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Peter Hilpold

Die europäische Flüchtlingskrise und die Obergrenzen- und Quotendiskussion in Österreich1

Quotas as an Instrument of Burden-Sharing in International Refugee Law and the Discussion in Austria

Abstract The year 2016 was characterized by an unprecedented influx of refugees and asylum seekers into Europe. While initially both the EU and the single member states were unable to properly respond, this situation was soon corrected. Some states took recourse to extreme measures like border closures and announced the introduction of quotas. This contribution explains that these policies were often ill-conceived. Academic advice sought by governments through the commissioning of opinions proved unhelpful. In the end, however, the overall academic contributions evidenced some impact. No longer is the political sphere at a loss when confronting the refugee influx. While the refugee and asylum problem will likely endure for a time, there is reason to hope that a learning process has been set in motion that might eventually allow for a constructive handling of this and future challenges.

1. Einführung

Die aktuelle Flüchtlingskrise stellt eine einzigartige Herausforderung insbesondere für Europa dar. Die Genfer Flüchtlingskonvention geht von einem einzelfallbezo­genen Fluchttatbestand aus und kann für solche Situationen hinreichenden Schutz gewähren. Für Massenfluchtbewegungen bietet dieses Instrument hingegen keine geei­gnete Antwort. Es müssen neue Wege für eine gerechte Lastenverteilung (burden-­sharing) gefunden werden. Gegenwärtig versuchen einzelne Staaten, darunter Österreich, unilateral den Flüchtlingsströmen Grenzen zu setzen. Im vorliegenden Beitrag wird gezeigt, dass weder das Völkerrecht noch das EU-Recht dafür eine Grundlage bietet. Die geplante Quotenregelung, für welche mit der Novelle zum Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) in § 36 eine Grundlage geschaffen worden ist, ist damit rechtswidrig. Dies bedeutet aber nicht, dass ein grenzenloser Zustrom von Flüchtlingen akzeptiert werden muss. Es sind vielmehr die Bemühungen zu intensivieren, Instrumente zu schaffen, die auf multilateraler Ebene eine geeignete Antwort auf das immer bedeutender werdende Massenfluchtphänomen bieten können.

Laut dem kürzlich veröffentlichten UNHCR-Bericht für das Jahr 2015 (United Nations High Commissioner for Refugees) waren noch nie so viele Menschen auf der Flucht wie gegenwärtig. Gegenwärtig seien dies 65 Millionen, Tendenz steigend. Jeder 113. Mensch ist davon betroffen (o.A. 2016e). Das Fluchtphänomen hat damit, seit der Schaffung des zentralen völkerrechtlichen Instrumentariums, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) aus 1951, grundlegend ihr Gesicht verändert. Auch das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) ist darauf nicht vorbereitet bzw. nähert es sich dem Fluchtproblem weitgehend aus einer anderen Warte. Zentral für den in der Nachkriegszeit geschaffenen Flüchtlingsschutz waren stets der individuelle Verfolgungstatbestand, die Einzelfallbetrachtung und die Suche nach einer spezifischen Regelung für diesen konkreten Einzelfall, allenfalls unter Berücksichtigung eines unmittelbaren familiären Anhangs. Dies gilt, auch wenn sich die GFK zu dieser Ausrichtung aus verständlichen Gründen nicht explizit bekennt.2 Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, wurde in der Folgezeit immer wieder versucht, internationale Regelungen für die Flucht als Massenphänomen zu finden, doch war der diesbezügliche Erfolg relativ bescheiden.

Von Einzeltatbeständen ausgehend waren Integration und Absorption des Flüchtlings für die GFK somit kein Thema, während die spätere Praxis, die ein weitgehend anderes Profil zeigte, gerade diese Herausforderungen anzugehen hatte. „More refugees, less asylum“, wurde im Schrifttum gesagt (vgl. Roberts 1998) und dabei die Tendenz der Staaten angesprochen, auf ein Anwachsen des Flüchtlingsproblems mit einer zusehends restriktiveren Asylpraxis zu reagieren.3 Einen maßgeblichen Beitrag zu dieser anwachsenden Aversion gegenüber Flüchtlingen hat das in vielen Staaten verbreitete Gefühl geleistet, allein gelassen zu werden und von Solidarität nur in Sonntagsreden zu hören. Eine einigermaßen faire Lastenverteilung, das vielzitierte burden-sharing, ist das Um und Auf für die weitere Akzeptanz und letztlich die Funktionsfähigkeit des internationalen (aber auch des nationalen) Flüchtlingsschutzsystems. Will man die moderne Flüchtlingsproblematik in den Griff bekommen, so bietet sich die Einführung eines Quotensystems geradezu an, und zwar sowohl auf internationaler als auch auf europäischer und auf nationaler Ebene. Das einschlägige rechtliche Instrumentarium sieht jedoch keine solchen Vorkehrungen vor und es stellt sich damit die Frage, ob die Einführung eines solchen Schlüssels überhaupt möglich bzw. rechtlich zulässig ist. Die Antwort auf diese Frage wird in entscheidendem Maße vom Ansatz abhängen, also davon, ob ein multilateraler (konsensualer) oder ein unilateraler Ansatz gewählt wird.

Nachfolgend wird diese Frage in Bezug auf die internationale und die europäische Ebene geprüft. Quotenregelungen und Flüchtlingsverteilungspläne existieren bekanntlich auch auf nationaler Ebene4 und sind dort nicht minder umstritten. In diesem Falle greift aber das nationale Verfassungsrecht, das – auch in Abhängigkeit von der Frage, ob das jeweilige Staatswesen zentralistisch oder föderal organisiert ist – über völlig unterschiedliche Durchgriffsmechanismen verfügt.

Es wird zu zeigen sein, dass die auf den ersten Blick eher technisch und partikulär wirkende Quotenfrage tatsächlich in engem Konnex mit einem Großteil der umstrittensten Fragen im Flüchtlingsrecht überhaupt steht und letztlich wohl auch die Überlebensfähigkeit des jetzigen Systems entscheidend mitbestimmen könnte.

