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Werner Pramstrahler

Arbeitsmarktpolitik in Südtirol: Von der ­Verwaltung des lokalen ­Arbeitsmarktes zu einer koordinierten ­„Politik der guten Arbeit“

1. Einleitung1

1.1 Der Arbeitsmarkt als institutionelle Ordnung

Arbeitsmärkte sind Gegenstand unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Forschungsdisziplinen: Ökonomische Analysen fokussieren auf die Makrozustände des Arbeitsmarktes (in erster Linie auf die Entstehung von Arbeitslosigkeit); soziolo­gisch orientierte Studien untersuchen die Interdependenzen zwischen dem Arbeitsmarkt und den gesellschaftlichen Subsystemen – Normen, Rechtssystem, Geschlechterverhältnis, Herrschafts- und Machtverteilung –, in denen dieser eingebettet ist (Übersicht mit weiteren Verweisen bei Hinz/Abraham 2005, 17 – 18). Auch die Politikwissenschaft leistet ihren Beitrag: Sie erforscht die Ausgestaltung der institutionellen Regelungen des Arbeitsmarktes und deren Auswirkungen. Institutionelle Gegebenheiten werden als ursächlich für den langfristigen Entwicklungspfad der Beschäftigung und der wirtschaftlichen Aktivität betrachtet. Das etablierte Sozialstaatsmodell, das vom Aus-und Weiterbildungssystem generierte Human- und So­zial­kapital, die Regelungsbereiche und Interaktionen der Kollektivvertrags­parteien auf betrieblicher wie überbetrieblicher Ebene sowie die Regulierung der Erwerbs­arbeit beeinflussen entscheidend nicht nur die ökonomische Performance eines Landes, sondern die durch Erwerbsarbeit vermittelten Teilhabechancen der Bevölkerung. Die Perspektive, wonach die Institutionen des Arbeitsmarktes in den Mittelpunkt gestellt werden, gewinnt im Zuge der vergleichenden Arbeitsmarktforschung an Bedeutung, wobei die stark divergierenden Arbeitsmarktentwicklungen in Europa und die Pfadabhängigkeit der Reaktionsmuster auf die seit 2008 bestehende Krise thematisiert werden.

Was sind nun Arbeitsmarktinstitutionen? Diese können als feststehende Formen und Verfahrensweisen begriffen werden, die das Verhalten der kollektiven wie individuellen Akteure bestimmen. Gesetzliche Regelungen, etablierte Aushandlungsmechanismen und soziale Konventionen beeinflussen das Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und tragen dazu bei, dass dieser einer anderen Funktionslogik unterliegt folgt als Güter- oder Geldmärkte (vgl. Boeri/van Ours 2013, 7 – 8; Bosch 2010, 649 – 652). In der wissenschaftlichen Literatur findet eine breit akzeptierte Liste von Arbeitsmarktinstitutionen Erwähnung (einführend Hinze/Abraham 2005, 47): Angeführt werden die aktive Arbeitsmarktpolitik, die Macht von Gewerkschaften und die Funktionsweise des Lohnverhandlungssystems, das Ausmaß des Beschäftigungsschutzes (Kündigungsschutz), die Arbeitslosenunterstützung, die Regelung des Zuganges sowie die Bestimmungen über den Übergang in den Ruhestand. Diese Institutionen erfüllen spezifische Funktionen, da sie festlegen, wie Austauschprozesse auf dem Arbeitsmarkt ablaufen, bei welchen Themenstellungen und innerhalb welcher Arenen kooperiert wird und mit welchen sozialen Grundrechten die Akteure auf dem Arbeitsmarkt ausgestattet sind.

1.2 Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- oder Arbeitspolitik?

Für die weiteren Ausführungen sind drei Präzisierungen notwendig:

a) Arbeitsmarktpolitik ist keineswegs ein klar umrissenes Politikfeld, sondern muss von der Beschäftigungspolitik abgegrenzt werden. Letztere hat stärker die gesamtwirtschaftlichen Gegebenheiten wie insgesamt die Nachfrage nach Erwerb(-sarbeit) im Blick (Stichwort „Arbeitsmarktpolitik“ im Gabler Wirtschaftslexikon). Die Lage auf dem Arbeitsmarkt gilt als Ergebnis des komplexen Zusammenwirkens verschiedenster arbeitsmarktpolitischer Institutionen und der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen (klassisch hierzu Schmid 1987).

b) Arbeitsmarktpolitik ist nur ein Teil dessen, was insgesamt unter Arbeitspolitik verstanden wird. Eine Besonderheit der „Ware“ Arbeitskraft besteht darin, dass sie nicht losgelöst von der sie innehabenden Person erworben werden kann.2 Das arbeitspolitische Transformationsproblem – die Umwandlung personengebundenen Arbeitsvermögens in Arbeit gegen Lohn und Anerkennung – impliziert eine Verfügbarkeit des Managements über Personen und ist somit ein eminent politischer Vorgang, der Aspekte der Macht, der Kontrolle, der Motivation und des Konsensus berührt. Die Arbeitsorganisation, die Arbeitsgestaltung, die Anforderungen, die subjektiv an Erwerbsarbeit gestellt werden, die Gratifika­tionen in Form von Vergütung und sozialer Absicherung sowie die persönlichkeitsbezogenen Auswirkungen bis hin zur Gesundheit, die die Arbeitsbedingungen im Laufe des Erwerbslebens bewirken, sind Ausdruck individueller wie gesellschaftlicher Machtressourcen.

c) Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt werden – mindestens – von folgenden gesellschaftlichen Subsystemen beeinflusst (Bosch 2010, 650 – 651):

dem Produktionssystem, das je nach Branchen- und Betriebsgrößenkomposition, technologischer Entwicklung und regionalen Spezialisierungen weitestgehend die Nachfrage nach Berufen bestimmt;

dem Innovationssystem, das sich zunehmend als eigenständiges Politikfeld etabliert,

der europäischen Geld- und der staatlichen Fiskalpolitik;

dem Bildungssystem, das die Qualifikationen der Beschäftigten generiert und aufrechterhält;

dem Wohlfahrtssystem,

der Genderordnung.

Es hat sich eingebürgert, die Arbeitsmarktpolitik grundsätzlich als integralen Bestandteil des jeweiligen national bestimmten Wohlfahrtsregimes zu verorten (vgl. Sesselmeier/Wydra-Somaggio 2012, 28 – 34). Aufbauend auf der Grundkonzeption von Esping-Andersen rücken je nach Intention der Darstellung unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund. Die folgende Übersicht orientiert sich an Amables Publikation „The diversity of modern capitalism“ (2003).3

1.3 Ein (etwas konstruierter) Versuch einer Schwerpunktsetzung

Die kursorischen Ausführungen verdeutlichen, dass eine Darstellung der Governance des nicht ausreichend klar umrissenen Politikfeldes Arbeitsmarktpolitik in Südtirol notwendigerweise oberflächlich sein muss. Bereits die Einordnung des Südtiroler Arbeitsmarktes in einen der skizzierten sozialstaatlichen Typen bereitet Schwierigkeiten:4 So weist das Bildungssystem starke Affinitäten zum konservativen mitteleuropäischen Modell auf: ein duales Ausbildungssystem mit dem Beruf als verankerter sozialer Institution; die gesamte individuelle wie kollektive rechtliche Regulierung sowie das System der sozialen Absicherung folgt hingegen den gesamtstaatlichen Vorgaben. Wichtige Indikatoren (etwa die spezifischen Beschäftigungsquoten oder die Verteilung der Beschäftigten nach Sektoren) weisen Werte auf, die durchaus mit den benachbarten österreichischen Bundesländern vergleichbar sind. Was allerdings die Selbstständigenquote betrifft, liegt deren Anteil in Südtirol auf ähnlich hohem Niveau wie der gesamtstaatliche Wert (ca. ein Viertel der Erwerbstätigen sind als Selbstständige tätig).

