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Alice Engl/Verena Wisthaler

Divergenz trotz Kooperation.
Der politische Diskurs zu Flüchtlingen und ­Asylwerbenden in der Europaregion
Tirol-Südtirol-Trentino

Divergence despite cooperation. The political discourse on refugees and asylum seekers in the European Region Tyrol-South Tyrol-Trentino

Abstract The article analyses and compares the political debates on refugees and asylum seekers in the regional parliaments of two Italian provinces, South Tyrol and Trento, and the Austrian region Tyrol in 2015 and 2016. These three territorial entities, which constitute the European Region Tyrol-South Tyrol-Trentino, represent a salient context to analyse the political discourse on asylum seekers.

First, the Brenner Pass, an important gateway in the refugee flow from South to North, is situated as state border cutting through the European region. Second, the region has a unique historical identity and strong transnational cooperation at the sub-state level. Furthermore, the political landscape of the three territorial entities reveals political-ideological similarities across governing and opposition parties.

We might assume that the euro-regional framework of cooperation and the political-ideological similarities of governing and opposition parties lead to similar interpretations of the refugee issue. However, our analysis reveals significant differences in the political discourses, such as interpreting the refugee flow as state of emergency requiring humanitarian aid (in South Tyrol and Trentino) as opposed to perceiving it as movement of people requiring integration measures (in Tyrol). Thus, the national context manifests itself prominently onto political debates at the regional level.

The empirical results of the article build on a structured qualitative analysis assisted by Atlas.ti of the debates held within the three regional parliaments in 2015 and 2016.

1. Einleitung

Flüchtlinge und Asylwerbende sind seit 2015 eines der zentralen Themen in der Euro­päischen Union und auch in den Gebieten der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino (Euregio). Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, streben vermehrt in den Norden, sodass der Brennerpass und somit auch die Euregio seit Ende 2014, vor allem aber seit dem Frühjahr 2015, zu einem zentralen „Nadelöhr“ für Menschen auf der Flucht wurden. Obwohl die Autonomen Provinzen Trient und Bozen und auch das Bundesland Tirol bereits in den 1990er-Jahren Flüchtlinge aus Albanien und dem Kosovo aufgenommen haben, und auch nach dem sogenannten Notstand Nordafrika im Jahre 2011 Menschen auf der Flucht aus verschiedenen afrikanischen Staaten in die Europaregion kamen, unterscheiden sich die Jahre 2015 und 2016 in der Anzahl und vor allem aufgrund des grenzüberschreitenden und euro­regionalen Elementes von vorherigen Situationen.

Die Ankündigung Österreichs, die Grenze am Brenner zu schließen bzw. Grenzkontrollen einzuführen,1 hat einerseits eine Diskussion in den Landtagen und in den Medien zur Identität der Euregio angestoßen. Zudem traten die Landeshauptleute der Euregio als Mittler zwischen dem italienischen und dem österreichischen Staat in der Frage der Gestaltung des Grenzmanagements auf. Andererseits hat dies auch zur Bildung einer sogenannten Euregio-Task Force geführt, einem institutionalisierten und regelmäßigen Austausch der für Flüchtlinge zuständigen Landesräte mit Vertretern der italienischen und österreichischen Polizeibehörden, sowie mit Vertretern der für die Aufnahme und Unterbringung der Asylwerbenden zuständigen Vereine und Behörden.2 Die politischen Vertreter der Euregio agierten somit als Vertreter eines gemeinsamen euroregionalen Handlungsraums, allerdings mit beschränktem Spielraum, wie dieser Artikel zeigen wird.

Der vorliegende Artikel vergleicht die Debatten über Asylwerbende und Flüchtlinge in den drei Landtagen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino in den Jahren 2015 und 2016. Ziel ist es erstens herauszufinden, welche Themen den politischen Diskurs in den drei Landtagen dominieren, und ob es Gemeinsamkeiten bei den politischen Debatten in den Landtagen gibt. Wir nehmen an, dass die politischen Diskurse in den drei Landtagen aufgrund politisch-ideologischer Ähnlichkeiten im Parteienspektrum und aufgrund der euroregionalen Zusammenarbeit zum Thema Asylsuchende deutliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Allerdings stellen wir fest, dass sich der politische Diskurs (formell und inhaltlich) in den drei Landtagen deutlich unterscheidet, und somit liegt es im Interesse des Artikels, zweitens, mögliche Erklärungen für die Divergenzen aufzuzeigen.

Nach dieser Einleitung führt der zweite Teil des Artikels in den euroregionalen Kontext und in die Fälle, nämlich die drei Teile der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino, ein. Nach einer Beschreibung der Daten, auf denen der Artikel basiert, und den methodologischen Überlegungen im dritten Teil, folgt im vierten Teil des Artikels die empirische Analyse der Landtagsdebatten. Teil fünf zeigt mögliche Erklärungsmuster auf und schließt den Artikel ab.

2. Politisch-ideologische Gemeinsamkeiten und euroregionale ­Zusammenarbeit

Zuwanderung und Flüchtlingsbewegungen, aber auch Maßnahmen zur Aufnahme und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und Asylwerbenden unterscheiden sich nördlich und südlich des Brenners und sind vor allem durch den besonderen historischen und nationalen Kontext geprägt. Wie unter anderem aus den Beiträgen von Mauro Cereghini und Sergio Previte in diesem Band hervorgeht, wird der italienische Diskurs durch die Wahrnehmung von Migration und Flucht als Notstand und vorübergehendes Phänomen geprägt, während in Österreich der rechtliche Rahmen für die Aufnahme von Asylwerbenden nach einer Phase der Willkommenskultur im Jahre 2015 nun restriktiver gestaltet werden soll (Sandra Müller und Sieglinde Rosenberger in diesem Band).

Neben diesen Unterschieden gibt es aber eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die sowohl das Bundesland Tirol als auch die Autonomen Provinzen Trient und Bozen teilen und somit einen ähnlichen Diskurs erwarten lassen. Nördlich und südlich des Brenners liegt die Zuständigkeit zur Steuerung der Zuwanderung beim jeweiligen Staat, und somit bestimmt dieser die Quote der aufzunehmenden Asylsuchenden. Die Zuständigkeit bezüglich der Erstaufnahme, der Unterbringung, vor allem aber all jener Maßnahmen, die eine Aufnahme und Teilhabe in der Gesellschaft unterstützen, liegt jedoch auf beiden Seiten des Brenners bei dem jeweiligen Bundesland bzw. der Region/Provinz (Wisthaler 2015; Kössler 2015; Medda-Windischer/Carla 2015).

Die drei Landesteile der Europaregion weisen zudem politisch-ideologische Ähnlichkeiten im Spektrum der Regierungs- und Oppositionsparteien auf.3 Die Positionen von politischen Parteien bezüglich Immigration und Integration folgen zwar nicht automatisch deren links-rechts Ausrichtung (Odmalm 2012), doch es zeigt sich, dass sich mitte-rechts Partien kritischer und ablehnender dem Thema gegenüber positionieren als mitte-links Parteien, und somit die politische Debatte und in weiterer Folge auch politische Maßnahmen prägen.

In allen drei Landesteilen regiert eine Koalition aus konservativen christdemokratischen (Volks-)Parteien und mitte-links Parteien: in Südtirol die Südtiroler Volks­partei (SVP) und der Partito Democratico (PD); in Trient der Partito Autonomista Trentino Tirolese (PATT), PD und Unione per il Trentino; in Tirol die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Grünen. Die Mehrzahl der Oppositionsparteien ist in allen drei Landesteilen im mitte-rechts Spektrum angesiedelt. In Südtirol und auch im Trentino sind zudem Regionalparteien sowohl in der Regierung als auch in der Opposition prominent vertreten.

