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Claudius Wagemann

Wiedergewonnene Stabilität oder ­fortgesetzter Umbruch?

Die bayerischen Landtagswahlen vom 15. September 20131

1. Einleitung: Bayern zwischen Kontinuität und Wandel

Es ist kein Geheimnis, dass sich tradierte WählerInnen-Milieus mehr und mehr auflösen (siehe exemplarisch Arzheimer 2006, Dalton 2000), was auch zu entsprechenden Veränderungen in der Zusammensetzung von Parteiensystemen führt. Selbst der deutsche Fall, der – im Gegensatz zum italienischen oder sogar dem österreichischen – von jahrzehntelanger erstaunlicher Kontinuität seines Parteiensystems geprägt war (allein die Zeit zwischen 1961 und 1983 hat als „Zweieinhalbparteiensystem“ Eingang in die Parteiensystemtypologie gefunden, siehe Blondel 1968), ist immer stärkeren Wandlungsprozessen unterworfen, was beispielsweise durch die Etablierung der Linken als feste parlamentarische Größe, den grünen Ministerpräsidenten Kretschmann in Baden-Württemberg – immerhin der erste Ministerpräsident seit 1959 (Ende der DP-geführten Regierung Hollwege in Niedersachsen), der weder CDU, CSU noch SPD angehört – und den Einbruch der Volkspartei SPD demonstriert wird. Umso mehr ziehen in diesen Zeiten des Wandels auftauchende Stabilitäten das politische und politikwissenschaftliche Interesse auf sich. Und so hinterließ auch das Ergebnis der bayerischen Landtagswahl vom 15. September 2013 bei den BeobachterInnen den Eindruck einer Reminiszenz an die Vergangenheit: Auf Bayern war insofern Verlass, als die Serie der seit 1957 ununterbrochen amtierenden CSU-Ministerpräsidenten mindestens bis zum nächsten Landtagswahltermin 2018 fortgesetzt werden konnte und damit 61 (oder mehr) Jahre dauern wird. Aber auch die absolute Mehrheit der Sitze im bayerischen Landtag fiel wieder der CSU zu, was ja bereits zwischen 1966 und 2008 durchgehend der Fall war. Es waren nicht nur die recht gut zutreffenden Umfragen der Wochen vor der Wahl, die dieses Ergebnis nicht wirklich überraschend erscheinen ließen. Die Scharte, die der Verlust der absoluten, ja sogar Zweidrittelmehrheit der CSU bei den Landtagswahlen 2008 hinterlassen hatte, schien ausgemerzt zu sein. Allerdings: Wie wir aus der Institutionenliteratur wissen (Baum 1996, 94; Jepperson 1991, 145), können externe „Schocks“ institutionelle Systeme nachhaltig verändern, auch wenn an der Oberfläche scheinbar Kontinuität herrscht. Ein hierzu verwandter Literaturstrang des historischen Institutionalismus diskutiert einen ähnlichen Sachverhalt unter dem Stichwort der critical junctures (Mahoney 2000, 513; Thelen 1999, 387), nimmt also Bezug auf jene Geschehnisse, die einen Prozess so nachhaltig prägen, dass der Prozessverlauf in „vorher“ und „nachher“ gegliedert werden kann. Es steht außer Frage, dass der Verlust der Zweidrittelmehrheit und ein noch dazu sensationelles, fast einmaliges Abstürzen des Wahlergebnisses einer Partei in Deutschland (Wagemann 2009, 385) mit dem darauf folgenden Rücktritt der gesamten Führungsriege einer erfolgsverwöhnten Partei, die noch dazu ihren SpitzenfunktionärInnen üblicherweise relativ sichere Karrierewege zu bieten hat, ein solch umwälzendes Ereignis darstellen kann. Insofern stellt sich die Frage – und dies ist auch die Leitfrage dieses Beitrags – was denn nun eigentlich bei der Landtagswahl 2013 im Spannungsverhältnis von Kontinuität und Wandel geschehen ist: Straft das Ergebnis diejenigen TheoretikerInnen Lügen, die nach einer historischen Zäsur wie der Wahl 2008 einen Wandel postulieren würden, und ist stattdessen von einem Zurückpendeln in frühere Verhältnisse zu sprechen (alte Stabilität)? Oder werden Ergebnisse aus der Wahl von 2008 im Jahre 2013 weiter zementiert im Sinne der Herstellung eines neuen institutionellen Gleichgewichts (neue Stabilität)? Oder stellt die Landtagswahl 2013 noch mal einen neuen Abschnitt bayerischer Wahlergebnisse dar, der zwar einerseits das (in dieser Sichtweise sehr kurze) Intermezzo einer Koalitionsregierung beendet, aber andererseits auch nicht die Vor-2008-Verhältnisse wieder herstellt (fortgesetzter Wandel)?