Es mutet paradox an: Südtirol verfügt über eine ausgebaute Arbeitsmarktberichterstattung, die umfangreiches Datenmaterial und eine Reihe von Analysen auf Grundlage der verfügbaren Verwaltungsdaten und der Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung publiziert. In den vergangenen Jahrzehnten ist zudem eine Fülle vertiefender Studien über die verschiedensten Aspekte des Arbeitsmarktes durchgeführt worden. Dennoch ist eine sozialwissenschaftliche Evaluation der lokalen Arbeitsmarktpolitik nach wie vor ein Forschungsdesiderat. Dies gilt sowohl für das gesamte Politikfeld als auch für einzelne arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Eine Darstellung der gesamten institutionellen Rahmenbedingungen der lokalen Arbeitsmarktpolitik (Polity) und der in diesem Politikfeld ablaufenden Entscheidungsprozesse (Politics) ist ebenso nicht vorhanden.5 Im Folgenden wird dargestellt, (1) innerhalb welches europäischen und nationalen Referenzrahmens lokale Arbeitsmarktpolitik erfolgt. Dazu muss zunächst dargelegt werden, was als Arbeitsmarktpolitik definiert wird. (2) Im Anschluss wird der Versuch unternommen, die unterschiedlichen Bereiche dieses Politikfeldes anhand der rezenten Mehrjahrespläne für Beschäftigungspolitik zu benennen und institutionell zuzuordnen. (3) Abschließend wird eine Zukunftsvision für eine „koordinierte Südtiroler Politik der [guten] Arbeit“ skizziert.

2. Der europäische und nationale Referenzrahmen für die lokale Arbeits­marktpolitik

2.1 Formen und Instrumente der Arbeitsmarktpolitik

Ganz klassisch lassen sich unter Arbeitsmarktpolitik „alle Bestrebungen, Handlungen und Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, zu einem hohen Beschäftigungsstand zu gelangen oder ihn zu erhalten“ (Koch/Czogalla 2004, 249) verstehen. Ebenso bewährt hat sich die Unterteilung in eine passive und eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Hauptzielsetzung der passiv-verwaltenden Arbeitsmarktpolitik ist die Gewährung von Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld, Lohnausgleichskasse, spezifische Ersatzleistungen). Die aktiv-gestaltende Arbeitsmarktpolitik ist mittlerweile zum akzeptierten Leitbild in den EU-Staaten geworden: 6 Sie zielt ab auf „die Beeinflussung von Ausmaß und Struktur von Angebot und Nachfrage, vor allem auf die Integration arbeits- und ausbildungsplatzsuchender Personen sowie auf die (Wieder-)Eingliederung Arbeitsloser oder von Arbeitslosigkeit bedrohter Personen in den Erwerbsprozess, konkret in den ersten Arbeitsmarkt und damit in reguläre Beschäftigung.“ (Stichwort „Arbeitsmarktpolitik“ im Gabler Wirtschaftslexikon). Die Beschäftigungschancen arbeitssuchender Personen und die Beschäftigungsfähigkeit7 der Erwerbsbevölkerung sollen durch aktive wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen erhöht werden.

Der aktiven Arbeitsmarktpolitik zugeordnet werden drei Kategorien von analytisch zu unterscheidenden Maßnahmenbündeln (Blancke/Schmid 2001, 99):

a) Angebotsorientierte Maßnahmen haben die Zielsetzung, die berufliche und räumliche Mobilität von Arbeitssuchenden (und Beschäftigten) zu verbessern. Sämtliche Maßnahmen der Ausbildung, Fortbildung und Umschulung sowie Betreuung gehören zu den Kernelementen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Qualifikatorischem und regionalem mismatch soll entgegengewirkt werden.

b) Nachfrageorientierte Maßnahmen enthalten Anreize für die ArbeitgeberInnen, Arbeitssuchende – insbesondere Angehörige von Problemgruppen – einzustellen. Hinzu kommen Formen öffentlich geförderter Arbeit, aber auch Bürgschaften oder gezielte Unterstützungsleistungen für Betriebe, in denen Maßnahmen zur Personalreduktion drohen. Zudem zählen Unterstützungsleistungen für ExistenzgründerInnen zu den nachfrageorientierten Maßnahmen.

c) Maßnahmen im infrastrukturellen Bereich verfolgen die Zielsetzung, die angebots- und nachfrageorientierten Programme durch die Etablierung einer arbeitsmarktnahen Infrastruktur zu flankieren. Diese besteht aus öffentlichen, öffentlich geförderten und privaten Einrichtungen. Gerade diese Infrastrukturen (z. B. Arbeitsämter, Einrichtungen der Berufsbildung, Ausbildungsstätten und Beratungseinrichtungen) sowie die Interaktionen und Kooperationen zwischen diesen gelten als Dreh- und Angelpunkt für eine effektive Arbeitsmarktpolitik auf regionaler Ebene. Zudem wäre eine Analyse dieser Maßnahmen für eine politikwissenschaftliche Untersuchung der Arbeitsmarktpolitik besonders aussagekräftig.

2.2 Die autonomiepolitischen Handlungsspielräume für eine lokale ­Arbeitsmarktpolitik

Gerade die Arbeitsmarktpolitik gehört zu den Politikfeldern, die stark in das europäische Mehr-Ebenen-System eingebunden sind. Dies gilt in besonderem Ausmaß für Südtirol: Zu den primären Kompetenzen der Autonomen Provinz Bozen gehören gemäß Artikel 8 des Autonomiestatuts „die Errichtung und Tätigkeit von Gemeinde- und Landeskommissionen zur Betreuung und Beratung der Arbeiter auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung“ sowie die „Berufsertüchtigung und Berufsausbildung“; zu den sekundären Kompetenzen gemäß Artikel 9 „die Errichtung und Tätigkeit von Gemeinde- und Landeskommissionen zur Kontrolle der Arbeitsvermittlung“ und das „Lehrlingswesen, Arbeitsbücher, Kategorien und Berufsbezeichnungen der Arbeiter“. Artikel 6 des Autonomiestatuts ermächtigt die Region, im Bereich der Sozialvorsorge und Sozialversicherung Gesetzesbestimmungen zur Ergänzung der staatlichen Vorschriften zu erlassen. Diese auf den ersten Blick unscheinbar klingenden Kompetenzen, die (mittlerweile allerdings stark infrage gestellte) Verfassungsreform von 2001 und die sukzessive vom Staat überantworteten Funktionen (1980: Arbeitsinspektorat; 1996: Aufgaben der lokalen Arbeitsämter) sowie die Autonomie hinsichtlich der Organisation der Dienste haben es ermöglicht, dass sowohl im Trentino als auch in Südtirol zwei veritable „Landessysteme der Arbeitsmarktpolitik“ entstanden sind, die sich durch eine „effiziente Kombination und ein synergetisches Ineinandergreifen von ursprünglich statuarisch unterschiedlichen Kompetenzen von scheinbar geringerem Gewicht“8 (Vergari 2004a, 15) auszeichnen.9 Die jahrzehntelange Zurückhaltung des italienischen Staates im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik und die Einsicht, dass die Governance der regionalen Arbeitsmärkte vor Ort erfüllt werden muss, hat den Rahmen dafür geschaffen, dass die beiden autonomen Provinzen eine Reihe von durchaus innovativen Maßnahmen setzen konnten, ohne die Prärogative staatlicher Politik infrage zu stellen (Vergari 2004a, 19 mit weiteren Verweisen). Ob diese Entwicklung anhält, ist derzeit mehr als fraglich. Das im Dezember 2014 verabschiedete Arbeitsmarktgesetz (183/2014 vom 10. Dezember) enthält unter anderem in Bezug auf die neue „Nationale Agentur für die Beschäftigung“ starke Elemente einer Rezentralisierung der Arbeitsmarktpolitik.10