Zusätzlich arbeiten die politischen Vertreter formell in der Europaregion zusammen. Diese Zusammenarbeit erfolgt im Rahmen der gemeinsamen Institutionen des EVTZ, nämlich Versammlung und Vorstand, und über eine speziell zum Thema Flüchtlinge und Asylsuchende gegründete Task Force. Diese Task Force besteht aus Vertretern der Verwaltungsabteilungen, die im Bereich der Aufnahme und Versorgung von Asylsuchenden tätig sind. Sie hat unter anderem die Aufgabe, Strategien zwischen den Regierungen der drei Landesteile abzustimmen und gemeinsame Maßnahmen zu erarbeiten.4 Darüber hinaus treffen sich die drei Landtage alle zwei Jahre im Rahmen des sogenannten Dreierlandtags zu einer gemeinsamen Sitzung. Die letzte gemeinsame Sitzung fand am 20. und 21. April 2016 in Trient statt. Dabei wurde unter anderem über das Thema Flüchtlinge und Asylsuchende gesprochen und das Plenum genehmigte einen Beschluss betreffend „Herausforderungen zur Bewältigung der Flüchtlingssituation in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino“ (Beschluss Nr. 1/2016).

Dies zeigt, dass eine formelle Kooperation zwischen politischen und administrativen Akteuren zum Thema Flüchtlinge und Asylsuchende besteht. In einer Europaregion sind solche politischen Beziehungen, vor allem in einem Politikbereich von hoher grenzüberschreitender Bedeutung, und die Beteiligung verschiedener Akteure grundlegende Komponenten für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Engl 2016; Svensson/Nordlund 2014; Boman/Berg 2007, 196; Pikner 2008). Die Konsolidierung eines grenzüberschreitenden Raums bzw. einer Europaregion ist unter anderem das Ergebnis von politischen Beziehungen und Interaktionen, zum Beispiel regelmäßige Treffen von Politikern oder die Definition von politischen Strategien (Durand 2015).

Die grenzüberschreitende Kooperation bei der Flüchtlingsthematik erfolgt in einem förderlichen Kontext, sowohl aufgrund der Bereitschaft der politischen Akteure zur Zusammenarbeit als auch aufgrund eines entsprechenden institutionellen Rahmens und funktionalen Kommunikationsnetzes durch gemeinsame Treffen und Organe. Daher kann angenommen werden, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Flüchtlingsthematik über diese institutionellen und funktionalen Dimensionen konsolidiert wird (z. B. in Form von gemeinsamen politischen Strategien), und dass sich diese Konsolidierung in den politischen Diskursen der drei Landtage in Form von Gemeinsamkeiten widerspiegelt.

Sowohl die politisch-ideologischen Gemeinsamkeiten im Parteienspektrum, insbesondere bei den Regierungsparteien, als auch die Kooperation der politischen Akteure im Rahmen der Europaregion sprechen für mehr Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten in den politischen Diskursen in den drei Landtagen.

Die Analyse zeigt jedoch deutliche Unterschiede in den politischen Diskursen, wie etwa die Interpretation der Flüchtlingsströme als Notstand, der zwar eine humanitäre Hilfe erfordert, generell aber beschränkt werden sollte (in Südtirol und Trient), gegenüber der Wahrnehmung der Flüchtlinge als Teil einer Bevölkerungswanderung und sozialen Veränderung, die Integrationsmaßnahmen erfordern (Tirol). Institutionelle Kooperation zwischen Tirol, Südtirol und Trentino und politisch-ideologische Gemeinsamkeiten bei den Regierungskoalitionen und Oppositionsparteien führen also nicht zwangsläufig zu inhaltlich und formell ähnlichen politischen Debatten. Stattdessen müssen alternative Erklärungen wie institutionelle oder kulturelle Faktoren identifiziert werden, um die Unterschiede in den Diskursen zu ergründen. Auch die prominente Rolle der Regionalparteien bzw. jener Parteien, die eine Veränderung im verfassungsrechtlichen Status der Autonomen Provinzen Trient und Südtirol anstreben, muss berücksichtigt werden.

3. Daten und methodologische Überlegungen

Wir untersuchen den politischen Diskurs zu Flüchtlingen und Asylwerbenden in der Euregio im Zeitraum 2015 und 2016. Dieser Zeitraum wurde gewählt, da vor allem ab Sommer 2015 die Zahlen der Transitflüchtlinge und der Asylwerbenden in Italien und Österreich, wie auch in ganz Europa, erheblich zunahmen; sich die politische Debatte zu Transitflüchtlingen und Grenzkontrollen zuspitzte und gleichzeitig auch über die Treffen der Landeshauptleute und die Euregio Task-Force transnationalisierte.

Der politische Diskurs umfasst definitionsgemäß mehr als die Debatten in einem Parlament, bzw. einem Landtag (Kerchner/Schneider 2006). Der vorliegende Beitrag beschränkt sich exemplarisch auf die Analyse der Wortprotokolle der Landtagssitzungen, die durchaus einen signifikanten Teil des politischen Diskurses darstellen, da durch die Arbeit im Landtag, die formelle Einbringung von Anfragen und Anträgen und die Verabschiedung von Akten und Gesetzen Politikfelder gestaltet werden und somit eine Grundlage politischen Handelns darstellen. Zudem treten in der Diskussion Meinungen ungefiltert zu Tage und geben Einblick in die ideologische Grundhaltung der politischen Akteure (van Dijk 1997). Der politische Diskurs als Ganzes beeinflusst wiederum die öffentliche Meinung und die sozialen Grundhaltungen in der Gesellschaft, und ist ein Teil der Elite-Masse-Beziehung (Putnam 1979).

Die für den Artikel angelegte Datenbank umfasst insgesamt 93 Wortprotokolle, die sich, wie in Tabelle 1 aufgeschlüsselt, auf die drei Landtage verteilen.

Tabelle 1: Wortprotokolle zum Thema Flüchtlinge/Asylwerbende in den jeweiligen ­Landtagen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino

Jahr

Landtag der Autonomen Provinz Bozen

Landtag der Autonomen Provinz Trient

Landtag des Bundeslandes Tirol

Summe

2015

19

19

11

49

2016

23

13

8

44

Summe

42

32

19

93

Quelle: Eigene Ausarbeitung.

Bei der Datensammlung wurden nur die Protokolle jener Landtagssitzungen berücksichtigt, wo das Thema Flüchtlinge und Asylsuchende auch debattiert wurde, das heißt, wo sich Vertreter von mindestens zwei Parteien zu diesem Thema zu Wort meldeten (unabhängig davon, ob ein spezifischer formeller Akt zu diesem Thema eingebracht wurde oder nicht).5 Aus den insgesamt 228 Wortprotokollen aller drei Landtage wurden jene 93 in die Datenbank aufgenommen, in denen eines oder mehrere der folgenden Schlüsselwörter oder deren Synonyme vorkamen: Flüchtlinge, Asylwerbende, profughi, richiedenti asilo, Asylantrag, Flucht.

Aus der Datenbank lässt sich erstens ein Überblick über formelle Aspekte der parlamentarischen Debatte generieren, also wie oft das Thema diskutiert wurde und welche parlamentarischen Einbringungen es zu dem Thema gab (Anfragen, Anträge, Gesetzesentwürfe usw.). Zweitens werden die Protokolle der Datenbank dahingehend untersucht, wie die Debatten inhaltlich geprägt sind und wie in den Landtagen das Thema Flüchtlinge und Asylwerbende gedeutet und gehandhabt wird.

Um die inhaltliche Analyse der Wortprotokolle vorzunehmen, wurden die Daten mittels des qualitativen Textanalyseprogramms Atlas.ti kodiert und anschließend mittels einer qualitativen Textanalyse untersucht (Mayring 2000). Die Kodierung mittels Atlas.ti erlaubt einerseits eine nummerische Darstellung der Ergebnisse, andererseits erleichtert die Benutzung des Programmes eine strukturierte qualitative Analyse. Die Kodierung erfolgte in zwei Schritten. Nach der deduktiven Entwicklung von Themenblöcken, die Flucht/Asyl in den unterschiedlichen Dimensionen erfassen, wurden die eigentlichen Codes und Untercodes induktiv entwickelt und zu Codefamilien zusammengefasst.6 Tabelle 2 gibt einen Überblick über die verwendeten Kodes, aufgeteilt in fünf Themenblöcke. Die Themenblöcke unterteilen sich in aktionsorientierte Themen, das heißt Themen, die ein Handeln einfordern, und in deutungs­orientierte Themen, die eine Bewertung und Interpretation der Lage darstellen.