Unmittelbarer Anlass für die Verfassung dieses Beitrages war die 2015–2016 in Österreich Platz greifende Obergrenzen- und Quotendiskussion. Tatsächlich war Österreich schon beginnend mit dem Jahr 2015 einem außergewöhnlichen Zustrom von Flüchtlingen ausgesetzt, wobei Österreich zum Teil nur Transitland für die nach Deutschland drängenden Flüchtlingsströme war, zum Teil aber auch immer stärker zum unmittelbaren Zielland der Flüchtlinge wurde (Österreichisches Bundesministerium für Inneres 2016). Der Druck auf die österreichische Bundesregierung nahm kontinuierlich zu. Das Thema „Flüchtlingswesen und Asyl“ wurde zum zentralen Gegenstand des politischen Wettbewerbs zwischen den Parteien. Die Regierung musste Handlungsfähigkeit zeigen und insbesondere gegenüber der zunehmend ungeduldiger werden Bevölkerung ihre Fähigkeit bekunden, dem Zustrom Grenzen zu setzen. Dies war die Geburtsstunde der „Obergrenzen-Diskussion“. Die Regierung kündigte die Einführung einer solchen Obergrenze von maximal 37.500 Asylneuanträgen pro Jahr an und gab in der Folge ein Gutachten über die Zulässigkeit einer solchen Grenze in Auftrag. Damit war aber bereits das Pferd sprichwörtlich beim Schwanz aufgezäumt: Das Gutachten sollte prüfen, ob und gegebenenfalls wie diese (politisch bereits akkordierte) Obergrenze eingeführt und angewendet werden kann. Dieses 40.000-Euro-Gutachten, das über weite Strecken Normenaufzählungen enthält, maßgebliche Völkerrechtsliteratur unberücksichtigt lässt und fachlich bedenkliche Schlussfolgerungen enthält (vgl. Hilpold 2017), ist zu Recht auf deutliche Kritik in der Literatur gestoßen (vgl. Benedek/Salomon 2016; Lansky 2016). Insgesamt konnte damit wohl ein Umdenken in die Wege geleitet werden, weshalb schließlich ein – zumindest bislang – völkerrechts- und EU-rechtskonformer Weg zur Lösung des Flüchtlingsproblems gewählt werden konnte.

2. Quoten im System der Genfer Flüchtlingskonvention

2.1 Die GFK als individualrechtliches Schutzinstrument

Die GFK geht mit keinem Wort auf die Quotenfrage und im normativen Teil nicht einmal ansatzweise auf das Lastenverteilungsproblem ein. Anders aber in der Präambel, denn dort findet sich die Erwägung,

„dass sich aus der Gewährung des Asylrechts nicht zumutbare schwere Belastungen für einzelne Länder ergeben können und dass eine befriedigende Lösung des Problems, dessen internationalen Umfang und Charakter die Organisation der Vereinten Nationen anerkannt hat, ohne internationale Zusammenarbeit unter diesen Umständen nicht erreicht werden kann.“

Damit wird sehr deutlich die Notwendigkeit eines burden sharing angesprochen, wobei diesem geradezu die Rolle einer Funktionsvoraussetzung des Flüchtlingsschutzsystems für den Fall zugesprochen wird, dass der Asylbedarf größere Dimensionen annehmen sollte. Diese Sichtweise wird in der Literatur mitgetragen, wenn die gerechte Lastverteilung, insbesondere im Falle von Massenfluchtbewegungen, zur „faktischen Vorbedingung“ für die Funktionsfähigkeit der GFK erhoben wird (Fonteyne 1983).5

Im normativen Teil der GFK wird davon aber wiederum völlig abstrahiert. Die europazentrierte Natur dieses Abkommens, das in diesem Punkt auch durch das New Yorker Protokoll aus 1967 keine Modifikation erfahren hat, schlägt hier voll durch (vgl. Hilpold 2016a). Die großen Fluchtbewegungen in Europa sind im Jahr 1951 aus der Sicht der Urheber dieser Konvention bereits Geschichte. Nun geht es darum, einerseits in Einzelfluchtsituationen, die sich trotz eines hermetisch abschirmenden Eisernen Vorhangs noch ergeben können, überlebensnotwendigen Schutz zu gewähren und in Bezug auf die Flüchtlinge, die sich bereits in einem sicheren Zufluchtsland aufhalten, einen Status sicherzustellen, der ihren Verbleib für die Zeit ihres Schutzbedarfs und gegebenenfalls ihre Integration und ihre dauerhafte Eingliederung in die Aufnahmegesellschaft ermöglicht.6 Es wäre also ein Fehler und historisch unrichtig zu glauben, dass die GFK die große Flüchtlingsproblematik nach dem Zweiten Weltkrieg gelöst hätte, sondern es sind vielmehr begleitende bzw. vorauslaufende Maßnahmen getroffen worden, die das – über Jahre hin weitgehend reibungslose – Funktionieren der GFK auf individualrechtlicher Basis überhaupt erst ermöglichten. Interessanterweise spielte dabei die Quote – eingebettet in einen internationalen Solidaritätsmechanismus – eine nicht zu unterschätzende Rolle. So wurden in den Jahren 1947–1950 über die International Refugee Organization (IRO), einer bis 1952 operativen Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die auf maßgebliche Unterstützung der USA zählen konnte, 1,3 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene umgesiedelt, wobei die USA 31,7 Prozent übernahmen, Australien 17,5 Prozent, Israel 12,7 Prozent, Kanada 11,9 Prozent, Großbritannien 8,3 Prozent, andere westeuropäische Staaten 6,8 Prozent und Lateinamerika 6,5 Prozent (vgl. Suhrke 1998 unter Verweis auf Loescher 1994, 35). Dass ein solcher Umverteilungsprozess Platz greifen konnte, dafür waren die Besonderheiten der europäischen Nachkriegssituation verantwortlich, in der über ein über die Kriegserfahrung entstandenes Solida­ritäts­gefühl dafür Sorge trug, dass dieses Problem mit europäischen Wurzeln auch von europäischen Staaten bzw. von Staaten mit einer überwiegend aus Europa stammenden Bevölkerung gemeinsam gelöst werden konnte (Suhrke 1998).

Wer also das System der GFK als ungenügend kritisiert bzw. dessen Beseitigung fordert, der übersieht, dass sich diese Ordnung zum Zeitpunkt ihrer Entstehung in einen breiteren Rahmen fügte, der ihre Bestandskraft ohne weiteres sicherstellen konnte. Der Kalte Krieg und die massiven Repressionen in Osteuropa haben dann zu weiteren Fluchtbewegungen geführt – allerdings in einem bescheidenen Rahmen, wobei diese Flüchtlinge wiederum auf ein starkes (west)europäisches Solidaritätsgefühl vertrauen konnten. Das Flüchtlingsproblem verlor in dieser Zeit derart stark an internationaler Relevanz, dass sogar an eine Außerkraftsetzung der GFK gedacht wurde: So in der UN Resolution 1166 (XII) v 26. 11. 1957 (Roberts 1998, 380 unter Verweis auf Knipping/Von Mangoldt/Rittberger 1997).

Diesem Ansinnen wurde – glücklicherweise – nicht Folge geleistet, doch verdeutlichen bereits die Entwicklungen in den Jugendjahren dieses Dokuments einige Tatsachen, die bei aktuellen Problemstellungen häufig außer Acht gelassen werden:

Die GFK ist nicht geeignet, als allgemeines Migrationssteuerungsinstrument zu dienen. Dazu wurde die GFK nicht geschaffen und dazu fehlen in diesem Instrument geeignete Vorkehrungen.