Der Handlungsspielraum für Arbeitsmarktpolitik, über den Südtirol heute insbesondere im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik verfügt, ist nach wie vor durchaus bemerkenswert. Insbesondere seit der Verfassungsreform von 2001 wird eine regelrechte Dezentralisierung der Governance des Arbeitsmarktes konstatiert. Selbst die Entwicklungen im Arbeitsrecht sind mittlerweile Teil des europäischen Mehrebenensystems: Zum einen nimmt der Stellenwert des europäischen Rechts stetig zu, zum anderen kennzeichnet das Phänomen der subnationalen Regulierung mittlerweile weite Bereiche des italienischen Arbeitsrechts, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsmarktpolitik (resümierend am Beispiel der Autonomen Provinz Trient: Mattei 2014, 25). Dies gilt nicht nur für öffentliche Akteure: Wenngleich seit dem Jahr 1993 die Möglichkeit systematisiert wurde, innerhalb eines hierarchisch geregelten zweistufigen Kollektivvertragssystems territorial begrenzte Zusatz-Kollektivverträge abzuschließen und sich insbesondere in den 1990er-Jahren lokale verankerte konzertative Prozesse (sog. programmazione negoziata) als Instrument der regionalen und subregionalen Entwicklung durchgesetzt haben, so kann nunmehr festgehalten werden, dass die Möglichkeiten, auf Landesebene arbeitsrechtliche Maßnahmen zu setzen, insbesondere seit 2011 massiv zugenommen haben. 11 Mit Mattei (2014, 48) kann festgehalten werden, dass sich nunmehr der Schwerpunkt sowohl des Arbeitsrechts wie der kollektiven Arbeitsbeziehungen mittlerweile auf die dezentrale Ebene verlagert hat. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die sogenannte contrattazione di prossimità.12 Sie erlaubt es, unter bestimmten, weit gefassten Bedingungen (bis hin zur allumfassenden Formulierung „Disziplin des Arbeitsverhältnisses“) Abweichungen von gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen zu vereinbaren.13

Die Methode der offenen Koordinierung, ein „weiches“ Instrument der EU-Regulierung, ist am Beispiel der europäischen Beschäftigungsstrategie entwickelt worden. In den vergangenen Jahren wurde diese Form der Governance durch das Europäische Semester ergänzt (Stichwort „Arbeitsmarktpolitik“ im Gabler Wirtschaftslexikon, Muhr 2012). Eine wichtigere Rolle spielt der Europäische Rat, der – aufbauend auf dem Jahreswachstumsbericht der Europäischen Kommission – die zentralen Herausforderungen und strategischen Prioritäten festlegt. Diese Empfehlungen werden von den Mitgliedsstaaten bei der Ausarbeitung ihrer Nationalen Reformprogramme (NRP) berücksichtigt und um Nationale Jobpläne ergänzt. Seit 2012 müssen Abweichungen von diesen Empfehlungen erklärt werden (Muhr 2012). An dieser Stelle sollen zwei mit diesen Empfehlungen zusammenhängende Aspekte kurz thematisiert werden, die auch für Südtirol von Relevanz sind:

a) Die Arbeitsmarktpolitik wird der Wirtschaftspolitik, spürbar insbesondere in Form der Austeritätspolitik, untergeordnet (Muhr 2012). Was in allen europäischen Ländern gilt, entfaltet in Italien wie in anderen südeuropäischen Ländern mit einem Nachfrageproblem nach Arbeitskräften besondere Brisanz. Die emotional geführten Debatten und Ereignisse in den letzten Monaten des Jahres 2014 rund um die Verabschiedung des als Jobs Act titulierten Ermächtigungsgesetzes der Regierung Renzi sind symptomatisch: Nach wie vor werden „rigide Arbeitsmarktinstitutionen“ wie der Kündigungsschutz und die Zentralisierung des italienischen Lohnverhandlungssystems als Ursachen für die tiefe Krise des Arbeitsmarktes genannt14 und entsprechende Strukturreformen angemahnt. Diese Empfehlungen verkennen die reale Situation des Landes: Die „interne Abwertung“15 durch den „Supermarkt“ an Arbeitsvertragsformen hat zu einem Übermaß an externer Flexibilität geführt und ist mitverantwortlich für den stark segmentierten italienischen Arbeitsmarkt. Das Land befindet sich in der Produktivitätsfalle. Eine der arbeitspolitikbezogenen Ursachen hierfür ist die unzureichende Modernisierung der Arbeitsorganisation, bei der das Land europäisches Schlusslicht ist (siehe hierzu die kritische Zusammenfassung bei Antonioli/Pini 2014).

b) Auch die europäische Gesetzgebung – die immer stärker auf das materielle staatliche und substaatliche Arbeitsrecht einwirkt – folgt dem neoklassischen Modell, wenn es um die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Europäischer Union und Nationalstaaten geht. Vorgaben und Urteile der Akteure und Gerichte in Südtirol und im Trentino, die im Hinblick auf rechtliche Regelungen von öffentlichen Aufträgen mit dem Imperativ der EU, nämlich dem Konkurrenz- und Freizügigkeitsgebot, in Kollision treten und auf EU-Ebene zu entsprechenden Rechtsurteilen führen, können durchaus als Hinweise für eine Margina­lisierung des Arbeitsrechts16 im europäischen Mehrebenensystem interpretiert werden.

Angesichts der im staatlichen Vergleich guten Arbeitsmarktlage spielen einige auf europäischer Ebene kommunizierte arbeitsmarktpolitische Zielmarken eine besondere Rolle in Südtirol. Insbesondere im Falle der Finanzierungsachsen des Euro­päischen Sozialfonds (ESF) und der europäischen Strukturfonds wird auf die euro­päische Beschäftigungsstrategie Bezug genommen.17 Orientierungswirkung kommt in erster Linie den quantitativen Vorgaben hinsichtlich der Beschäftigungsquoten zu: Vorgesehen ist zum Beispiel, dass 75 Prozent der Altersklasse der 20- bis 64-Jährigen erwerbstätig sind; der Südtiroler Mehrjahresplan für die Beschäftigungspolitik 2013 – 2020 hat diesen Anteil auf 80 Prozent erhöht. Von Interesse ist, dass allerdings eine der Zielsetzungen der Europäischen Beschäftigungsstrategie, nämlich nicht alleine „mehr“ im Sinne einer quantitativen Erhöhung, sondern auch „bessere“ Arbeitsplätze im Sinne einer qualitativen Verbesserung zu schaffen, nicht als Zielvorgabe in die offiziellen Südtiroler Dokumente Eingang gefunden hat. Weitere arbeitsmarktpolitisch relevante Zielsetzungen, die sich aus der Strategie Europa 2020 ergeben, sind die Verringerung der Quote der SchulabbrecherInnen sowie die Erhöhung des Anteils der InhaberInnen von tertiären Bildungsabschlüssen (40 % der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen).

3. Die Institutionen der Arbeitsmarktpolitik in Südtirol

3.1 Die institutionelle Trennung von passiver und aktiver Arbeitsmarktpolitik

Die Tatsache, dass die passive Arbeitsmarktpolitik (nämlich die Lohnersatzleistungen) in den Kompetenzbereich einer gesamtstaatlichen Sozial- und Pensionsversicherungsanstalt fallen, nämlich des Istituto Nazionale della Previdenza Sociale (INPS), bildet die Grundlage für die institutionelle Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik in Südtirol.18 Selbst unter der Annahme einer reibungslosen administrativen Koordination – wie sie der Regelfall sein dürfte – muss festgehalten werden, dass die Maßnahmen der passiven und der aktiven Arbeitsmarktpolitik auf unterschiedliche Träger verteilt sind.19

Sämtliche Maßnahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik werden von gesamtstaatlichen Einrichtungen (in der Regel dem INPS) finanziert:

die ordentliche Arbeitslosenunterstützung „Aspi“ (Assicurazione Sociale per l’Impiego) und das Arbeitslosengeld mit verringerten Voraussetzungen (sog. „Mini-Aspi“),

die ordentliche und außerordentliche Lohnausgleichskassa („Kurzarbeitergeld“),

die Mobilität (eine besondere Form der Arbeitslosenunterstützung).20

Eine Südtiroler Besonderheit, die funktionell ein Element der passiven Arbeitsmarktpolitik ist, stellt die soziale Mindestsicherung dar.21 Sie wird aus dem Landeshaushalt – also aus Steuermitteln – finanziert. Zudem enthält sie ein Element der „Aktivierung“: Die Bestimmungen sehen vor, dass die erwachsenen Familienmitglieder nachweisen müssen, auf Arbeitssuche zu sein.