Tabelle 2: Übersicht Kodebuch

Themenblöcke

Kodefamilien

Häufigste verwendete Kodes

aktionsorientiert

Kom­pe­tenz­ver­tei­lung/­Zustän­dig­keit

Kompetenzverteilung/Zuständigkeit

Solidarität unter allen; transnational und grenzüberschreitend; Kompetenzübernahme durch Provinz/Bundesland vom Staat; Euregio; Kompetenz der EU

Kritik an der

Kompetenzverteilung/
Zuständigkeit

an der EU; am Dubliner Abkommen; an Italien; an der Zusammenarbeit in der Euregio

Kritik am Asylverfahren

Länge/Dauer; Koordination zwischen Staat und Provinz

Maß­nahmen

Maßnahmen zur Regelung und Gestaltung der Erstaufnahme

Verteilung auf alle Gemeinden; Informationsfluss zwischen Regierungsebenen verbessern; keine Konzentration von Asylwerbenden in kleinen Gemeinden; Unterbringungsstrukturen

Maßnahmen zur ­Förderung der ­Integration

Sprache; aktiv werden; Arbeit; Grundversorgung; besondere Maßnahmen für Minder­jährige; Bürgerkunde

Maßnahmen zur Begren­zung der Einwan­derung bzw. Ansiedlung auf dem Territorium

Sozialleistungen beschränken; Entwicklungszusammenarbeit anstelle von Integrationsmaßnahmen; aufgrund der historischen Sprachgruppen sensibel; es braucht keine Integration

deutungsorientiert

Definition Flucht

Definition und Inter­pretation von Flucht; geforderte Konsequenzen; Herausforderungen

Beschränken; Globalisierung und ungleiche Verteilung als Grund; kein politisches Kapital schlagen; soziale Veränderung akzeptieren

Herausforderungen

Angst unter der Bevölkerung; Wahrung der Rechte der Einheimischen; verdienen auf Kosten der Flüchtlinge; Kosten des Asylwesens; Sicherheitsproblem

Definition ­Flüchtling

Bezeichnung Flüchtling; assoziierter rechtlicher und sozialer Status; assoziierte Rechte und Pflichten

Wirtschaftsflüchtlinge vs. Kriegsflüchtlinge; Kriminelle; Minderjährige; Transitflüchtlinge

Brenner­grenze

für Schutz der Grenze; gegen Grenz­kontrollen – für EU; gegen Hotspot Brenner

Quelle: Eigene Ausarbeitung.

4. Form und Inhalt der Landtagsdebatten 2015 und 2016

Die ausgewählten Landtagsdebatten zum Thema Flucht und Asyl werden bezüglich Form und Inhalt analysiert, wobei im abschließenden Teil Interdependenzen zwischen beiden aufgezeigt werden.

4.1 Sitzungen und formelle Einbringungen zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende

Dieser Abschnitt erörtert formelle Aspekte der Landtagsdebatten in den drei Euregio-Ländern. Dabei wird aufgeschlüsselt, bei wie vielen Landtagssitzungen das Thema Flüchtlinge und Asylwerbende sowohl im Jahre 2015 als auch 2016 diskutiert wurde, welche parlamentarischen Akte dazu eingebracht wurden, welche Parteien jeweils am aktivsten waren und schließlich welche formellen Akte zu diesem Thema in den drei Landtagen im jeweiligen Jahr angenommen wurden.

Tabelle 3 gibt eine erste Übersicht über die formelle Auswertung der Debatten in den drei Landtagen im Jahre 2015.

Bei der Anzahl an Sitzungen, bei denen das Thema Flüchtlinge und Asylwerbende diskutiert wurde, hebt sich der Tiroler Landtag mit 79 Prozent der Sitzung deutlich von den Landtagen in Südtirol und Trient mit jeweils 37 Prozent ab.

In den Landtagen von Tirol und Südtirol erfolgte der Großteil der Debatten im Zuge von formell eingebrachten Akten (Anfragen, Anträge) zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende. Im Trentiner Landtag hingegen wurde über Flüchtlinge und Asylwerbende Großteils im Zuge von allgemeinen politischen Themen und Tagesordnungspunkten diskutiert, die sich nicht spezifisch auf Flüchtlinge und Asyl­suchende beziehen. Dementsprechend gab es im Trentiner Landtag im Jahre 2015 wenige formelle parlamentarische Einbringungen zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende. Im Südtiroler Landtag erfolgte der Großteil der themenspezifischen formellen Einbringungen über Anfragen, gefolgt von Beschlussanträgen. Im Landtag in Tirol dominierten die Anträge.

In den Landtagen von Tirol und Südtirol brachten die Freiheitlichen die meisten formellen Akte zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende ein. Im Trentiner Landtag war die Civica Trentina jene Partei mit den meisten formellen Einbringungen.

Im Südtiroler Landtag wurde im Jahre 2015 ein Akt zum Thema Flüchtlinge und Asylsuchende angenommen, nämlich der Landesgesetzentwurf Nr. 61/15, der einen Artikel mit „Bestimmungen über Initiativen zur Unterstützung von Migranten auf Durchreise“ enthält (so wird die Landesregierung ermächtigt, zusätzliche Maßnahmen und Initiativen zugunsten derselben anzuordnen).7 Im Trentiner Landtag wurden zwei Tagesordnungen angenommen, die vom PD eingebracht wurden. Diese betrafen zum einen die Aufnahme von Flüchtlingen und entsprechende Informationsmaßnahmen für Gemeinden und die lokale Bevölkerung, und zum anderen die Errichtung eines humanitären Korridors nach Libanon. Im Tiroler Landtag wurden deutlich mehr Anträge und Akte zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende angenommen: vier Anträge der FPÖ (zwei in abgeänderter Fassung), ein Antrag von impuls-tirol, zwei Anträge der Grünen, drei Anträge von ÖVP und Grünen, eine Regierungsvorlage, zwei dringliche Regierungsvorlagen, vier Anträge und Berichte des Finanzausschusses zu Regierungsvorlagen, ein Antrag für eine Gesetzesnovelle des Tiroler Grundversorgungsgesetzes. Die angenommenen Anträge und Regierungsvorlagen betrafen vor allem die humanitäre Hilfe für Betreuung, Unterbringung und Verpflegung von Asylwerbenden sowie die Errichtung von Unterkünften. Sie zielten außerdem auf Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen, auf die Prüfung von berufsorientierenden Maßnahmen und die Erweiterung der Möglichkeiten zur gemeinnützigen Beschäftigung sowie auf schulische Maßnahmen für Flüchtlingskinder. Gefordert wurden außerdem Präventionsmaßnahmen gegen die reli­giöse Radikalisierung in Flüchtlingsheimen, die Aufstockung des Personals des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und die Etablierung der Integration von Flüchtlingen als politische Querschnittsmaterie.

Im Jahr 2016 ergibt sich zwar ein ähnliches Bild, aber es lassen sich auch einige Unterschiede feststellen, wie Tabelle 4 verdeutlicht.

Bei der Anzahl an Sitzungen, bei denen das Thema Flüchtlinge und Asylsuchende diskutiert wurde, ist der Abstand zwischen dem Tiroler Landtag (57 % der Sitzungen) und dem Süd­tiroler Landtag (46,9 % der Sitzungen) nicht mehr so groß wie 2015. Schlusslicht ist der Trentiner Landtag mit 28 Prozent der Sitzungen.

