat. In beiden Gemeinden standen sowohl 2005 als auch 2010 mehrere BürgermeisterkandidatInnen zur Wahl.

4. Resümee

Vor den Gemeinderatswahlen des Jahres 2010 war man davon ausgegangen, dass die SVP zwar Stimmen und dadurch Gemeinderäte verlieren, aber keine essenziellen Verluste bei der Wahl der BürgermeisterInnen erfahren würde. Diese Annahme ist zum Großteil eingetroffen. In den Gemeinden, in denen im Mai 2010 der Gemeinderat neu gewählt wurde, entfielen 70,7 Prozent der Gemeinderatssitze auf die SVP. 2005 waren dies noch 74,4 Prozent gewesen. Dies bedeutet einen Verlust von rund vier Prozent. Bedenkt man allerdings, dass in vier der fünf Gemeinden, in denen im Mai 2010 nicht gewählt wurde, nämlich in Brenner, Feldthurns, Mals und Plaus, die SVP im Rahmen der vorgezogenen Neuwahlen sehr stark abgeschlossen hat, so fallen die Verluste der SVP weniger deutlich aus.

2010 hat die SVP zwei Bürgermeistersitze an eine Bürgerliste verloren, und zwar in Eppan und in Toblach. In der mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinde Toblach gewann zur großen Überraschung vieler sogar ein italienischsprachiger Südtiroler die Direktwahl. Im Ahrntal, in Corvara und in Wolkenstein gelang es der SVP, das Bürgermeisteramt zurückzuerobern. Zwei dieser drei lang gedienten Bürgermeister fielen allerdings unter die Regeln der Mandatsbeschränkung, sodass sie nicht mehr in die Wahl gehen konnten.

In der Gemeinde Ahrntal hat mit dem aufgrund der Mandatsbeschränkung ausgeschiedenen Bürgermeister Hubert Rieder auch die politische Erfahrung der Ahrntaler Bürgerliste ein Ende gefunden, die zu den Wahlen nicht mehr angetreten ist. Dadurch gestaltete sich der politische Wettbewerb für die SVP bedeutend leichter.

Mit den Wahlen von 2010 stellt die SVP 103 von 111 BürgermeisterInnen, 2005 war es noch ein Bürgermeister weniger gewesen.

Aus einer Reihe von Anzeichen konnte man prognostizieren, dass die Wahlbeteiligung sinken würde. Auch diese Annahme traf zu. Die Wahlbeteiligung ist in allen Bezirken gesunken. Die Wahlbeteiligung lag im Jahre 1995 bei 82,8 Prozent, im Jahr 2000 noch bei 80,9 Prozent, im Jahre 2005 bei 79,1 Prozent und sank bei den Gemeinderatswahlen 2010 auf 74,8 Prozent. Die Gründe für den Rückgang der Wahlbeteiligung liegen einerseits in einem internationalen Trend, andererseits in gemeindeinternen Rahmenbedingungen.

Eindeutiger Sieger der Gemeinderatswahlen waren die deutschsprachigen Mitte-rechts-Oppositionsparteien, allen voran die Freiheitlichen, während man von der erst 2007 neu gegründeten Süd-Tiroler Freiheit von einem Achtungserfolg sprechen muss. Insgesamt haben die deutschsprachigen Mitte-rechts-Oppositionsparteien ihre Sitze in den Gemeinderäten von 48 auf 156 mehr als verdreifachen können. In den insgesamt 111 Gemeinden, in denen im Mai 2010 gewählt wurde, stieg der Anteil dieser Parteien an den Sitzen im Vergleich zu 2005 von 2,36 Prozent auf 8,08 Prozent. Trotz eines Zuwachses an Sitzen ist es aber in keiner Gemeinde dazu gekommen, dass ein Vertreter etwa der Freiheitlichen das Amt des Bürgermeisters erobert hätte.

Die Verluste, welche die Grünen-Listen hinnehmen mussten, haben sich, entgegen der Prognosen, in Grenzen gehalten. Die Vertretung der Frauen in Südtirols Gemeinden hat hingegen leicht zugenommen, stärker als in den Gemeinderäten noch in den Gemeindeausschüssen.

Einen wesentlichen Beitrag zum Austausch des politischen Führungspersonals (BürgermeisterInnen, deren StellvertreterInnen, ReferentInnen) hat die Regelung der Mandatsbeschränkung geleistet. Insgesamt haben die Gemeinderatswahlen zu einer Pluralisierung des politischen Wettbewerbs vor den Wahlen und zu einer Pluralisierung der politischen Akteure in den Gemeinden nach den Wahlen geführt.

Anmerkungen

1 Dazu ist anzumerken, dass es diese Schwäche des Bürgermeisters in Südtirol, besonders in den kleineren Gemeinden, so nicht gegeben hat, da es kraft der Dominanz der SVP gar nicht nötig war, Koalitionen zu schließen, sofern durch die Präsenz von italienischsprachigen Gemeinderäten solche nicht zwingend sind. In den meisten Gemeinden Südtirols hat es bislang relativ starke Bürgermeister gegeben.