3.2 Die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik

Eine der relevantesten Quellen für die Arbeitsmarktpolitik sind die diversen Mehrjahrespläne für die Beschäftigungspolitik. Für die aktuellen arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen können die beiden Pläne 2007–2013 und 2013–2020 herangezogen werden.22 Eine Zusammenschau lässt folgende Handlungsfelder erkennen:

Abb. 3: Zusammenschau der Mehrjahrespläne für Beschäftigungspolitik 2007–2013 und 2013–2020

Bereich

Mehrjahresplan 2007– 2013

Mehrjahresplan 2013 – 2020

Erarbeitungsmodus

  • Umfangreiche Erstellung und Doku­mentation der konzeptionellen Rahmenbedingungen für lokale Arbeitsmarkt­politik
  • Unter wissenschaftlicher Begleitung des Arbeitsförderungsinstituts (AFI) in Kooperation mit dem Amt für Arbeitsmarktbeobachtung ausgearbeitet
  • Systematische Einbindung der Sozialpartner, Verwaltungen und externer Expertinnen und Experten in die Formulierung der Maßnahmen
  • Integrierter Ansatz mit Schnittstellen zu den Politikfeldern Wettbewerbsfähigkeit und Inklusion
  • Kurze Explikation der konzeptionellen Rahmenbedingungen für die lokale Arbeitsmarktpolitik
  • Beteiligungsmöglichkeit über einen Blog
  • Prüfung der eingegangenen Vorschläge durch Expertinnen und Experten der Landesverwaltung
  • Diskussion und Vertiefung in Konferenzen
  • Flankierung durch wirtschaftspolitische Maßnahmen

Ziele

  • Verbesserung der Arbeitsmarkt­vermittlung
  • Unterstützung der sozialen Einglie­derung der sozial schwachen Bevölkerungsgruppen durch berufliche ­Integration und Bildung
  • Förderung der Beteiligung von Frauen
  • Unterstützung der älteren Beschäftigten
  • Regelung der Migration
  • Förderung der Qualität der Arbeit (im Sinne regulärer und stabiler Arbeitsverträge)
  • Verbesserung der Transparenz und Analyse des Arbeitsmarktes

Beschäftigungsquote von 80 % der 20 bis 64-Jährigen

Jugendliche: Eingliederungsförderung

Unterstützung des Arbeitsmarktzuganges für sozial schwache Gruppen, Frauen und ältere abhängig Beschäftigte

Anpassungen im Bereich der Ausbildung und beruflichen Weiterbildung

Förderung von zukunftsfähigen Berufen

Gezielte Wirtschaftsförderung

Ausbau und Verbesserung der Dienste der Landesverwaltung (auch zur Verbesserung der passiven Arbeitsmarktpolitik)

Die in den Krisenjahren seit 2008 getroffenen Maßnahmen der passiven Arbeitsmarktpolitik enthalten auch Elemente der aktiven Arbeitsmarktpolitik: So soll die Zeit des verminderten Arbeitsanfalls im Zeitraum des Lohnausgleiches für Maßnahmen der beruflichen Qualifikation und beruflichen Weiterbildung genutzt werden. Die Maßnahmen des aktuell gültigen Mehrjahresplanes 2013–2020 betreffen schwerpunktmäßig die aktive Arbeitsmarktpolitik und lassen sich in angebotsorientierte, nachfrageorientierte und infrastrukturorientierte Maßnahmen unterteilen:

Abb. 4: Gliederung der Maßnahmen des Mehrjahresplanes für Beschäftigungspolitik 2013–2020 in Maßnahmen der passiven sowie der aktiven angebotsorientierten, nachfrageorientierten und infrastrukturorientierten Arbeitsmarktpolitik

Passive Arbeitsmarktpolitik

Überprüfung der Umsetzungsmöglichkeiten im Rahmen der Zuständigkeiten über ergänzende soziale Abfederungsmaßnahmen bzw. Lohnausgleich

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Angebotsorientierte Maßnahmen

  • Maßnahmen der öffentlichen Berufsausbildung
  • Berufsbildungsmaßnahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF)
  • Einführung der Lehre in der öffentlichen Verwaltung
  • Förderung des active aging und von Maßnahmen für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit älterer Beschäftigter
  • Sensibilisierung von Jugendlichen für Sommerpraktika
  • Errichtung von Fachhochschulen
  • Erhöhung der räumlichen Mobilität von jüngeren Arbeitslosen durch Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln
  • Eigene Maßnahmen für in Südtirol wohnhafte Menschen mit Migrations­hintergrund
  • Sprachkurse für Arbeitslose zur Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit
  • Subventionierung der Arbeitsverträge von Menschen mit Beeinträchtigungen
  • Sensibilisierung von Männern für Teilzeitarbeit
  • Gezielte Weiterbildungsangebote für „WiedereinsteigerInnen“
  • PendlerInnenzulage zur Förderung der räumlichen Mobilität
  • Gezielte Aufstockung der MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissen­schaften, Technik)-Fächer in den Schulen
  • Förderung der Telearbeit
  • Freiwilliges soziales und ökologisches Jahr

Nachfrageorientierte Maßnahmen

  • Sensibilisierung von Unternehmen für die Bereitstellung von Sommer­praktika
  • Ausbildungspraktika für arbeitslose Jugendliche und SchulabbrecherInnen
  • Öffnung weiterer Bereiche für Sozialgenossenschaften
  • Zuschüsse für die Eingliederung von älteren ArbeitnehmerInnen Genera­tionenpakt in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst
  • Förderungen zur Eingliederung von Arbeitslosen Erleichterungen für den Bausektor
  • Start-up-Kredit für Jugendliche zur Firmenneugründung
  • Reduzierung der Imposta Regionale Attività Produttive (IRAP-Steuer) für Betriebe mit Neueinstellungen

Maßnahmen im ­infrastrukturellen
Bereich

  • Erhöhung der Ausbildungsqualität durch Schaffung eines Landes-­Ausbildungsfonds
  • Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf insbesondere auf betrieblicher Ebene (sog. betriebsbezogene Sozialleistungen)
  • Systemanpassungen im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung mit Evaluation
  • Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen
  • Sensibilisierung für die unterschiedlichen Formen der Lehre und für Gesundheitsberufe durch institutionelle Kooperation
  • Förderung der Berufsorientierung durch Kooperation der Akteure
  • Diverse Maßnahmen im Bereich der Neuorganisation der öffentlichen Arbeitsvermittlung und Berufsorientierung, auch durch Kooperation mit privaten Trägern
  • Verstärkung der Informationstechnologie-gestützten Dienste und Qualifika­tion der ArbeitsvermittlerInnen
  • Verstärkte Zusammenarbeit von Arbeitsvermittlung und Berufsberatung
  • Zusammenlegung der Akteure im Bereich Wirtschaftsförderung
  • Vernetzung der Einrichtungen, die sich mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes auseinandersetzen
  • Stärkung der Beratungstätigkeit im Bereich des sozialen und technischen Arbeitsschutzes

Der Blick auf diesen umfangreichen Katalog verdeutlicht, dass die Arbeitsmarktpolitik in Südtirol auf unterschiedliche institutionelle Einrichtungen aufgeteilt ist, die zudem verschiedenen Ressorts zugeteilt sind: Generell werden die Maßnahmen für passive Arbeitsmarktpolitik von den Ämtern der Abteilung Arbeit, der Abteilung Soziales (Verwaltung der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol) und der gesamtstaatlichen Sozialversicherungsanstalt INPS umgesetzt. Bei den Maßnahmen für aktive Arbeitsmarktpolitik muss differenziert werden:

• Angebotsorientierte Maßnahmen fallen je nach Bereich in die Zuständigkeit unterschiedlicher Ressorts:

Stellenvermittlung und Beratung obliegen den Ämtern der Landesabteilung Arbeit, aber auch der Ausbildungs-, Studien- und Berufsberatung der Landesabteilung Bildungsförderung; wobei die Ämter unterschiedlichen Ressorts angehören;

Für die berufliche Aus- und Weiterbildung sind Ämter der beiden sprachlich getrennten Ressorts zuständig;

die Eingliederungshilfen obliegen je nach Zielgruppe unterschiedlichen Ämtern der Landesabteilung Arbeit;

für die Maßnahmen des ESF, die für die angebotsorientierte Arbeitsmarktpolitik von besonderer Bedeutung sind, ist die Landesabteilung Europa zuständig.