Allerdings kann man im Trentiner Landtag beobachten, dass die Anzahl an formellen Einbringungen zum Thema Flüchtlinge im Vergleich zu 2015 zugenommen hat, und zwar am meisten in Form von Anfragen. Im Südtiroler Landtag waren, wie bereits 2015, der Großteil der themenspezifischen formellen Einbringungen Beschlussanträge und Anfragen. Im Landtag in Tirol dominierten weiterhin die Anträge.

Bei den Parteien, die 2016 die meisten formellen Akte zum Thema Flüchtlinge und Asylsuchende einbrachten, sind für den Südtiroler Landtag neben den Freiheitlichen auch die Grünen zu nennen. In den Landtagen von Tirol und Trentino haben auch 2016 die Freiheitlichen und die Civica Trentina die meisten formellen Akte zu diesem Thema eingebracht.

Im Südtiroler Landtag wurden im Jahre 2016 drei Akte zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende angenommen: ein Begehrensantrag der SVP zu Maßnahmen im Flüchtlingsbereich, ein Beschlussantrag von SVP und PD über Solidarität und Unterstützung für die Bevölkerung und für die demokratischen Bestrebungen im Gebiet von Rojava in Nordsyrien und ein in Teilen angenommener Beschlussantrag der Südtiroler Freiheit betreffend „Nein zur Brenner Grenze“.8 Der Begehrensantrag der SVP enthielt eine Aufforderung des Landtages an die italienische Regierung, sich für eine einheitliche EU-weite Flüchtlingspolitik einzusetzen, die proportionale Aufteilung der Asylwerbenden in Italien beizubehalten und die Regionen frühzeitig zu informieren, die Asylverfahren zu beschleunigen und Personen ohne Asylrecht rückzuführen und sich für eine Bekämpfung der Fluchtursachen einzusetzen.

Im Trentiner Landtag wurde ein von den Regierungsparteien eingebrachter Beschluss über die Aufnahme von Flüchtlingen und die Handhabung der Flüchtlingssituation angenommen. Dieser Beschluss war an die Trentiner Landesregierung gerichtet und forderte unter anderem ein einheitliches Vorgehen in Europa, eine verstärkte Aufmerksamkeit für das Thema Sicherheit, eine Beschleunigung der Asylverfahren, eine Zusammenarbeit mit der Autonomen Provinz Bozen bei der Aufnahme von Asylwerbenden und Initiativen, um auch über die Euregio gemeinsame Aktionen zu setzen.

Im Vergleich zum Südtiroler und Trentiner Landtag ist die Anzahl der angenommenen Anträge und anderer Akte im Tiroler Landtag wiederum deutlich höher. Zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende wurden im Tiroler Landtag im Jahre 2016 folgende Akte angenommen: ein Antrag des impuls-tirol-Landtagsclubs, zwei Anträge der FPÖ (einer davon in abgeänderter Fassung), drei Anträge des FRITZ-Landtagsklubs (zwei davon in abgeänderter Fassung) und eine Regierungsvorlage. Die angenommenen Anträge und Regierungsvorlagen waren an den Landtag und die Landesregierung gerichtet und betrafen zum Beispiel die Unterbringung von Asylwerbenden, ein Betreuungs- und Sicherheitskonzept für Unterkünfte von Asylwerbenden sowie die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel, die finanzielle Unterstützung von in der Flüchtlingsbetreuung engagierten Gemeinden, und die Erarbeitung einer parteiübergreifenden Position zur „Bewältigung der Flüchtlingskrise“. Angenommen wurde auch ein an die österreichische Bundesregierung gerichteter Antrag über die Einhaltung der Dublin-Bestimmungen.

Diese Auswertung zeigt, dass es im Tiroler Landtag sowohl 2015 als auch 2016 mehr parlamentarische Arbeit zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende gab als in den Landtagen in Südtirol und Trient. Vor allem 2015 wurde im Tiroler Landtag das Thema im Verhältnis zur Gesamtzahl an Sitzungen häufiger diskutiert und es wurden auch deutlich mehr parlamentarische Akte zum Thema angenommen. Im Jahr 2016 nahm die parlamentarische Arbeit auch in den Landtagen von Südtirol und Trentino zu. Im Südtiroler Landtag gab es 2016 mehr Debatten zum Thema Flüchtlinge und Asylsuchende im Verhältnis zur Gesamtzahl an Landtagssitzungen und es wurden auch mehr parlamentarische Akte zum Thema angenommen als im Vorjahr. Im Trentiner Landtag nahm 2016 die Anzahl an Debatten im Verhältnis zur Gesamtzahl an Landtagssitzungen zwar ab, aber es gab deutlich mehr parlamentarische Einbringungen zum Thema als im Vorjahr. Insgesamt hebt sich aber die formelle parlamentarische Arbeit im Tiroler Landtag deutlich von jener im Südtiroler und Trentiner Landtag ab, vor allem aufgrund der Anzahl und thematischen Bandbreite der diskutierten und angenommenen parlamentarischen Akte.

4.2 Inhaltliche Auswertung der Debatten: Kompetenzverteilung und Kritik an derselben, integrationsfördernde und hindernde Maßnahmen, und die Brennergrenze

Die inhaltliche Auswertung der Debatten in den drei Landtagen zeigt, erstens, dass sich die behandelten Themen in den Jahren 2015 und 2016 nicht grundlegend verändern. In allen drei Landtagen überwiegen sowohl 2015 als auch 2016 jene Debatten, die ein Handeln von unterschiedlichen Akteuren (sei es von der EU, vom Staat, von der jeweiligen Provinz bzw. Bundesland, von der Euregio oder von einzelnen Gemeinden) einfordern. Zudem werden Maßnahmen, das heißt konkrete Handlungsvorschläge in unterschiedlichen Bereichen, eingefordert. Diese Handlungsvorschläge umschließen einerseits Maßnahmen zur Unterbringung und Erstaufnahme von Asylsuchenden und andererseits entweder integrationsfördernde Maßnahmen vor allem im Bereich Arbeit oder Sprache, oder Maßnahmen, die eine längerfristige Ansiedlung auf dem Territorium erschweren.

Wie bereits in 4.1. dargelegt, nimmt die Anzahl der Sitzungen, bei denen die Themen diskutiert wurden, von 2015 auf 2016 im Landtag in Tirol und Trentino ab, in Südtirol zu. Wie Grafik 1 zeigt, nehmen auch die Diskussionen zur Kompetenzverteilung, zu den zu ergreifenden Maßnahmen und zur grundsätzlichen Beurteilung der Situation (Kode „Definition Flucht“) ab, während die Diskussion rund um die Frage, wer die Flüchtlinge sind und welche Rechte und Pflichten dieselben haben sollten (Kode „Definition Flüchtlinge“) gleichbleibt. Anzumerken ist auch, dass aufgrund der Ankündigung Österreichs im Februar 2016, Grenzkontrollen am Brenner einzuführen (siehe Gafriller in diesem Band), die Diskussionen um die Bedeutung, den Status sowie die Verwaltung der Brennergrenze im Jahre 2016 in allen drei Landtagen im Vergleich zu 2015 zunehmen.

Die nach Landtagen getrennte Auswertung der Debatten zeigt allerdings große Unterschiede. Differenzen zwischen den Landtagen betreffen die quantitative Behandlung der Themen. Wie Grafik 2 zeigt, sind vor allem Unterschiede in der Diskussion um die „Brennergrenze“, in den Debatten um „Maßnahmen“ und in der Bewertung des Themas an sich (Kode „Definition Flucht“) hervorzuheben.

Die Gestaltung der Brennergrenze und insbesondere der Grenzkontrollen ist vor allem im Südtiroler Landtag im Jahre 2016 ein sehr wichtiges Thema, wobei auf Südtiroler Seite vor allem die Abwendung der Grenzkontrollen, wie von der österreichischen Regierung geplant, und des geplanten Hot Spots, wie von der italienischen Regierung geplant, diskutiert werden. Die Südtiroler Freiheit und die Freiheitlichen weisen in den Diskussionen vermehrt sowohl auf die Grenze als „Unrechtsgrenze“ als auch auf den von diesen Parteien unrechtmäßig erklärten Status Südtirols innerhalb Italiens hin.