Dieser Beitrag nähert sich diesen drei Optionen aus Sicht der handelnden Akteure, also der bayerischen Parteien. Damit fokussiert er weniger die CSU als zentralen Akteur, wie dies bei der Analyse der 2008er-Wahl geschehen ist (Wagemann 2009), die sich an Sartoris Modell eines dominanten Parteiensystems (Sartori 1976, 125ff.) orientiert hat, sondern begibt sich auf die systemische Ebene und betrachtet die einzelnen Komponenten eines sich wandelnden oder eben nicht wandelnden bayerischen Parteiensystems. Beginnen muss dieser Abriss natürlich trotzdem mit der CSU als dominanter Partei (Abschnitt 2), danach wird kurz auf die SPD eingegangen (Abschnitt 3), hernach auf die kleineren Parteien (Abschnitt 4), bevor dann die Zusammenfassung wieder die systemische Ebene einnimmt (Abschnitt 5).

Abbildung 1: Ergebnis der bayerischen Landtagswahlen 2013

Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage von Daten des Bayerischen Statistischen Landesamts

CSU: Christlich-Soziale Union; SPD: Sozialdemokratische Partei Deutschlands; FDP: Freie Demo­kratische Partei; FW: Freie Wähler; BP: Bayernpartei; ÖDP: Ökologisch-Demokratische Partei; NPD: Nationaldemokratische Partei Deutschlands

2. Die CSU: Erfolg auf niedrigem Niveau

Der kontinuierliche Wahlerfolg der CSU hat PolitikwissenschaftlerInnen so stark beschäftigt, dass sich eine eigene Metapher gebildet hat, nämlich die der bayerischen Uhren, die angeblich anders gingen – eine Anspielung auf Uhren als folkloristische Souvenirartikel, bei denen sich die Zeiger (natürlich auf weiß-blau rautiertem Grund) von rechts nach links und nicht von links nach rechts bewegen (siehe die Diskussion der 80er-Jahre, Falter 1982, Mintzel 1987a, Falter 1988). Tatsache ist, dass die CSU in der Nachkriegszeit bei zwei Landtagswahlen über 60 Prozent erhielt, neunmal zwischen 50 und 60 Prozent, fünfmal zwischen 40 und 50 Prozent und bei den Landtagswahlen von 1950 und 1954 auf 27,4 bzw. 38,0 Prozent kam, was damals aber an den starken Wahlergebnissen der Bayernpartei sowie der noch existierenden Vertriebenenpartei GB/BHE (Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten) lag.

Nach Erringung der absoluten Mehrheit (der Sitze, noch nicht der Stimmen) im Jahre 1966 haben sich die CSU-Wahlergebnisse bis einschließlich 1998 auf hohem Niveau relativ stabil bewegt, mit einem Positiv-Ausreißer im Jahre 1974 (62,1 %), gefolgt von einem leichten Absinken der Wahlergebnisse von Wahl zu Wahl bis 1998.

Erst das Jahr 2003 brachte mit 60,7 Prozent nicht nur das zweitbeste Ergebnis der CSU bei einer bayerischen Landtagswahl, sondern auch die bis dato einzige Zweidrittelmehrheit einer Partei in einem deutschen Landtag (Kießling 2008, 86). Umso stärker war der Einbruch im Jahre 2008, als das Ergebnis auf 43,4 Prozent abstürzte.