• Nachfrageorientierte Maßnahmen obliegen ebenso unterschiedlichen Ämtern und Ressorts:

Der Großteil der Maßnahmen fällt in die Zuständigkeiten der Landesabteilung Arbeit.

Den Bildungsressorts obliegen Maßnahmen, die Jugendliche betreffen.

Zuständig sind auch Abteilungen des Ressorts für Wirtschaft, Finanzen und Innovation.

Die infrastrukturellen Maßnahmen betreffen in erster Linie die Landesabteilung Arbeit sowie die Bildungsressorts.

Allein diese Kompetenzzuordnung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen lässt den Schluss zu, dass in Südtirol eine institutionelle Fragmentierung der Arbeitsmarktpolitik gegeben ist.

Wenngleich im Mehrjahresplan 2007–2013 ausdrücklich vorgesehen, sind Evaluationsstudien über die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht vorhanden oder nicht zugänglich.23 Dies gilt auch für die Tätigkeit des ESF, einem unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik äußerst wichtigen Akteur: Zwar wurden im Programmzeitraum 2007–2013 zum 31. Dezember 2013 insgesamt fast 157 Millionen Euro ausgeschüttet, davon lassen sich 50 Prozent Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zuordnen. Allerdings fehlen – mit einer Ausnahme für die Jahre 2000–200624 – Studien über die Auswirkungen der finanzierten Maßnahmen.25 Die hohe Bedeutung der europäischen Strukturfonds – neben dem ESF noch der Fonds für Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung, der Fonds für Entwicklung und Kohäsion, Interreg Italien-Österreich und Interreg Italien-Schweiz – stärkt de facto die arbeitsmarktpolitische Rolle der damit befassten Landesadministrationen und politisch zuständigen Regierungsmitglieder. Arbeits(-markt)politisch wirksame Diskussions- und Entscheidungsprozesse finden somit auch außerhalb jener Arenen statt, die formell für diesen Bereich zuständig sind.

Auf gesamtstaatlicher Ebene war die Beteiligung der Sozialparteien an der Formulierung der lokalen Arbeitsmarktpolitik eine bedeutende Triebkraft für die Dezentralisierung dieses Politikbereiches. Während das Trentino als Beispiel „für ein besonderes Gleichgewicht zwischen institutionellem und sozialem Moment [gilt], das darin besteht, die Rolle der sozialen Kräfte als Protagonisten der Arbeitspolitik zu exaltieren“(Mora 1988, 209)26, so kann dieser Befund für Südtirol nicht übernommen werden. Zwar ist ohne Zweifel festzustellen, dass Gewerkschaften und Unternehmerverbände innerhalb der Landesarbeitskommission und ihrer wechselnden Unterkommissionen (derzeit: Landeskommission für den europäischen Sozialfonds, Landeskommission für Arbeitsvermittlungskontrolle, Landeskommission für Berufsbildung, Unterkommission zur Erstellung von Gutachten zum außerordentlichen Lohnausgleich) vertreten sind und ihre Standpunkte einbringen; als nach der Landesregierung „höchstes Ausrichtungs- und Koordinierungsorgan der Arbeitsmarktpolitik des Landes Südtirol“, so die offizielle Funktionszuschreibung, hat sich die Kommission aber nicht durchsetzen können. Das Gremium erfüllt alle ihm gesetzlich zugewiesenen Funktionen, wozu auch die Erstellung und Verabschiedung des Mehrjahresplanes für Beschäftigungspolitik gehören. Dafür, dass sie sich – abgesehen vom formalen Prozedere – zu einem Ort entwickelt hätte, an dem „Dialoge über Arbeitsmarktpolitik“ und eine Aushandlung von arbeitsmarkt- und sozialgesetzgebungsbezogenen Gesetzen stattfinden würden, gibt es keine Belege: weder in Form von Stellungnahmen, Protokollen, Dokumenten oder Interviews. Es handelt sich bei dieser Kommission um eine gesetzlich vorgesehene „institutionelle Partizipation“, nicht um eine umfassend sozialpartnerschaftlich27 agierende Einrichtung28.

3.3 Die „mikropolitische“ Ebene der Südtiroler Arbeitsmarktpolitik: Das Beispiel „Hoppe St. Martin“

Konkrete Arbeitsmarktpolitik resultiert immer auch aus den Ausrichtungen der Akteure und aus deren Zusammenspiel. In einem komplexen System mit einer Reihe von administrativen Abläufen, die die Kooperation von Akteuren zum Teil unterschiedlicher öffentlicher Verwaltungen und zum Teil non-governmentalen Akteuren notwendig machen, spielt die mikropolitische Ebene eine entscheidende Rolle: Organisationen wie öffentliche Ämter und Abteilungen, Verbände und Profitorganisationen verfügen durchaus über Eigeninteressen (insbesondere die Stärkung der eigenen Position) und Machtressourcen (administrativer, inhaltlicher und kommunikativer Natur), die sie selbstverständlich im Alltag einsetzen.

Als rezentes Beispiel für erfolgreiches mikropolitisches Handeln kann die im November 2013 virulente (durchaus absehbare) Schließung des Hoppe-Werkes in St. Martin in Passeier gelten. Eine besondere Konstellation hat dazu beigetragen, dass sehr rasch und effektiv Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gesetzt wurden: Eine aktive Rolle der Gemeindeverwaltung, die funktionierende Kooperation zwischen den zuständigen Abteilungen des Landes wie dem Arbeitsservice, der Berufsbildung, der Berufsberatung, aber auch zwischen Gewerkschaften29 und Arbeitgeberverbänden. Mögliche Gründe sind neben der ausgeprägten regionalen beschäftigungspolitischen Relevanz des Standortes und der Betroffenheit von Kernarbeitnehmern (male breadwinner) auch der Zeitpunkt kurz nach den Landtagswahlen 2013 und noch während der Verhandlungen über die neue Landesregierung, der die Standortschließung mit einer hohen politischen Symbolkraft versehen hat. Das Beispiel zeigt, dass eine enge Kooperation angesichts der fragmentierten institutionellen Struktur nach wie vor von besonderen Umständen abhängig ist. Ob sich daraus ein institutionenübergreifendes stabiles arbeitsmarktpolitisches Netzwerk entwickelt, wird die Zukunft zeigen.

4. Fazit und Ausblick

Bedingt durch die gute Performance des Südtiroler Arbeitsmarktes und die stabile konjunkturelle Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten war das Politikfeld Arbeit primär von administrativen Herausforderungen geprägt: der Neuordnung durch das Arbeitsmarktgesetz 1992, dem Übergang der Aufgaben der dezentralen Arbeitsmarktverwaltung an die Landesverwaltung im Jahre 1996, dem Nachvollzug staatlicher Bestimmungen.30 Politische Kontroversen kreisten in erster Linie um den Bereich des öffentlichen Dienstes, in dem das Land selbst die Funktion des Arbeitgebers und der Arbeitgeberin innehat: um die Handhabung des ethnischen Proporzes, um die Anzahl der öffentlich Bediensteten sowie um die Nutzung befristeter und scheinselbstständiger Beschäftigungsformen. Erst in den rezenten Jahren der Krise scheint dem Politikfeld Arbeitsmarkt die ihm gebührende Aufmerksamkeit zuzukommen.31 Bis dato war die Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Strukturpolitik für die Entwicklungen auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt von entscheidender Bedeutung; weitaus wichtiger als die institutionelle Ausgestaltung und die Regelungen. Als Teil eines nationalen Systems, in dem nach einhelligem Urteil der italienischen Arbeitsmarktforschung historisch gesehen passive, selektive und partikularistische Politiken überwiegen – was zu Lasten von proaktiven Politiken geht, die darauf abzielen, die Vermittlungsdienstleistungen zu potenzieren und neue Beschäftigung zu schaffen (stellvertretend Gualmini/Rizza 2013, 235)32 – ist die Möglichkeit, Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Rahmen der Autonomie setzen zu können, von grundlegender Bedeutung. Die Südtiroler Arbeitsmarktpolitik darf eine „Politik der guten Arbeit“ entwickeln, die dem Ziel dient, sowohl die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse als auch der Arbeitsbedingungen zu erheben und zu verbessern.