„Ich würde sagen, Südtirol sitzt zwischen den Stühlen. Wir sind wieder einmal auf der falschen Seite des Zaunes. Wir sind Spielball zwischen den Mächten wie seit jeher. Südtirol ist für eine Zuschauerrolle vorgesehen, also sozusagen Zaungäste. Entschieden wird in Rom, Brüssel, Wien und Berlin. Wir hätten aber im Grunde einen Trumpf in der Hand, den wir ausspielen sollten. Wir leben an einer wichtigen Lebensader zwischen den Wirtschaftsgebieten im Norden der Alpen und im Süden. Das sollten wir ausnützen, um unserer Forderung dadurch Nachdruck zu verleihen, dass wir in Südtirol keinen Hot Spot und auch kein Flüchtlingschaos wollen.“ (Süd-Tiroler Freiheit, Landtagsprotokoll vom 2.3.2016)

Auffallend in Grafik 2 ist auch, dass sich ein Großteil der Debatten im Trentiner Landtag der Definition und Interpretation von „Flucht“ widmet. Somit wird das Thema zwar rhetorisch bearbeitet, konkrete Maßnahmen zur Verwaltung der Situation werden allerdings wenige vorgeschlagen. Im Tiroler Landtag hingegen überwiegt die Diskussion um konkrete Schritte und Aktionen, die die Lage der Flüchtlinge und Asylwerbenden verbessern könnte.

Die Grafiken 3, 4 und 5 zeigen neben den quantitativen Unterschieden auch signifikante Unterschiede inhaltlicher Natur zwischen den drei Landtagen. Diese betreffen vor allem die Frage nach der Art von Maßnahmen, die implementiert werden sollten (Grafik 3) sowie die Frage nach den zuständigen Akteuren (Grafik 4) und die Kritik an denselben.

Während im Tiroler Landtag die Diskussionen um integrationsfördernde Maßnahmen für Asylwerbende überwiegen, wie die Förderung der Kenntnisse der deutschen Sprache, die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, eine Garantie zur Grundversorgung, die Ausweitung der Rechtsberatung sowie psychologische Unterstützung für traumatisierte Personen, werden im Südtiroler Landtag vor allem solche Schritte debattiert, die eine Ansiedlung im Territorium erschweren bzw. reduzieren, wie die Beschränkung von Sozialleistungen sowie die Förderung von Entwicklungshilfe und damit die Eindämmung der Wanderungsbewegungen. Hervorzuheben ist auch, dass im Tiroler Landtag die Meinung vorherrscht, integrationsfördernde Maßnahmen müssten bereits vor Abschluss des Asylverfahrens eingeleitet werden, während im Südtiroler Landtag vermehrt darauf hingewiesen wird, dass der rechtliche Status vieler Flüchtlinge nicht geklärt sei und dies die weitere Planung von Maßnahmen erschwere oder nicht erfordere.

Im Trentiner Landtag überwiegt die Diskussion um die Erstunterbringung von Asylwerbenden, deren Verteilung auf dem Territorium, die Vermeidung von einer Konzentration in den Städten Rovereto und Trient und einer überproportional starken Ansiedlung in ländlichen Zonen und sehr kleinen Gemeinden.

Die „gerechte“ Verteilung der von den jeweiligen Staaten zugewiesenen Quote von aufzunehmenden Asylwerbenden beschäftigt auch die Landtage in Tirol und Südtirol, wobei, wie bereits in der Provinz Trient, einerseits eine Konzentration auf die Hauptstädte Bozen und Innsbruck vermieden werden soll, andererseits die Ansiedlung in kleinen ruralen Gemeinden ebenso problematisch diskutiert wird.

Grafik 4 zeigt deutlich, dass der Südtiroler Landtag die Übernahme der Handlungshoheit in der Gestaltung der Politiken im Bereich Flucht und Asylwerbende vom Staat diskutiert. Die Gestaltung derselben Politik würde allerdings, wie unter anderem aus Grafik 3 hervorgeht, eine Beschränkung der Zuwanderung und eine erschwerte Ansiedlung auf dem Territorium vorsehen. Diese Forderung der Übernahme der Kompetenz zur Regelung bzw. Einschränkung der Einwanderung findet sich allerdings nicht nur in den Debatten zu Flüchtlingen und Asylwerbenden, sondern grundsätzlich in allen Debatten, die Migrationsbewegungen betreffen und werden vor allem von den rechtspopulistischen Oppositionsparteien die Freiheitlichen und Süd-Tiroler Freiheit vorgebracht (Wisthaler 2016a). Wie in 4.1. dargelegt, sind diese zwei Parteien auch die aktivsten Parteien in der Einbringung von formellen Anfragen und Akten, und haben somit auch die Deutungshoheit über dieses Thema übernommen.

Alle drei Landtage weisen auch der Euregio (Trient) bzw. der transnationalen Zusammenarbeit (Südtirol und Tirol) eine wichtige Rolle in der Gestaltung der Flüchtlings- und Asylpolitik zu. Dies unterstreicht den in diesem Politikbereich entstehenden gemeinsamen Handlungsraum, der über die Brennergrenze und die nationalstaatlichen Grenzen hinaus entstehen könnte. Allerdings zeigt Grafik 5, dass diese eingeforderte Zusammenarbeit in der Euregio noch nicht zur Zufriedenheit aller Parteien im Landtag funktioniert. Obwohl in den Augen des Trentiner Landtages die Euregio handeln sollte, wird Kritik an der Zusammenarbeit zwischen den drei Landtagen sowie an den fehlenden Interventionsmöglichkeiten der Euregio laut.

“sappiamo che l’Euregio è una bella cosa folcloristica, offre qualche corso e qualche contributo a qualche associazione ma niente di più. Non ha nessun potere di intervenire politicamente nelle decisioni dello Stato austriaco, gli amici tirolesi ci mettono i container e il filo spinato e l’Euregio se lo mettono su per il camino.” (Civica per il Trentino, 2.3.2016)

„Mich hat gestern in der Interregionalen Landtagskommission etwas ein bisschen irritiert, und zwar, dass wir diesen Geist der Gemeinsamkeit überhaupt nicht verspüren. Der Südtiroler, der Trentiner und der Tiroler Landtag machen zwar Tagesordnungspunkte, wohin wir gemeinsam gehen möchten, aber wenn es schwierig wird, dann zieht sich im Grunde jeder zurück, das heißt, dass der eine zu wenig für den anderen einsteht.“ (SVP, 2.3.2016)

Bezeichnend ist auch, dass der Trentiner Landtag vor allem Kritik an der Flüchtlings­politik des italienischen Staates äußert, während im Tiroler und Südtiroler Landtag die Kritik an der EU sowie am Dubliner Abkommen überwiegt. Kritik gegenüber dem österreichischen Staat wird wenig geäußert, und wenn, dann vom Südtiroler oder Trentiner Landtag bezüglich der Ankündigung Österreichs, Grenzkontrollen am Brenner einzuführen. Die deutschen Südtiroler Oppositionsparteien, allen voran die Bürgerunion, kritisieren Österreich hinsichtlich der Schutzmachtfunktion.

