Peter Hilpold / Helmuth Moroder
Verkehrspolitik in Südtirol
Seit Jahren ist der Verkehr ein zentrales Thema in der politischen Diskussion Südtirols. Medienanalysen im Rahmen der Landtagswahlen 2008 und 2013 haben ergeben, dass der Verkehr zu den am häufigsten berichteten Sachthemen zählt, wobei dieser vor allem in den deutschsprachigen Medien behandelt wird. Im Gegensatz zu anderen Themen ist allerdings eine verstärkte negative Berichterstattung festzustellen (vgl. Tauber 2014; Tschigg et. al. 2009).
Die Verkehrspolitik steht dabei im Spannungsfeld, dass einerseits uneingeschränkte Mobilität individuell zu den wichtigen Errungenschaften der modernen Gesellschaft zählt und somit äußerst positiv bewertet ist, andererseits jedoch Verkehr von anderen aufgrund des Lärms und der Abgase oftmals als störend empfunden wird. Für die öffentliche Hand zählt das Errichten und Instandhalten von Verkehrsinfrastruktur zu den zentralen, aber auch kostenintensiven Aufgaben. Schlussendlich gilt in Anbetracht der wirtschaftlichen Verflechtungen der Verkehr als eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Handeln in der heutigen Zeit.
Der folgende Artikel geht auf zwei zentrale Aspekte der Südtiroler Verkehrspolitik ein: Der erste Teil behandelt die Problematik des Transitverkehrs, der gemeinhin als Hauptproblem des Verkehrs in Südtirol empfunden wird. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Aspekten des öffentlichen Verkehrs, der in den letzten beiden Jahrzehnten ins Zentrum der Südtiroler Verkehrspolitik gerückt ist.
1. Der Transitverkehr – das einzige Problem auf Südtirols Straßen?
1.1 Fakten zum Straßenverkehr in und durch Südtirol
Über den Brenner verläuft die wichtigste alpenquerende Verkehrsroute. Hier kam es vor allem in den 1990er-Jahren durch den Beitritt Österreichs zur EU, dem Abbau der Grenzkontrollen und dem Ausbau des europäischen Binnenmarktes zu einer Zunahme des Transitverkehrs auf der Straße. Da dieser außerhalb Südtirols beginnt und endet, bleiben für das durchfahrene Gebiet in erster Linie die negativen Begleiterscheinungen, wie die Abnützung der Infrastruktur, Lärm und Luftverschmutzung. Aus diesem Grund gilt es seit Jahren über die Parteigrenzen hinweg als unbestrittenes Ziel, Maßnahmen gegen diese Belastungen zu setzen, wobei vor allem die Verlagerung des Gütertransitverkehrs von der Straße auf die Schiene das am häufigsten formulierte Ziel ist.
Alpenquerende Transitstrecken
Gemäß aktuellen Zahlen des Monitraf überquerten im Jahr 2013 knapp 27.500 Fahrzeuge pro Tag den Brenner. Mit 17.500 Fahrten pro Tag ist die Route über den Gotthard in der Schweiz der zweitwichtigste Alpenkorridor. Etwas unter 12.000 Fahrzeuge pro Tag wurden 2011 auf dem Korridor Tarvis–Villach gezählt. Die beiden Routen durch den Fréjus- und den Mont-Blanc-Tunnel, die Nordwestitalien und Frankreich verbinden, weisen mit jeweils weniger als 5.000 Fahrzeugen niedrigere Verkehrszahlen auf (Wagner 2014).
Dieselben Verhältnisse ergeben sich, wenn nur die Zahlen zum Schwerverkehr betrachtet werden. Den Brenner überquerten 2013 mehr als 8.700 Lkw pro Tag und damit doppelt so viele wie den Gotthard und Tarvis, die von jeweils etwa 4.000 Lkw passiert wurden. An den beiden Korridoren zwischen Italien und Frankreich sind es jeweils unter 2000 Lkw pro Tag.
Aus den Daten des Monitraf wird aber auch deutlich, dass die Verkehrszahlen an allen genannten Alpenkorridoren in den letzten zehn Jahren konstant geblieben sind. Im Vergleich zu 2007 nahm der Schwerverkehr an allen Korridoren ab, nur am Brenner ist ein Plus von einem Prozent festzustellen. Eine kontinuierliche Verkehrszunahme war in den letzten Jahren somit nicht mehr gegeben (Wagner 2014).
Betrachtet man die transportierten Gütermengen in Tabelle 1, so zeigt sich wiederum ein ähnliches Bild. Beinahe die Hälfte der Güter, die auf dem Straßenweg über die Alpen transportiert werden, wird am Brenner registriert. Auf der Schiene liegen die Gütermengen am Gotthard etwas über jenen des Brenners. Dementsprechend ist auch bei der Betrachtung der Summe von Straße und Schiene die Zahl am Brenner am höchsten: Bei etwa 40 Prozent der Waren, die über den Alpenhauptkamm transportiert werden, erfolgt der Transport über den Brenner.
Betrachten wir den Modal Split – also das Verhältnis zwischen dem Transport auf der Straße und der Schiene – so fällt auf, dass knapp 30 Prozent der Güter über den Brenner mit der Eisenbahn transportiert werden. Etwas geringer ist der Anteil am Mont Cernis und Fréjus. Anders sieht es in der Schweiz beim Gotthard aus: Dort beträgt der Anteil der Schiene fast 60 Prozent.
Analysen der Abfahrts- und Zielorte über die Alpen zeigen, dass 28,2 Prozent der Transitfahrten über den Brenner Umwegverkehr sind. Ginge es nämlich nach dem Prinzip des kürzesten Weges, müssten diese eine andere Route wählen. In den meisten Fällen wäre dies der Gotthardkorridor. 14,5 Prozent der Lkw über den Brenner nehmen sogar einen Umweg von mehr als 120 Kilometer in Kauf. Als Hauptursache für diese Umwege gilt vor allem der Umstand, dass der Brenner hinsichtlich der zu entrichtenden Maut der günstigste Korridor über die Alpen ist. Sondermauten für Tunnels, wie sie am Gotthard oder Mont Blanc zu finden sind, machen das Befahren dieser Routen deutlich teurer als die Brennerautobahn (vgl. Satzinger 2012, 16 – 20).
Zahlen zum Verkehr auf der Brennerautobahn
Aufgrund der Zahlen zu den Transitfahrten überrascht wenig, dass die Brennerautobahn die Straße mit dem höchsten Verkehrsaufkommen in Südtirol ist. Der meistbefahrene Abschnitt ist das Teilstück zwischen Bozen Süd und Neumarkt/Auer mit durchschnittlich 38.300 Fahrten pro Tag im Jahr 2012. Auf dem Teilstück zwischen Neumarkt/Auer und San Michele, auf dem die südliche Landesgrenze passiert wird, fuhren pro Tag durchschnittlich 600 Fahrzeuge weniger. Mit 25.400 Fahrten und damit um ein Drittel weniger als zwischen Bozen Süd und Neumarkt/Auer ist der Autobahnabschnitt Brenner–Sterzing jener mit dem geringsten Verkehrsaufkommen. (vgl. ASTAT 2014, 68) Dadurch wird ersichtlich, dass trotz der beschriebenen Zahlen zum Transit der Verkehr auf der Autobahn nicht auf den Transitverkehr reduziert werden kann.
In Abbildung 1 ist dargestellt, wie sich der Verkehr auf den einzelnen Teilstrecken der Autobahn zusammensetzt. Unter Austauschverkehr sind jene Fahrten zu verstehen, die in Südtirol beginnen oder enden. Im Gegensatz dazu beginnen und enden Binnenverkehrsfahrten in Südtirol. Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass mit knapp 14.000 Fahrten pro Tag nur cirka ein Drittel der Fahrten auf dem Autobahnabschnitt Bozen Süd–Neumarkt/Auer Transitfahrten sind. Zahlenmäßig weit bedeutender ist der Austauschverkehr. Besonders anschaulich sind die Zahlen für das Teilstück Neumarkt/Auer–San Michele: Knapp zwei Drittel der dort registrierten Fahrten beginnen oder enden in Südtirol, nur gut ein Drittel fährt bis zum Brenner durch. Anders sieht das Verhältnis am Brenner aus: Aufgrund der insgesamt geringeren Zahl an Austauschfahrten betragen die Transitfahrten auf dem Teilstück Sterzing–Brenner 53,5 Prozent. Dadurch wird ersichtlich, dass der Austauschverkehr von Südtirol nach Süden deutlich stärker ausgeprägt ist als von Südtirol nach Norden.