Die GFK ist, wie gezeigt, inhärent individualrechtlich ausgestaltet. Sie ist auf dieser Basis grundsätzlich auch für Massenfluchtphänomene anwendbar (allein schon weil man davon ausgehen muss, dass das konstituierende Element des Kollektivs wiederum das Individuum ist) (Duriex/Hurwitz 2004). Auf der faktischen Ebene muss sie aber bei solchen Herausforderungen versagen. Dies hat sich durchgehend in der Geschichte der GFK gezeigt: Massenfluchtphänomene kann dieses Instrument nicht meistern (Suhrke 1998, 396).

Um solche Phänomene in den Griff zu bekommen, bedarf es ergänzender Instrumente und Verfahren. Positivrechtlich fehlt es dazu an Grundlagen. Angesichts der Herausforderungen, die Massenfluchtereignisse für die staatliche Souveränität, für die Identität eines Staates und für die gesamte Ressourcenbewirtschaftung innerhalb eines Staatsgebildes mit sich bringen, findet sich in der Staatengemeinschaft kein Konsens für die Einführung solcher Regeln, die auch als zusätzliche Legitimierung von Wanderbewegungen und letztlich für die grundsätzliche Infragestellung der Staatsgrenzen aufgefasst werden könnten. Regelungen dieser Art können damit nur spontan, für klar umgrenzte Sachverhalte und mit befristeter Wirkung zustande kommen. Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen bzw. Anreize gegeben sein, wobei vornehmlich eine intensivierte Solidarbeziehung der potentiell in Frage kommenden Aufnahmestaaten zur jeweiligen Flüchtlingsthematik maßgeblich sein wird. Der gegenwärtige Trend zur Stärkung des Solidaritätselements in den internationalen Beziehungen (vgl. Hilpold 2007; Wellens 2005; Isensee 1998) reicht dazu angesichts der Dimension der Herausforderungen, die mit einem Massenfluchtphänomen verbunden sind, nicht aus. Es bedarf vielmehr einer spezifischen Konkretisierung des Solidaritätselements. Eine solche Entwicklung erfolgte, wie gezeigt, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch im Anschluss an den Vietnam-Krieg 1975, als die USA – im Bewusstsein ihrer Verantwortung in diesem Krieg – maßgebliche Unterstützung für die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen zugunsten der Bootsflüchtlinge leistete, wenngleich diese Hilfestellung die betreffende humanitäre Katastrophe keineswegs umfänglich lösen konnte (Suhrke 1998, 405).

Krisen wie die gegenwärtige sind also multilateral nur dann zu überwinden, wenn es gelingt, unabhängig von „harten“ rechtlichen Verpflichtungen (die im vorliegenden Fall nicht gegeben sind) ein Band der Solidarität zwischen den maßgeblich involvierten Parteien zu flechten. Auf die Voraussetzungen für das Zustandekommen einer derartigen Solidarität wird später noch einzugehen sein. Schon jetzt kann aber festgehalten werden, dass gegenwärtig eine solche Solidarität nicht festzustellen ist, ja ihr schmerzliches Fehlen weltweit beklagt wird. Konkret fehlt es somit an einem Instrumentarium, über welches das Massenfluchtproblem in den Griff zu bekommen wäre, um der GFK hinreichenden Spielraum für eine einzelfallbezogene Lösung von individuellen Verfolgungstatbeständen zu eröffnen. Es fehlt an begleitenden ad hoc Regelungen. Und es kommt noch ein Punkt hinzu. Es ist eine seit Jahrzehnten anhaltende, schleichende Erosion der GFK-Verpflichtungen festzustellen (vgl. Landgren 1998), wobei dieses Problem regional in unterschiedlicher Schärfe auftritt, aber global dennoch eine kumulativ erhebliche Dimension erreicht hat. Extrem ist bspw. die Abkehr von den Konventionsverpflichtungen durch ein früheres Einwanderungsland wie Australien, das seit 2001 die Seegrenzen hermetisch abriegelt und auf der Grundlage bilateraler Abkommen mit Nauru und Indonesien auswärtige Internierungslager geschaffen hat, über welche der Zustrom von Flüchtlingen geregelt wird. Selbst anerkannte Konventionsflüchtlinge gelangen auf der Grundlage dieser sog „pazifischen Lösung“ kaum mehr auf den australischen Kontinent (vgl. Fähnders 2015; Hilpold 2016c). Japan ist zwar ebenfalls (seit 1981) Partei der GFK, hat diese aber in einer Art und Weise umgesetzt, dass nur eine verschwindend geringe Zahl an Flüchtlingen ins Land gelangen kann.7 Von einer gar Kontinenten übergreifenden, globalen Solidarität zur Umsetzung der GFK sind kaum Ansätze feststellbar. Dies bedeutet aber, dass Europa das Schwergewicht der Verpflichtungen aus der GFK trägt. Über weite Strecken ist die GFK somit – trotz ihrer Internationalisierung über das New Yorker Protokoll aus 1967 – ein europäisches Abkommen geblieben mit zahlreichen Vertragsparteien, die mehr oder weniger die Rolle von Zaungästen einnehmen, sich mit der Ratifikation dieses prestigeträchtigen Instruments schmücken, aber nicht bereit sind, die sich daraus ergebenden Verpflichtungen bona fide (siehe aber Wiener Vertragrechtskonvention 1969, Art. 26) zu erfüllen.

2.2 Spielräume für eine unilaterale Umsetzung der Quote im System der GFK – der Notstand

Kann nun das Fehlen von begleitenden Vorkehrungen zur Umsetzung breiterer Solidarverpflichtungen zum Anlass genommen werden, unilateral Quoten einzuführen und damit die Konventionsverpflichtungen – konkret unter Rückgriff auf den Grundsatz des Notstands – auszusetzen?

Es sei gleich vorweggenommen, dass die Zulässigkeit solcher Maßnahmen höchst zweifelhaft ist, zumal der Vertragstext der GFK dafür keine Handhabe bietet. Die zentrale Bestimmung dazu ist Art. 33 GFK, der das Rückschiebungsverbot in den Verfolgerstaat regelt und dazu nur ganz spezifische, wiederum auf die Situation des einzelnen schutzsuchenden Flüchtlings zugeschnittene Ausnahmen kennt. So kann sich auf das non-refoulement-Verbot nur der Flüchtling nicht berufen, „der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit [des Aufnahmestaats] bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde“ (Art. 33 Abs. 2 GFK).

Diese Ausnahmen sind eng auszulegen: So ist eine „Gefahr für die Sicherheit des Landes“ dann anzunehmen, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass der Flüchtling zentrale Interessen des Aufnahmestaats ernsthaft gefährdet, wozu ein bewaffneter Angriff gegen den Staat oder seine Bürger oder die Zerstörung seiner demokratischen Institutionen zählen (Zimmermann/Wennholz 2011, Rz8 84).

Nicht dazu zählen die Schädigung der wirtschaftlichen Interessen oder der Reputation eines Landes (Zimmermann/Wennholz 2011, Rz 84). Auch die Gefährdung der nationalen Sicherheit muss qualifizierter Natur sein, um einen Ausnahmetatbestand zum non-refoulement-Verbot zu konstituieren (Zimmermann/Wennholz 2011, Rz 89).