Als Eckpunkte einer Südtiroler Politik der guten Arbeit sollen festgehalten werden:

Die Südtiroler Arbeits(-markt)politik muss qualitative Ziele festlegen. Der Abbau des Niedriglohnsektors, sachlich nicht rechtfertigbarer Atypizität und Prekarität, die Reduktion arbeitsbedingter körperlicher, psychischer und psychosozialer Risiken, die Gleichstellung und selbst die Entwicklung der Produktivität müssen offizielle, mittelfristige, operationalisierbare Zielsetzungen sein. Auch die quantitativen Ziele (wie die allgemeine und die spezifische Beschäftigungsquote), die derzeit unzureichend sind, müssen neu festgelegt werden.

Die Südtiroler Arbeits(-markt)politik soll auch Ziele im Bereich der Governance festlegen. Dazu gehört auch der Abschluss von Kollektivverträgen auf Landesebene, die Nutzung der kollektivvertraglich vereinbarten fondsbasierten Systeme der Weiterbildung und der zusätzlichen Sozialleistungen. Vorbild ist die Errichtung des regionalen Zusatzrentenfonds und des ergänzenden Fonds für Gesundheitsspesen. Nur durch die Stützung durch die öffentliche Hand können zwei anerkannte Defizite des italienischen Systems der kollektiven Arbeitsbeziehungen in Südtirol ausgeglichen werden: a) die Stärkung der Beteiligung der ArbeitnehmerInnen an den betrieblichen Entscheidungsprozessen und b) die Erhöhung des Wissensstandes über die Entwicklungen in der Arbeitswelt.33

Moderne Arbeits(-markt)politik ist Ergebnis einer gemeinsamen Strategie, bei der unter Festlegung von arbeitspolitischen Zielen die einzelnen Akteure und Akteurinnen ihren jeweiligen Beitrag leisten. Dies gilt sowohl für die beteiligten öffentlichen Verwaltungen (Arbeitsmarktverwaltung, Berufsbildung und Administration der europäischen Strukturfonds) wie auch für die Kollektivvertragsparteien. Letzteren obliegt es, innovative Kollektivverträge und Abkommen abzuschließen. Stichwörter sind die Modernisierung der Arbeitsorganisation, die Weiterbildung, die lernförderliche Gestaltung der Arbeitsplätze und der Erhalt der Arbeitsfähigkeit angesichts des demografischen Wandels.

Südtirol benötigt ein erweitertes und integriertes System der arbeitsmarkt- und arbeitspolitikbezogenen Berichterstattung. Zwar ist ein bemerkenswertes kodifiziertes und nicht kodifiziertes Wissen vorhanden, dessen Träger in erster Linie die öffentlichen Verwaltungen, zweitens die Kollektivvertragsparteien und drittens die sozialwirtschaftlichen Betriebe und die Akteure des Weiterbildungsmarktes sind. Allerdings muss dieses Wissen systematisch erweitert und nutzbar gemacht werden: Neben den gebräuchlichen Indikatoren des Arbeitsmarktes braucht es Vertiefungen über arbeitsorganisatorische und arbeitspolitische Aspekte wie die Passung Beruf – Ausbildung, die Beteiligung an Weiterbildung, die Entstehung neuer beruflicher Anforderungen durch den technologischen, organisatorischen und kulturellen Wandel, die Vereinbarkeit, die Nicht-Diskriminierung sowie den Gesundheitszustand der Erwerbstätigen. An Evaluierungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik werden hohe Anforderungen gestellt: „Es muss ein Mehrwert gegenüber dem informellen Wissen der Beteiligten produziert werden, und dieses zusätzliche Wissen muss für diese nachvollziehbar und in ihre Praxis integrierbar sein.“ (Lassnig 2008, 32). Es geht also nicht um sterilen, ohnehin nicht einlösbaren und letztlich unnützen Szientismus der Politikberatung, sondern um Wissensgenerierung durch Vernetzung, Nutzung und Kombination der vorhandenen Quellen, den Austausch zwischen Forschungstreibenden und Praktikern und Praktikerinnen der Südtiroler Arbeits(-markt)politik. Südtirol kann dabei durchaus von den entsprechenden Erfahrungen seiner unmittelbaren Nachbarregionen lernen.

Abb. 1: Arbeitsmarktpolitik als Teil der Wohlfahrtsregime

Sektor

Sozialdemo­kratischer Typus (Nord-Europa)

Konservativer Typus I (Mittel­europa, u. a. D, A)

Konservativer Typus II (Südeuropa, u. a. FR; IT)

Liberaler Typus (u. a. UK, Malta, Zypern)

Soziale
Sicherung

Fürsorgend, universalistisch

Status-erhaltend, segmentiert

Segmentiert, korporatistisch

Residual, Mindest­absicherung

Machtverteilung

Pro labour

Ausgeglichen

Alternierend

Pro Unternehmen

System ­industrieller Beziehungen

Organisierter Neokorporatismus

Sozialpartner­schaften

Polarisiert, staatsorientiert

Pluralistisch, schwache ­institutionelle Absicherung der Gewerkschaften

Lohnfindungs­system

Zentralisiert und koordiniert

Zentralisiert und koordiniert, von Aushöhlung bedroht

Variabel und instabil, Regeln Gegenstand des Konfliktes

Unternehmens­spezifisch

Arbeitsmarkt

Inklusiv, flexibel, Nichtbeteiligung wird stark ­sanktioniert

Rigide, zunehmende Segmentierung und Re-kommo­difizierung

Segmentiert

Flexibel, liberal

Arbeitsmarkt­politik

Hoher Anteil am BIP, Vorrang aktiver Arbeitsmarktpolitik

Gleichgewicht zwischen aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik

Vorrang passiver Arbeitsmarktpolitik

Geringe Ausgaben (v. a. UK)

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Amable (2003), 104 – 106.

Abb. 2: Formen der Arbeitsmarktpolitik

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Blancke/Schmid (2001).

Anmerkungen

1 Die im Beitrag geäußerten Meinungen und Schlussfolgerungen entsprechen nicht notwendigerweise denen der Körperschaft, für die der Autor tätig ist. 

2 Zur Problematik eines allgemeinen Arbeitsbegriffs siehe Voß (2010).

3 Die renommierte Publikation ist mittlerweile kostenlos verfügbar. Der Transformationstypus (Osteuropa) wird ausgeklammert.

4 Während Österreich eindeutig dem konservativen Typus zugeordnet wird, wird Italien je nach Schwerpunkt demselben oder dem mediterranen Modell zugeordnet. Die Existenz einer (steuerfinanzierten) finanziellen Sozialhilfe in Südtirol und einigen italienischen Regionen passt allerdings nicht in die Logik des mediterranen Modells.