„Die Wahrheit ist, dass Südtirol sei es von der Schutzmacht Österreich als auch von der eigenen Landesregierung und der Mehrheitspartei in diesem Land im Stich gelassen wird. […] Wir werden von der Schutzmacht Österreich, von der derzeitigen rot-schwarzen Regierung ausgegrenzt…“ (Bürger­union, 2.3.2016)

Betrachtet man die Diskussionen um die vorgeschlagenen Maßnahmen, die Zuweisung der Handlungskompetenz und die geübte Kritik gemeinsam, kann man feststellen, dass der Trentiner Landtag jener Landtag ist, der am wenigsten über konkrete Handlungsvorschläge debattiert, gleichzeitig aber jener ist, der die meiste Kritik an den Akteuren übt. Somit könnte man dies als eine Abgabe der Verantwortung bezeichnen. Der Tiroler Landtag hingegen, der am meisten konkrete integrationsfördernde Maßnahmen und Maßnahmen zur Erstunterbringung diskutiert, übergibt einen großen Teil der Handlungskompetenz an die Tiroler Gemeinden und übt große Kritik an der EU. Der Südtiroler Landtag, bzw. einige Parteien darin, fordern eine weitreichende Autonomie bzw. Unabhängigkeit vom Staat, um das Politikfeld selbst zu gestalten und zu verwalten, wobei man davon ausgehen kann, dass die Diskussion um die Übernahme der Kompetenzen zur Gestaltung der Wanderungsbewegungen nur deshalb so stark ist, weil sich das Thema gut eignet, die eigenen parteipolitischen Interessen, in diesem Fall Kritik an der Autonomiepolitik der SVP und gleichzeitig Stärkung der eigenen sezessionistischen Interessen, in den Vordergrund zu rücken. Zudem sind diese Diskussionen rein „platonischer“ Natur, da die Kompetenzhoheit beim Staat liegt. Somit könnte man, ähnlich wie beim Trentiner Landtag, auch bei diesen Diskussionen des Südtiroler Landtages von einer Verantwortungsabgabe sprechen.

5. Erklärungsvorschläge und Schlussbemerkungen

Der politische Diskurs, der sich in den Wortprotokollen zum Thema Flucht und Asyl zeigt, ist in den drei Landtagen sowohl aus formeller Sicht als auch in seiner inhaltlichen Ausprägung sehr unterschiedlich. Im Tiroler Landtag gab es mehr formelle parlamentarische Arbeit zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende. Auch inhaltlich grenzt sich der Tiroler Landtag im Vergleich zu den beiden anderen Landtagen durch die überwiegende Diskussion um Erstaufnahme und Integration ab. Somit weisen die Diskussionen im Tiroler Landtag einen stark handlungsorientierten Charakter auf. Zudem sind die Debatten geprägt von einem pragmatischen Ansatz, wobei sich die Akteure durchaus der Notwendigkeit von einer über die Erstaufnahme und Grundversorgung hinausreichenden Integration bewusst zeigen.

Im Südtiroler und im Trentiner Landtag hingegen waren deutungsorientierte Themen sehr präsent, das heißt die Debatte zielte vielfach auf eine Bewertung der Lage und des Status der Flüchtlinge, wobei die Verantwortung für politisches Handeln tendenziell abgegeben wird (z. B. weil die Kritik an anderen Akteuren im Vordergrund steht oder weil eher Kompetenzen als konkrete Maßnahmen diskutiert werden). Zudem zeigt sich in den Debatten, dass Flüchtlinge und Asylwerbende oft als temporäre Phänomene wahrgenommen werden und deshalb keine langfristigen Integrationsmaßnahmen nötig sind, sondern humanitäre Hilfe und die Organisation von Notfallmaßnahmen einerseits und die Restriktion von Zuwanderung andererseits im Vordergrund stehen.

Die Forderung nach transnationaler Zusammenarbeit und Stärkung der Euregio wird in allen drei Landtagen prominent vorgebracht. Die Absichtserklärung zur gemeinsamen „Bewältigung der Flüchtlingskrise“ verabschiedet vom Dreierlandtag ist eine kohärente Folge dieser Forderung nach vermehrter Zusammenarbeit.

Allerdings liegt die Schwierigkeit der Umsetzung dieser Forderung in den unterschiedlichen Herangehensweisen an das Thema. Neben den Unterschieden in den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Aufnahme, möglichen Integration oder Beschränkung der Ansiedlung und den Unterschieden in der Zuweisung der Handlungskompetenz, diskutiert der Tiroler Landtag zweckorientiert einen Ausbau der Zusammenarbeit über die Euregio hinaus und eine Miteinbeziehung von Bayern, um den Transit von Italien über Österreich nach Deutschland zu kontrollieren. Im Südtiroler und Trentiner Landtag wird hingegen die fehlende Identität der Euregio thematisiert und Kritik an der bestehenden Zusammenarbeit geübt, sei es an der Task Force zum Thema Flüchtlinge als auch an der trinationalen Polizeizusammenarbeit.

Somit haben weder die formellen Kooperationen im Rahmen der Europaregion im spezifischen Politikfeld, noch die gemeinsame Willenserklärung zum Thema noch die gemeinsame Brennergrenze zu einer Annäherung der politischen Diskurse geführt. Auch eine ähnliche politische-ideologische Ausgangslage in den Landtagen hat nicht zu den erwarteten Ähnlichkeiten in der Debatte des Themas geführt und die Differenzen, sowohl in der Bewertung der Lage als auch in den vorgeschlagenen Maßnahmen überwiegen.

Wie oben gezeigt, sind weniger die Unterschiede in den Debatten zwischen Trentino und Südtirol als die Unterschiede nördlich und südlich des Brenners ausgeprägt. Die von Cereghini und Previte in diesem Band aufgezeigte italienische Politik der Notstandsmaßnahmen, die allerdings nicht nur den Bereich des Flüchtlings- und Asylwesens charakterisiert, sondern prägend für die gesamte italienische Heran­gehensweise an das Thema Zuwanderung ist (Campomori/Caponio 2013), spiegelt sich auch in den Südtiroler und in den Trentiner Landtagsdebatten wider. Auch die Wahrnehmung Italiens als Transitland wird im Trentiner und Südtiroler Landtag und den jeweiligen sub-staatlichen Kontext übertragen. Somit scheint der Diskurs in den italienischen Provinzen dem staatlichen Diskurs zu folgen. Die Debatten im ­Tiroler Landtag hingegen bewegen sich zwar innerhalb des auf staatlicher Ebene vorherrschenden Rahmens, der Österreich als Aufnahmeland definiert, allerdings schlägt sich das von Müller und Rosenberger in diesem Band gezeigte Umschwenken der Bundespolitik hin zu einer Restriktion der Zuwanderung zum Zeitpunkt der Analyse (noch) nicht in den Tiroler Landtagsdebatten nieder.

Die Wahrnehmung Italiens als Transitland bzw. Österreichs als Einwanderungs- und Aufnahmeland ist auch eine Folge der unterschiedlichen Zuwanderungsgeschichte nördlich und südlich des Brenners. Italien, und somit auch das Trentino und Südtirol können auf eine relativ kurze Erfahrung von circa 20 Jahren im Umgang mit Migration und Integration zurückgreifen, während Österreich und das Bundesland Tirol bereits in den 1960er-Jahren Gastarbeiter aufnahmen und sich die dadurch entstandene kulturelle, religiöse und sprachliche Vielfalt sowie auch die Politik im Umgang mit derselben über die Jahre hinweg konsolidiert hat (Hetfleisch 2011). Neben der Zuwanderungsgeschichte unterscheiden sich die beiden Staaten, und auch die drei Länder der Euregio, im Hinblick auf die Anzahl an Personen mit Migrationshintergrund und deren Herkunftsländer, wobei Tirol den höchsten Prozentsatz an Personen mit Migrationshintergrund (sei es nicht-österreichische Staatsbürger als auch eingebürgerte Personen und nachfolgende Generationen) hat, gefolgt vom Trentino und von Südtirol.