Das Rückschiebungsverbot in den Verfolgerstaat greift auf jeden Fall wieder uneingeschränkt, wenn Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder willkürliche Exekution drohen (Zimmermann/Wentholz 2011, Rz 90; Hathaway/Foster 2014, 211ff.).

Anders als die Deklaration der UN Generalversammlung über territoriales Asyl aus 1967 (UN Resolution 2312 (XXII), Declaration on Territorial Asylum), sieht die GFK keine Notstandsregelung für den Fall eines Massenzustroms vor.9 Die Zulassung einer solchen Ausnahme wäre angesichts des Gewichts der hier in Frage kommenden Rechte und der Schwierigkeit, das Konzept des Massenzustroms verbindlich zu definieren, viel zu heikel. Für den Fall, dass ein Massenzustrom nicht über andere Instrumente in den Griff zu bekommen ist und die Zufluchtstaaten nicht über genügend Ressourcen verfügen sollten, wurden diese auf Hilfeersuchen an die Staatengemeinschaft verwiesen und umgekehrt die Staatengemeinschaft an erga-omnes-Verpflichtungen (zum Konzept der erga-omnes-Verpflichtungen vgl. Picone 2013), in diesem Bereich erinnert, die allerdings nicht so weit reichen würden, eine echte Lastenumverteilungspflicht (burden sharing) zu begründen (Kälin et al. 2001, 137ff.). In der Substanz wird damit erneut verdeutlicht, dass hier eine Regelungslücke besteht, die bei größeren Fluchtbewegungen zu erheblichen Belastungen für einzelne Staaten führen kann: Einerseits gilt ein nahezu unbedingtes refoulement-Verbot, das auf jeden Fall grundsätzlich nicht mit Kapazitätsargumenten durchbrochen werden darf. Auf der anderen Seite bewegt sich die Lastenumverteilungspflicht bzw. der korrespondierende Anspruch in einem Graubereich zwischen Recht und Politik. Die Einforderung einer entsprechenden Kooperation kann im Völkerrecht praktisch nur über diplomatisch-moralische Appelle geschehen und die Aussichten auf Erfolg sind dementsprechend.

Es ist damit zu prüfen, ob auf regionaler Ebene, konkret im EU-Bereich, der von der aktuellen Flüchtlingsproblematik im besonderen Maße betroffen ist, eine Spezifizierung der nur ansatzweise im Völkerrecht nachweisbaren Lastenverteilungspflicht in dem Maße nachweisbar ist, dass ein wirksameres burden-sharing möglich erscheint. Vor allzu großen Hoffnungen muss aber auch diesbezüglich schon vorab gewarnt werden.

3. Flüchtlingsquoten im EU-Recht

3.1 Grundsätzliches

Der europäische Kontinent hat sich zu einer zentralen Zufluchtsdestination der Schutzsuchenden entwickelt. Grundsätzlich ist in dieser Region mit der umfassendsten, normtreuesten Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention zu rechnen. Da die EU auch ein eigenständiges Gemeinsames Europäisches Asylsystem herausbildet, bestünde hier Spielraum für die Schaffung von Zusatzinstrumenten, die einerseits eine EU-interne Quotenregelung vorsehen könnten, andererseits aber auch darauf hinwirken sollten, dass auf globaler Ebene eine gerechtere Lastenverteilung erfolgt. Grundlage des GEAS ist wiederum die GFK. Diese hat sich als durchaus entwicklungsfähiges, „lebendiges“ Instrument erwiesen und die EU hat die ergänzenden Regelungen im Rahmen des GEAS auch in diesem Sinne ausgestaltet. Von breiteren Quotenregelungen oder auch nur einem wirksamen Lastenausgleichsmechanismus sind wir aber nach wie vor weit entfernt.

3.2 Die EU-weite Quote

Bemühungen, eine EU-weite Quote zu vereinbaren, durch welche Flüchtlinge nach einem bestimmten Schlüssel auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten aufgeteilt werden, reichen weit in die Vergangenheit zurück, sind aber bislang nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Dabei ergibt sich der Bedarf an einer solchen Regelung notwendigerweise aus dem Dublin-System, das die asylrechtlichen Kompetenzen grundsätzlich dem Ersteinreiseland zuweist.10 Ohne nachfolgenden Ausgleich würden die Staaten an den Außengrenzen, und im besonderen Maße die Mittelmeeranrainerstaaten, unverhältnismäßig stark belastet werden. Was aktuelle Regelungsversuche anbelangt, sei auf die Initiativen aus 2015 verwiesen: Die EU-Kommission hat im Juni 2016 die Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen auf der Grundlage eines Schlüssels vorgeschlagen, der Größe und Leistungsfähigkeit der Aufnahmeländer gemäß BIP positiv berücksichtigen sollte, die frühere Aufnahme von Flüchtlingen sowie die bestehende Arbeitslosigkeit dagegen negativ (i.e. quotenreduzierend). Am 22.9.2015 wurde auf der außerordentlichen Tagung des Rates für Justiz und Inneres der betreffende Beschluss getroffen (Europäische Kommission 2015), doch war dieser Plan im Mai 2016 zu noch nicht einmal 10 Prozent umgesetzt.11 Erfolgreicher verlief bislang die Umsetzung der politischen Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei vom 18.3.2016,12 auf deren Grundlage in Griechenland neu ankommende Flüchtlinge in die Türkei zurückgebracht werden, gleichzeitig aber ein ordentliches Asylprüfungsverfahren auf individualrechtlicher Basis garantiert wird. Gleichzeitig wurde mit der Türkei eine Verteilung der Syrien-Flüchtlinge (diese stellen gegenwärtig das größte Flüchtlings-Kontingent dar) im Verhältnis 1:1 vereinbart, in diesem Sinne also zwischen beiden Parteien eine 50-Prozent-Quote vereinbart. Die Aufteilung der EU-Quote zwischen den EU Mitgliedstaaten erwies sich – auch aufgrund der verhältnismäßig geringen Größe dieser Gruppe – als weitgehend unproblematisch. Offen bleibt aber nach wie vor, wie die über die anderen EU-Außengrenzen in die EU strömenden Flüchtlinge verteilt werden sollen. Angedacht ist der Abschluss von ähnlichen Abkommen mit weiteren Mittelmeer-Anrainerstaaten, wobei gleich wie im Verhältnis zur Türkei erhebliche finanzielle Anreize gewährt bzw. die erprobte Konditionalitätspolitik der EU im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (Hilpold 2002) Anwendung finden soll, konkret also Leistungen der EU von Gegenleistungen der Empfängerstaaten unter anderem bei der Grenzkontrolle gegenüber Migranten abhängig gemacht werden.