In Abbildung 2 ist der durchschnittliche Tagesverkehr von 1996 bis 2012 auf dem Teilstück Bozen Süd–Neumarkt/Auer dargestellt. Ausgehend vom Jahr 1996 zeigt sich, dass der Transitverkehr und der Austauschverkehr bis 2012 um etwa 25 Prozent zugenommen haben. Im selben Zeitraum nahm der Binnenverkehr um 46 Prozent zu, wenngleich die absoluten Zahlen weiterhin geringer sind als jene der beiden anderen Verkehrsarten. Aus diesen Zahlen wird wiederum deutlich, dass die Verkehrsproblematik Südtirols jedenfalls nicht auf den Transitverkehr zu reduzieren ist. Seit den 2000er-Jahren ist aber nur mehr eine geringe Zunahme aller Verkehrsarten festzustellen, und in den letzten Jahren ist sogar eine leichte Abnahme zu verzeichnen. Das Jahr mit den bisher höchsten Verkehrszahlen war 2007.
Tab. 2: Differenzierung des durchschnittlichen Tagesverkehrs auf dem Autobahnabschnitt Bozen Süd–Neumarkt/Auer nach Leicht- und Schwerverkehr für das Jahr 2011
Verkehrsart |
Leichtverkehr |
Schwerverkehr |
Gesamt |
Transitverkehr |
7.988 |
5.993 |
13.981 |
Austauschverkehr |
15.973 |
4.365 |
20.338 |
Binnenverkehr |
4.965 |
1.027 |
5.992 |
Summe |
28.925 |
11.385 |
40.310 |
Quelle: ASTAT 2013, 92 – 95, eigene Berechnung
In Tabelle 2 sind die Verkehrszahlen von 2011 zwischen Bozen Süd und Neumarkt/Auer nach Leicht- und Schwerverkehr differenziert. So beträgt der Anteil des Schwerverkehrs auf diesem Autobahnabschnitt knapp 30 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens. Mehr als jeder zweite Lkw auf dem Abschnitt Bozen Süd–Neumarkt/Auer transitiert dabei Südtirol. Etwas weniger als die Hälfte der Lkw hat aber den Start- und/oder Zielort in Südtirol. Bei den Pkw ist der Anteil des Transitverkehrs mit etwas mehr als einem Viertel der Fahrten deutlich niedriger. Mehr als die Hälfte der Pkw auf dem meistbefahrenen Autobahnabschnitt Südtirols haben entweder ihren Abfahrts- oder ihren Zielort in Südtirol.
Zahlen zum sonstigen Straßennetz Südtirols
Abgesehen von der Brennerautobahn sind Südtirols Verkehrsstellen mit dem höchsten Verkehrsaufkommen entlang der MeBo zu finden. In Frangart werden mit 35.000 Fahrzeugen pro Tag nur geringfügig weniger Fahrten gezählt als auf dem meistbefahrenen Teilstück der Brennerautobahn. Auf diesem Abschnitt der MeBo werden aber höhere Verkehrszahlen registriert als auf der Autobahn nördlich von Bozen. Auch die Straßen ins Überetsch, im Pustertal und im Meraner Raum weisen hohe Verkehrszahlen auf.
Nachdem an den Zählstellen abseits der Autobahn der Transitverkehr als vernachlässigbar angesehen werden kann, wird das bedeutende Verkehrsaufkommen auf Südtirols Straßen offensichtlich, das der Binnen- und Austauschverkehr verursacht. Auf diesen Straßen ist der Anteil des Schwerverkehrs aber jeweils weniger als zehn Prozent und damit deutlich geringer als auf der Autobahn.
Tab. 3: Durchschnittlicher Tagesverkehr 2012 auf weiteren Straßen Südtirols
Straße |
Zählstelle |
Leichtverkehr |
Schwerverkehr |
Summe |
S.S. 38 (MeBo) |
Frangart |
34.273 |
1.428 |
35.701 |
S.S. 42 |
Frangart Pillhof |
24.018 |
792 |
24.810 |
S.S. 49 |
St. Lorenzen |
16.521 |
1.528 |
18.049 |
S.S. 12 |
Kardaun Nord |
16.843 |
1.072 |
17.915 |
S.S. 238 |
Marling |
16.540 |
773 |
17.313 |
S.S. 38 |
Töll |
15.288 |
1.063 |
16.351 |
Quelle: ASTAT 2014, 63 – 64
1.2 EU-Rechtliche Rahmenbedingungen
Der freie Personen- und Warenverkehr gehört zu den von der EU garantierten Grundfreiheiten. Aus diesem Grund geben die geltenden EU-rechtlichen Bestimmungen den Rahmen für die nationalen und regionalen Verkehrspolitiken vor. Doch auch wenn die negativen Auswirkungen des Verkehrs mittlerweile unbestritten sind, so stehen ein uneingeschränktes und ein für die NutzerInnen möglichst günstiges Verkehrsnetz auf EU-Ebene weiterhin im Vordergrund.
Die grundsätzliche Richtung für den Verkehrsbereich geben die Weißbücher Verkehr vor. Unter Verkehrskommissar Siim Kallas wurde 2011 das jüngste Weißbuch mit dem Titel „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ erlassen. Darin findet sich eine Reihe von Formulierungen, die primär darauf schließen lassen, dass in den nächsten Jahren keine Neuausrichtung der europäischen Verkehrspolitik zu erwarten ist. So ist darin zu lesen, dass Mobilität das Lebenselixier des Binnenmarktes sei und die Lebensqualität der BürgerInnen (positiv) präge. Die Einschränkung der Mobilität sei deshalb keine Option. Vielmehr wird angestrebt, Verkehrswachstum zu gewährleisten, die Emissionen sollen aber gleichzeitig um 60 Prozent gesenkt werden. Bei Entfernungen bis zu 300 Kilometern soll der Güterverkehr weiterhin primär mit dem Lkw transportiert werden. Bei größeren Entfernungen ist die Multimodalität zu fördern. Wie dieses Ziel allerdings konkret erreicht werden kann, wird im Weißbuch aber kaum ausgeführt. Im Gegenteil: In Bezug auf die Verrechnung externer Kosten für Lärm und Luftbelastung ist festgehalten, dass diese nicht nur auf der Straße, sondern auch auf der Schiene eingehoben werden sollen. Dies würde aber kaum den Verkehrsträger Eisenbahn stärken.
Für die Bemautung des Schwerverkehrs auf den Autobahnen ist die Eurovignettenrichtlinie (Richtlinie 1999/62/EG) das maßgebliche rechtliche Gerüst. Diese begrenzt aber eher die Möglichkeit, verkehrspolitische Maßnahmen über die Einhebung von Straßengebühren zu setzen. So muss sich die Höhe der Mautgebühren an den Errichtungs- und Instandhaltungskosten der Straßenwege orientieren, was in der Praxis eine Deckelung bedeutet. Mit der Änderung der Richtlinie (Richtlinie 2011/76/EU) im Jahr 2011 hätten Mitgliedstaaten zusätzlich die Möglichkeit, externe Kosten für Lärm- und Luftbelastung einzuheben. Auch diese sind in der Richtlinie mit Maximalbeträgen gedeckelt.1 Außerdem ist die Einhebung dieser Gebühren nicht verpflichtend, und bisher nutzte noch kein Mitgliedsstaat diese Möglichkeit. Einen weiteren Zuschlag von 25 Prozent können Mitgliedstaaten in sensiblen Bergregionen einheben für den Fall, dass erhebliche Umweltschäden verursacht werden oder die dortigen Verkehrswege von einer akuten Verkehrsüberlastung betroffen sind. Diese Zusatzeinnahmen müssen aber in grenzüberschreitende Verkehrsinfrastrukturprojekte auf derselben Verkehrsachse fließen.
1.3 Die Bemautung auf der Brennerautobahn
Wie auf dem gesamten italienischen Autobahnnetz wird in Italien sowohl für Pkws als auch für Lkws eine leistungsabhängige Maut verrechnet. Leistungsabhängig bedeutet, dass die Höhe der Maut von den gefahrenen Kilometern abhängig ist. Im Gegensatz dazu gibt es zeitabhängige Mautsysteme, wie sie beispielsweise die Vignetten in Österreich oder der Schweiz darstellen.