5 Die letzten dem Autor dieses Beitrages bekannten Analysen über die Einordnung der lokalen Arbeitsmarktpolitik in den Kontext der Europäischen Beschäftigungsstrategie und der staatlichen Beschäftigungspläne entstanden anlässlich der Erarbeitung des Mehrjahresplans für Beschäftigungspolitik 2007–2013, der unter Koordination des Arbeitsförderungsinstituts (AFI) in den Jahren 2005 und 2006 ausgearbeitet worden ist. Der im Wahljahr 2013 noch vor Fälligkeit des laufenden Planes ausgearbeitete „Mehrjahresplan für Beschäftigungspolitik 2013–2020“ nimmt auf die Strategie Europa 2020 Bezug, deren Rolle im Hinblick auf das Bündel der 44 konkret zu setzenden Maßnahmen nicht ausgeführt wird.

6 Nur als Fußnote sei angemerkt, dass in den vergangenen Jahrzehnten ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat, nämlich der Wandel von einer aktiven zu einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik. Diese Transformation steht im Kontext der Entwicklung des Wohlfahrtsstaates zum Workfare-Staat (deskriptiv Dingeldey 2007, kritisch Atzmüller 2014).

7 Zum Konzept der individuellen Beschäftigungsfähigkeit siehe zusammenfassend Brussig/Knuth/Brockmann 2010 mit weiteren Verweisen.

8 Sistemi provinciali [con una] combinazione efficace e [un] coinvolgimento sinergico di competenze statutarie originariamente diverse e di peso apparentemente minore. Vergari (2004a), 15.

9 Vergari führt aus, dass gerade die Abwesenheit einer staatlichen Arbeitsmarktpolitik in den 1980er-Jahren für die beiden autonomen Provinzen ein Anreiz war, im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigenständige Strukturen mit einer eigenen Funktionsweise im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu schaffen (Vergari 2004a: 19 – 107). Mattei (2014) weist darauf hin, dass Maßnahmen, die in den beiden autonomen Provinzen gesetzt wurden, als best practices im italienischen Arbeitsrecht gelten: zum einen das Lehrlingswesen (Südtirol) und zum anderen die sozial nützlichen Tätigkeiten (Trentino).

10 Sozialparteien und Lokalkörperschaften sind – anders als in der Vergangenheit – systematisch vom Gesetzgebungsprozess, der zur Verabschiedung des „Jobs Act“ geführt haben, völlig ausgeschlossen geblieben. Siehe hierzu und zum Prozess der Rezentralisierung Carinici 2014: 2.

11 Die Destrukturierung (nicht: Dezentralisierung, da im Wesentlichen ungeordnet und unter dem Eindruck einer Systemkrise erfolgt) der kollektiven Arbeitsbeziehungen Italiens betrifft die territoriale wie die betriebliche Ebene (Liso 2013).

12 Sie beruht auf dem Artikel 8 des G 148/2011 (sostegno alla contrattazione collettiva di prossimità).

13 Die Kritik sowohl aus sozialwissenschaftlicher wie aus arbeitsrechtlicher Perspektive fasst Liso 2013, 318 – 345 umfassend zusammen. Dennoch sind aufbauend auf dieser Möglichkeit sowohl auf betrieblicher wie auf territorialer Ebene Kollektivverträge geschlossen worden. Siehe hierzu die Übersicht auf www.dirittisocialitrentino.it/?p=2238 [Zugriff am 18.10.2014]. In Südtirol sind zwei dieser Logik entsprechende Abkommen geschlossen worden: eines über die befristeten Verträge in den Handelsbetrieben in den Tourismusgebieten, eines über die Lehre.

14 So der Europäische Rat in seinen Empfehlungen vom 8. Juli 2014 zum nationalen Reformprogramm Italiens 2014 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens 2014.

15 Seit Einführung der Gemeinschaftswährung steht Italien wie anderen europäischen Ländern nicht mehr das Instrument der Währungsabwertung zur Verfügung. Dies hat in einigen Ländern nicht zur Umsetzung von notwendigen Reformen – etwa des Sozialstaates in Richtung Universalität und des Ausbildungssystems – geführt, sondern den Druck auf die Kollektivvertragssysteme und die Arbeitsgesetzgebung verstärkt.

16 Mattei 2014, 40 – 49 beschreibt die Südtirol und das Trentino betreffenden Fälle im Detail.

17 Die im Zuge des Amsterdamer Vertrages entstandene Europäische Beschäftigungsstrategie befindet sich derzeit in ihrer vierten „Generation“, sie ist integraler Bestandteil der Wachstumsstrategie Europa 2020.

18 Das Trentino hat den Passus aus dem Mailänder Abkommen (schließlich niedergelegt im Legislativdekret 28/2013) genutzt und betreibt eine eigenständige passive Arbeitsmarktpolitik in enger Kooperation mit dem INPS. Diesem obliegen nunmehr alle Auszahlungen, die Funktion derselben wird allerdings von der Autonomen Provinz Trient bestimmt. Siehe hierzu www.dirittisocialitrentino.it/?p=534 (letzter Zugriff am 18.10.2014).

19 Institutions matter. Das arbeitsmarktpolitisch vergleichsweise erfolgreiche Nachbarland Österreich verfügt mit dem Arbeitsmarktservice seit 1994 über ein „der bundeshoheitlichen Verwaltung ausgegliederten Dienstleistungsunternehmen öffentlichen Rechts […], wodurch eine stärkere Einbeziehung der Sozialpartner in die Politikformulierung, dezentralisierte Entscheidungsstrukturen und größere Autonomie auf den unteren Ebenen erfolgte“ (Graf et al., 2010). Ohne Frage schafft die Zusammenlegung von passiver und aktiver Arbeitsmarktpolitik gute Rahmenbedingungen für eine „integrierte“ Arbeitsmarktpolitik, die dann von einer Reihe unterschiedlicher Akteure umgesetzt wird. Steuerung und Monitoring erfolgen allerdings zentral. Nur am Rande erwähnt sei die Reichhaltigkeit der österreichischen Begleitstudien zum Arbeitsmarktgeschehen (exemplarisch hierzu das Forschungsnetzwerk www.ams-forschungsnetzwerk.at).

20 Das seit 2009 bestehende Rahmenabkommen „Maßnahmen gegen die Krise – außerordentliche Sozial­maßnahmen“ und seine Verlängerungen sehen vor, dass die wichtigsten Maßnahmen „mit ausschließlicher Finanzierung zu Lasten des Staates“ erfolgen.

21 Die passive Arbeitsmarktpolitik Italiens ist stark partikularistisch, segmentiert und an den Erwerbsstatus gebunden (siehe Saraceno 2014 in AFI | Arbeitsförderungsinstitut). Das Südtiroler Sozialsystem – insbesondere die finanzielle Sozialhilfe – ist hingegen stärker „universalistisch“ geprägt (so Critelli 2014 in AFI | Arbeitsförderungsinstitut).

22 Während der Mehrjahresplan für die Jahre 2007 bis 2013 auf einer (vielleicht zu) umfangreichen konzeptionellen Grundlage beruht, so enthält der Plan für die Jahre 2013 bis 2020 insgesamt 44 konkrete Maßnahmen, ohne allerdings die konzeptionelle Grundlage zu explizieren.

23 Wiederum sei der kontrastierende Vergleich mit dem österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) erlaubt: Die Zusammenlegung erlaubt zum einen ein gezieltes Monitoring der Maßnahmen, das auch in kritischen (!) Evaluationsstudien seinen Niederschlag findet. Siehe die vom österreichischen Sozialministerium betriebene Datenbank Labour Market Policy Evaluation (www.dnet.at/lmpeval/) [letzter Zugriff am 22.10.2014).

24 Es handelt sich um eine Ex-Post-Bewertung von Kursen im Zeitraum 2000–2006; die Studie ist 2009 in einer verfügbaren offiziösen Fassung erschienen.

25 Angaben wie die Höhe der Ausgaben, der Prozentsatz der Nutzung, die Anzahl der Projekte und der TeilnehmerInnen sind unter dem Gesichtspunkt des Monitoring fraglos nützlich, lassen aber kaum Rückschlüsse auf die Wirksamkeit zu. Mit einem in dieser Hinsicht innovativen Projekt kann das Trentino aufwarten: durchgeführt im Auftrag der „Agenzia del lavoro“ unter Nutzung von ohnehin vorhandenen Verwaltungsdaten (Rettore/De Poli/Schizzerotto 2014).

