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Günther Pallaver / Matthias Scantamburlo

Kein Durchbruch anti-europäischer Positionen

Die EU-Parlamentswahl 2014 in Südtirol

1. Einleitung

Rund 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus 28 EU-Mitgliedstaaten waren am 25. Mai 2014 zum achten Mal aufgerufen, an der Wahl zum Europäischen Parlament teilzunehmen. Jenseits von gesamteuropäischen Entwicklungen, wie etwa der starken Zunahme euroskeptischer bis eurogegnerischer Parteien (Bundeszentrale für politische Bildung 2014), wollen wir in diesem Beitrag das Wahlergebnis in Südtirol analysieren. Im ersten Schwerpunkt werden die Wahlprogramme der wichtigsten wahlwerbenden Parteien analysiert und verglichen, um zu verifizieren, ob es im Themenhaushalt zwischen ethnoregionalen und nationalen Parteien relevante Unterschiede gegeben hat, welche Strategien die Südtiroler Parteien anwenden und welche Konfliktlinien im Parteiensystem präsent sind. Im zweiten Schwerpunkt analysieren wir das Wahlergebnis. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei jene Parteien, die eine ethnoregionale Dimension aufweisen oder Kandidatinnen und Kandidaten aus Südtirol auf ihren Listen gehabt haben. Abschließend soll ein allgemeiner Überblick über jene ethnoregionale Parteien mit besonderer Berücksichtigung der Südtiroler Volkspartei (SVP) gegeben werden, die im EU-Parlament 2014–2019 vertreten sind.

2. Europäische Integration und Parteien(wettbewerb)

Entwicklungen auf europäischer Ebene bilden den europäischen Kontext politischer Prozesse auf nationaler Ebene und beeinflussen das Umfeld von Parteiorganisationen, indem sie Voraussetzungen für die Veränderung ihrer Interaktionsformen schaffen. Je mehr sich der europäische Integrationsprozess erweitert und vertieft, desto stärker sollten deshalb strategisch agierende Parteien bei der Festlegung ihrer Ziele nicht nur Entwicklungen auf nationaler, sondern auch auf supranationaler Ebene berücksichtigen (Lefkofridi 2008, 3).

Blickt man auf nationale politische Parteien, so stellt die Forschung einen tendenziell schwachen Einfluss der europäischen Integration fest. Was die Europäisierung von Programmatik und Parteienwettbewerb betrifft, so haben europäische issues bei Europawahlen im Laufe der Jahre zwar zugenommen (Kritzinger/Michalowitz 2005), bei nationalen Wahlkämpfen allerdings nur begrenzten Eingang in die Programme der Parteien gefunden (Pennings 2006).

In Verbindung damit hat die europäische Integration die Konfliktdimensionen nationaler Parteien(systeme) ebenfalls nur schwach beeinflusst. Während Europawahlen als second-order elections gelten (Reif/Schmitt 1980), ignorieren nationale Parteien die „europäische Konfliktdimension“ und strukturieren den Wettbewerb weiterhin entlang des dominierenden sozioökonomischen cleavage (Mattila/Raunio 2006). Durch die Beschränkung des Spielraums nationaler Regierungen hat die EU sogar zu einer Aushöhlung des zwischenparteilichen Wettbewerbs geführt (Mair 2000, 49 f.).

Da die EU keine geeignete Gelegenheitsstruktur (opportunity structure) für nationale Parteien bietet, beeinflusst sie diese nur auf indirekte Weise, wobei die beschränkenden Effekte sogar zu einer Schwächung der Parteien beigetragen haben: „there is little if anything in the way of resources that the EU possesses that can be translated into a positive gain for a political party“ (Ladrech 2002, 359).

Weit stärkeren und direkten Einfluss hat die EU allerdings auf substaatliche Parteien in föderalen oder quasi-föderalen Systemen und dabei vor allem auf ethnoregionale Parteien, für die sie aufgrund der territorialen Restrukturierung eine Gelegenheitsstruktur darstellt. Vor allem Letztere haben deshalb tendenziell nicht nur eine pro-europäische Haltung entwickelt, sondern seit der Vertiefung der EU ihre (internen und externen) Selbstbestimmungsziele mit dem europäischen Integrationsprozess verknüpft und damit europäisiert (Lynch 1996).

Die Entwicklung des europäischen Integrationsprozesses hat nicht nur zu „weniger Staat“ geführt, sondern verändert auch die normative Bedeutung von Souveränität, sodass Entwürfe von post-souveränen Modellen funktionaler Organisation (Europa der Regionen/Europa der Völker) ermöglicht werden, bei denen eine Machtverschränkung zwischen regionalen und supranationalen Akteuren stattfindet (Keating 2006, 24 f.; Nagel 2004, 59). In diesem Zusammenhang ist anzuführen, dass die symbolische Dimension von Europäisierung in der nationalistischen Rhetorik ethnoregionaler Parteien integriert und im elektoralen Wettbewerb genutzt werden kann, um nachteilige Situationen in vorteilhaftere zu verwandeln (Dardanelli 2009).

Um den Einfluss der Europäischen Union auf nationale und ethnoregionale Parteien sowie die Rolle Europas im politischen Wettbewerb zu analysieren, bieten die Europawahlen 2014 in Südtirol einen idealen Kontext für einen Vergleich, da nationale und ethnoregionale Parteien auf demselben Territorium agieren, allerdings kaum konkurrieren, da das Südtiroler Parteiensystem von ethnisch getrennten Wahlarenen gekennzeichnet ist (vgl. Atz/Pallaver 2014, 171 ff.; Scantamburlo/Pallaver 2014).

Vor dem Vergleich der Europawahlprogramme soll im nächsten Abschnitt auf die Rolle und Funktion von Parteiprogrammen eingegangen und die strategische Nutzung der verschiedenen Dimensionen des Parteienwettbewerbs analysiert werden.

2.1 Wahlprogramme und Parteienwettbewerb in mehrdimensionalen Kontexten

Wahlprogramme sind zentrale Statements politischer Parteien und zählen als bedeutende Dokumente für die Analyse der Positionierung von Parteien zu verschiedenen in der öffentlichen Debatte diskutierten Themen (issues). Die große Auswahl an Literatur, die sich bereits mit den Vorteilen der Analyse von Wahlprogrammen auseinandergesetzt hat, fassen Alonso, Volkens und Gómez (2012) in den folgenden drei Punkten zusammen:

1) Wahlprogramme werden von den offiziellen Parteigremien publiziert und repräsentieren die Position der gesamten Partei und nicht einer Einzelperson oder Parteifraktion. 2) Wahlprogramme werden für jede Wahl regulär publiziert, was ideologische Veränderungen im Laufe der Zeit erkennbar macht. 3) Wahlprogramme decken verschiedene Themen (issues) der politischen Debatte in unterschiedlichen Graden ab, was einen systematischen Vergleich verschiedener Programme ermöglicht.

Da Parteien in ihren Programmen normalerweise keine gegenüberstellenden Positionen anführen, sondern bestimmte Themen der politischen Debatte selektiv betonen (Budge/Fairlie 1983), spielt bei der Analyse der Programme neben der räumlichen Positionierung in den verschieden Dimensionen insbesondere die Salienz/Relevanz (salience) eine zentrale Rolle, die eine Partei jedem Thema (issue) zuschreibt. Parteien betonen nämlich stärker jene Themen, bei deren Umsetzung sie aus Sicht der WählerInnen am meisten Glaubwürdigkeit genießen (issue ownership) (Petrocik 1996). Während beispielsweise sozialistische Parteien mehr Glaubwürdigkeit bei der Umsetzung von Wohlfahrtspolitik genießen, gelten konservative Parteien als effizienter bei der Durchsetzung von law and order, und periphere oder regionale Parteien bei der Verteidigung subnationaler Interessen.

In multinationalen Parteisystemen, die durch die Präsenz von (ethno-)regionalen Parteien gekennzeichnet sind, positionieren sich die Parteien nicht nur auf der ökonomischen (links – rechts) und der europäischen (mehr – weniger Integration) Dimension (Steenbergen/Marks 2004), sondern auch auf der territorialen Konfliktlinie (Zentrum – Peripherie) (Massetti 2009). Da die WählerInnen sich für jene Parteien entscheiden, die am besten ihre Präferenzen verkörpern, ist die Relevanz, die Parteien in solchen Kontexten der jeweiligen Dimension zuschreiben, für den Ausgang der Wahl determinierend (Meguid 2008).

Angesichts der oben angeführten Diskussion zum Verhältnis zwischen der EU, den Parteien und des mehrdimensionalen Wettbewerbs formulieren wir für unsere Analyse der Südtiroler Europawahlprogramme folgende Fragen:

1) Wie strukturieren die Südtiroler Parteien die Debatte bei den Europawahlen 2014: Setzen sie ihre Argumente in einen europäischen Kontext oder überwiegen vorwiegend nationale Argumente? Gibt es Unterschiede zwischen nationalen und ethnoregionalen Parteien?