In Tabelle 4 sind die fünf Tarifgruppen auf der Brennerautobahn dargestellt, die sich nach der Achsenzahl der Fahrzeuge und im Falle von zweiachsigen Fahrzeugen auch nach der Höhe der Fahrzeuge richtet. Werden diese Tarife in Beträge pro Kilometer umgerechnet, so ergibt sich für die für Pkw maßgebliche Kategorie der Zweiachser bis zu einer Höhe von 1,3 Metern ein Tarif von cirka 7,5 Cent pro Kilometer. Für Fahrzeuge mit drei Achsen beträgt der Tarif cirka 10 Cent, bei 4 Achsen sind es 15 Cent. Für Lkw mit fünf und mehr Achsen wird mit cirka 18 Cent pro Kilometer der höchste Tarif in Rechnung gestellt. Das bedeutet, dass ein Pkw etwa 41 Prozent der Maut eines Lkw der höchsten Achsenzahl zu bezahlen hat.
Um die Höhe der Maut bewerten zu können, bietet sich ein Vergleich mit Österreich und Deutschland an: Das österreichische Verkehrsministerium erließ in den letzten Jahren jährlich eine neue Mauttarifverordnung. Demnach muss derzeit für Lkw mit zwei Achsen nach Abhängigkeit der Schadstoffklasse zwischen 16 und 21 Cent pro Kilometer entrichtet werden. Für dreiachsige Lkw liegt der Tarif je nach Schadstoffklasse zwischen 23 und 29 Cent und für Lkw mit vier oder mehr Achsen sind es zwischen 34 und 44 Cent. Auf der Inntalautobahn zwischen Innsbruck und Kufstein sind diese Tarife zusätzlich um derzeit 15 Prozent erhöht, um den Bergzuschlag gemäß Eurovignettenrichtlinie einzuheben. Auf dem Abschnitt der Sondermautstrecke Brenner–Innsbruck gelten darüber hinaus erhöhte Tarife, die je nach Achsenzahl und Schadstoffklasse von 0,71 bis 1,92 Euro pro Kilometer betragen.
In Deutschland wiederum ist gemäß Bundesfernstraßenmautgesetz die Maut für Lkw abhängig von ihrer Schadstoffklasse sowie Achsenzahl zwischen 14,1 und 28,8 Cent pro Kilometer festgesetzt.
Tabelle 5 zeigt die Höhe der Maut, die entlang des Brennerkorridors von Verona nach München für zwei typische Lkw eingehoben wird. Von den 105 beziehungsweise 143 Euro an Mautkosten werden cirka zwei Drittel der Maut auf dem österreichischen Teilstück eingehoben, obwohl dieses nur rund ein Viertel der Strecke ausmacht. Auf dem italienischen Abschnitt, der mehr als die Hälfte dieses Korridors umfasst, fallen etwa ein Viertel der Kosten an. Dadurch wird offensichtlich, dass die Maut für Lkw in Italien besonders niedrig ist und damit in besonderem Maße zum Umstand beiträgt, dass der Brennerkorridor der günstigste alpenquerende Verkehrsweg ist.
Ein anderes Bild zeigt sich bei der Maut für Pkw, für die auf EU-Ebene keine Vorgaben bestehen. Abgesehen von Sondermautabschnitten wie der Teilstrecke Brenner–Innsbruck Süd, auf der eine Sondermaut in Höhe von 8,50 Euro eingehoben wird, gilt auf österreichischen Autobahnen die Vignettenpflicht. Diese Vignette berechtigt zu beliebig vielen Fahrten auf dem österreichischen Autobahnnetz, auf dem keine Sondermaut eingehoben wird. Es werden Vignetten angeboten, die für zehn Tage, zwei Monate oder ein Jahr gültig sind. 2014 kostet die Zehn-Tages-Vignette 8,50 Euro. Somit zahlen AutofahrerInnen für die unlimitierte Nutzung des österreichischen Autobahnnetzes für zehn Tage weniger als für eine einfache Fahrt auf der Brennerautobahn von Brenner nach San Michele.
Ein ähnliches Bild würde sich ergeben, wenn die im Juli 2014 vom deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt angekündigten Mautpläne für das gesamte öffentliche Straßennetz in Deutschland ab 2016 tatsächlich umgesetzt werden. So ist geplant, in Deutschland Vignetten für dieselben Zeiträume wie in Österreich anzubieten. Die Zehn-Tages-Vignette soll nach ersten Plänen 10 Euro kosten und für das Fahren auf dem gesamten deutschen Straßennetz inklusive der Bundesstraßen gelten (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2014). Auch diese deutsche Zehn-Tages-Vignette wäre damit günstiger als eine einfache Fahrt von Brenner nach Trient auf der Brennerautobahn.
Aus diesen Vergleichen wird deutlich, dass der Schwerverkehr in Italien deutlich geringer bemautet wird als in anderen Staaten, der Leichtverkehr jedoch umso höher.
1.4 Der Brennerbasistunnel2
Die Antwort auf die Frage, wie die Bevölkerung entlang der Brennerautobahn vor den negativen Auswirkungen des Verkehrs geschützt werden soll, ist für die Südtiroler Landesregierung seit vielen Jahren der Brennerbasistunnel. Die erste Machbarkeitsstudie stammt aus dem Jahr 1986, und seit 1994 zählt der Tunnel als Teil der Brennerachse zu den prioritären Projekten der von der EU definierten Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T). In der neuesten Liste der EU über die neun multimodalen Korridore des europäischen Kernnetzes vom Jänner 2014 gehört der Brennerbasistunnel zu einem der zentralen Projekte des skandinavisch-mediterranen Korridors von Helsinki nach La Valletta.
Mit der Unterzeichnung eines Staatsvertrages 2004 durch Italien und Österreich verpflichteten sich beide Staaten, den Bau des Tunnels voranzutreiben und die Finanzierung zu jeweils gleichen Teilen zu übernehmen. Im selben Jahr erfolgte die Gründung der BBT SE, die seitdem mit der Planung und dem Bau des Tunnels betraut ist. Die italienische Hälfte der Gesellschaftsaktien ist im Besitz der Tunnel Ferroviario del Brennero (TFB), die wiederum zu 86 Prozent der italienischen Eisenbahninfrastrukturgesellschaft RFI gehört. Jeweils 6,25 Prozent halten die Provinzen Bozen und Trient, die übrigen knapp zwei Prozent gehört der Provinz Verona. Die österreichische Hälfte ist seit 2011 in Besitz der ÖBB Infrastruktur AG, zuvor teilten sich die österreichische Republik und das Bundesland Tirol diese Anteile (vgl. Bergmeister 2011).
Das Projekt selbst sieht zwei 55 Kilometer lange Röhren von Innsbruck nach Franzensfeste vor, die 70 Meter voneinander getrennt verlaufen. Im Abstand von 333 Meter werden die Haupttunnelröhren durch Querstollen miteinander verbunden. Hinzu kommt der Erkundungsstollen, der vor Baubeginn der beiden Haupttunnels errichtet wird und der nach Fertigstellung als Service- beziehungsweise Entwässerungsstollen dienen soll. In Mauls sowie auf österreichischer Seite in Wolf bei Steinach und im Ahrental nahe Innsbruck werden drei Zugangsstollen errichtet. Der Tunnel soll nach seiner geplanten Fertigstellung 2026 im Mischbetrieb von Personen- und Güterverkehr betrieben werden. Mit einem maximalen Längsgefälle von 6,7 Promille hat die Bahn den Charakter einer Flachbahn, die maximale Geschwindigkeiten von 120 km/h für Güterverkehrszüge und 250 km/h für Personenverkehrszüge zulässt (Bergmeister 2011).
2008 ergingen die für den Bau notwendigen Bescheide und Bewilligungen auf italienischer Seite. Ein Jahr später erfolgten sie auch auf österreichischer Seite, eine letzte Beschwerde wies der österreichische Verwaltungsgerichtshof 2013 ab. Bis zum Sommer 2014 wurden 32 Kilometer Zugangsstollen und Erkundungsstollen gebohrt, davon 18 Kilometer auf italienischer und 14 Kilometer auf österreichischer Seite.