Einen neuen, noch weiter reichenden Vorstoß hat die Kommission im April 2016 unternommen, als sie ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen hat, das unter anderem ein „strukturiertes System für die Neuansiedlung“, die „Einführung eines tragfähigen, fairen Systems zur Bestimmung des für die Prüfung von Asylanträgen zuständigen Mitgliedstaates“ und die „Herstellung größerer Konvergenz im EU-Asylsystem und Verminderung des Asylshoppings“ vorsah [COM (2016) 197 final]. Wie das hier wiederum im Mittelpunkt stehende Quotensystem ausschauen und vor allem umgesetzt werden sollte, bleibt weiter offen, da ein diesbezüglicher Konsens nicht ersichtlich ist.13

Insgesamt kann zu diesen Entwicklungen somit festgehalten werden, dass die EU-Kommission wiederholt und sehr intensive Bemühungen zur Einführung einer EU-weiten Quotenregelung unternommen hat, dass aber eine Einigung in dieser Frage, die zu einer erheblichen Problementschärfung führen könnte, nicht absehbar ist.

Ganz am Rande erwähnt sei noch eine im Vorjahr in Österreich vertretene Ansicht, wonach eine Quotenregelung gerichtlich über den EuGH erzwungen werden könnte, und zwar unter Berufung auf Art. 80 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union): Eine solche Klage wäre allerdings rechtlich offenkundig nicht gedeckt gewesen und nach anfänglicher diesbezüglicher Euphorie wurden die betreffenden Pläne wieder still und leise fallen gelassen14 – nachdem die Europäische Kommission mahnende Worte nach Wien gerichtet hatte.

3.3 Nationale Alleingänge – die unilaterale Quote

Die aktuellste – und umstrittenste – Zuspitzung erfährt die Quotendiskussion über den Versuch des nationalen Alleingangs, also über die Einführung von „Flüchtlingsobergrenzen“, die einzelne Mitgliedstaaten – bislang in erster Linie Österreich – über das GEAS und über die Verpflichtungen aus der GFK hinweg einführen will bzw. bereits eingeführt hat. Dabei wurde von österreichischer Seite die Völkerrechts- und Europarechtskonformität dieser Maßnahme behauptet,15 was aber wohl offenkundig unzutreffend ist.16

Die am 27.4.2016 beschlossene Novelle zum AsylG 2005 (vgl. BGBl I Nr. 100/­2005 idF BGBl I Nr. f24/2016) sieht die Durchführung von summarischen Asyl­verfahren durch die Exekutive und schafft zudem die Grundlage für die Einführung einer Obergrenze von 37.500 vor, wenn die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sind.17 Dabei ist gemäß § 36 Abs. 2 dieser Novelle „besonders auf die Anzahl von Fremden, die einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, und auf jene staatlichen Systeme einzugehen, deren Funktionieren durch die aktuellen Migrationsbewegungen beeinträchtigt wird“, Bezug zu nehmen.

Die in Aussicht gestellte, immer wieder angekündigte, aber bislang (24.12.2016) noch nicht erlassene Notstandsverordnung sollte diese Anwendungsvoraussetzungen näher konkretisieren. Dabei wurde in den Erläuterungen zur Novelle zum Asylgesetz diesbezüglich beispielhaft auf die Überlastung des Arbeitsmarktes, fehlende Unterbringungsmöglichkeiten für Asylwerberinnen und Asylbewerber, eine unzumutbare Belastung der Asylbehörden und auf die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Bezug genommen (o.A. 2016a). Wenn sich der österreichische Gesetzgeber, wie erwähnt, bei der Rechtfertigung einer Aussetzung der Verpflichtungen aus der GFK und dem GEAS mit einer „Beeinträchtigung“ staatlicher Systeme begnügt, so ist das auf jeden Fall international einzigartig.

Wie gezeigt, stellt im Rahmen der GFK ein Massenzustrom von Flüchtlingen keinen Aussetzungsgrund unter Bezugnahme auf die „öffentliche Sicherheit“ und die „innere Ordnung“ dar. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das GEAS im Wesentlichen auf der GFK aufbaut (Art. 78 AEUV), erscheint schon auf dieser Grundlage die Schaffung eines solchen Notstandsrechts rechtlich sehr zweifelhaft. Es könnte noch geprüft werden, ob das EU-Recht ein weitergehendes Notstandsrecht schafft, wobei dieses dann allerdings potentiell in Konflikt mit der GFK treten würde. Diese Gefahr konkretisiert sich aber nicht. Zwar existiert nur eine sehr dürftige Literatur und Rechtsprechung zu dieser Frage, doch lässt sich dieser zweifelsfrei entnehmen, dass diese Konzepte auch im EU-Recht restriktiv auszulegen sind. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Vorliegen einer tatsächlichen, gegenwärtigen, erheblichen und hinreichend schweren Gefahr verlangt, „die ein Grund­interesse der Gesellschaft berührt“ (EuGH, C-434/10, Aladzhov, Rz 35; EuGH, C-33/07, Jipa, Rz 23, zitiert nach Benedek/Salomon 2016, 3). Wie überzeugend ausgeführt wurde, hat Österreich bislang nicht im Mindesten belegt, dass eine Gefährdung der Funk­tions­fähig­keit öffentlicher Institutionen oder eines wesentlichen Interesses der Gesellschaft vorläge (Benedek/Salomon 2016, 4).

Die inhaltliche und verfahrensrechtliche Reduzierung der Prüfdichte der Asylanträge wird mit dem Vorliegen weitreichender Ausnahmetatbestände zum Asyl- und Flüchtlingsrecht gerechtfertigt18 – allerdings unter klarer Ignorierung der herrschenden Auffassung in der Literatur, die – insbesondere was die völkerrechtliche Seite anbelangt – praktisch völlig außer Acht gelassen wird. Dasselbe Manko weist das Auftragsgutachten (Obwexer/Funk 2016) auf, auf dem diese Erläuterungen explizit basieren. Dieses Gutachten geht zudem – unzutreffend – vom Fehlen eines Asylrechts im Völkerrecht und dem alleinigen Verbot eines refoulement aus (Obwexer/Funk 2016, 47ff.). Diese Ansicht verkennt freilich wesentliche Gesichtspunkte, die die völkerrechtliche Natur der Konzepte des „Rückschiebungsverbots“ sowie des Asylrechts kennzeichnen. Auch auf völkerrechtlicher Ebene sind wir längst schon weit entfernt von einer strikten Unterscheidung dieser Konzepte, denn allein schon die evolutive Fortentwicklung der GFK hat dazu geführt, dass es zwischen diesen Kategorien nur mehr allenfalls graduelle Unterschiede gibt.19

Bezogen auf das EU-Recht ist es völlig unverständlich, wie im Kontext des GEAS die Existenz eines Asylrechts bestritten20 und parallel dazu eine entsprechende Einschränkung des Art. 18 der Grundrechte-Charta vorgenommen werden kann (Hilpold 2016b; Benedek/Salomon 2016).21