2) Welche Dimensionen des Parteienwettbewerbs sind bei der Debatte der Südtiroler EU-Wahl präsent und wie stark werden sie akzentuiert? Wie positionieren sich die Parteien in diesem Zusammenhang?

2.2 Analyse der Wahlprogramme

Die folgenden Daten zur Salienz der verschiedenen issue-Dimensionen wurden durch eine quantitative Inhaltsanalyse des Regional Manifestos Project (RMP www.regionalmanifestosproject.com) gewonnen. Das Projekt, das auf dem Schema des Comparative Manifesto Project (CMP) (Budge et al. 2001) aufbaut, erlaubt die Messung von Zentrum-Peripherie-Präferenzen und Positionen von Parteien und kann somit für die Analyse von Mehrebenen-Kontexten (also sub- und supranationale elektorale Arenen) genutzt werden (Gomez/Alonso/Cabeza 2013).

Zur Analyse wurden die Europawahlprogramme der zwei Südtiroler ethnoregionalen Parteien SVP und die Freiheitlichen (Lega Nord) und der zwei in Südtirol stimmenstärksten staatsweit antretenden Listen Partito Democratico und L’Altra Europa con Tsipras (Die Grünen) herangezogen (SVP 2014; dF 2014; PD 2014; Lista Tsipras 2014).

Europäischer Kontext

Da die Methodologie des Regional Manifestos Project die Messung territorialer Präferenzen erlaubt und ob den jeweiligen territorialen Präferenzen mehr oder weniger Kompetenzen zugeschrieben werden sollen, bietet diese eine ideale Basis zur Analyse des territorialen Kontextes, in dem die Debatte zu den Wahlen stattgefunden hat. Es sei daran erinnert, dass je stärker strategisch agierende Parteien bei der Festlegung ihrer Ziele nicht nur Entwicklungen auf nationaler, sondern auch auf supranationaler Ebene berücksichtigen, der Einfluss Europas auf die Parteien größer ist. Sollten bei Europawahlen nationale oder regionale Themen überwiegen, so muss deshalb von einem geringeren Einfluss Europas ausgegangen werden.

In Tabelle 1 erkennt man deutlich, dass die Parteien im Wahlkampf zu den Europawahlen 2014 in Südtirol die Debatte mehrheitlich in einen europäischen Kontext strukturieren und deshalb vor allem über europäische Themen sprechen. Vergleicht man die Prozentsätze der einzelnen Parteien, so geht hervor, dass die nationalen Parteien ihre Themen stärker in einen europäischen Kontext einbetten als die beiden Südtiroler ethnoregionalen Parteien. Während der PD quasi ausschließlich über Europa spricht, legt vor allem die SVP sehr starken Wert auf den regionalen Kontext, der über 20 % des Programms einnimmt. Auffallend ist zudem, dass die Freiheitlichen aber auch die Lista Tsipras stärker restliche Themen (internationale und lokale Ebene sowie generelle politische Aussagen) als nationale Themen akzentuieren.

Tab. 1: Europäischer Kontext des Wahlkampfs (in %)

Partei

Europäischer
Kontext

Nationaler
(regionaler) Kontext

Rest

Südtiroler Volkspartei

66,67

21,30

12,03

Die Freiheitlichen

72,63

11,58

15,79

Partito Democratico

95,13

1,50

3,37

Lista Tsipras

85,76

4,07

10,17

Quelle: Eigene Darstellung zur Analyse der Daten

In Hinblick auf die oben angeführte theoretische Diskussion zum Einfluss Europas auf politische Parteien kann für den Südtiroler Fall anhand dieser Ergebnisse gezeigt werden, dass die auf dem Territorium agierenden nationalen Parteien im Sinne der Kontextualisierung der Debatte einem weit stärkeren Einfluss Europas ausgesetzt sind als die im Territorium agierenden ethnoregionalen Parteien. Erklärungsansätze dazu und ob die Europäische Union denselben Einfluss auf die Konfliktlinien und die Auseinandersetzung der Südtiroler Parteien bei den Europawahlen 2014 ausübt, soll in der folgenden Untersuchung der Strategien der einzelnen Parteien herausgefunden werden.

Parteistrategien

Südtiroler Volkspartei: Mit dem Slogan „Wir sagen entschieden NEIN zu einem neuen Nationalismus und überzeugt JA zu einem erfolgreichen Regionalismus. Dieser kann nur wachsen, wenn es ein größeres Ganzes in Europa gibt“ (SVP 2014, 1) am Beginn ihres Programms, startet die SVP ihre „zwei-dimensionale Wahlstrategie“, die nach den Daten des RMP auf der gleich starken Betonung der territorialen sowie der ökonomischen Dimension (jeweils 25 % des Programms) basiert. Indem man die Rhetorik der Vollautonomie, die im Wahlkampf der Landtagswahlen 2013 den neuen Diskurs rund um die Selbstbestimmung dominierte, zur Gänze wegließ, konzentrierte sich die SVP längs der territorialen Dimension auf die Kooperation der Landesteile im Rahmen des Europäischen Verbundes Territorialer Zusammenarbeit (EVTZ). Ihre Absicht ist es, so viel wie möglich europäische Richtlinien direkt in Landesgesetze umzuwandeln und somit der „häufig sehr bürokratischen und eigenwilligen italienischen Gesetzgebung“ zu entgehen. Bei der ökonomischen Dimension forderte die SVP einerseits eine gerechte europäische Wirtschaftspolitik sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen, andererseits aber keine Lähmung der Wirtschaft und vor allem die Unterstützung für (Südtiroler) Unternehmen. Was die Europäische Konfliktlinie betrifft, so positioniert sich die SVP klar für eine stärkere Integration Europas, also für die Verlagerung von mehr Kompetenzen auf die europäische Ebene (+16%). Europa wird dabei mit beiden Dimensionen des Parteienwettbewerbs verbunden. Einerseits erhofft sich die SVP durch Europa mehr Dezentralisierung und andererseits steht sie für eine Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes. Auch die Agenda der Minderheiten wird sehr stark mit einer Kompetenzverlagerung der Europäischen Union in Verbindung gebracht.

Die Freiheitlichen: Obwohl am Beginn des Programms der Freiheitlichen die Selbstbestimmung Südtirols (Freistaat) und der anderen „europäischen Völker, die um die Eigenständigkeit ringen – Schotten, Flamen, Katalanen, Venezier“ (dF 2014, 1) gefordert wird, zentriert sich das Wahlprogramm der Freiheitlichen quasi ausschließlich auf ökonomische issues (49 %). Die Debatte um den Freistaat scheint nur ein Slogan geblieben zu sein, da die Dimension der Dezentralisierung im Gegensatz zur SVP kaum angesprochen wird (7 %). Würden die Freiheitlichen nicht auf Themen wie die „Begrenzung der Einwanderung“ oder die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehen setzen, würde ihren ökonomischen Ansichten nach ihr Europawahlprogramm dem einer linksliberalen Partei nahe kommen. Themen wie die Sicherung der Rechte der ArbeiterInnen, Marktregulierung, Ablehnung der Privatisierung öffentlicher Dienste und der neoliberalen Privatisierungspolitik sind den ökonomischen Forderungen der weiter unten beschriebenen Lista Tsipras sehr ähnlich. Im Hinblick auf die Politisierung Europas können die Freiheitlichen eindeutig als euroskeptische Partei eingestuft werden. Neben der euroskeptischen Einstellung sprechen sie sich im Gegensatz zur SVP, die Kompetenzverlagerungen verschiedener policies auf die europäische Ebene befürwortet, mehrheitlich für die Rückverlagerung von Kompetenzen auf die (sub-)staatliche Ebene aus (– 25 %). Wegweisend gilt dafür folgender Satz am Beginn ihres Programms: „Es sind sämtliche Anstrengungen zu unternehmen, um den Brüsseler Zentralismus umzukehren und die Gesetzgebung wieder stärker auf die Länder und Regionen zu verlagern, die viel besser auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingehen können.“

Partito Democratico/Lista Tsipras: Obwohl der Wahlkampf europaweit von den Sezessionsbestrebungen in Schottland und Katalonien begleitet wurde und in mehreren italienischen Regionen wie Südtirol, Sardinien und vor allem im Veneto sezessionistische Kräfte im Auftrieb waren, konzentrierten sich die beiden staatsweiten Listen vor allem auf die Wirtschaftskrise und gaben dem Thema der Dezentralisierung in ihren Programmen überhaupt keinen Platz. Bei der ökonomischen Dimension, die in beiden Programmen dominiert (PD 43 % und Tsipras 37 %), sprechen sich beide Parteien gegen die Austerity-Politik innerhalb der EU aus und die Schaffung von Arbeitsplätzen nimmt in beiden Programmen einen zentralen Stellenwert ein. Obwohl sie in ihren Programmen mehr über europäische policies sprechen als die beiden Südtiroler ethnoregionalen Parteien, stellt die Verlagerung von Kompetenzen auf die verschiedenen Ebenen für die staatsweiten Parteien ein marginales Thema dar. Mit Ausnahme der europäischen Außenpolitik, die nach den beiden Parteien mehr Integration erfordert, scheinen sie mit der aktuellen politisch-wirtschaftlichen Integration Europas zufrieden zu sein. Insgesamt können sie als „europhile“ Parteien klassifiziert werden.