Nach Kostenrechnungen mit Stand vom 1. Jänner 2012 werden die Gesamtkosten des Tunnels bei 8,54 Milliarden Euro liegen. Für die Planungen und den Bau des Erkundungsstollens wurde von der EU eine Kostenbeteiligung von 50 Prozent zugesagt. An den Kosten des Baus der Hauptröhren steht vonseiten der EU eine Kostenbeteiligung von 40 Prozent im Raum. Die übrigen Kosten teilen sich Italien und Österreich jeweils zur Hälfte. Mit der jüngsten Vergabe des bisher größten Bauloses von Pfons nach Tulfes auf Nordtiroler Seite sind mittlerweile mehr als 1,3 Milliarden Euro an Ausgaben vertraglich gebunden.
In den letzten Jahren wurden mehrere Absichtserklärungen, Memoranden und Aktionspläne von VertreterInnen Italiens, Österreichs und der EU als Bekenntnis zum BBT unterzeichnet. Seit 2007 finden Treffen der Brenner Corridor Platform (BCP) statt, die sich aus VertreterInnen der BBT SE, der Regierungen sowie Autobahn- und Bahnbetreibern zusammensetzt. Von ihr stammt der „Aktionsplan Brenner 2009–2022“, mit dem neben dem Bau des Tunnels, der Zulaufstrecken und der sonstigen Infrastruktur auch die Finanzierung sowie begleitende Maßnahmen koordiniert werden sollen.
Trotz der Tatsache, dass am BBT die Bauarbeiten längst begonnen haben, gibt es weiterhin viele KritikerInnen, die die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit dieses Großbauwerks anzweifeln. Dies betrifft in erster Linie die Frage, welche gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit der Tunnel nach Fertigstellung auch tatsächlich genutzt wird beziehungsweise werden muss. In Anbetracht der bisherigen italienischen Mautpolitik sowie den Auseinandersetzungen Österreichs in Bezug auf die Einführung des sektoralen Fahrverbotes ist aus heutiger Sicht die Vorstellung von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen auf der Autobahn äußerst schwierig. BefürworterInnen des Tunnels halten dem entgegen, dass mit der EU nicht über Verlagerungsgarantien verhandelt werden könne, bevor überhaupt der Tunnel gebaut wird (vgl. Kusstatscher 2008). Entscheidend wird in diesem Zusammenhang die Haltung Italiens sein, nachdem Italien bisher keine sonderlichen Anstrengungen für eine Verlagerung auf die Schiene unternommen hat, andererseits aber maßgeblich den Bau des BBT finanzieren muss.
Ein zweiter Aspekt, der für die Nutzung des BBT Grundvoraussetzung ist, ist die Frage nach den Zulaufstrecken. Für den Bauabschnitt Franzensfeste–Waidbruck fanden erste Probebohrungen statt. Die Kosten für diese Teilstücke werden auf über 4 Milliarden Euro geschätzt. Auf österreichischer Seite sind mit Eröffnung der neuen Unterinntaltrasse von Baumkirchen nach Kundl 2012 und der 1994 eröffneten Südumfahrung Innsbruck, die in den BBT integriert wird, die bisherigen Engstellen der Brennerachse beseitigt. Die Kapazitäten, die der BBT bieten wird, können aber auf dem derzeitigen Teilstück Kundl–Rosenheim nicht bewältigt werden. Abgesehen von einem Planungsdialog zwischen Österreich und Deutschland fehlen hier bislang konkrete Schritte.
Es stellt sich aber auch die Frage, ob diese neue Schieneninfrastruktur im Jahr 2026 überhaupt noch benötigt wird. In der Schweiz sind die Bauarbeiten am Gotthardbasistunnel weiter vorangeschritten, die Fertigstellung ist 2016 geplant. Hinzu kommt der bereits für den Verkehr freigegebene Lötschbergbasistunnel. Ob über diese Korridore in Zukunft mehr Verkehr abgewickelt wird und ob es dann zu einem Rückgang des Umwegverkehrs über den Brenner kommt, ist kaum zu prognostizieren. Hinzu kommt der bereits beschriebene Aspekt, dass das vor zehn Jahren maßgeblich herangezogene Argument der kontinuierlichen Zunahme des Verkehrs in den letzten Jahren nicht mehr gegeben ist.
Trotz der Bedenken hält die Südtiroler Landesregierung seit Jahrzehnten am Bau des BBT fest. So stellt die neue Landesregierung in ihrem Koalitionsprogramm fest: „Damit [mit dem Brennerbasistunnel und der Zulaufstrecken] kann der entscheidende Schritt zu einer endgültigen Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene gesetzt werden.“ Auch die Nordtiroler Landesregierung erklärt in ihrem Koalitionsabkommen, dass die Bauarbeiten des BBT planmäßig weiterlaufen. Dies ist dahingehend bemerkenswert, als dass seit 2013 die Grünen der Koalitionspartner der ÖVP in der Tiroler Landesregierung sind und diese sich bis dahin gegen den BBT ausgesprochen hatten. Alle Zeichen deuten somit darauf hin, dass der Punkt, an dem der Bau noch gestoppt werden kann, mittlerweile überschritten ist.
1.5 Weitere verkehrsbeschränkende Maßnahmen
Das italienische Transportministerium erlässt jährlich einen Fahrverbotskalender, der ganzjährig an Sonn- und Feiertagen und im Sommer auch an Freitagen und Samstagen die Fahrt von Lkw über 7,5 Tonnen untersagt. Hinzu kommt ein allgemeines Überholverbot für Lkw über 7,5 Tonnen für die Brennerautobahn zwischen Brenner und Bozen Süd, weiter südlich gilt dieses nur während der Tagesstunden.
Deutlich strenger sind die Beschränkungen in Nordtirol: Aufgrund der Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffoxyde erließ die Tiroler Landesregierung ab 2002 für die Inntalautobahn Nacht- und Wochenendfahrverbote, Verbote für schadstoffreiche Lkw und führte eine immissionsabhängige Geschwindigkeitsbegrenzung für Pkw ein. Darüber hinaus wurde bereits zweimal ein sektorales Fahrverbot verordnet, mit dem der Transport von bestimmten bahnaffinen Produkten3 durch Tirol untersagt wurde. Ausgenommen hiervon war der Quell- und Zielverkehr Tirols und benachbarter Bezirke, zu denen auch die Südtiroler Bezirksgemeinschaften Wipptal, Eisacktal und Pustertal zählten. Der Europäische Gerichtshof entschied aber zweimal, dass mit diesen Verordnungen der Eingriff in den freien Warenverkehr zu stark war, weil nicht das gelindeste Mittel zur Verbesserung der Luftqualität gewählt wurde (vgl. Hilpold 2014). Dennoch plant die Tiroler Landesregierung die neuerliche Einführung eines sektoralen Fahrverbotes. In diesem Zusammenhang wurde mit 20. November 2014 eine permanente Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h für Pkw auf der Inntalautobahn eingeführt, da diese Maßnahme im jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofes explizit als gelindere Maßnahme angeführt wurde.
Die auch in Südtirol gemessenen Überschreitungen der Grenzwerte von Luftschadstoffen führten zu Fahrverboten in mehreren Gemeinden. Diese Fahrverbote betrafen jedoch nicht die Brennerautobahn, sondern das niederrangige Straßennetz. Seit 2013 gelten nur mehr in Bozen und Brixen von Montag bis Freitag Fahrverbote für Fahrzeuge der Klassen EURO 0 und 1 sowie nur in Bozen für Dieselfahrzeuge der Klasse EURO 2. Von letzterem sind jedoch Fahrzeuge ausgenommen, die ausschließlich für den Warentransport bestimmt sind.
Offen bleibt die Frage, warum in Südtirol keine weitreichenden Verbote nach Nordtiroler Vorbild eingeführt werden. Indirekt profitiert jedenfalls auch Südtirol von Verboten in Nordtirol, da damit der davon betroffene Transitverkehr bereits unterbunden ist. Zusätzliche Verbote würden somit einheimische Transportunternehmen treffen, wodurch starke Widerstände von der heimischen Wirtschaft zu erwarten wären. Da jedoch weiterhin Überschreitungen der Grenzwerte von Luftschadstoffen registriert werden, stellte Landeshauptmann Arno Kompatscher 2014 in Aussicht, dass auch auf Abschnitten der Brennerautobahn die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Grenzwertüberschreitungen gesenkt sowie die Autobahnmaut für Lkw nach Schadstoffklassen differenziert wird.