In den genannten Erläuterungen zum gesamtändernden Abänderungsantrag wird auf den „Druck“ Bezug genommen, der durch die Zuwanderung „auf das gesamte Asylsystem und der Bereich der Grundversorgung“ ausgehe,22 auf eine „nie dage­wesene Anspannung aller … öffentlichen Einrichtungen zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aufnahme und Integration Fremder“,23 auf „einen Mangel an adäqua­ten und angemessenen Quartierangeboten“,24 auf „mittellose Menschen, die gezwungen sind, ihren Lebensunterhalt auf der Straße zu bestreiten“, was „eine Heraus­forderung für das geordnete Zusammenleben in der Aufnahmegesellschaft“ darstelle,25 auf die Befürchtung, dass Konfliktszenarien aus anderen Ländern nach Österreich importiert würden,26 auf den Umstand, dass insbesondere „rechtsorientierte“ bzw. „rechtsextreme“ Gruppierungen diese Problemstellungen nutzen würden, „Ängste in der Bevölkerung zu schüren“27 sowie auf das Problem, dass ein weiterer hoher Zustrom eine enorme Belastung des Staatshaushalts bedeuten würde.28

Diese – bzw. vergleichbare – Argumente könnte ein Großteil der EU Mitgliedstaaten vorbringen, die vom Flüchtlingsstrom besonders betroffen sind. Sie sind zum Teil subjektiv geprägt, zum Teil spekulativ. Sollten diese Argumente Anerkennung finden, würde dies einer weitgehenden Außerkraftsetzung der GFK und des GEAS auf EU-weiter Ebene gleichkommen. Eine solche Auslegung dieser Instrumente würde es mehr oder minder in das Belieben der einzelnen Staaten stellen, ob sie diese Schutzinstrumente anwenden wollen oder nicht.

Verfehlt erscheinen auch die Ausführungen in den „Erläuterungen“,29 wonach die Europäische Kommission selbst, in ihrer Stellungnahme zur Einführung von Binnengrenzenkontrollen im Jahr 2015 [COM(2015) 7100 endg. v. 23. 10. 2015], Notstandsmaßnahmen (generell) unter Bezugnahme auf das ordre-public-Argument gerechtfertigt hätte (vgl. Benedek/Salomon 2016; Lansky 2016). Hier werden in unzulässiger Weise das Dublin- und das Schengen-Regime vermengt. Das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist kontext(rechtsgebiet)spezifisch und maßnahmenspezifisch zu prüfen. Mit anderen Worten: Wenn die Kommission die Gefährdung der öffentlichen Ordnung als hinreichend qualifiziert ansieht, um die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu rechtfertigen (Schengen-Regime), so ist damit noch keine parallele Aussage über die Zulässigkeit einer Einschränkung der Asylregelungen (Dublin-Regime) verbunden. Die Ausführungen der Kommission deuten eher in die gegenteilige Richtung, wenn sie einerseits den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betonen, andererseits aber hervorheben, dass diese Grenzkontrollen keinen Eingriff in individuelle Rechte darstellen. Bei einer Einschränkung des Asylrechts wären diese Elemente wohl ganz anders zu beurteilen. Art. 23 des Schengener Grenzkodex [VO (EG) Nr 562/2006 v 15. 3. 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen] enthält eine explizite Regelung, wonach im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit ein Mitgliedstaat ausnahmsweise befristet Grenzkontrollen an den Binnengrenzen wieder einführen kann. Eine solche Regelung fehlt im Bereich des Asylrechts. Und das Durcheinanderbringen verschiedener Regelungsebenen stellt das Hauptproblem der „Erläuterungen“ und des zitierten Gutachtens dar. Bereits das Gutachten (und darauf aufbauend die „Erläuterungen“) nimmt auf die generell formulierte Bestätigung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit Bezug, um Notstandsmaßnahmen im Falle einer Massenfluchtbewegung zu rechtfertigen. Dabei wird übersehen, dass Art. 78 Abs. 3 AEUV genau für diesen Fall eine Sonderregelung vorsieht, und zwar eine Kompetenz des Rates, auf Vorschlag der Kommission vorläufige Maßnahmen zugunsten der betreffenden Mitgliedstaaten zu erlassen. Diese Bestimmung ist als lex specialis gegenüber Art. 72 AEUV zu sehen (vgl. Lansky 2016), einer Bestimmung, der wohl primär eine politische Leitlinienfunktion in dem Sinne zukommt, dass sie den EU-Gesetzgeber auf die Notwendigkeit verweist, im Rahmen seiner Gesetzgebung in diesem souveränitätspolitisch äußerst heiklen Bereich, zentrale Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen (Thym 2016, 45).

Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass weder die ins Auge gefasste Obergrenze für Flüchtlinge noch die einschneidenden verfahrensrechtlichen Beschränkungen, die mit der jüngsten Novelle zum Asylgesetz eingeführt worden sind, eine auch nur ansatzweise hinreichende Grundlage im Völkerrecht oder im Europarecht finden. Diese Obergrenze soll dadurch abgemildert werden, dass die Einhaltung des Folterverbots (Art. 3 EMRK/Art 4. GRC), des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK/Art. 7 GRC) sowie des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 13 EMRK/Art. 47 GRC) uneingeschränkt garantiert wird (Obwexer/Funk 2016, 44–50).30 Dieser Versuch, die anvisierte Obergrenze in einen „Richtwert“ umzudeuten (Obwexer/Funk 2016, 51) ist letztlich untauglich, da gleichzeitig wieder das Recht Österreichs betont wird, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zustrom von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen zahlenmäßig zu beschränken (Obwexer/Funk 2016, 50). Ganz grundsätzlich ist die Berufung auf Art. 72 AEUV als Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung des Zustroms von Flüchtlingen unter Verweis auf die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit – wie gezeigt – rechtlich nicht haltbar.