2 In Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix traten zwei Edelweiß-Listen gegeneinander an.

3 54 davon wegen der Mandatsbeschränkung

Literaturverzeichnis

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mitteilungen/20100414|5279.html (26.6.2010)

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Brunazzo, Marco (2008). Sindaci, consigli comunali e leggi elettorali. Uno studio sul caso trentino; relazione presentata al „Convegno internazionale: Qualità della democrazia, partecipazione e governance“, Trento (Italia), Provincia Autonoma, 23–24. Mai 2008

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Di Virgilio, Aldo (2005). Il sindaco elettivo: un decennio di esperienze in Italia, in: Caciagli, Mario/Di Virgilio, Aldo (Hg.). Eleggere il sindaco. La nuova democrazia locale in Italia e in Europa, Torino: UTET, 5–22

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Gemeindewahlen 2010 (2010). www.gemeindewahlen.bz.it (17.12.2010)

Lantschner, Dieter (2010). Die Bürgermeister-Direktwahl in Südtirol, politikwissenschaftliche Diplom­arbeit, Innsbruck

Obexer, Andreas (2010). Die Gemeinderatswahlen 2010 in Südtirol im Vergleich mit den Gemeinderatswahlen 2005, politikwissenschaftliche Diplomarbeit, Innsbruck

Pallaver, Günther (2010). Die Direktwahl der Bürgermeister: Österreich und Italien im Vergleich, in: Gamper, Anna (Hg.) (Unter Mitarbeit von Christina Fraenkel-Haeberle). Entwicklungen des Wahlrechts am europäischen Fallbeispiel, Wien/New York: Springer-Verlag, 519–540

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Regionalgesetz (2005). Einheitstext der Regionalgesetze über die Zusammensetzung und Wahl der Gemeindeorgane; Autonome Region Trentino-Südtirol; D.P.Reg. vom 1. Februar 2005, Nr. 1/L (geändert durch das D.P.Reg. vom 1. Juli 2008, Nr. 5/L)

Abstracts

Elezioni Comunali 2010: elezioni ­primarie, restrizioni del mandato e aumento della diversità politica

Questo scritto analizza le elezioni Comunali del 2010 rispetto a quelle del 2005. Ci si soffermerà inizialmente sul sistema elettorale, passando per le primarie all’interno della Südtiroler Volkspartei per poi terminare con la prima attuazione delle restrizioni del mandato. Quest’ultima restrizione ha fatto sì che molti mandatari di sesso femminile non potessero più presentarsi. Su 111 Comuni, durante le elezioni 2010, questo colpì 54 sindaci, 45 vice sindaci e 63 assessori comunali.

A confronto con il 2005 si riduce l’affluenza alle urne. In forte aumento i partiti di lingua tedesca di centro-destra. Netti vincitori sono i Freiheitlichen, che salgono dal 2,3 al 8,0 percento. La SVP perde alcuni mandati, ma riesce a mantenere stabile la sua presenza come sindaci. Da tenere a mente la rinuncia, per la prima volta, da parte della Volkspartei alla presenza di un proprio sindaco sul territorio bolzanino, sostenendo fin da subito il candidato della coalizione. Soltanto in 15 Comuni si sono presentate anche liste italiane.

Lîtes comunales 2010: prelîtes, limitaziun dl mandat
y aumënt dla varieté politica

L’articul analisëia y confrontëia les lîtes comunales dl 2010 cun chëres dl 2005. Impröma vëgnel tratè le sistem lital, les prelîtes tla Südtiroler Volkspartei sciöche inće l’adoziun por le pröm iade dla limitaziun dl mandat. Chësc provedimënt à portè pro che n numer valgamia alt de mandatars/es n’à nia plü podü surantó l’inćiaria: te 111 comuns olach’al é gnü lité àl tochè 54 ombolć, 45 vizeombolć y 63 assessurs/ies de comun. Sc’an fej n confrunt cun le 2005 spo dàl atira tl edl che la partezipaziun ales lîtes é jüda zoruch. I partis todësc de zënter-man dërta à davagné tröpes usc, sciöche p. ej. le partì di Freiheitlichen, che é passè dal 2,3 al 8,0 porcënt. La SVP à pordü mandać, mo é impò stada buna da mantignì le numer de sü ombolć. Da alzè fora é ćiamò che la SVP à por le pröm iade renunzié da mëte n so rapresentant sciöche candidat da ombolt a Balsan y à sostignì dal mëteman inant le candidat dl partì de coaliziun talian. Ma te 15 comuns s’àl inće presentè listes talianes.

The 2010 Municipal Elections:
Primaries, Mandate Limits, and
Increasing Political Diversity

This paper analyses the municipal elections of 2010 in comparison with those of 2005. It addresses the electoral process, the primaries of the Südtiroler Volkspartei (South Tyrolean People’s Party,) and the first-time application of what is called a “mandate limit”. The limit meant that a relatively high number of mandated politicians were not allowed to run in the elections. In the 111 municipalities that held elections in 2010, the limit applied to 54 mayors, 45 deputy mayors and 63 municipal representatives. Decreasing voter turnout fell even further in relation to 2005. German-language, centre-right parties grew sharply. The „Freiheitlichen“ were among the clear winners in the elections, rising from 2.3 percent to 8.0 percent. The South Tyrolean People’s Party lost seats, but essentially held their number of mayors. Of particular note is the fact that the People’s Party withdrew support from its own mayoral candidate in Bolzano for the first time, backing instead the candidate of the Italian alliance party from the outset. Italian candidates ran in only 15 municipalities.