Ein völlig anderes Konzept, das auf ExpertInnenebene für den Brenner diskutiert wird, ist die Alpentransitbörse. Sie sieht vor, Verkehr als begrenztes Gut anzusehen, weshalb ein maximales Kontingent an Transitfahrten pro Jahr zur Verfügung gestellt würde. Die angebotenen Fahrtrechte würden von der öffentlichen Hand diskriminierungsfrei verkauft oder versteigert werden, wodurch die Maßnahme in Einklang mit der europäischen Rechtssetzung stehen sollte (vgl. Epiney 2012). Während die Evaluation der Alpentransitbörse im Tiroler Koalitionsabkommen und auch im Aktionsplan Brenner verankert ist, ist im Südtiroler Koalitionsabkommen von der Alpentransitbörse nichts zu finden.
2. Der öffentliche Verkehr als wiederentdecktes Handlungsfeld
Über Jahrzehnte standen der Autoverkehr und der Ausbau der Straßeninfrastruktur im Fokus der Öffentlichkeit und der öffentlichen Hand. Der eigene Pkw wurde zum Symbol der persönlichen Freiheit und der uneingeschränkten Mobilität, das den öffentlichen Verkehr überflüssig machte. Die NutzerInnen des öffentlichen Verkehrs reduzierten sich auf SchülerInnen und ältere Menschen – also auf all jene, die kein Auto als Alternative hatten.
Dabei hatte die Eisenbahn als Verkehrsmittel auch in Südtirol eine ruhmreiche Geschichte, und an deren Entwicklung wird auch der Bedeutungsverlust des öffentlichen Verkehrs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sichtbar. So wurden mehrere um die Jahrhundertwende errichtete Nebenbahnen nach dem Zweiten Weltkrieg eingestellt: 1950 die Bahn Lana–Meran, 1957 die Tauferer Bahn, 1959 die Bahn Lana–Burgstall, 1960 die Grödentalbahn, 1962 die Dolomitenbahn Toblach–Cortina, 1963 die Überetschbahn und die Fleimstalbahn Auer–Predazzo. Die Straßenbahnen von Bozen und Meran wurden 1948 beziehungsweise 1956 durch Busse ersetzt.
Ab den 1970er-Jahren waren neben der Brenner- und Pustertalbahn nur mehr die Linie Meran–Bozen sowie die Vinschgerbahn in Betrieb, hinzu kam die Rittnerbahn. (vgl. Denoth 2014)
2.1 Die Stilllegung und Reaktivierung der Vinschgerbahn
Vor allem auch die Vinschgerbahn verzeichnete während vieler Jahre rückläufige Fahrgastzahlen. Die Ferrovie dello Stato Italiane (FS) tätigte auf der Strecke keine Investitionen, wodurch die Bahn teilweise noch auf den Schienen aus dem Jahr 1905 mit entsprechend gedrosselten Fahrtgeschwindigkeiten fahren musste. Wenig fahrgastfreundliche Fahrpläne und Berichte über unfreundliches Zugpersonal taten ihr Übriges. So war bereits in den 1960er-Jahren von der Einstellung des Bahnbetriebes der „littorina“ die Rede.
Im Jahr 1987 unterzog die FS all ihre Bahnlinien einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, in der sie zum Schluss kam, dass es sich bei der Vinschgerbahn um einen „ramo secco“ handle und somit ihr Betrieb nicht mehr von Nutzen war. Und so kam es, wie es kommen musste: Am 14. September 1990, einen Tag vor Schulbeginn, gab die FS bekannt, dass der Fahrbetrieb zum neuen Schuljahr nicht mehr aufgenommen würde. Offiziell wurde der Fahrbetrieb am 2. Juni 1991 eingestellt.
Die Landesregierung strebte bereits vor der endgültigen Einstellung die Übertragung der Vinschgerbahn an das Land an. So steht im Zweiten Autonomiestatut, Artikel 8. Absatz 18, dass Kommunikations- und Transportwege im Interessensbereich des Landes an die Provinz Bozen zu übertragen sind. Unter Federführung des damaligen Landeshauptmannstellvertreters Alfons Benedikter kam es zur Verabschiedung des DPR 527/87, das auch als „Dekret der dürren Äste“ bezeichnet wurde. Damit wurde die Übertragung der Vinschgerbahn an das Land fixiert. Und auch nach Einstellung der Bahnlinie äußerte sich der damalige Landeshauptmann Luis Durnwalder zuversichtlich, dass die Bahn innerhalb von zwei Jahren modernisiert und wiedereröffnet werden würde (vgl. Dolomiten, 12.09.1991).
So schnell sollte es mit der Reaktivierung aber dann doch nicht gehen. Unerwartete Schwierigkeiten bereitete beispielsweise die Eigentumsübertragung im Grundkataster. Es stellte sich nämlich heraus, dass noch die Vinschgaubahn AG mit Sitz in Wien seit dem Jahre 1903 als Eigentümerin der Trasse eingetragen war. Darüber hinaus wollte die FS den Bahnhof Meran nicht abtreten. Erst im Jahre 1998 und 1999 wurden die letzten Unklarheiten bezüglich dieser Eigentumsverhältnisse geklärt. (vgl. Hilpold 2009)
Auch wenn sich niemand offen gegen die Reaktivierung aussprach, so war die Vinschgerbahn jedenfalls nicht an erster Stelle der Prioritätenliste der Landesregierung in den 1990er-Jahren gereiht. Die Schnellstraße Meran–Bozen wurde im selben Zeitraum erbaut und 1997 eröffnet. An der Reaktivierung der Vinschgerbahn wurde konkret ab dem Jahr 1999 gearbeitet, als die Planungsarbeiten von der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) übernommen wurden. Neben moderner Schienentechnologie wurden die meist denkmalgeschützten Bahnhöfe saniert. Schließlich war es am 5. Mai 2005 so weit, als der Bahnbetrieb im Vinschgau durch die SAD (Südtiroler Autobus Dienst) wieder aufgenommen wurde. Inklusive des Ankaufs des neuen Wagenmaterials kostete die Reaktivierung etwa 135 Millionen Euro.
Zehn Jahre nach der Reaktivierung der Vinschgerbahn zeigen die Fahrgastzahlen, dass die Eisenbahn im ländlichen Raum und mit nur bedingt zentral gelegenen Bahnhöfen sehr wohl erfolgreich betrieben werden kann. Mit etwa 2,3 Millionen Fahrgästen im Jahr 2013 ist die Bahn das Rückgrat des öffentlichen Verkehrsnetzes im Vinschgau. Dabei trug das neue Angebot vor allem auch dazu bei, neue Fahrgastgruppen von Touristen aus dem Ausland – allen voran der Schweiz – und AusflugsfahrerInnen aus Südtirol zu gewinnen. Und so ist die Reaktivierung dieser Nebenbahn auch als positives Beispiel über die Landesgrenzen hinweg bekannt geworden. Andererseits zeigt die Entwicklung der Verkehrszahlen auf den Vinschgauer Straßen keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zu anderen Landesteilen. Als nächsten Schritt plant die Landesregierung die Elektrifizierung der Vinschgerbahn, nachdem sie derzeit mit Dieselfahrzeugen betrieben wird.
2.2 Die neue Pustertalbahn
Nach der erfolgreichen Reaktivierung der Vinschgerbahn nahm die Südtiroler Landesregierung ab 2007 die Sanierung der Pustertalbahn in Angriff, um sie als „neue Pustertalbahn“ attraktiver zu gestalten. Acht bestehende Bahnhöfe wurden neu gestaltet sowie vier neue Haltestellen in St. Lorenzen, Bruneck Nord, Percha und Vierschach errichtet. Als Wagenmaterial kommen wie auch auf der Vinschgerbahn Flirtgarnituren der Firma Stadler zum Einsatz.
Auch im Pustertal bewirkten die Sanierungsmaßnahmen eine signifikante Steigerung der Fahrgastzahlen: Von 2006 auf 2011 kam es beinahe zu einer Verdreifachung der Fahrgastzahlen auf knapp 1 Million, 2013 waren es bereits mehr als 1,5 Millionen Fahrgäste.