Resümierend kann man feststellen, dass die nationalen Parteien ihre Themen fast ausschließlich in einen europäischen Kontext setzen, während die beiden ethnoregionalen Parteien, die SVP allerdings weit mehr als die Freiheitlichen, programmatisch den regionalen Kontext betonen. Was die Strategien der einzelnen Parteien betrifft, so setzt die SVP eindeutig ihre Taktik einer (ethnischen) Nischenpartei (Meguid 2008; Tronconi 2009) fort, da sie neben der Akzentuierung des regionalen Kontextes als einzige Partei die Konfliktlinie Zentrum – Peripherie zur zentralen Dimension ihres Programms macht. Obwohl sich die Freiheitlichen mit der Freistaatsdebatte dazu positionieren, überwiegt wie bei den nationalstaatlichen Parteien die ökonomische Dimension in ihrem Programm. Während die europäische Dimension und die Verlagerung von Kompetenzen auf die supranationale Ebene in der deutschsprachigen Arena zu einer Konfliktlinie geworden ist, ignorieren die nationalstaatlichen Parteien dieses Thema in ihren Programmen.

3. Die Rahmenbedingungen der EU-Wahlen in Südtirol1

Von jenen ethnoregionalen Parteien Südtirols, die sich seit Anbeginn an den EU-Wahlen beteiligt haben, ist lediglich die Südtiroler Volkspartei (SVP) seit 1979 ununterbrochen im EU-Parlament vertreten. Diese Kontinuitäten kann neben der SVP lediglich die Scottish National Party (SNP) aufweisen, die ebenfalls seit 1979 erfolgreich ist (Pallaver 2007). Wenn die SVP als ethnoregionale Partei seit 1979 im EU-Parlament vertreten ist, so hängt dies ganz wesentlich vom Wahlsystem ab, andernfalls wäre es bei ihrem durchschnittlichen WählerInnenanteil von 0,5 % auf gesamtitalienischer Ebene nicht möglich, die in Italien geltende Vier-Prozent-Hürde zu überspringen.

3.1 Wahlgesetz

Das italienische Wahlgesetz von 1979 zum Europäischen Parlament sieht für ethnische Minderheiten im Rahmen des geltenden Verhältniswahlsystems eine Ausnahmeregelung vor (vgl. Legge 1979): Wer eine Liste zu den EU-Wahlen einreicht, muss diese von 30.000 bis 35.000 Wahlberechtigten unterschreiben lassen (Art. 12). Davon ausgenommen sind jene Parteien, die in der Legislaturperiode, in der die Wahl zum Europäischen Parlament stattfindet, in mindestens einem der beiden Häuser des italienischen Parlaments eine eigene Fraktion bilden oder zumindest mit einem politischen Vertreter in einem der beiden Häuser oder im Europäischen Parlament vertreten sind (Art. 12). Bereits diese Eingangshürde bringt der SVP einen Startvorteil, da sie im Gegensatz zu den anderen ethnoregionalen Parteien Südtirols im römischen wie auch im Europäischen Parlament vertreten ist.

Das italienische EU-Wahlgesetz nimmt ausdrücklich auf drei ethnische Minderheiten Bezug, auf die französische im Aostatal, auf die deutsche in Südtirol und auf die slowenische in Friaul-Julisch Venetien. Den ethnoregionalen Parteien dieser Minderheiten wird eingeräumt, in eine Listenverbindung mit anderen Parteien zu treten (Art. 12). Wenn der Kandidat oder die Kandidatin der ethnoregionalen Partei nicht kraft eigenem Stimmenkontingent gewählt wird, so geht der letzte Platz der Liste, mit der die ethnoregionale Partei verbunden ist, an jenen Vertreter oder jene Vertreterin der Minderheit, der oder die mindestens 50.000 Vorzugsstimmen erhalten hat (Art. 22).

In der Ersten Republik (1946–1992) war die SVP immer eine Listenverbindung mit der Democrazia Cristiana (DC) eingegangen. Mit der Implosion des italienischen Parteiensystems zu Beginn der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts verlor die SVP ihren traditionellen Bündnispartner. 1994 und 1999 kandidierte die SVP in Verbindung mit dem Partito Popolare Italiano (PPI), der schwächelnden Nachfolgepartei der DC, 2004 mit der Lista Prodi, der Partei des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten. Nach der Fusion der Lista Prodi mit dem Partito Democratico (PD) ging die SVP keine Listenverbindung mit kleineren, noch existierenden christdemokratischen Parteien ein, sondern mit den Sozialdemokraten des PD (Pallaver/Atz 2009, 154). Diese Listenverbindung wurde im Rahmen eines Abkommens zwischen der SVP und dem PD im Dezember 2012 vereinbart (Accordo 2012).

Die Notwendigkeit, einen gesamtstaatlichen Bündnispartner zu finden, hat Auswirkungen auf das politische Angebot, weil dies für die kleinen ethnoregionalen Parteien Südtirols eine erhebliche Hemmschwelle und Hürde darstellt, sodass 2014 die Süd-Tiroler Freiheit wie auch die BürgerUnion auf eine Kandidatur verzichteten.

3.2 Politisches Angebot

Aufgrund dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen reduzierte sich das politische Angebot im Wahlkreis Nord-Ost, dem die Regionen Trentino-Südtirol, Venetien, Friaul-Julisch Venetien und Emilia-Romagna angehören, auf zwölf Parteien. Zur Wahl traten mit einer Ausnahme nur gesamtstaatliche Parteien an: Partito Democratico (PD), Lega Nord (LN), L’Altra Europa con Tsipras, Federazione Verdi – Green Italia, Movimento 5 Stelle, Io Cambio, Italia dei Valori, Forza Italia, Fratelli d’Italia – Alleanza Nazionale, Scelta Europea, Nuova Destra – UDC, Südtiroler Volkspartei (SVP).

Von den 12 Parteien, die zur Wahl antraten, fiel lediglich die SVP in die Minderheitenregelung des EU-Wahlgesetzes. Alle anderen Südtiroler Kandidatinnen und Kandidaten traten auf gesamtstaatlichen Listen an.

Die SVP wurde im Trentino vom Partito Autonomista Trentino Tirolese (PATT) und in Friaul-Julisch Venetien von der slowenischen Liste Slovenska Skupnost unterstützt. Außerdem wurde ihr Spitzenkandidat und scheidender EU-Abgeordneter Herbert Dorfmann als „grenzüberschreitender Kandidat“ der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino von den drei Landeshauptleuten unterstützt, auch wenn der SVP-Kandidat in Nordtirol nicht wählbar war (Dolomiten 2014).

Von den drei anderen im Südtiroler Landtag vertretenen deutschsprachigen Parteien trat keine autonom an, weil die Hürden für den Antritt mit 30.000 bis 35.000 Unterschriften schwer zu verwirklichen ist und bei einer Sperrklausel von 4 % auf nationaler Ebene die so gut wie ausgeschlossenen Erfolgschancen die Parteien von einem Antreten abgehalten haben.

Die Süd-Tiroler Freiheit sowie die BürgerUnion für Südtirol verzichteten auf eine Kandidatur, während die Freiheitlichen mit dem Landtagsabgeordneten und ihrem Ehrenobmann Pius Leitner auf der Liste der Lega Nord auf Platz zehn antraten. Im Listenzeichen der Lega Nord fand auch in Miniaturform das Logo der Freiheitlichen Platz.

Die Grünen/Verdi/Verc gingen bei den Europawahlen eine Listenverbindung mit der Bewegung L’Altra Europa con Tsipras2 ein, wobei im Tsipras-Logo kein Hinweis auf die Grünen Südtirols vorhanden war. Die grüne Kandidatin Oktavia Brugger, langjährige Journalistin für die Südtiroler Rai in Rom, Tochter des bekannten SVP-Politikers, Senator Peter und Schwester des ehemaligen SVP-Obmanns Siegfried Brugger, kandidierte auf Platz vier. Der Südtiroler Kandidat Johann Gruber auf der Liste Italia dei Valori kandidierte auf Platz neun.