4. Schlussfolgerungen und Ausblick

Diese Untersuchung mag zu einem auf den ersten Blick irritierenden Befund geführt haben: Quotenregelungen werden immer wieder als sinnvolles Instrument zur Migrationssteuerung qualifiziert, wurden aber bislang weder global noch EU-intern wirksam umgesetzt. Es gibt vereinzelte Ansätze dazu, doch haben diese bislang nur marginale Bedeutung entfalten können. Österreich hat 2016 den Alleingang gewählt und mit der Novelle zum AsylG 2005 unilateral die Basis für eine Quotenregelung geschaffen, die aus dem bestehenden System heraus, über das Völkerrecht und das Europarecht gerechtfertigt werden sollte.31 Die betreffende Argumentation ist – wie gezeigt – samt und sonders nicht haltbar. Es zeigt sich aber nun ein sonderbares Phänomen: Der Unilateralismus einzelner EU Mitgliedstaaten hat tatsächlich den Flüchtlingsstrom nach Europa eingeschränkt. Davon waren sicherlich viele Wirtschaftsflüchtlinge aus Afrika, aber wohl auch zu einem erheblichen Teil Schutzsuchende betroffen, die an und für sich, nach Maßgabe der GFK bzw. des GEAS sehr wohl schutzberechtigt gewesen wären. Es zeigt sich damit ein erhebliches rechtliches Dilemma im Allgemeinen und eine menschenrechtliche Problematik im Besonderen: Die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung in den EU Mitgliedstaaten hat eine klare Grenze erreicht, ohne dass aber die Notstandskriterien des Völkerrechts bzw. des EU-Rechts für Beschränkungsmaßnahmen erfüllt wären. Die in den „Erläuterungen zum gesamtändernden Abänderungsantrag“ vorgetragenen Rechtfertigungsgründe für die Einführung von Notstandsmaßnahmen und für die damit verbundene weitgehende Suspendierung der europa- und völkerrechtlichen asyl- und flüchtlingsrechtlichen Verpflichtungen mögen in ihrer Darstellung zum Teil überzogen erscheinen. Sie verweisen aber dennoch überwiegend auf real existierende Probleme und sie werden wohl zu einem erheblichen Teil von einem großen Teil der Bevölkerung so empfunden und mitgetragen. Das bestehende Recht bietet somit keine adäquaten Lösungsansätze in Hinblick auf die gegenwärtige Flucht- und Migrationsproblematik bzw. werden diese, so wie die Massenzustrom-Rl 2001, nicht aktiviert aus Angst, eine weitere Sogwirkung nach Europa zu entfachen. Damit lässt sich ein Bogen zu den eingangs getätigten Ausführungen spannen: Es fehlt gegenwärtig an einem umfassenden – internationalen, nicht nur europäischen – Solidaritätsmoment, das in der Vergangenheit zur Lösung ähnlicher, wenngleich nicht in allem vergleichbaren Herausforderungen geführt hat. Das internationale Krisenlösungsinstrumentarium hat sich als zu schwach erwiesen, um die Fluchtgründe ursächlich anzugehen. Der gegenwärtige vereinzelt praktizierte Unilateralismus kann als Versuch gewertet werden, über gezielte Rechtsverletzungen Solidarität zu erzwingen. Letztlich deutet dies auch auf eine erhebliche Schwäche des internationalen Kooperations- und Normsetzungsregimes hin. Fortschritte sind nur in einem erratischen, krisengeleiteten Prozess möglich, der Rechtsbrüche in Kauf nimmt, sie aber gleichzeitig beschönigt bzw. leugnet. Gleichzeitig kann und soll aber der Politik nicht die Lernfähigkeit abgesprochen werden. Im Jahr 2016 hat in der österreichischen Politik ein intensiver Lernprozess Platz gegriffen, der schließlich dazu geführt hat, dass die Obergrenze dann doch nicht eingeführt worden ist. Gleichzeitig ist weiter an der GEAS gearbeitet worden. Somit ist sowohl auf nationaler als auch auf EU-rechtlicher Ebene ein besseres Verständnis für diese komplexe Materie gewonnen worden. Es gibt auf diesem Weg noch sehr viel zu tun, doch die aufgezeigten Entwicklungen können zumindest ansatzweise auch positiv stimmen.

Anmerkungen

1 Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine aktualisierte und geringfügig modifizierte Fassung eines Artikels, der mit dem Titel „Quotenregelungen zur Bewältigung des Flüchtlingsproblems – Ein rechtlich gangbarer Weg?“, in der Zeitschrift „Migralex“ (Bd. 16, 3/2016, S. 58-66) erschienen ist. Allfällige Zitate sollten sich auf den „Migralex“-Beitrag beziehen. Der vorliegende Beitrag wurde zu Beginn der Quoten- und Obergrenzendiskussion in Angriff genommen. Mit diesem Beitrag wurde versucht, auch auf den politischen Entscheidungsprozess in dem Sinne Einfluss zu nehmen, dass schwerwiegende rechtliche Fehlentscheidungen verhindert werden sollten. Dies scheint im Ergebnis gelungen zu sein.

2 Vgl. Goodwin-Gill (1996, 196) „The 1951 Convention was drawn up very much with the individual asylum seeker in mind“.

3 Als jüngster Höhepunkt in dieser Entwicklung können die Entwicklungen im Rahmen der ungarischen Asylpraxis angesehen werden (o.A. 2016c).

4 Siehe dazu bspw. für Deutschland den sog. „Königsteiner-Schlüssel“. Dabei erfolgt eine gewichtete Inbezugsetzung des Steueraufkommens (2/3) zur Bevölkerungszahl (1/3) (vgl. Bergman 2015, 439). Zu den genauen Prozentsätzen, zu welchen die Flüchtlinge auf die einzelnen Bundesländer aufgeteilt werden, vgl. www.bamf.de/EN/Migration/AsylFluechtlinge/Asylverfahren/Verteilung/verteilung-node.html (24.12.2026). In Österreich wurde im Jahr 2004 in einer Bund/Ländervereinbarung gemäß 15a B-VG ein Bevölkerungsschlüssel zur Aufteilung der Asylwerberinnen und Asylwerber auf die einzelnen Bundesländer beschlossen. Die Kosten für die Grundversorgung werden vom Bund zu 60 %, von den Ländern zu 40% getragen (vgl. Amt der Steirischen Landesregierung 2015).

5 „Burden-sharing, certainly in cases of large-scale refugee movements, is a virtual sine qua non for the effective operation of a comprehensive non-refoulement policy intended to ensure safe havens for all fugitives from political persecution or to her man-made or natural disasters. “ (Fontayne 1983, 162).

6 Nach Auffassung einiger Autoren ist die GFK so angelegt, dass sie Flüchtlinge sukzessive in einen immer breiteren Schutzradius hineinwachsen lässt (Durieux/Hurwitz, 2004). Vgl. auch Hailbronner (2015, 211): „Wem es gelingt, die Grenzbarriere nach Europa zu überwinden, winkt in aller Regel das Dauerbleiberecht.“

7 Und dort wartet oft eine jahrelange Internierung in einem der drei Lager (o.A. 2015a; o.A. 2015b).

8 Rz: Randziffer.

9 Die Resolution aus 1967 über territoriales Asyl enthält dagegen in Art 3 folgende Regelung:

„1. No person referred to in article 1, paragraph 1, shall be subjected to measures such as rejection at the frontier or, if he has already entered the territory in which he seeks asylum, expulsion or compulsory return to any State where he may be subjected to persecution. “

2. Exception may be made to the foregoing principle only for overriding reasons of national security or in order to safeguard the population, as in the case of mass influx of persons.

3. Should a State decide in any case that exception to the principle stated in paragraph 1 of this article would be justified, it shall consider the possibility of granting to the persons concerned, under such conditions as it may deem appropriate, an opportunity, whether by way of provisional asylum or otherwise, of going to another State.”(Vgl. auch Durieux/Hurwitz 2004, 112).