2013 rückte die Pustertallinie aber auch in den Fokus von politischen Diskussionen mit Nord- und Osttirol. In diesem Jahr stellten nämlich die Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) den seit Jahrzehnten geführten Korridorzug von Lienz nach Innsbruck ein. Nach dem EU-Beitritt Österreichs bediente dieser Zug auch die Bahnhöfe im Pustertal und stellte deshalb eine Direktverbindung vom Pustertal und Wipptal nach Innsbruck dar. Die ÖBB ersetzten im Dezember 2013 die zuletzt zweimal pro Tag verkehrenden Direktzüge durch Schnellbusse, die jedoch im Gegensatz zu den Zügen Südtirol ohne Halt durchfahren. Während Oppositionsparteien auf beiden Seiten des Brenners die Wiedereinführung des Direktzuges fordern, verkehren seit 14.12.2014 grenzüberschreitende Direktverbindungen von Lienz nach Franzensfeste mit kurzen Umsteigezeiten auf die Schnellzüge nach Innsbruck.
Demgegenüber steht der Ausbau des grenzüberschreitenden Regionalverkehrs an anderer Stelle, nachdem seit Dezember 2013 ein erstes und seit Dezember 2014 ein zweites Zugpaar pro Tag direkt von Meran bzw. Bozen nach Innsbruck verkehrt. Darüber hinaus wurden auch entlang der übrigen Bahnlinien die Haltestellen erneuert und mit einem einheitlichen Design gestaltet. Einzig die Bahnhofsgebäude der Städte und Knotenpunkte (unter anderem Franzensfeste und Brenner) wurden von der italienischen Schieneninfrastrukturgesellschaft RFI noch nicht an das Land übergeben.
2.3 Der Südtiroltakt
Ein weiterer Schritt zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs bestand in der Verdichtung und besseren Abstimmung der Fahrpläne zueinander, die unter dem Titel „Südtiroltakt“ zusammengefasst werden. So werden die Hauptlinien des öffentlichen Verkehrs im Halbstundentakt und die Nebenlinien im Stundentakt geführt. An den Knotenpunkten sind die Fahrzeiten so gelegt, dass die Weiterfahrt innerhalb weniger Minuten möglich ist. Neu sind darüber hinaus mittlerweile 13 Citybussysteme wie zum Beispiel Brixen, Bruneck, Überetsch und Lana.
2012 bestand das öffentliche Verkehrsnetz Südtirols aus 154 Buslinien, sechs Bahnlinien (inklusive Rittnerbahn und Mendelbahn) sowie fünf Seilbahnen. An der Zahl der pro Jahr angebotenen Bahn- und Buskilometer lässt sich die Dimension der neuen Verbindungen und verdichteten Fahrpläne ablesen: Im Jahr 2004 legten die Busse 22,1 Millionen Kilometer und die Züge 2,8 Millionen Kilometer zurück, in Summe somit 24,9 Millionen Kilometer. Im Jahr 2012 waren es insgesamt 36,8 Millionen Kilometer, was einer Steigerung von 50 Prozent entspricht. Davon entfielen auf die Busse 31 Millionen Kilometer und auf die Bahn 5,8 Millionen Kilometer. Die angebotenen Leistungen auf der Bahn haben sich somit innerhalb von acht Jahren verdoppelt.
Die Steigerungen der Verkehrsleistungen spiegeln sich auch in den Summen wieder, die die Südtiroler Landesregierung für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung stellt: Betrugen die öffentlichen Gelder im Jahr 2004 noch 35 Millionen Euro, waren es im Jahre 2012 mit 134 Millionen Euro fast viermal so viel. Im Jahr 2014 sind 149 Millionen Euro veranschlagt (Dolomiten, 21.06.2014).
2012 registrierte der Verkehrsverbund Südtirol insgesamt knapp 24 Millionen Entwertungen, das entspricht mehr als 65.000 Entwertungen pro Tag.4 Davon stammen über die Hälfte von Abonnements und dem Südtirolpass, der am 14. Februar 2012 eingeführt wurde. Bei immerhin 17 Prozent der Entwertungen handelt es sich um Mobilcards und bei weiteren 16 Prozent um Einzelfahrscheine. Das lässt darauf schließen, dass der öffentliche Verkehr in Südtirol gerade auch von GelegenheitsfahrerInnen und vor allem auch von TouristInnen stark genutzt wird. Weitere 13 Prozent fallen auf die Wertkarten (ASTAT 2014, 31 – 33).
Etwa 78 Prozent der Entwertungen wurden in Südtirols Bussen registriert und etwa 19 Prozent waren es an den Bahnhöfen. Immerhin drei Prozent der Entwertungen wurden an den fünf Seilbahnen verzeichnet, die in das Südtiroler Verbundnetz integriert sind. (ASTAT 2014, 32 – 33)
Tab. 6: Entwertungen (ohne Mobilcard) in Bussen im Jahr 2012
Liniengruppen |
Anzahl der Entwertungen |
Entwertungen pro Tag |
Vinschgau |
520.206 |
1.421 |
Burggrafenamt |
2.761.760 |
7.546 |
Bozen und Umgebung |
6.742.459 |
18.422 |
Überetsch - Unterland |
884.403 |
2.416 |
Eisacktal |
1.689.568 |
4.616 |
Wipptal |
339.731 |
928 |
Pustertal |
2.282.690 |
6.237 |
Summe |
15.220.817 |
41.587 |
Quelle: ASTAT 2014, 38 – 39
Betrachtet man die Entwertungen in den Bussen ohne Berücksichtigung der primär von TouristInnen genutzten Mobilcard in Tabelle 6, so zeigt sich, dass die größte Zahl an Fahrgästen in den Bussen in Bozen und Umgebung transportiert werden. So sind es allein im Bozner Stadtverkehr über 15.000 Entwertungen pro Tag. Im Meraner Stadtverkehr wurden 2012 knapp eine Million Entwertungen registriert.
2.4 Das neue Südtiroler Tarifsystem
Über viele Jahre hatte Südtirol ein Tarifsystem, das auf dem Wertkartenprinzip aufgebaut war und bei dem der Fahrgast bei jeder Fahrt die Karte entwerten musste. AbonnementInnen konnten für eine festgelegte Strecke Wertkarten erwerben, mit denen ein günstigerer Tarif eingehoben wurde. Die Tarife blieben über viele Jahre unverändert.
Im Februar 2012 betrat das Land mit der Einführung des Südtirolpasses Neuland: Mit diesem Pass ist es nicht mehr notwendig, eine Pendlerstrecke festzulegen, sondern sie ermöglicht Fahrten im gesamten Verbundraum sowie nach Trient und Innsbruck. Weiterhin ist jede Fahrt zu entwerten, das Entwertungssystem basiert aber auf einem elektronischen Contactless-System: Beim Betreten und Verlassen von Bussen hat sich der Fahrgast an den Kartenlesegeräten an- und abzumelden. An den Bahnhöfen ist vor Betreten der Züge an den Geräten der Ausstiegsbahnhof zuerst auszuwählen. Auf Grundlage dieser An- und Abmeldungen werden die Fahrten kilometergenau abgerechnet, wobei ein degressives Preismodell zur Anwendung kommt: Je mehr Kilometer gefahren werden, desto günstiger wird der Tarif pro Kilometer. Familien mit zumindest einem Kind unter 18 Jahren können darüber hinaus den günstigeren Familientarif beantragen.
Tab. 7: Tarifklassen des Südtirolpasses
Tarifklasse |
Regulärer Tarif |
Familientarif |
bis 1.000 km |
8 Cent |
6 Cent |
1.000 – 10.000 km |
4 Cent |
3 Cent |
10.000 – 20.000 km |
2 Cent |
2 Cent |
ab 20.000 km |
0 Cent |
0 Cent |
Quelle: www.sii.bz.it
Werden im Laufe eines Jahres mehr als 20.000 Kilometer zurückgelegt, ist das Entwerten weiterhin notwendig, allerdings werden keine Kosten mehr verrechnet. Somit sind der maximal zu zahlende reguläre Tarif mit 640 Euro und der Familientarif mit 530 Euro pro Jahr gedeckelt. Diese Deckelung können VielfahrerInnen erreichen, wenn sie beispielsweise an 200 Tagen 50 Kilometer hin und zurück pendeln. Im Jahr 2013 übertrafen insgesamt 525 VielfahrerInnen diese 20.000-Kilometer-Grenze. Gemäß Ankündigung von Landesrat Florian Mussner werden mit 1. September 2015 die Tarifklassen abgeändert. Bis zu 2.000 Kilometer soll der Kilometertarif erhöht werden, im Gegenzug soll der Tarif ab 2.000 gefahrenen Kilometern gesenkt werden. Damit werden die öffentlichen Verkehrsmittel für GelegenheitsfahrerInnen teurer, für VielfahrerInnen mit 20.000 Kilometern bleiben die Kosten unverändert.