3.3 Anti-Parteien-Stimmung

Südtirols Parteien sowie Kandidatinnen und Kandidaten, die sich an der EU-Wahl beteiligten, waren mit der, kurze Zeit zuvor bekannt gewordenen, privilegierten Regelung über die regionalen PolitikerInnen-Renten konfrontiert, ein politischer Skandal, der zu einem massiven Vertrauenseinbruch der Bevölkerung zu den Parteien geführt hatte (siehe den einführenden Beitrag von Günther Pallaver i. d. Band). Mit Ausnahme der bei den Landtagswahlen im Oktober 2013 neu angetretenen Parteien (z. B. Movimento 5 Stelle) waren nämlich alle anderen Parteien in den Skandal verwickelt, entweder als direkte Akteure, wenn sie der Regierungsmehrheit angehörten, oder indem sie in der Opposition ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen waren oder einfach geschwiegen hatten, wie dies die Freiheitlichen getan hatten.

Waren im Januar/Februar, bevor der Skandal ausbrach, noch 57 % der Bevölkerung im Allgemeinen mit der Politik in Südtirol „eher zufrieden“, während 31 % „eher unzufrieden“ waren, war im März die Stimmung völlig gekippt. 75 % erklärten, mit der Politik „eher unzufrieden“ zu sein, während nur mehr 17 % „eher zufrieden“ waren (Oberhofer 2014). Unter der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung kletterte die Unzufriedenheit sogar auf 82 %, während dieser bei den Italienerinnen und Italienern nur bei 47 % lag (Oberhofer 2014a).

Diese Unzufriedenheit, die Anfang Mai mit 60 % im Vergleich zum Monat März leicht abgenommen hatte, alarmierte sämtliche Parteien, die befürchteten, dass die Nicht-WählerInnen zur stärksten „Partei“ aufsteigen könnten. Denn nur 51 % gaben Anfang Mai an, sich an der EU-Wahl beteiligen zu wollen. 7 % erklärten, sich sicher nicht an der Wahl zu beteiligen, 15 % antworteten mit „eher nicht“, während 14 % keine Angaben machten. Auffällig war, dass in der Stadtbevölkerung der Anteil jener, die vom Wahlrecht Gebrauch machen wollten, höher lag als auf dem Lande. Dort erklärten 58 %, sie würden „sicher“ zur Wahl schreiten, während dieser Prozentsatz bei der Landbevölkerung nur bei 47 % lag. Mit „sicher nicht“ oder „eher nicht“ antworteten in den Städten 21 % der Befragten, auf dem Land 20 %. Die Zahl der Unentschlossenen, die angaben, eher schon zur Wahl zu gehen, lag bei der Landbevölkerung bei 18 %, in den Städten bei 10 % (Tageszeitung 2014). Der Unterschied zwischen der Stadt- und Landbevölkerung geht mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf zurück, dass die „WutbürgerInnen“ besonders unter der deutschsprachigen Wählerschaft vorhanden waren, während der Großteil der italienischen WählerInnenschaft in den Städten konzentriert ist. Immerhin hatten sich wegen der „Goldenen Politiker-Pensionen“ im April auf einer Skala zwischen 1: wenig geärgert, bis 10: viel geärgert bei einem Durchschnittswert von 8,23 % der Befragten ziemlich viele heftig geärgert (Oberhofer 2014b). Die deklarierten NichtwählerInnen begründeten ihre Nichtteilnahme an der EU-Wahl zu 32 % mit dem Rentenskandal, 24 % begründeten ihren Schritt mit dem „Vertrauensverlust in die Politik“, 15 % mit der allgemeinen Unzufriedenheit mit der politischen Situation (Tageszeitung 2014a). Den Unmut bekam die SVP beispielsweise bei der Mitgliedersammlung zu spüren, die sie erstmals in ihrer Geschichte vorübergehend aussetzte (Gonzato 2014) und schließlich von 50.000 auf 37.000 Mitglieder zurückfiel (vgl. Dolomiten 2014a).

4. Das Wahlergebnis

Für die Wahl zum EU-Parlament waren in Südtirol rund 391.000 BürgerInnen wahlberechtigt. Im Gegensatz zu den vorhergegangenen EU-Wahlen nahm 2014 die Wahlbeteiligung stark ab, lag aber immer noch um rund 10 % über dem europäischen Durchschnitt.

4.1 Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung lag im europäischen Durchschnitt bei 43,1 % und blieb im Vergleich zu den Wahlen von 2009 im Wesentlichen unverändert (+0,1 %). Im Vergleich zu den ersten EU-Wahlen 1979 nahm die Wahlbeteiligung allerdings um 18,9 % ab. Gegen den Trend lag Italien. 58,7 % waren zu den Urnen geschritten, aber es waren im Vergleich zu 2009 um 7,7 % weniger, während 1979 die Wahlbeteiligung um 26,9 % höher gelegen war (85,6 %) (Tuorto 2014).

Damit bestätigte sich neuerdings die These der EU-Wahl als second-order election. Im Gegensatz zu gesamtstaatlichen Parteien weisen laut Langzeitstudien ethnoregionale Parteien bei EU-Wahlen einen durchschnittlich höheren Mobilisierungsgrad und eine höhere Wahlbeteiligung auf. Das Interesse dieser Parteien, sich auf der europäischen Bühne zu bewegen, ist offensichtlich sehr groß, aber offensichtlich ist auch der Proportionalitätsgrad des Wahlsystems größer als etwa bei Parlamentswahlen, wo die ethnoregionalen Parteien im Vergleich zu den EU-Wahlen meist schlechtere Ergebnisse erzielen (Tronconi 2009, 37 ff.).

Während in Südtirol die Wahlbeteiligung im Vergleich zu Italien immer höher war, kam es diesmal wegen des Unmuts der Bevölkerung ihrer politischen Klasse gegenüber zu einer Trendumkehr. In Südtirol wählten 2014 lediglich 52,3 % der Wahlberechtigten, 2009 waren es noch 62,9 % gewesen, 2004 72,0 %. Innerhalb von zehn Jahren ging die Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen um 19,4 % zurück, bei jedem Urnengang um rund 10 %. 1979 lag die Wahlbeteiligung noch bei sehr hohen 90,3 %. Im Gegensatz zu den Parlamentswahlen, wo die Wahlbeteiligung in Südtirol um rund 10 % höher ist als auf gesamtstaatlicher Ebene und der Rückgang in den letzten zehn Jahren in Südtirol nur bei 3,2 % lag, befand sich der Rückgang in Gesamtitalien bei 8,4 % (Europawahl 2014).3

Tab. 2: Vergleich der Wahlbeteiligung Südtirol – Italien: EU- und Parlamentswahlen (%)

Südtirol

Italien

EU-Wahlen 1979

92,3

58,7

EU-Wahlen 2014

52,3

57,2

Differenz EU-Wahl 2014 – 2009

–10,6

–7,7

Differenz EU-Wahl 2014 – 2004

–19,4

–13,0

Differenz EU-Wahl 2014 – 1979

–38,0

–26,9

Parlamentswahlen 2014

82,1

72,2

Differenz Parlamentswahlen 2014 – 2008

–2,5

–5,3

Differenz Parlamentswahlen 2014 – 2006

–3,2

–8,4

Quelle: Ministero dell’Interno 2013; Südtiroler Bürgernetz 2014; 2013

Wenn wir die Wahlbeteiligung nach Bezirken vergleichen, so lag der Vinschgau, wo die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2009 um 14,4 % abnahm, mit 41,5 % an letzter Stelle. Unter der 50-%-Marke lagen auch das Burggrafenamt (48,8 %) und das Wipptal (48,4 %). Die höchste Wahlbeteiligung (58, 1%)und somit auch die geringsten Einbrüche bei der Wahlbeteiligung (–6,6 %) weist der Bezirk (ident mit der Stadt) Bozen auf.

Tab. 3: Wahlbeteiligung nach Bezirken (%)

2014

2009

Differenz

Bozen

58,1

64,7

–6,6

Burggrafenamt

48,8

60,7

–11,9

Eisacktal

54,8

65,2

–10,2

Pustertal

50,2

62,2

–12,0

Salten-Schlern

56,1

66,3

–10,2

Südtiroler Unterland

56,1

66,3

–10,2

Vinschgau

41,5

55,9

–14,9

Wipptal

48,4

58,7

–10,3

Quelle: Südtiroler Bürgernetz 2014

Die Gemeinde Vöran verzeichnete den stärksten Rückgang bei der Wahlbeteiligung (–19,8 %), gefolgt von den Gemeinden Villanders (–19,7 %), Feldthurns (–19,3 %) und Wengen (–19,2 %). Mit Ausnahme von Wengen waren dies Gemeinden mit hohen Wahlergebnissen für die Freiheitlichen anlässlich der Landtagswahlen (zwischen 20 und 30 %). Das lässt sich auch bei jenen Gemeinden ersehen (mit Ausnahme von Hafling), die einen Rückgang von rund 18 % zu verzeichnen hatten (Hafling, Stilfs, Unsere Liebe Frau im Walde-St. Felix). Der Rückgang der Wahlbeteiligung korreliert in der Tendenz mit dem schlechten Abschneiden der Freiheitlichen, was bedeutet, dass die freiheitlichen WählerInnen ihrer Partei wohl wegen des Rentenskandals bei dieser EU-Wahl vielfach den Rücken gekehrt haben.