Betrachtet man nun das Ergebnis von 47,7 Prozent des Jahres 2013, so muss man feststellen, dass sich die Steigerung gegenüber der Vorwahl eigentlich im Rahmen hält (plus 4,3 Prozentpunkte).2 Durch die Vielzahl der Parteien, die die 5-Prozent-Hürde nicht erreichten und damit nicht im bayerischen Landtag vertreten sind, genügte übrigens ein Prozentwert von knapp unter 43 Prozent, um die absolute Mehrheit der Sitze zu erreichen. Bei einer vergleichbaren Situation hätte also sogar das katastrophale Wahlergebnis von 2008 ausgereicht, um eine Alleinregierung zu stellen. Insofern verstellt uns die Tatsache, dass die absolute Mehrheit der Sitze vergleichsweise leicht zu erreichen war, den Blick dafür, dass die Erholung der CSU-Wahlergebnisse bei Weitem nicht so weit fortgeschritten ist, wie es die Tatsache einer CSU-Alleinregierung suggeriert. Das „Ende eines Mythos“ (Schultze 2009, 34) ist also nur teilweise überwunden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung, dass bei der Bundestagswahl 2013, die eine Woche nach der bayerischen Landtagswahl stattfand, die CSU in Bayern 49,3 Prozent der Zweitstimmen und damit geringfügig mehr als bei der Landtagswahl erreichte. Dies macht deutlich, dass die bayerischen WählerInnen die CSU nicht unbedingt als dominante bayerische Partei mit WählerInnen-Stimmen auszeichnen, sondern durchaus auch die bundesrepublikanische Gesamtkonstellation einer (großen) Schwesterpartei CDU und einer (kleinen) Schwesterpartei CSU mit dem unangefochtenen Gesamtführungsanspruch der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel mit einer positiven Wahlentscheidung würdigen. Es kann hier aufgrund fehlender Daten (und auch angesichts des doch eher geringen Unterschieds in den Wahlergebnissen zwischen Landtags- und Bundestagswahl) natürlich nicht behauptet werden, dass die bayerische Komponente der CSU (siehe zu dieser Doppelrolle den geradezu paradigmatischen Aufsatz von Mintzel 1989) im Rückschritt begriffen sei; aber es wird andererseits schon auch deutlich, dass bundespolitische Aspekte und die Gesamtsicht von CDU und CSU als „Union“ durchaus eine Rolle bei Wahlentscheidungen in Bayern spielen.

Abbildung 2: CSU-Ergebnisse bei bayerischen Landtagswahlen seit 1966 (erstmaliges Erringen der absoluten Mehrheit der Sitze)

Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage von Daten des Bayerischen Statistischen Landesamts

Auch wenn natürlich das (Wieder-)Erringen einer absoluten Mehrheit und noch dazu die Durchsetzung des Führungsanspruchs durch einen großen nummerischen Abstand zur zweitplatzierten Partei in Zeiten hoher Volatilität immer noch als Großleistung einer politischen Kraft zählen müssen, so würden dennoch Feststellungen unangebracht bleiben, wonach es die CSU wieder zu alter Größe gebracht habe. Trotzdem ist dieser relative Erfolg aus zwei Gründen nicht zu unterschätzen. Erstens bekam Ministerpräsident Horst Seehofer das Ministerpräsidentenamt im Jahre 2008 nicht aufgrund einer gewonnenen Wahl, sondern der damalige Ministerpräsident Günther Beckstein ließ sich aufgrund des schlechten Wahlergebnisses der CSU nicht wieder vom Landtag zum Ministerpräsidenten wählen; auf gleiche Art übernahm Horst Seehofer auch den CSU-Vorsitz von Erwin Huber (Schultze 2009, 51), gegen den er kurz zuvor bei einem Parteitag noch unterlegen war. Somit hat das Kabinett Seehofer aus der Defensive und vor dem Hintergrund eines nicht unproblematischen Austausches des Spitzenpersonals seine Arbeit aufnehmen müssen. Zweitens war die Legislaturperiode für die CSU nicht frei von Affären. Am bekanntesten dürfte hier wohl die erst kurz vor den Landtagswahlen aufgedeckte „Verwandtenaffäre“ sein, bei der vor allem CSU-PolitikerInnen beschuldigt wurden, Verwandte (teilweise sogar illegal) auf Staatskosten zu beschäftigen. Aber auch das ungeschickte Agieren von Justizministerin Merk im Fall des in der Psychiatrie inhaftierten Gustl Mollath, die Versorgung der über viele Skandale gestürzten Monika Hohlmeier, ihres Zeichens Tochter des früheren langjährigen CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß, mit einem Abgeordnetenmandat im Europaparlament und die Plagiatsaffäre des CSU-Shooting-Stars Karl-Theodor zu Guttenberg ließen die CSU zwischenzeitlich in fragwürdigem Licht erscheinen. Auch ist nicht unbedingt allgemein vermittelbar, wie sich die Nachfolgefrage für die Ämter Horst Seehofers abseits jeglicher demokratischer Verfahren abzuspielen und in Hinterzimmern ausgekungelt zu werden bzw. vom persönlichen Wohlwollen des Noch-Ministerpräsidenten und Noch-CSU-Vorsitzenden abzuhängen scheint.3 Vor dem Hintergrund dieser negativen Startbedingungen und der vielen Stolpersteine während der Legislaturperiode kann das Wieder-Erreichen der absoluten Mehrheit der Mandate trotz des niedrigen Niveaus durchaus als CSU-Erfolg verbucht werden.