Neben dem Südtirolpass gibt es weiterhin Einzelfahrscheine und Wertkarten. Mit Kilometertarifen von 15 Cent beziehungsweise 12 Cent sind diese jedoch höher als der Eingangstarif des Südtirolpasses, wodurch sich bereits ab der ersten Fahrt das Beantragen des Südtirolpasses lohnen würde. Mit bisher 150.000 ausgegebenen Südtirolpässen haben mittlerweile mehr als ein Viertel der SüdtirolerInnen den Pass. Während der Südtirolpass zu Beginn auf in Südtirol Ansässige beschränkt war, können ihn mittlerweile auch Nicht-Ansässige unter Angabe einer italienischen Steuernummer erhalten, um dem Gleichheitsgrundsatz aller EU-BürgerInnen gerecht zu werden.
Mit der Umstellung auf den Südtirolpass gab es aber auch Kritik am neuen Tarifsystem, nachdem einige PendlerInnen mit deutlich höheren Kosten konfrontiert wurden. So erreichten PendlerInnen im alten Tarifmodell schnell den Bereich, bei dem neben einem Tagestarif von 0,362 Euro ein Kilometertarif von 1,03 Cent von der Wertkarte abgezogen wurde. Betrugen die jährlichen Kosten für PendlerInnen mit 40 Kilometern Wegstrecke und 220 Pendlertagen etwa 302 Euro, so kostet für sie dieses Pendeln heute 592 Euro. Demgegenüber steht nun die Möglichkeit, nicht nur eine ausgewählte Strecke, sondern das gesamte Verbundgebiet günstig befahren zu können. Dem Ziel, der Bevölkerung Mobilität ohne einen privaten Pkw zu bieten, kommt dieses Tarifmodell jedenfalls einen Schritt näher. Außerdem ist der öffentliche Verkehr in Südtirol trotz dieser Tarifsteigerungen weiterhin günstiger als in den Nachbarregionen, und der Kostendeckungsgrad durch die Erlöse aus den Ticketverkäufen mit dem neuen Modell ist mit nur etwa 20 Prozent weiterhin gering. Durch die Umstellung auf ein elektronisches Ticket und die möglichst kilometergenaue Abrechnung in einem gesamten Verbundsystem, das überwiegend ländlich geprägte Gebiete umfasst, gilt der Südtirolpass über die Landesgrenzen hinweg als Best-Practice-Beispiel.
SchülerInnen und SeniorInnen ab 70 Jahren fahren zudem kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln. SeniorInnen über 65 Jahre, Lehrlinge sowie Studierende erhalten den Südtirolpass für einen Jahrestarif von 150 Euro, um damit die öffentlichen Verkehrsmittel ohne weitere Kosten nutzen zu können. Gerade der Umstand, dass mit den SeniorInnen ab 70 Jahren eine Fahrgastgruppe nun sogar keine Kosten für das Fahren mit Bus und Bahn zu tragen hat, sorgte auch für Kritik. Andererseits haben Analysen der Fahrgastströme ergeben, dass SeniorInnen Bus und Bahn vorwiegend zu Schwachlastzeiten verwenden. Für 2015 ist die Einhebung eines Grundtarifes von 20 Euro für SchülerInnen und SeniorInnenen ab 75 Jahren angekündigt, für Personen von 70 bis 75 Jahren soll der Pass künftig 75 Euro kosten.
2.5 Der Personenfernverkehr auf der Brennerbahn
Vonseiten der EU wird seit Jahren die Liberalisierung des Schienenverkehrs vorangetrieben. Durch Erlassen von mittlerweile drei Eisenbahnpaketen haben die Mitgliedstaaten die Organisation der Infrastruktur vom Personen- und Warentransport zu trennen. Damit sollen mehrere Anbieter den Zugang zum Schienennetz erhalten und so Wettbewerb auf der Schiene geschaffen werden. Für den Güterverkehr und den Personenfernverkehr ist diese Öffnung des Marktes mittlerweile umgesetzt.
Die italienische Umsetzung verlief aber nicht ganz im Sinne des freien Schienenverkehrs: 2009 übernahmen die Deutsche Bahn (DB) und die ÖBB zusammen mit der neu gegründeten Gesellschaft Le Nord den Fernverkehr von Verona über Bozen und Innsbruck nach München. Wenige Tage vor dem Fahrplanwechsel im Dezember 2010 erließ aber der italienische Schienenregulator einen Bescheid, der den Fernverkehrszügen der DB und ÖBB für den neuen Fahrplan untersagte, in Italien Haltestellen zwischen dem Brenner und dem Endbahnhof zu bedienen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass diese Fernverkehrsstrecken eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Regionalverkehrs bewirkten, wodurch Auflagen EU-rechtlich zulässig wären. Diese Entscheidung führte zu großen Protesten der DB und ÖBB, aber auch der Südtiroler Landesregierung, die keine wirtschaftliche Beeinträchtigung erkennen konnte. Nachdem die EU sogar ein Vertragsverletzungsverfahren in Aussicht gestellt hatte, erließ der Schienenregulator zwei Tage vor Inkrafttreten der Beschränkung deren Aussetzung (vgl. Kahl 2012, 141).
2.6 Schaffung eines Carsharing-Angebots
Ein neuer Schritt, der Bevölkerung ein umfassendes Mobilitätsangebot als Alternative zum privaten Pkw zu bieten, ist die Schaffung eines Angebotes für Carsharing. Während sich gerade in städtischen Gebieten Carsharing -Modelle etablieren konnten, sind diese im ländlichen Raum bisher seltener anzutreffen. Gerade von jungen Menschen wird der eigene Pkw heute seltener als Statussymbol gesehen, wodurch das Prinzip, an einem Auto nur Nutzungsrechte zu erwerben und auf Anmeldung zu verwenden, umsetzbar geworden ist. Dadurch kann Carsharing einen wichtigen Beitrag zu neuen Mobilitätsformen leisten.
In Südtirol wird seit 2013 Carsharing angeboten. Es wurde von der Gemeinde Mals und der Arche im Katholischen Verein der Werktätigen (KVW) initiiert und wird durch ein Konsortium angeboten, das von der Südtiroler Landesregierung, mehreren Gemeinden und weiteren Organisationen unterstützt wird. In mittlerweile neun Gemeinden sind Stützpunkte errichtet, an denen insgesamt 30 Fahrzeuge ausgeliehen werden können. Die NutzerInnen müssen sich vorher registrieren, um ein Auto ausleihen zu können. Bei einer Ausleihe fällt ein Stundentarif von fünf bis sechs Euro während des Tages an. Hinzu kommt ein Kilometertarif von 20 Cent. Im Juli 2014 waren etwa 730 KundInnen registriert, die pro Monat durchschnittlich etwa 600 Fahrten zurücklegen. Die durchschnittliche Fahrdistanz liegt bei 70 bis 80 Kilometern, wobei der Großteil der Autos für maximal einen Tag ausgeliehen wird.
3. Fazit
Der Blick auf die beiden zentralen Themenfelder der Südtiroler Verkehrspolitik – der Transitverkehr und der öffentliche Verkehr – zeigt ein grundsätzlich entgegengesetztes Bild.
Obwohl ein erheblicher Teil der Transitfahrten über den Brenner Umwegverkehr ist, wählen dennoch viele Frächter diesen Korridor, da die Maut für Lkw niedriger ist als auf anderen Routen. Italien unternimmt dabei kaum Maßnahmen, diesem Umstand entgegenzuwirken. Da im Transitverkehr aber vor allem EU-rechtliche Bestimmungen den rechtlichen Rahmen begrenzen, haben Staaten, Regionen und Provinzen ohnehin nur beschränkte Gestaltungsmöglichkeiten entlang der internationalen Verkehrswege. Und so scheint der Brennerbasistunnel die einzige Antwort zu sein auf die Frage, wie der Güterverkehr auf die Schiene verlagert werden kann. Ob dieser überhaupt dazu einen Beitrag leisten kann und ob dieser im fernen Jahr 2026 tatsächlich gebraucht werden wird, wird wohl erst die Zukunft zeigen.