4.2 Wahlergebnisse

Von den zwölf im Wahlkreis Nord-Ost angetretenen Parteien haben in Südtirol lediglich die SVP und der PD einen zweistelligen Erfolg einfahren können, alle anderen Parteien blieben unter der Zehn-Prozent-Marke. Sieben Parteien blieben unter der Fünf-Prozent-Marke, vier Parteien haben nicht einmal ein % der Stimmen erhalten.

Tab. 4: Gesamtergebnisse der EU-Wahlen 2014 in Südtirol

Parteien

Stimmen in
absoluten Zahlen

Stimmen in
Prozenten

Südtiroler Volkspartei

91.736

48,0 %

Partito Democratico

29.944

15,7 %

L’Altra Europa con Tsipras

18.948

9,9 %

Movimento 5 Stelle

16.829

8,8 %

Lega Nord

11.438

6,0 %

Forza Italia

8.995

4,7 %

Green Italia Verdi Europei

7.515

3,9 %

Fratelli d’Italia/Alleanza Nazionale

2.624

1,4 %

Nuovo Centro Destra/Unione di Centro

1.724

0,9 %

Italia dei Valori

616

0,3 %

Scelta Europea con Guy Verhofstadt

475

0,2 %

Io Cambio – MAIE

195

0,1 %

Quelle: Südtiroler Bürgernetz 2014

Südtiroler Volkspartei: Das Wahlsystem ist auch beim EU-Urnengang 2014 der Südtiroler Volkspartei entgegengekommen. Sie bleibt die einzige ethnoregionale Partei Südtirols, die es schaffte, ihren Kandidaten Herbert Dorfmann ins EU-Parlament zu wählen und ihm dadurch ein zweites Mandat zu garantieren. Mit 48,0 % der Stimmen schnitt die Volkspartei zwar um 4,1 % schlechter als 2009 ab, aber angesichts des gedrückten Klimas im Lande und der prognostizierten 42,0 % konnte die SVP mit dem Wahlergebnis überaus zufrieden sein. Bei den Landtagswahlen von 2013 war die SVP bei 45,7 % stehen geblieben.

In Südtirol erhielt die SVP 91.736 Stimmen, im gesamten Wahlkreis Nord-Ost 137.488, die meisten Stimmen außerhalb Südtirols kamen aus dem Trentino (26.402), wo die SVP mit dem PATT ein Bündnis eingegangen war.

Tab. 5: Die SVP und die Wahlen zum Europäischen Parlament 1979–2014

Jahr

Prozent

Stimmen in Südtirol

1979

62,1

163.455

1984

63,0

170.788

1989

53,0

150.760

1994

56,8

158.756

1999

56,0

139.938

2004

46,7

117.604

2009

52,1

117.685

2014

48,0

91.736

Quelle: Südtiroler Landesregierung 2014

Die SVP hatte bislang mit Ausnahme des Jahres 2004 immer die 50-Prozent-Hürde genommen, aber auch 2014 blieb sie unter der 50-Prozent-Marke. Trotz der Zunahme der Wahlberechtigten hat die SVP im Vergleich zu den ersten EU-Wahlen 1979 rund 70.000 Stimmen verloren, im Vergleich zu 2009 rund 15.000.

Herbert Dorfmann erhielt 70.000 Vorzugsstimmen, im gesamten Wahlkreis kam er auf knapp 94.000 Vorzugsstimmen. 50.000 Vorzugsstimmen hätten aufgrund des Wahlgesetzes genügt, um dank der Listenverbindung mit dem PD gewählt zu werden.

Den größten Zuspruch erhielt die SVP mit 71,9 % im Vinschgau. Im Vergleich zu den Landtagswahlen konnte sie ihr Wahlergebnis um 17,1 % verbessern. Lediglich in den Bezirken Bozen mit –7,7 % und Unterland mit –1,2 % fuhr die SVP Verluste ein.

Tab. 6: Südtiroler Volkspartei: Vergleich der EU-Wahlen mit den Landtagswahlen (%)

EU-Wahlen
2014

Landtagswahlen
2013

Differenz

Bozen

14,5

22,2

–7,7

Burggrafenamt

51,0

45,0

+6,0

Eisacktal

60,8

48,2

+12,6

Pustertal

64,9

51,6

+13,3

Salten-Schlern

68,9

60,3

+8,3

Südtiroler Unterland

45,4

46,6

–1,2

Vinschgau

71,9

54,8

+17,1

Wipptal

59,2

47,1

+12,1

Quelle: Südtiroler Bürgernetz 2014; 2013

Lediglich in zehn von 116 Gemeinden blieb die SVP unter den Wahlergebnissen der Landtagswahl, wovon die Hälfte der Gemeinden im Unterland liegen (Bozen­, Meran, Auer, Branzoll, Kurtinig, Neumarkt, Salurn, St. Christina und Wolkenstein). Dieser Trend geht auf den Stimmenzuwachs des PD zurück, der als gesamtstaatliche Partei etwa im Unterland im Vergleich zu den Landtagswahlen um 8,1 % zunahm, in Bozen um 13,5 %, im Pustertal um 13,8 %. Die Erklärung dafür könnte darin bestehen, dass italienische WählerInnen, die bei Landtagswahlen die SVP gewählt haben, bei Wahlen ohne lokalen Bezug einer gesamtstaatlichen Partei den Vorzug geben.

Liste Tsipras/Grüne: Einen Achtungserfolg erzielte Oktavia Brugger von den Grünen, die auf der Liste Tsipras kandidierte. Mit knapp 10 % kam die Liste hinter der SVP und dem PD auf Platz drei, mit knapp 16.000 (im gesamten Wahlkreis: 21.000) Vorzugsstimmen lag Brugger nur hinter Wahlsieger Dorfmann. Die Liste Tsipras schaffte mit 4,03 % knapp die Vier-Prozent-Hürde und entsandte drei Abgeordnete ins EU-Parlament, nicht aber Oktavia Brugger. Damit schnitten die Grünen mit einem Minus von einem Prozent im Vergleich zu 2004 kaum schlechter ab, allerdings sackten sie von 24.600 Stimmen auf knapp 19.000 Stimmen.

Zumindest ein Teil dieser Stimmen ging an die Liste Green Italia – Verdi Europei verloren, die in der Region Trentino-Südtirol vom Trentiner Grünen und langjährigen Abgeordneten Marco Boato angeführt wurde. Die Kandidatur der Liste war erst möglich geworden, nachdem das Kassationsgericht den vorübergehenden Ausschluss der Liste wegen der fehlenden Unterschriften aufgehoben hatte (La Repubblica 2014). Die Liste erhielt 3,9 % und rund 7.500 Stimmen und wurde von den Grünen Südtirols auf der Liste Tsipras als Störmanöver angesehen.

Tab. 7: L’Altra Europa con Tsipras (Grüne): Vergleich der EU-Wahlen mit den Landtagswahlen (%)

EU-Wahlen
2014

Landtagswahlen 2013

Differenz

Bozen

8,9

11,4

–2,5

Burggrafenamt

10,2

8,0

+2,2

Eisacktal

10,2

8,3

+1,9

Pustertal

11,2

6,9

4,3

Salten-Schlern

10,4

7,2

+3,2

Südtiroler Unterland

8,7

9,2

–0,5

Vinschgau

11,8

7,3

+4,5

Wipptal

9,2

6,5

+2,7

Quelle: Südtiroler Bürgernetz 2014; 2013

Wenngleich die Liste Tsipras nicht automatisch auch mit den Grünen Südtirols in Verbindung gebracht wurde, erscheint ein Vergleich zwischen den EU-Wahlen und den Landtagswahlen durchaus sinnvoll, zumal Oktavia Brugger als starke Kandidatin angesehen und von den Südtiroler Medien dementsprechend behandelt wurde.

Mit Ausnahme von Bozen (–2,5 %) und dem Unterland (–0,5 %) hat Tsipras im Vergleich zu den Ergebnissen der Grünen bei den Landtagswahlen in allen Bezirken zugelegt, am stärksten im Vinschgau mit 4,5 % und im Pustertal, im „Heimatbezirk“ der Kandidatin (bzw. ihres Vaters) mit 4,3 %. Tsipras konnte in fünf Gemeinden über 15 % der Stimmen erzielen (Bruneck, Olang, Pfalzen, Schluderns, St. Ulrich), in Schnals sogar 17,6 %. Es gab nur eine Gemeinde, in der Tsipras keine einzige Stimme erhielt, und das war die Gemeinde Waidbruck.