Ähnlich verhält es sich mit der Anzahl der aufgenommenen Asylwerbenden und der Zahl der positiven Asylbescheide. Tirol hat im Vergleich zu Südtirol und dem Trentino eine deutlich höhere Anzahl an Asylwerbenden aufgenommen (Ende 2016 waren dies mehr als 6.000 Personen, während in Südtirol und Trient die Zahl Ende 2016 zwischen 1.200 und 1.400 Personen lag (siehe die Beiträge von Cereghini/Previte und Pelacani in diesem Band), und auch die Zahl an positiven Asylbescheiden ist aufgrund der unterschiedlichen Herkunftsländer der Flüchtlinge in Österreich und damit in Tirol deutlich höher als in den anderen beiden Teilen der Euregio (siehe Pelacani in diesem Band). Auch hier lohnt sich ein Blick auf die zwei unterschiedlichen staatlichen Kontexte: Obwohl in beiden Staaten die Quote der aufzunehmenden Asylwerbenden im Verhältnis zur Anzahl der gesamten Bevölkerung steht, ist dies für das Bundesland Tirol 8,4 Prozent der insgesamt in Österreich aufzunehmenden Asyl­werbenden, und für die Provinzen Trentino und Südtirol 0,9 Prozent der insgesamt in Italien aufzunehmenden Asylwerbenden. Und auch in der Zuweisung der Asylbescheide erklärt der jeweilige staatliche Kontext einiges: Die Asylwerbenden in Tirol stammen vor allem aus Afghanistan und Syrien, und erhalten somit fast immer einen positiven Asylbescheid, während die aufzunehmenden Personen in Trentino und Südtirol vor allem aus dem afrikanischen Raum stammen. Wie Pelacani in diesem Band ausführt, liegt die Zahl der positiven Asylbescheide in Italien circa bei 30 Prozent.

Neben diesen auf staatlichen Rahmenbedingungen basierenden Unterschieden zeigen sich Divergenzen auch in der Parteienlandschaft. Obwohl, wie oben dargelegt, in allen drei Landtagen mitte-rechts Parteien in der Opposition überwiegen und die Länder jeweils von mitte-links Koalitionen regiert werden, hebt sich sowohl Südtirol als auch das Trentino durch die signifikante Präsenz von Regionalparteien von Tirol ab. Wie die inhaltliche Analyse der Debatten gezeigt hat, nutzen diese Parteien (vor allem die Freiheitlichen und die Südtiroler Freiheit in Südtirol und die Civica Tren­tina und die Lega Nord im Trentino) den Diskurs zu Flüchtlingen, um eigene parteipolitische Interessen zu stärken und die Divergenz zum Staat zu unterstreichen. Wie Wisthaler (2016b) zeigt, ist dieser instrumentelle Nationalismus ein Charakeristikum des Diskurses von Regionalparteien zu Immigration und Integration generell.

Auch auf die besondere Situation des Zusammenlebens der drei historischen Sprachgruppen in Südtirol muss in diesem Rahmen hingewiesen werden. Wie in der Forschung mehrfach diskutiert (Medda-Windischer/Carlà 2015; Zapata-Barrero 2009; Wisthaler 2016b), stellt Integration und Immigration in Minderheitengebieten eine besondere Herausforderung dar. Dass dies auch für die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden gilt, zeigen Caponio, Testore und Wisthaler (2017) in einem Vergleich zwischen Piemont und Südtirol. Allerdings wird diese Herausforderung, und dies gilt auch für den vorliegenden Beitrag, vor allem auf rhetorischer Ebene und somit in den Debatten des Landtages thematisiert, während sich die konkreten Maßnahmen zur Aufnahme und späteren Integration von Asylwerbenden zwischen dem Piemont und Südtirol, und auch zwischen dem Trentino und Südtirol nicht maßgeblich unterscheiden.

Wie der vorliegende Beitrag gezeigt hat, antworten die drei Landtage in den ­Teilen der Euregio auf eine ähnliche politische Herausforderung mit unterschiedlichen Interpretationen und Handlungsvorschlägen, wobei die Forderung nach einer Restriktion der Zuwanderung im Südtiroler und im Trentiner Landtag deutlich präsenter ist als im Tiroler Landtag (trotz einer höheren Anzahl an Aslywerbenden in Tirol). Obschon diese Politik der Abschottung, Restriktion und der Stärkung der Nationalstaaten sich auch in Österreich und auch auf europäischer Ebene vermehrt durchschlägt, zeigt der vorliegende Beitrag dennoch, dass eine gemeinsame Bearbeitung des Themas über die Euregio durchaus angestrebt wird. Es zeigt sich allerdings auch deutlich, dass es hier noch viel Handlungsspielraum und Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Die politische und institutionelle Kooperation in der Euregio zum Thema Asylsuchende hat bislang nicht zu einer inhaltlichen Annäherung der politischen Diskurse geführt. Insofern scheint es derzeit noch keine ideelle und strukturelle Basis für eine gemeinsame euroregionale politische Strategie zu geben.

Anmerkungen

1 Siehe auch Beitrag von Jakob Leo Gafriller in diesem Band.

2 Siehe auch Beitrag von Gracy Pelacani in diesem Band.

3 Diese politisch-ideologischen Ähnlichkeiten bei den Regierungs- und Oppositionsparteien beziehen sich in erster Linie auf die Haltung der Parteien zur Flüchtlingsthematik. Bei anderen Thematiken, zum Beispiel Beziehungen zum Zentralstaat, gibt es durchaus ideologische Unterschiede zwischen den Parteien.

4 Siehe auch Beitrag von Gracy Pelacani in diesem Band.

5 Da der vorliegende Beitrag den politischen Diskurs in den drei Landtagen analysiert, beschränkt er sich auf jene Sachverhalte und formelle Einbringungen, die in den Landtagen in dem untersuchten Zeitraum diskutiert werden. Schriftliche Anfragen, Anfragenbeantwortungen, oder Stellungnahmen, die nicht debattiert werden, werden also weder in der quantitativen noch in der qualitativen Analyse berücksichtigt. Dies betrifft insbesondere den Tiroler Landtag, wo nicht alle Anfragen und Anfragebeantwortungen im Landtag besprochen werden.

6 Code ist das Atlas.ti-spezifische Wort für einen Überbegriff, der einem Text oder Satzteil zugewiesen wurde. Das für diesen Artikel verwendete Codebuch sowie weitere Details zur Kodierung kann bei den Autorinnen angefragt werden.

7 Im vom Plenum genehmigten Text befindet sich dieser Passus unter Art. 22.

8 Es wurden noch andere Beschluss- und Begehrensanträge zum Thema Migration und Integration angenommen. Da diese aber allgemein das Thema Zuwanderung betreffen, werden sie hier nicht explizit genannt.

Literaturverzeichnis

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Campomori, Francesca/Caponio, Tiziana (2013), Competing frames of immigrant integration in the EU: geographies of social inclusion in Italian regions, in: Policy Studies, 34 (2), 162–179

Caponio, Tiziana/Testore, Gaia/Wisthaler, Verena (2017), Intergovernmental Relations on Immigrant Integration in Italy. A case study of Piedmont and South Tyrol, internes Arbeitspapier Eurac Research

Durand, Frédéric (2015), Theoretical Framework of the Cross-Border Space Production—The Case of the Eurometropolis Lille-Kortrijk-Tournai, EUBORDERSCAPES Working Paper 9

Engl, Alice (2016), Bridging borders through institution-building: the EGTC as a facilitator of institutional integration in cross-border regions, in: Regional and Federal Studies, 26 (2), 143–169

Kerchner, Brigitte/Schneider, Silke (2006), Foucault: Diskursanalyse der Politik: Eine Einführung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Kössler, Karl (2015), Immigration and Integration in Multilevel Systems: A Challenge between Regional Autonomy and Intergovernmental Cooperation, in: Medda-Windischer, Roberta/Carlà, Andrea (Hg.), Migration and Autonomous Territories. The Case of South Tyrol and Catalonia, Leiden/Boston: Brill-Martinus Nijhoff, 27–61

Hetfleisch, Gerhard (2011), Das kurze Jahrzehnt der Integrationsdebatte in Österreich, in: Medda-Windischer, Roberta/Hetfleisch, Gerhard/Meyer, Maren (Hg.), Migration in Südtirol und Tirol. Analysen und multidiziplinäre Perspektiven, Bozen/Bolzano: Eurac, 34–58

Mayring, Philipp (2000), Qualitative Inhaltsanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung, in: Social Research, 1 (2)

Medda-Windischer, Roberta/Carlà, Andrea (Hg.) (2015), Migration and Autonomous Territories. The Case of South Tyrol and Catalonia, Leiden/Boston: Brill-Martinus Nijhof