3. Die SPD: Misslungener Regierungswechsel

Im Nullsummenspiel der Verteilung von WählerInnen-Stimmen wie auch der Verteilung von Machtoptionen impliziert jeder Ausreißer in positiver Hinsicht notwendigerweise mindestens einen Ausreißer in negativer Hinsicht. Allein schon aufgrund ihrer Größe gilt dies vor allem für die SPD. Die Geschichte ausnehmend guter CSU-Wahlergebnisse ist somit auch eine Geschichte ausnehmend schlechter SPD-Wahl­ergebnisse, wie auch den vielen CSU-Koalitions- und Alleinregierungen nur ein einziger SPD-Ministerpräsident der Nachkriegszeit gegenübersteht.4 Die höchsten Wahlergebnisse erzielte die Bayern-SPD in den 60er-Jahren mit über 35 Prozent. Danach folgte ein nahezu kontinuierlicher Abstieg in die hohen 20er-Prozentwerte mit einer kleinen Positivabweichung 1994, als die populäre Spitzenkandidatin Renate Schmidt gegen den eher farblosen CSU-Ministerpräsidenten Max Streibl immerhin 30,0 Prozent der Stimmen erreichen konnte. Die von der CSU triumphal gewonnene Landtagswahl 2003 war dann auch die erste Wahl nach Renate Schmidts Spitzenkandidaturen, und die SPD fiel auf 19,6 Prozent ab, was nur noch 2008 mit dem bislang schlechtesten Ergebnis der SPD von 18,6 Prozent unterboten wurde. Das Ergebnis der Landtagswahl 2008 war also nicht nur für die CSU dramatisch, sondern auch für die SPD. Die Parallelität der Ereignisse lässt sich interessanterweise dann auch für 2013 wieder feststellen: Wie der CSU gelang es auch der SPD, ein historisch kata­stro­phales Ergebnis der vorhergehenden Wahl leicht zu verbessern und damit zumindest eine Trendwende zu schaffen, die allerdings im Vergleich mit früheren Achtungserfolgen tatsächlich nur sehr klein ausgefallen ist: Die erreichten 20,6 Prozent zeugen nicht wirklich von einer ernsthaften Herausforderung für die CSU-Dominanz.

Dieser niedrige Wert ist insofern bemerkenswert, als die SPD mit dem scheidenden Münchner Oberbürgermeister Christian Ude5 einen Spitzenkandidaten aufgewiesen hat, der nicht nur alle vier OB-Wahlen im ersten Durchgang trotz einer teilweise beachtlichen Anzahl von GegenkandidatInnen gewinnen konnte, sondern sein Stimmergebnis kontinuierlich von 50,8 Prozent im Jahr 1993 bis auf 66,8 Prozent 2008 steigern konnte. Eine dermaßen hohe Popularität in einer pluralistisch-heterogenen Großstadt in der CSU-dominierten Gegend Oberbayern mit profilierten GegenkandidatInnen zu erreichen, kann nicht nur mit der stärkeren SPD-Verwurzelung in Städten bzw. mit dem desaströsen Zustand der skandalumwitterten Münchner CSU erklärt werden, sondern ist immer auch auf die Person zurückzuführen, gerade bei einer Personenwahl wie der OberbürgermeisterInnen-Wahl.6 Insofern war es die Hoffnung der SPD, mit einem profilierten Spitzenkandidaten wenigstens einen Achtungserfolg zu erreichen. Dies wurde von den WählerInnen zunichte gemacht. Dabei gab es durchaus einen positiven Effekt der Ude-Kandidatur in der Stadt München (32,2 Prozent), wobei allerdings die Tatsachen, dass Münchner Ergebnisse generell über dem Landesschnitt liegen, und dass die SPD – wie auch schon beim historisch schlechtesten Wahlergebnis 2008 – in München nur ein Direktmandat (in Milbertshofen) gewinnen konnte, diese Einsicht wieder relativieren. Wenn man nun realistischerweise davon ausgeht, dass Christian Ude für die Landtagswahl 2018 nicht wieder zur Verfügung steht, dann wäre ein SPD-Erfolg auch in Zukunft eher überraschend als erwartbar. Zwar hat sich der erst 41-jährige SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold bei den Koalitionsverhandlungen zur Großen Koalition auf Bundesebene nach der Bundestagswahl 2013 als SPD-Unterhändler in Verkehrsfragen gegen Bundesverkehrsminister Ramsauer von der CSU als harter Verhandler, vor allem in Fragen der umstrittenen Pkw-Autobahn-Maut für nicht in Deutschland registrierte Fahrzeuge hervorgetan, was einerseits angesichts des Reizthemas Pkw-Maut7 nicht schwer war, Pronold aber auch kaum dauerhafte Wirkung eingebracht haben dürfte. Insofern befindet sich die bayerische SPD nach den Wahlen 2013 mehr denn je in der ihr schon seit Jahrzehnten vertrauten Situation strategischer Ratlosigkeit. Das Image als Dauerverliererpartei – selbst bei ansonsten sehr populären SpitzenkandidatInnen wie Renate Schmidt und Christian Ude – dürfte nur noch weiter zu dem beitragen, was der große Bayern- und CSU-Forscher Alf Mintzel eindrucksvoll beschrieben hat: „Der jahrzehntelange Mißerfolg [sic] zehrt naturgemäß am Selbstbewusstsein, an Nerven und Ressourcen“ (Mintzel 1999, 115). Wie Mintzel auch bemerkt, ist dies ein Faktor, der die ohnehin schon konstatierbare organisatorische, strukturelle und mentale Schwäche der bayerischen SPD nur noch weiter verstärkt (Mintzel 1999, 115).