Die Freiheitlichen: Die größten Wahlverlierer waren die Freiheitlichen mit ihrem Kandidaten Pius Leitner auf der Liste der Lega Nord. Bei den Landtagswahlen mit 17,9 % und sechs Mandaten noch als die großen Wahlsieger gefeiert (Atz/Pallaver 2014), wurde die Partei wegen des Rentenskandals und einer internen Erotik-Affäre4 von den Wählerinnen und Wählern abgestraft. Die Lega Nord erhielt in Südtirol 6,0 % der Stimmen, Pius Leitner 6.222 Vorzugsstimmen, während er bei den Landtagswahlen 32.242 erhalten hatte. Das ist ein Verlust von rund 80 % der Stimmen. Das stark negative Abschneiden bei den EU-Wahlen führte zum Rücktritt des gesamten Parteivorstandes, Parteiobfrau Ulli Mair wurde durch Walter Blaas ersetzt (Tageszeitung 2014b).

Tab. 8: Lega Nord mit dem Listenzeichen der Freiheitlichen/Vergleich der EU-Wahlen mit den Landtagswahlen (%)

EU-Wahlen
2014

Landtagswahlen
2013

Differenz

Bozen

5,3

4,4

+1,1

Burggrafenamt

7,0

20,5

–13,5

Eisacktal

6,9

25,8

–18,9

Pustertal

5,9

24,1

–18,2

Salten-Schlern

5,2

20,0

–14,8

Südtiroler Unterland

6,2

14,4

–8,2

Vinschgau

4,5

22,9

–18,4

Wipptal

7,0

18,8

–11,8

Quelle: Südtiroler Bürgernetz 2014; 2013

Mit Ausnahme von Bozen (+1,1 %) haben die Freiheitlichen in allen Bezirken starke Verluste erlitten. Die höchsten waren im Eisacktal (–18,9 %) und im Pustertal (–18,2 %) zu verzeichnen. In rund 25 Gemeinden haben die Freiheitlichen 20 % und mehr verloren, in Terenten waren es 28,5 %.

Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass der Südtiroler Kandidat Johann Gruber auf der Liste Italia dei Valori (0,3 %) 183 Vorzugsstimmen erhalten hat.

Kandidatinnen und Kandidaten – Vorzugsstimmen: Der Wahlkreis Nord-Ost, in dem sich Südtiroler Kandidatinnen und Kandidaten um Stimmen für ihre Liste und Vorzugsstimmen für ihre Person eingesetzt haben, umfasst die Regionen Trentino-Südtirol, Venetien, Friaul-Julisch Venetien und Emilia-Romagna. Wie wichtig Allianzen mit anderen Parteien im Wahlkreis sind, zeigt sich bei der SVP. Die Unterstützung durch den PATT im Trentino hat Dorfmann in der Nachbarprovinz neben seinen 70.000 Vorzugsstimmen in Südtirol weitere 16.500 Stimmen gebracht. Bei der ersten Kandidatur Dorfmanns 2009 wurde der Kandidat der SVP zwar ebenfalls vom PATT unterstützt, blieb aber mit rund 700 Stimmen weit hinter dem Ergebnis von 2014 zurück. Der Aufruf von Ugo Rossi, Landeshauptmann des Trentino und Exponent des PATT, bei der Wahl 2014 Dorfmann als Kandidaten auch des Trentino im Rahmen der Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino zu unterstützen, hat Wirkung gezeigt. Dadurch konnte Dorfmann sein Gesamtergebnis von 2009 um knapp 10.000 Stimmen verbessern, wenngleich er in Südtirol rund 13.000 Stimmen einbüßen musste. Im Veneto erhielt Dorfmann immerhin noch rund 6.000 Vorzugsstimmen.

Oktavia Brugger kam im Wahlkreis auf rund 21.000 Vorzugsstimmen, mehr als Kusstatscher bei den EU-Wahlen 2009 erhalten hatte, wenngleich Brugger in Südtirol etwas hinter Kusstatscher vor fünf Jahren blieb. 2009 hatte nicht nur Kusstatscher als Grüner auf der Liste von Sinistra Ecologia e Libertà (SEL), sondern auch Renate Holzeisen kandidiert. Holzeisen fuhr mit 11.961 ein respektables Ergebnis ein, aber für ein Mandat reichte es für beide nicht.

Pius Leitner, der mit dem Logo der Freiheitlichen auf der Liste der Lega Nord kandidierte, erhielt fast genau 6.000 Stimmen und lag somit weit hinter seinem persönlichen Vorzugsstimmenergebnis der Landtagswahlen mit rund 37.000 Stimmen.

Tab. 9: Kandidaten und Vorzugsstimmen 2014 – 2009

Herbert Dorfmann

Oktavia Brugger

Sepp Kuss­tatscher

Renate Holzeisen

Pius Leitner

2014

2009

2014

2009

2009

2014

Südtirol

70.291

83.007

15.787

16.542

11.961

6.054

Trentino

16.588

732

1.483

800

408

460

Friuli

653

70

613

232

90

44

Veneto

6.335

512

1.906

314

272

208

Emilia-Romagna

90

40

1.571

381

302

76

Summe

93.957

84.361

21.360

18.269

13.033

6.842

Quelle: Ministero dell’Interno 2015; 2014; 2009

Vergleich mit den Parlaments- und Landtagswahlen: Neben dem Abschneiden der rein regionalen Parteien und ihrer Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten interessierte am EU-Urnengang auch der Vergleich mit den Parlamentswahlen vom Februar 2013 und den Landtagswahlen vom Oktober 2013.

Die von einer Reihe von Skandalen und internen Querelen geplagte SVP (Hinterwaldner 2013, Innerhofer 2013) konnte sich innerhalb von drei Urnengängen elektoral wieder stabilisieren. Bei den Parlamentswahlen kam sie auf 44,2 % der Stimmen, bei den Landtagswahlen auf 45,7 und bei den EU-Wahlen auf 48 %. Das Gegenteil erlebten die Freiheitlichen, die bei den Parlamentswahlen nicht angetreten waren, aber, wie vorher dargelegt, bei den EU-Wahlen eine schwere Niederlage erlitten. Der PD hatte bei den Parlamentswahlen 9,5 % erzielt, wurde bei den darauf folgenden Landtagswahlen mit 6,7 % stark enttäuscht, konnte aber auf der Welle von Ministerpräsident Matteo Renzi bei den EU-Wahlen 15,7 % der Stimmen erzielen.

Die Grünen waren bei den Parlamentswahlen in einer Listenverbindung mit der Linkspartei Sinistra Ecologia e Libertà (SEL) angetreten und hatten 5,2 % erzielt, kamen bei den Landtagswahlen auf 8,7 % und bei den EU-Wahlen in Verbindung mit der Liste Tsipras auf 9,9 %. In diesem Sinne weisen auch die Grünen eine positive Entwicklung auf.

Tab. 10: Wahlergebnisse der EU-Wahlen in Südtirol (%)

Parteien

EU-Wahl

Mai 2014

Landtagswahlen

Oktober 2013

Parlamentswahlen

Februar 2013

Südtiroler Volkspartei

48,0

45,7

44,20

Die Freiheitlichen

1

17,9

15,90

Grüne/Verdi/Verc

9,92

8,7

5,24

Partito Democratico

15,7

6,7

9,50

Lega Nord

6,0

3

0,90

Forza Italia

4,7

2,53

6,75

Movimento 5 Stelle

8,8

2,5

8,30

Quelle: Südtiroler Bürgernetz 2015

1 Kandidatur auf der Liste der Lega Nord

2 Kandidatur in Verbindung mit der Liste L’Altra Europa con Tsipras

3 Gemeinsame Kandidatur von Forza Alto Adige-Lega Nord-Team Autonomie

4 Kandidatur mit der Liste SEL (Sinistra Ecologia Libertà)

5 Kandidatur als Il Popolo delle Libertà

Forza Italia, damals noch Il Popolo della Libertà, war bei den Parlamentswahlen auf 6,7 % gekommen, bei den Landtagswahlen in Koalition mit der Lega und einer lokalen Liste auf bescheidene 2,5 %, um bei den EU-Wahlen mit 4,7 % etwas besser abzuschneiden. Die neue Protestpartei Movimento 5 Stelle war bei den Parlamentswahlen erstmals auf gesamtstaatlicher Ebene angetreten und hatte völlig überraschend 25,5 % der Stimmen erhalten. Dieser Erfolg stellte sich in Südtirol nicht ein, wo die Grillo-Partei lediglich auf 8,3 % kam. Bei den Landtagswahlen reichte es gerade für 2,5 %, während die EU-Wahlen die 5-Sterne-Bewegung mit 8,8 % auf das Südtirol-Level der Parlamentswahlen brachten. Offensichtlich besitzt die Protest-Bewegung von Beppe Grillo in Südtirol nicht dieselbe Attraktivität wie im Rest Italiens (Ministero dell’Interno 2014).