26 „L’aspetto forse più interessante riposto nell’esperienza trentina è la realizzazione di un particolare equilibrio tra momento istituzionale e momento sociale, mediante l’esaltazione del ruolo delle forze sociali, considerate protagoniste della politica del lavoro.“ A. L. Mora 1988, 209, zitiert nach: Vergari 2004b, 128, FN 52.

27 Welche konkreten Formen das inflationär und unangemessen gebrauchte Konzept der Sozialpartnerschaft in Südtirol annehmen könnte, haben Gudauner/Pramstrahler (2011) expliziert. Wenngleich bereits seit mindestens über zwanzig Jahren die Rahmenbedingungen für lokale Konzertationen vorhanden sind, muss festgehalten werden: Abgesehen von befristeten und symbolischen Ereignissen wird in Südtirol weder das österreichische noch das italienische Instrumentarium neokorporatistischer Politik genutzt. Fraglos finden sich immer wieder Anlässe, die Notwendigkeit einer Südtiroler Sozialpartnerschaft herbeizuschreiben: In den vergangenen Jahren waren es die Kürzungen der öffentlichen Ausgaben; derzeit lässt sich eine verstärkte Notwendigkeit angebotskorporatistischer Instrumente (bilateral verwaltete Einrichtungen der Kollektivvertragsparteien zur Produktion von sektorenspezifischem Know-how und Dienstleistungen für die Beschäftigten) begründen. Anders als im Trentino (zuletzt wiederum Mattei 2014) oder in Tirol mit seinen territorialen Beschäftigungspakten gehört die fehlende Etablierung jeglicher verbindlicher und systematischer Formen von Sozialpartnerschaft offenbar zum Entwicklungspfad des Südtiroler Modells. Siehe hierzu auch die Ausführungen von Atz und von Pan in Handelskammer (2014).

28 Natürlich dienen die Interaktionen in der Kommission (wie in anderen ad hoc geschaffenen sozialpartnerschaftlich besetzten Arbeitsgruppen) auch dazu, gemeinsame Sichtweisen zu erarbeiten, Orientierungen und Erwartungen zu stabilisieren und damit kohärente Verhaltensformen einzugehen.

29 Ein zwischengewerkschaftlicher Konflikt um das Vertretungs- und Verhandlungsrecht bestand durchaus.

30 Die Aufzählung ist nicht taxativ. Der Ausbau der Dienstleistungen, die Informatisierung sowie die Unterstützung diverser Einrichtungen (z. B. Koordinierungsstelle für Einwanderung, Beirat für Chancengleichheit) haben die vergangenen Jahre geprägt. Siehe hierzu den jährlichen Tätigkeitsbericht der Abteilung Arbeit (ab 2001): http://www.provinz.bz.it/arbeit/ueber-uns/taetigkeitsbericht-arbeit.asp

31 Ob in diesem Zusammenhang der Übergang der politischen Zuständigkeit für die Arbeit vom kleineren Koalitionspartner (die dieser in wechselnder personeller Konstellation seit 1999 innehatte) zum großen Koalitionspartner (seit Jänner 2014) eine Folge davon ist, muss Gegenstand von Spekulationen bleiben.

32 Auswirkungen: Segmentierter Arbeitsmarkt, geringe Transitionen aus der Erwerbslosigkeit in Beschäftigung, aufgrund der geringen Nachfrage nach Malta höchster Anteil an inaktiver Bevölkerung in der EU (36,3 % im Jahr 2012, Südtirol liegt mit 25 % inaktiver Bevölkerung ziemlich nahe am österreichischen Wert (24,1 %). Diese und weitere Daten sind auf der Homepage des Istat gut aufgearbeitet einsehbar: http://noi-italia2014.istat.it/index.php?id=7&L=0&user_100ind_pi1[id_pagina]=100&cHash=57ebff003a8d58ee6a6747acdbe94e63 [letzter Zugriff am 23.10.2014]

33 Bordogna/Pedersini 2013 (277 – 292) orten als eines der gravierendsten Defizite der kollektiven Arbeitsbeziehungen Italiens insbesondere im Hinblick auf die seit Jahrzehnten geführte Diskussion über die Funktion von zwei Verhandlungsebenen ein defizitäres Wissen über wichtige Entwicklungen (etwa die Arbeitsorganisation, die Verbreitung dezentraler Abkommen).

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Dokumente der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol

Mehrjahresplan für die Beschäftigungspolitik 2013–2020

Mehrjahresplan für die Beschäftigungspolitik 2007–2013

Monitoring der Maßnahmen des Mehrjahresplanes für die Beschäftigungspolitik 2000–2006

Sämtliche Dokumente sind auf dieser Homepage verfügbar: www.provinz.bz.it/arbeit/gesetze-kollektivver
traege/mehrjahresplan.asp

Tätigkeitsberichte der Abteilung Arbeit: www.provinz.bz.it/arbeit/ueber-uns/taetigkeitsbericht-arbeit.asp

ESF-Dienststelle (2009). Ex post Bewertung der ESF Kurse 2006. April 2009. www.provincia.bz.it/europa/de/eu-foerderung/publikationen.asp?somepubl_action=300&somepubl_image_id=155631 (17.01.2015)

Weitere zitierte Dokumente und Ressourcen

AMS-Forschungsnetzwerk: Die Research-Plattform der Abteilung Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation: www.ams-forschungsnetzwerk.at

Empfehlung des Rates vom 8. Juli 2014 zum nationalen Reformprogramm Italiens 2014 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens 2014 (2014/C 247/11) http://ec.europa.eu/europe2020/pdf/csr2014/csr2014_council_italy_it.pdf (17.01.2015)

Osservatorio trentino diritti sociali del lavoro: http://www.dirittisocialitrentino.it/

Abstracts

La politica del lavoro in Alto Adige: dall’amministrazione del mercato del lavoro locale verso una politica coordinata del buon lavoro

La politica economica e la politica strutturale regionale hanno a lungo relegato in secondo piano la politica del lavoro in Alto Adige. Nel corso della decentralizzazione dell’amministrazione del mercato del lavoro e del trasferimento di campi d’azione importanti in tale materia dallo Stato agli enti locali, negli ultimi decenni si è sviluppato a livello provinciale un considerevole sistema istituzionale dotato di propri meccanismi di governance. Caratteristiche peculiari del sistema sono una forte frammentazione istituzionale della politica del lavoro, la carenza di tavole rotonde e metodi concertativi nonché la mancanza di studi sugli effetti della politica del lavoro. Le conoscenze codificate ed informali dei soggetti in gioco dovranno essere in futuro sempre più collegate tra loro, rese accessibili ed integrate nei processi decisionali, in modo da poter affron­tare in modo adeguato le sfide che si stanno delineando. Oggi è importante più che mai mirare a obiettivi di qualità nella politica del lavoro e monitorarli con adeguati strumenti. Solo così sarà possibile mantenere la coesione sociale come base della competitività economica dell’Alto Adige in un contesto di forti cambiamenti demografici.

The labor market policy in South Tyrol: from the administration of the local labor market to coordinated policies to improve working conditions

Up to now, the labor market policy has been shadowed by an economic and structural policy in South Tyrol. In the past decades a remarkable institutional system with its own mechanisms of governance has evolved in the province after the decentralization of the labor market administration and the relative freedom of action granted by the central state to the regions in important labor market related fields. Perceptible is an institutional fragmentation of the labor market policy seen the lack of a social-partnership in particular areas, and of established social-cooperative routines of action, as much as the absence of studies on the effects of measures concerning the labor market.

What must be enhanced in the future are a better networking system as an easier access to the existing codified and informal knowledge of the actors in the labor market policy. They have to be integrated more intensively into the political decision making process to meet emerging challenges. More than ever qualitative objectives must be pursued and equipped within an appropriate social perspective to create not only more but also better jobs. This is the only way to preserve social cohesion as the basis for economic competitiveness while facing demographic changes.