Odmalm, Pontus (2012), Party competition and positions on immigration: Strategic advantages and spatial locations, in: Comparative European Politics, 10 (1), 1–22

Putnam, Robert D. (1979), The Comparative Study of Political Elites, Englewood Cliffs, N.J.: Prentice Hall

Pikner, Tarmo (2008), Reorganizing Cross-Border Governance Capacity: The Case of the Helsinki–Tallinn Euregio, in: European Urban and Regional Studies, 15 (3), 211–227

Svensson, Sara/Nordlund, Carl (2015), The Building Blocks of a Euroregion: Novel Metrics to Measure Cross-Border Integration, in: Journal of European Integration, 37 (3), 371–389

Van Dijk, Teun A. (1997), Political Discourse and Racism. Describing Others in Western Parliaments, in: Riggins, Stephen H. (Hg.), The Language and Politics of Exclusion. Others in Discourse, Thousand Oaks, CA: Sage, 31–64

Wisthaler, Verena (2015), Immigration in Südtirol: Regionale Integrationspolitiken und lokale Entscheidungsprozesse, in: Alber, Elisabeth/Engl, Alice/Pallaver, Günther (Hg.), Politika 15. Südtiroler Jahrbuch für Politik, Bozen: Raetia, 75–104

Wisthaler, Verena (2016a), South Tyrol: the importance of boundaries for immigrant integration, in: Journal of Ethnic and Migration Studies, 42 (8), 1271–1289

Wisthaler, Verena (2016b), Immigration and Collective Identity in Minority Nations. A longitudinal comparison of Stateless Nationalist and Regionalist Parties in the Basque Country, Corsica, South Tyrol, Scotland and Wales, Ph.D Thesis, University of Leicester

Zapata-Barrero, Ricard (Hg.) (2009), Immigration and Self-government of Minority Nations, Diversitas, Brüssel: Peter Lang

Tabelle 3: Formelle Auswertung der Landtagsdebatten 2015 zum Thema Flüchtlinge und Asylwerbende

Südtiroler ­Landtag

Trentiner ­Landtag

Tiroler Landtag

Anzahl Sitzungen mit einer Diskussion zum Thema

19 von 52 ­Sitzungen

(entspricht 37 %)

19 von 52 Sitzungen

(entspricht 37 %)

11 von 14 Sitzungen

(entspricht 79 %)

Meistverwendete und diskutierte parlamentarische Einbringung zum Thema

Anfragen, gefolgt von Beschlussanträgen

Anfragen (aber insgesamt wenige themenspezifische formelle Einbringungen, der Großteil der Debatte erfolgt im Rahmen sonstiger Tagesordnungspunkte)

Anträge

Partei mit den meisten diskutierten formellen Einbringungen zum Thema*

Die Freiheitlichen

Civica Trentina

Die Freiheitlichen**

Angenommene formelle Akte und einbringende Partei***

1 Landesgesetzentwurf (SVP-PD)

2 proposte di ordine del giorno (PD)

4 Anträge (FPÖ, 2 davon in einer abgeänderten Fassung);

1 Antrag (impuls-tirol); 2 Anträge (die Grünen);

3 Anträge (ÖVP und Grüne);

1 Regierungsvorlage (ÖVP und Grüne);

2 dringliche Regierungsvorlagen (ÖVP und Grüne);

4 Anträge und Berichte des Finanzausschusses zu Regierungsvorlagen (ÖVP und Grüne);

1 Antrag für eine Gesetzesnovelle des Tiroler Grundversorgungsgesetzes (ÖVP und Grüne);

* Hier werden, wie im Abschnitt zu Daten und Methoden bereits erläutert, nur jene Einbringungen gezählt, die in den jeweiligen Landtagen debattiert werden. Dies betrifft insbesondere den Tiroler Landtag, wo nicht alle Anfragen und Anfragebeantwortungen im Landtag besprochen werden. Dies gilt auch für Tabelle 4.

** Anzumerken ist, dass die anderen Parteien mehr formelle Einbringungen zum Thema Flucht und Asyl haben, als bei dieser Analyse gezählt wurden, zum Beispiel die Liste Fritz. Aber die meisten formellen Einbringungen zum Thema Flucht und Asyl, die im Tiroler Landtag diskutiert wurden, kommen von den Freiheitlichen. Dies gilt auch für Tabelle 4.

*** Bei Einbringungen von Seiten der Landesregierung oder eines Landesrates/einer Landesrätin werden immer alle Regierungsparteien in Klammer genannt. Dies gilt auch für Tabelle 4.

Daten: Wortprotokolle des jeweiligen Landtages; eigene Ausarbeitung.

Tabelle 4: Formelle Auswertung der Landtagsdebatten 2016 zum Thema Flüchtlinge und Asylsuchende

Südtiroler Landtag

Trentiner Landtag

Tiroler Landtag

Anzahl Sitzungen mit einer Diskussion zum Thema

23 von 49 Sitzungen (entspricht 46,9 %)

13 von 47 Sitzungen

(entspricht 28 %)

8 von 14 Sitzungen

(entspricht 57 %)

Meistverwendete und diskutierte parlamentarische Einbringung zum Thema

Beschlussanträge und Anfragen

Anfragen

Anträge

Partei mit den meisten diskutierten formellen Einbringungen zum Thema

Die Freiheitlichen und die Grüne Fraktion

Civica Trentina

Die Freiheitlichen

Angenommene formelle Akte und einbringende Partei

1 Begehrensantrag (SVP)

1 Beschlussantrag (SVP-PD)

1 Beschlussantrag Süd-Tiroler Freiheit (SF)

Risoluzione n. 9 per il controllo, l’accoglienza e la gestione dell’emergenza profughi (PATT, PD und Unione per il Trentino)

1 Antrag (impuls-tirol)

2 Anträge (FPÖ, einer davon in abgeänderter Fassung)

3 Anträge (FRITZ, zwei davon in abgeänderter Fassung)

1 Regierungsvorlage

Quelle: Wortprotokolle des jeweiligen Landtages; eigene Ausarbeitung.

Grafik 1: Überblick über die in den Landtagen behandelten Themen in den Jahren 2015 und 2016

Daten: Alle in der Datenbank gelisteten Wortprotokolle der drei Landtage (Summe 92), kodiert mit Atlas.ti, Summe Kodes 2015: 358; Summe Kodes 2016: 277; dargestellt im Verhältnis zu der Gesamtheit der Kodes in den jeweiligen Landtagen; eigene Ausarbeitung.

Grafik 2: Vergleich der Themen zwischen den drei Landtagen

Daten: Alle in der Datenbank gelisteten Wortprotokolle der drei Landtage (Summe 92), kodiert mit Atlas.ti, Summe Kodes 655, dargestellt im Verhältnis zu der Gesamtheit der Kodes in den jeweiligen Landtagen; eigene Ausarbeitung.

Grafik 3: Unterschiede bei den vorgeschlagenen Maßnahmen zwischen den drei Landtagen

Daten: Alle in der Datenbank gelisteten Wortprotokolle der drei Landtage (Summe 92), kodiert mit Atlas.ti, Summe Kodes 655, dargestellt im Verhältnis zu der Gesamtheit der Kodes in den jeweiligen Landtagen; eigene Ausarbeitung.

Grafik 4: Unterschiede in Zuweisung der Handlungskompetenz zwischen den Landtagen

Daten: Alle in der Datenbank gelisteten Wortprotokolle der drei Landtage (Summe 92), kodiert mit Atlas.ti, Summe Kodes 655, dargestellt im Verhältnis zu der Gesamtheit der Kodes in den jeweiligen Landtagen; eigene Ausarbeitung.

Grafik 5: Kritik an den Akteuren in den drei Landtagen

Daten: Alle in der Datenbank gelisteten Wortprotokolle der drei Landtage (Summe 92), kodiert mit Atlas.ti, Summe Kodes 655, dargestellt im Verhältnis zu der Gesamtheit der Kodes in den jeweiligen Landtagen; eigene Ausarbeitung.