Anders fällt das Fazit der Südtiroler Verkehrspolitik in Hinblick auf den öffentlichen Verkehr aus. So war die erfolgreiche Reaktivierung der Vinschgerbahn eine Initialzündung, die die Modernisierung und den Ausbau der übrigen Infrastruktur bewirkte. Gemeinsam mit der Umsetzung des Südtiroltaktes führten diese Maßnahmen zu einer deutlichen Steigerung der Fahrgastzahlen. Einen neuen Weg ging die Landesregierung auch mit der Einführung des Südtirolpasses, wodurch Südtirol über die Landesgrenzen hinweg als Vorzeigebeispiel gilt, neue Akzente für den öffentlichen Verkehr zu setzen. Mit einem Carsharing-Angebot ist ein weiterer Schritt gesetzt, um der Bevölkerung auch ohne eigenem Fahrzeug Mobilität zu ermöglichen.
Anmerkungen
1 Die Höchstbeträge der Kosten für Luftverschmutzung sind nach Schadstoffklassen der Lkw zu differenzieren. Lkw der Klasse EURO 0 können auf Vorstadtstraßen mit maximal 16 Cent pro Kilometer belastet werden, auf Fernstraßen mit maximal 12 Cent. Von Lkws der umweltfreundlichsten Schadstoffklasse dürfen keine Kosten für Luftverschmutzung eingehoben werden.
Die Höchstbeträge für Lärm betragen maximal 2 Cent auf Vorstadtstraßen in der Nacht, am Tag sind es 1,1 Cent. Auf Fernstraßen könnten in der Nacht maximal 0,3 Cent und am Tag maximal 0,2 Cent eingehoben werden.
2 Mehrere Teile dieses Kapitels wurden von Peter Hilpold mit dem Artikel „Zwischen Brüssel, Wien und Innsbruck. Verkehrspolitik in Tirol“ im Sammelband „Politik in Tirol. Jahrbuch 2014“ von Ferdinand Karlhofer und Günther Pallaver bereits publiziert.
3 Als bahnaffine Produkte wurden in der Verordnung zum sektoralen Fahrverbot 2007 definiert: Abfälle, Rundholz, Kork, Nichteisen- und Eisenerze, Steine, Erden, Aushub, Kraftfahrzeuge und Anhänger, Baustahl, Marmor, Travertin und keramische Fliesen.
4 In diesen Zahlen sind Fahrten von Jugendlichen und StudentInnen mit dem Ticket ABO+ sowie SeniorInnen mit dem Ticket ABO65+ nicht enthalten
Literaturverzeichnis
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Tab. 1: Transportierte Gütermenge nach Alpenkorridoren 2012 (Millionen Nettotonnen)
Korridor |
Straße |
Schiene |
Gesamt |
Fréjus/Mont Cernis |
10,2 |
3,4 |
13,6 |
Mont Blanc |
8,8 |
– |
8,8 |
Großer St. Bernhard |
0,6 |
– |
0,6 |
Simplon |
1,0 |
9,8 |
10,8 |
Gotthard |
10,0 |
13,9 |
23,9 |
San Bernardino |
2,0 |
– |
2,0 |
Reschen |
1,0 |
– |
1,0 |
Brenner |
29,5 |
11,2 |
40,7 |
Gesamt |
63,2 |
38,3 |
101,5 |
Quelle: Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Statistik (2014)
Abb. 1: Durchschnittlicher Tagesverkehr auf der Brennerautobahn 2012
Quelle: ASTAT 2014, 72–73
Abb. 2: Entwicklung des durchschnittlichen Tagesverkehrs auf dem Autobahnabschnitt Bozen Süd – Neumarkt/Auer
Quelle: ASTAT 2006, 2008, 2011, 2014
Tab. 4: Höhe der Autobahnmaut im Jahr 2014 (in Euro)
Einfahrt |
Ausfahrt |
2 Achsen, bis 1,30 m |
2 Achsen, ab 1,30 m Höhe |
3 Achsen |
4 Achsen |
mehr als |
Brenner |
Sterzing |
1,30 |
1,30 |
1,70 |
2,60 |
3,00 |
Brenner |
Brixen |
2,90 |
2,90 |
3,90 |
5,90 |
7,00 |
Brenner |
Brixen Industriezone |
3,60 |
3,60 |
4,80 |
7,30 |
8,60 |
Brenner |
Klausen |
4,00 |
4,10 |
5,40 |
8,20 |
9,70 |
Brenner |
Bozen Nord |
5,80 |
5,90 |
7,80 |
11,80 |
13,90 |
Brenner |
Bozen Süd |
6,40 |
6,50 |
8,70 |
13,10 |
15,50 |
Brenner |
Neumarkt |
7,80 |
8,00 |
10,60 |
16,00 |
18,90 |
Brenner |
San Michele |
9,30 |
9,50 |
12,60 |
19,10 |
22,50 |
Brenner |
Trient Nord |
10,20 |
10,40 |
13,80 |
20,90 |
24,60 |
Brenner |
Verona Nord |
16,40 |
16,80 |
22,30 |
33,60 |
39,70 |
Quelle: Brennerautobahn AG 2014
Tab. 5: Maut auf dem Brennerkorridor am Beispiel von zwei Schwerfahrzeugen (in Euro)
Strecke |
km |
3-Achser |
5-Achser |
Verona – Brenner |
225 |
22,30 |
39,70 |
Brenner – Kufstein |
109 |
69,12 |
92,25 |
Kiefersfelden – München |
72 |
13,72 |
11,19 |
Verona – München |
406 |
105,14 |
143,14 |
Quelle: eigene Berechnung
Abstracts
La politica dei trasporti in Alto Adige
Il passo del Brennero è il valico alpino con la maggior incidenza di traffico. Tanti spedizionieri scelgono questa via di transito soprattutto perché il pedaggio in Italia è meno alto, anche se altre rotte sarebbero più corte. Ma l’incidenza di traffico è rilevante anche all’interno dell’Alto Adige, perciò il peso del traffico globale non può essere ricondotto solo a quello di transito. A causa dei regolamenti sanciti dall’Unione europea, i Paesi dispongono di una libertà d’azione limitata riguardo all’implementazione di restrizioni contro il traffico. Per questo la costruzione della Galleria di Base del Brennero sembra essere finora l’unica risposta dell’Italia e dell’Alto Adige alla necessità di trasferire il traffico dalla strada alla rotaia. Se la galleria riuscirà a dare un contributo al raggiungimento di questo obiettivo e se riuscirà nel 2026 a essere effettivamente risolutiva, lo si potrà sapere solo in futuro.
Un altro cambiamento si prospetta riguardo al trasporto pubblico in Alto Adige. Con la riattivazione del treno della Val Venosta, l’estensione dell’offerta e l’introduzione di un sistema tariffario elettronico il trasporto pubblico è stato considerevolmente migliorato negli ultimi anni. L’offerta del “carsharing”, introdotta nel 2013, rappresenta un ulteriore passo atto ad offrire possibilità di mobilità alternative a chi decida di non usare la propria vettura.
Traffic policies in South Tyrol
The Brenner pass has the highest traffic volume of all alpine transit corridors. Because of the lower toll price of Italian highways, many transport carriers choose this corridor even if other routes would be shorter. However, the traffic volume in South Tyrol is also high, which means that congestion cannot be selectively reduced just to transiting traffic. Furthermore, states have limited possibilities to take traffic reducing measures because of EU- regulations. The construction of the Brenner Base Tunnel seems currently the only possible solution put forward by South Tyrol and Italy to solve the problem on how to transfer traffic from road to rail. The future will show if the tunnel will succeed in achieving the aim and whether it will really be needed in 2026.
A different picture can be drawn for public transport in South Tyrol. Through the reactivation of the Vinschgau railway, the expansion of public transport services, and the introduction of an electronic ticketing system, the South Tyrolean public transport system has been improved over the latest years. Car sharing was introduced in 2013, another step to offer sufficient mobility to the population without being forced to use their own car.