4.3 Abgeordnete aus Südtirol im EU-Parlament

Seit den ersten Wahlen im Jahre 1979 ist Südtirol immer durch einen Abgeordneten der SVP im EU-Parlament vertreten. Die Grünen waren in den bislang acht Legisla­turen viermal erfolgreich. Die anderen VertreterInnen aus Südtirol waren weniger aus heimischer Stärke, sondern dank der gesamtstaatlichen Stimmenverrechnung ins EU-Parlament gekommen.

Tab. 11: Südtirols EU-Abgeordnete 1979–2014

Jahr

Partei

Namen

1979

Südtiroler Volkspartei

Joachim Dalsass

Partito Comunista Italiano/KPI

Anselmo Gouthier

1984

Südtiroler Volkspartei

Joachim Dalsass

1989

Südtiroler Volkspartei

Joachim Dalsass

Federazione dei Verdi/Grüne

Alexander Langer

Movimento Sociale Italiano-Destra Nazionale

Pietro Mitolo (1992–1994)

1994

Südtiroler Volkspartei

Michl Ebner

Federazione dei Verdi/Grüne

Alexander Langer (1994–1995)

1999

Südtiroler Volkspartei

Michl Ebner

Federazione dei Verdi/Grüne

Reinhold Messner (parteilos)

2004

Südtiroler Volkspartei

Michl Ebner

Federazione dei Verdi/Grüne

Sepp Kusstatscher

Uniti nell’Ulivo per l’Europa

Lilli Gruber (2004–2008)

2009

Südtiroler Volkspartei

Herbert Dorfmann

2014

Südtiroler Volkspartei

Herbert Dorfmann

Quelle: Südtiroler Landesregierung 2013 und eigene Ergänzungen

Die EU-Abgeordneten der SVP zeichnen sich durch eine relativ lange Parlamentskarriere aus. Joachim Dalsass (1979–1994) wurde dreimal ins Parlament gewählt, genauso wie Michl Ebner (1994–2009). Sein Nachfolger Herbert Dorfmann wurde 2014 zum zweiten Mal bestätigt. Alle anderen Abgeordneten aus Südtirol verbrachten maximal eine Legislaturperiode im EU-Parlament. Lediglich Alexander Langer wurde zweimal gewählt, der aber ein Jahr nach seiner Wiederwahl freiwillig aus dem Leben schied. Auch die Anzahl der erfolgreichen Parteien hält sich in Grenzen. Neben der SVP entsandten die Grünen Abgeordnete ins EU-Parlament, der PCI und dessen Nachfolgepartei l’Ulivo sowie der MSI. Die SVP war in allen acht Legislaturen im EU-Parlament vertreten, die Grünen viermal, der PCI/L’Ulivo und der MSI jeweils einmal.

5. Die SVP und die ethnoregionalen Parteien im EU-Parlament 2014

Bei den EU-Wahlen haben insgesamt 13 ethnoregionale Parteien aus acht EU-Mitgliedsländern Abgeordnete ins EU-Parlament entsandt (siehe Tabelle 11). Von diesen acht Ländern gehören fünf den „alten“ (Belgien, Finnland, Italien, Spanien, Vereinigtes Königreich), drei den „neuen“ (Bulgarien, Litauen, Rumänien) Mitgliedsländern an. Es haben auch noch weitere ethnoregionale Parteien kandidiert, aber den Einzug ins EU-Parlament nicht geschafft. Dazu gehören unter anderem die Bayernpartei in Deutschland (auch wenn deren ethnischer Charakter zu hinterfragen wäre), die Alliance des régionalistes, écologistes et progressistes des Outre-mer régions et peuples solidaires in Frankreich, oder der Open Vlaamse Liberalen en Democraten in Belgien (Winkelmann/Onken 2015, 106). Von den ethnoregionalen Parteien im aktuellen EU-Parlament sind lediglich die SVP und die Scottish National Party seit den ersten Wahlen 1979 ununterbrochen im EU-Parlament vertreten.

Die ethnoregionale Parteienfamilie ist vor allem durch ihre ideologisch-programmatische Heterogenität gekennzeichnet. Außer der WählerInnenbasis, die sich durch ihre identitäre Differenz zur Mehrheitsbevölkerung unterscheidet, und dem Selbstverständnis dieser Parteien, die sich als Vertreter von Interessen ethnischer und sprachlicher und kultureller Minderheiten verstehen, lassen sich kaum weitere Gemeinsamkeiten feststellen.

Von der Typologie der ethnoregionalen Parteien her betrachtet finden wir protektionistische (z. B. Demokratische Union der Ungarn in Rumänien), autonomistische (z. B. SVP) genauso wie sezessionistische und irredentistische Parteien (z. B. Sinn Féin). Auf der Links-Rechts-Achse lassen sich die meisten ethnoregionalen Parteien dem politischen Zentrum zuordnen, wie dies auch für die SVP der Fall ist. Auch die Haltung gegenüber der EU ist unter diesen Parteien nicht einheitlich. Während die Lega Nord (wobei auch deren ethnoregionaler Charakter zu hinterfragen wäre) und der Vlaams Belang als rechtspopulistische Parteien eindeutige Anti-EU-Positionen vertreten, befürworten die meisten anderen den europäischen Integrationsprozess aus Gründen der EU-Förderung ihrer Region oder weil dadurch der Nationalstaat geschwächt werden kann (ebda, 108). Zu dieser Gruppe zählt auch die SVP (Scantamburlo/Pallaver 2015). Die Befürwortung der Integra­tion kommt auch von den ethnoregionalen Parteien aus dem Mitte-links-Lager, auch wenn sie Kritik an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU üben.

Tab. 12: Ethnoregionale Parteien im EU-Parlament nach der Europawahl 2014

Land

Partei

Politische Ausrichtung

Fraktions­zugehörig­keit im EP

Landesweites Ergebnis

+/–
2009

Anzahl Mandate

+/–
2009

Belgien

Vlaams

Belang (VB)

Rechtspopulistisch/rechtsextrem

Fraktionslos

4,1 %

–5,8

1

-1

Nieuw-Vlaamse Alliantie

(N-VA)

Konservativ-liberal

Jetzt EKR (2009-14, Grüne/EFA)

16,4 %

+10,3

4

+3

Bul­garien

Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS/ДПС)

Liberal (Vertreterin der türkischen Minderheit)

ALDE

17,3 %

+3,2

4

0

Finnland

Schwedische Volkspartei (SFP, RKP)

Liberal

ALDE

6,8 %

+0,7

1

0

Italien

Lega Nord (LN)

Rechts­populistisch

Fraktionslos (2009–2014, Europa der Freiheit und der Demokratie)

6,2 %

–4,0

5

–4

Südtiroler Volkspartei (SVP)

Konservativ

EVP

0,5 %

0

1

0

Litauen

Wahlvereinigung der Polen Litauens (LLRA)

Konservativ (Vertreterin der polnischen Minderheit)

EVP

8,1 %

–0,3

1

0

Rumänien

Dem. Union der Ungarn in Rumänien (UDMR)

Konservativ-liberal (Vertr. der ungarischen Minderheit)

EVP

6,3 %

–2,6

2

-1

Spanien

Coalition Los Pueblos Deciden (LPD)

Links-alternativ

Grüne/EFA (2009–2014, 1 Sitz für Linke/NGL)

2,1 %

Ca.

–4,0

1

-2

Coalición por Europa (CpE)

Konservativ-liberal

2 Sitze ALDE 1 Sitz für EVP

5,4 %

+0,3

2

+1

Vereinigtes

Königreich

Scottish National Party (SNP)

Mitte-links

Grüne/EFA

2,4 %

+0,3

2

0

Plaid Cymru (PC)

Mitte-links

Grüne/EFA

0,7 %

–0,1

1

0

Sinn Féin (SF)

Links-nationalistisch

Linke/NGL

0,7 %

0

1

0

Quelle: Europäisches Parlament, zitiert nach Winkelmann/Onken 2014, 109

Die EU-Wahlen haben keinen einheitlichen Trend hinsichtlich des WählerInnenkonsenses ethnoregionaler Parteien aufgezeigt. Von den 13 Parteien haben sechs Verluste gegenüber den Wahlen 2009 verbuchen müssen. Bei zwei Parteien, nämlich bei der SVP und Sinn Féin, sind keine nennenswerten Veränderungen eingetreten, während bei den restlichen fünf, wie etwa bei der Lega Nord oder beim Vlaams Belang, starke Verluste zu verzeichnen waren. In einem Vergleich dieser Parteien lässt sich feststellen, dass die jeweiligen nationalen Bedingungen für den Wahlerfolg auf europäischer Ebene ausschlaggebend waren, nicht gesamteuropäische politische Dimensionen (Winkelmann/Onken 2015, 111).