10 Vgl. Art. 20 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 VO 604/2013.

11 Das heißt, dass von der Umverteilung gerade mal 1.500 Flüchtlinge betroffen waren (o.A.2016d).

12 Es handelt sich hierbei um kein Abkommen im völkerrechtlichen Sinne gemäß Art 218 AUEV. Es ist dies vielmehr eine politische Abmachung, die dazu dient, bereits bestehende nationale Normen wirksamer zur Geltung zu bringen. Dies ergibt sich aus einer schriftlichen Auskunft der Europäischen Kommission und des Rates vom 12. 5. 2016 auf Grund einer Anfrage der Professoren Tullio Scovazzi und Giuseppe Cataldi.

Vgl. aber zuvor den Beschluss des Rats vom 14. April 2014 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Türkei über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (2014/252/EU), ABl. Nr. L 134/3, 2014.

13 In Ungarn fand am 2.10.2016 sogar ein Referendum über die EU-Quote statt. Dieses Referendum war bestenfalls als rechtlich irrelevant anzusehen, in einer kritischeren Betrachtung hingegen als Versuch, die Bevölkerung eines Mitgliedstaates gegen eine EU-Maßnahme zu mobilisieren, wofür jegliche Rechtsgrundlage fehlte. Da jedoch das für die Gültigkeit eines solchen Referendums erforderliche Quorum nicht zustande gekommen ist, hat sich die ungarische Regierung einen blamablen Konflikt mit der EU erspart (vgl. o.A. 2016c).

14 So hat das Innenministerium im August 2015 auf der Grundlage eines Gutachtens von Walter ­Obwexer eine Untätigkeitsklage gegen die Europäische Kommission wegen nicht erfolgter Anpassung der Dublin-­III-Verordnung angekündigt und wollte damit eine „bessere Aufteilung der Flüchtlinge“ erreichen (Kopeinig 2015). Grundlage dafür sollte Art. 80 AEUV sein. Zu Recht stieß diese Initiative auf praktisch einhellige Ablehnung durch Rechtsexperten. In erster Linie stellt sich hier die Frage, wie an eine Untätigkeitsklage gedacht werden konnte. Art. 265 AUEV setzt die Unterlassung einer Beschluss­fassung unter Verletzung der Verträge voraus. Ganz abgesehen davon, dass gerade die Europäische Kommission – wie gezeigt – immer wieder Vorstöße unternommen hat, Quotenregelungen einzuführen, ist diese ja nicht der Gesetzgeber der Union. Des Weiteren ist nicht klar, aus welcher Rechtsgrundlage eine „rechtswidrige Untätigkeit“ abgeleitet werden sollte. Mit Sicherheit kann dies nicht das vom Gutachter vorgetragene Solidaritätsprinzip in Art. 80 AUEV sein, das nach praktisch einhelliger Auffassung allein wegleitendes Prinzip für die weitere Gestaltung der GEAS sein kann.

15 Wiederum auf der Grundlage eines Gutachtens von Walter Obwexer, wobei alternierend von „Obergrenze“ und „Richtwert“, bzw. von „Obergrenze, die als Richtwert zu verstehen ist“, gesprochen wurde.

16 Dies wurde von diesem Autor auch mehrfach offen erklärt. Siehe bspw. Hilpold 2016b.

17 Die Novelle selbst führt noch nicht die Obergrenze ein, doch wurde auf politischer Ebene unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass diese Novelle die Grundlage für die Einführung dieser – politisch gewollten – Obergrenze darstellen soll, wenn die in § 36 des AsylG 2005 vorgesehenen Voraussetzungen („Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“, „Schutz der inneren Sicherheit“) gegeben sind. Die Anwendungsvoraussetzungen werden in einer eigenen Notverordnung festgelegt.

18 Vgl. die Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 14ff; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016).

19 Vgl. Kugelmann (2010), Absatz 13: online „[…] the scope of asylum in relation to refugee protection cannot be easily determined“. Tatsächlich findet sich auch in der Literatur kaum mehr eine einheitliche Linie, was die Unterscheidung dieser beiden Konzepte anbelangt. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Asyl mit einer umfassenden Eingliederung in den Aufnahmestaat verbunden sei, während das Rückschiebungsverbot termporär sei. Das wichtigste völkerrechtliche Instrument im Bereich des Flüchtlingsschutzes, die GFK, enthält bekanntlich nur ein Rückschiebungsverbot. Tatsächlich enthält Art. 34 GFK aber eine Verpflichtung der Vertragsparteien der GFK, „so weit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge [zu] erleichtern“. Die Verabschiedung der GFK war zudem mit der Empfehlung verbunden, „den Flüchtlingen Asyl zu gewähren und ihre Neuansiedlung zu ermöglichen“ (Empfehlung D). Vgl. zu diesen Aspekten Gil-Bazo 2015, 9f.

20 Vgl. o.A. 2016b: „Europarechtler Walter Obwexer konnte die Vorhaltungen der EU-Kommission bezüglich Österreichs Flüchtlingsmaßnahmen am Donnerstag nicht nachvollziehen. Seiner Ansicht nach gingen die Vorwürfe grosso modo ins Leere. Denn, wenn die Kommission argumentiere, dass Österreich gemäß Menschenrechtskonvention, Grundrechte-Charta und Genfer Konvention Asylanträge anzunehmen habe, sei das falsch. Tatsächlich würden diese Bestimmungen kein Recht auf Asyl geben, sondern nur darauf, nicht in einen unsicheren Staat zurückgeschoben zu werden. Da Slowenien dies aber nicht sei, bestehe keine Verletzung der genannten Bestimmungen.“

21 Obwexer hält es im GEAS für „nicht ausgeschlossen“, dass es zulässig sei, Flüchtlinge in einem Lager unterzubringen und dort zwei Jahre auf die Bearbeitung ihres Asylantrags warten zu lassen (Obwexer 2016). Das einschlägige Sekundärrecht (Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 6 Asylverfahrens-Richtlinie) spricht aber eine andere Sprache und lässt Notstandsausnahmen nicht einmal in extremen Ausnahmesituation zu (geschweige denn im Sinne eines Kapazitätsmanagements). Auch der EuGH hat die unbedingte Einhaltung der Verfahrensrechte eingefordert. Vgl. Rs C 277/11 vom 22.11.2012, M M gegen Minister of Justice, Equality and Law Reform, Ireland.

22 Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 18; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016)

23 Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 19; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016)

24 Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 21; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016)

25 Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 22; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016)

26 Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 25; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016)

27 Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 25; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016)

28 Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 26; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016)

29 Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 18; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016)

30 In den Erläuterungen zum gesamtändernden Änderungsantrag (www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf) (24.12.2016) wird apodiktisch die „[g]änzliche Einhaltung primär-, völker- und verfassungsrechtlicher Vorgaben“ behauptet. Vgl. Erläuterungen zum Gesamtändernden Abänderungsantrag zum Asylgesetz 2005, 16; www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00004/imfname_525278.pdf (24.12.2016).

31 Umgesetzt werden soll diese – wie ausgeführt – mit der gegenwärtig diskutierten Notverordnung nach Maßgabe von § 36 AslyG 2005.

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