Im EU-Parlament 2014–2019 sind insgesamt 26 Abgeordnete ethnoregionaler Parteien vertreten. Obgleich mit der Gründung der European Free Alliance (EFA) ein Verbund europäischer Regionalparteien entstanden ist (Riedel 2009, 9), die bei der Grünen Fraktion im EU-Parlament ein Gastrecht erhalten hat, weil sie sonst aus eigener Kraft nicht den Status einer eigenen Fraktion erreichen würde, sind längst nicht alle VertreterInnen dieser Parteien in der EFA organisiert. Die 13 VertreterInnen verteilen sich auf fünf der sieben Fraktionen, die sich nach der Wahl 2014 gebildet haben. Die Lega Nord und der Vlaams Belang sind derzeit fraktionslos, während kein Abgeordneter der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im EU-Parlament angehört, auch wenn etwa der SVP-Abgeordnete Herbert Dorfmann über eine Listenverbindung mit dem PD, der stärksten Gruppe in der sozialdemokratischen Fraktion, gewählt worden ist. Dorfmann ist Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und hat sich der österreichischen Delegation angeschlossen (EVP-Fraktion 2014). Dadurch weist die SVP in ihrer Fraktionszugehörigkeit eine doppelte Besonderheit auf.

6. Resümee

Die SVP ist neben der Scottish National Party (SNP) die einzige ethnoregionale Partei, die seit Einführung der Direktwahl 1979 im Europäischen Parlament vertreten ist. Diesen Erfolg konnte die SVP bei der Wahl im Mai 2014 bestätigen. Dieser Erfolg hängt unter anderem auch vom italienischen EU-Wahlgesetz mit der Sonderregelung für ethnische Minderheiten ab, wovon die SVP seit jeher im Wettbewerb mit anderen ethnoregionalen Parteien Südtirols profitiert. Der dadurch ermöglichte Eintritt in die „supranationale Gelegenheitsstruktur“ hat die positive Haltung der SVP gegenüber der EU nachhaltig und positiv beeinflusst und ihre Position im Parteienwettbewerb bei den Europawahlen gestärkt. Die Analyse der Wahlprogramme hat gezeigt, dass die nationalen Parteien (PD, Lista Tsipras) fast ausschließlich ihre Themen in einen europäischen Kontext setzen, während die SVP mit 20 % doppelt so stark wie die Freiheitlichen auch die regionale Ebene mit einbezieht. Die politische Bruchlinie zwischen den deutschsprachigen Parteien Südtirols lässt sich in der Zwischenzeit auch an ihrer positiven oder skeptischen bis negativen Haltung gegenüber der Europäischen Union verorten sowie an der Befürwortung oder Ablehnung der Verlagerung von Kompetenzen auf die supranationale Ebene. Obwohl die nationalstaatlichen Parteien ihre Themen stärker in den europäischen Kontext setzen, strukturieren sie den Wettbewerb quasi ausschließlich entlang der ökonomischen Konfliktlinie und ignorieren weiterhin die europäische Dimension des Wettbewerbs.

Die EU-Wahl war stark von den „innenpolitischen“ Debatten rund um den Rentenskandal geprägt, der das Vertrauen der BürgerInnen in die Politik stark reduziert hat. Dieser Vertrauensverlust drückte sich in der stark zurückgegangenen Wahlbeteiligung aus. Während die SVP davon kaum berührt wurde und ihr Wahlergebnis im Vergleich zu den Landtagswahlen verbessern konnte, erlitten die Freiheitlichen starke Einbußen. Während auf gesamteuropäischer Ebene davon ausgegangen wird, dass vor allem in Krisenländern, in denen populistische Parteien erfolgreich sind, ethnoregionale Parteien Stimmen gegenüber vorhergegangenen EU-Wahlen verlieren, ist diese Vorhersage in Südtirol nicht eingetreten. Die populistischen Parteien, die Lega Nord, vor allem aber ihr Südtiroler Partner die Freiheitlichen, haben der einzigen kandidierenden ethnoregionalen Konkurrenzpartei in Südtirol nicht zusetzen können, sondern haben starke Verluste hinnehmen müssen. Damit wird die These bestätigt, dass weniger die europäische Dimension, sondern die jeweilige politische und soziale Situation in den einzelnen Nationalstaaten und Regionen, in unserem Fall in der Provinz Bozen, für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich zeichnen.

Anmerkungen

1 Dieses Kapitel deckt sich in Teilen mit demselben Kapitel im Beitrag von Scantamburlo/Pallaver 2015.

2 Die Liste Tsipras ist eine linke italienische Liste, die sich anlässlich der EU-Wahlen gebildet hat, um die Kandidatur von Alexis Tsipras zu unterstützen. Tsipras ist der Vorsitzende der griechischen Partei Syriza, war Kandidat für die Präsidentschaft der EU-Kommission und ist seit Jänner 2015 griechischer Ministerpräsident.

3 In der Europaregion Tirol war Tirol mit 31,2 % Wahlbeteiligung das Schlusslicht bei den EU-Wahlen, gefolgt von Südtirol mit 52,3 und dem Trentino mit 53,1 %.

4 Parteifreunde hatten dem F-Landtagsabgeordneten Sigmar Stocker 2012 mehrere Erotik-Utensilien geschenkt. Den Kassa-Beleg aus dem Beate-Uhse Geschäft hatte die Finanzpolizei bei einer Kontrolle der Fraktionen im Landtag unter den Belegen für die Verwendung der Fraktionsgelder gefunden. Vgl. Oberhofer (2014c).

Literaturverzeichnis

Accordo (2012). Accordo tra i partiti del PD e della SVP, Roma, 12 dicembre 2012.

Gómez, Braulio/Alonso, Sonia/Cabeza, Laura (2013). Measuring Centre-Periphery Preferences: The Regional Manifestos Project, in: Regional and Federal Studies, 23, 189-211

Alonso, Sonia/Volkens, Andrea/Gómez, Braulio (2012). Análisis de Contenido de Textos Políticos. Un enfoque cuantitativo (Cuadernos Metodológicos, 47), Madrid: Centro de Investigaciones Socioló­gicas (CIS)

Atz, Hermann/Pallaver, Günther (2014). Die Normalisierung Südtirols, in: Pallaver, Günther (Hg.) Politika­ 14. Jahrbuch für Politik/Annuario di politica/Anuar de politica (Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft/Società di Scienza Politica dell’Alto Adige/Sozietà de scienza pulitica de Sudtirol), Bozen: Raetia/Nomos, 149-194

Budge, Ian/Fairlie, Dennis (1983). Party Competition: Selective Emphasis or Direct Confrontation? An Alternative View with Data, in: Daalder, Hans/Mair, Peter (Hg.), Western European Party Systems, Beverly Hills CA-London: Sage, 267-271

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Abstracts

Elezioni europee in Alto Adige: nessuna breccia per le posizioni antieuropeiste

La Svp, insieme allo Scottish National Party, è l’unico partito etno-regionale rappresentato nel parlamento europeo dall’introduzione dell’elezione diretta nel 1979. La Svp ha potuto confermare questo successo in occasione delle elezioni europee del maggio del 2014. L’analisi dei programmi elettorali indica che i partiti nazionali (Pd, Lista Tsipras) collocano i loro temi quasi esclusivamente in un contesto europeo, mentre la Svp con il 20 per cento, forte il doppio rispetto ai Freiheitlichen, inserisce nel proprio programma anche il livello regionale. La linea di demarcazione politica tra i partiti altoatesini di lingua tedesca si può tracciare anche rispetto alla loro posizione positiva, scettica o addirittura negativa nei confronti dell’Unione europea; così come rispetto all’appoggio o al rigetto della delega di competenze a livello sovranazionale. Il voto europeo è stato fortemente caratterizzato dai dibattiti “di politica interna” riguardanti lo scandalo dei vitalizi che ha fortemente ridotto la fiducia dei cittadini nella politica. In questo modo quindi è stata anche confermata la tesi secondo la quale il successo o l’insuccesso non dipendono tanto dalla sfera europea, bensì dalla situazione politica e sociale presente nei singoli stati nazionali, nel nostro caso nella provincia di Bolzano.

European elections in South Tyrol: no breaches for anti-European positions

The SVP and the Scottish National Party have been the only ethnic-regional parties represented at the European Parliament since the introduction of direct elections in 1979. The SVP succeeded in confirming this success with the European elections in May 2014. We notice from electoral plans that national parties (PD, Tsipras List) set their points almost solely within a European context, while SVP – that ranks 20% stronger than Freiheitlichen – adds to programs also the regional level. The political dividing line that separates the German-mother-tongue speaking South Tyrolean parties, can be identified in a positive, skeptical, or even negative attitude towards the European Union, as much as in a support or refusal of a delegation of powers at an supranational level. The European vote has been highly characterized by debates on “domestic policy” focusing on the scandal around life-time payments to be granted to politicians. A scandal that has heavily reduced citizens’ trust in politics. At the same time, a thesis has been reconfirmed, the one claiming that success or a lack thereof do not depend on a European dimension, but on the political and social situation present within the single national States, and in our case, inside the Province of Bolzano.