4. Kleine Parteien: Entscheidende Verschiebungen

Wir haben schon bei der Behandlung von CSU und SPD festgestellt, dass bei den Landtagswahlen 2008 und 2013 statt der erwartbaren Gegenläufigkeiten der Wahlergebnisse ein überraschender Parallelismus festzustellen ist: Das Jahr 2008 bringt für die beiden größten bayerischen Parteien starke Verluste und im historischen Vergleich sehr schwache Wahlergebnisse, während es beide Parteien 2013 schaffen, zwar im historischen Vergleich kleinere, aber doch spürbare Zuwächse zu erreichen. Dies bedeutet, dass auch erhebliche Veränderungen bei den Klein- und Kleinstparteien zu beobachten sind.

4.1 Die FDP: Aus der Regierungsverantwortung ins parlamentarische Aus

Die Landtagswahlergebnisse der bayerischen FDP sind zwar vor allem erratisch, gleichzeitig weist der Trend aber generell nach unten. Einer dauerhaften Präsenz im bayerischen Landtag seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis 1982 folgten sechs Legislaturperioden (insgesamt 26 Jahre), bei denen es der FDP nur 1990 im Jahr der Wiedervereinigung (generell ein großes Erfolgsjahr der FDP und ihres Hauptakteurs Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher) gelang, mit mageren 5,2 Prozent in den bayerischen Landtag einzuziehen. Ansonsten bewegten sich die Wahlergebnisse deutlich unter der 5-Prozent-Hürde, mit dem Negativrekord von geradezu erbärmlichen 1,7 Prozent im Jahre 1998, noch hinter der Kleinstpartei ÖDP. Umso erstaunlicher waren dann die 8,0 Prozent im Jahre 2003, die das historisch beste FDP-Nachkriegsergebnis bei einer bayerischen Landtagswahl darstellten. Klar war hierbei auch, dass das schlechte CSU-Ergebnis wie auch der insgesamt positive Bundestrend der FDP (Wagemann 2009, 383) eine große Rolle spielten. Allerdings konnte die FDP in der Legislaturperiode zwischen 2008 und 2013 ihren eigenständigen politischen Beitrag als Juniorpartner der bayerischen Staatsregierung wohl nicht so deutlich machen, wie es für eine Wiederholung des Wahlerfolgs nötig gewesen wäre. In der Tat, mit 3,3 Prozent hat die Regierungspartei FDP den Einzug in den bayerischen Landtag klar verfehlt; dass dies natürlich auch bundespolitische Gründe hat (eine Woche später hat dann die Bundes-FDP zum ersten Mal in der Nachkriegszeit den Sprung in den Deutschen Bundestag verpasst), steht außer Frage.

4.2 Die Grünen: Nach wie vor kein entscheidender politischer Akteur

Das Wahlergebnis der Grünen ist wohl das unspektakulärste aller hier behandelten Parteien. Mit 8,6 Prozent lagen die Grünen nur leicht unter ihrem bisherigen Allzeithoch von 2008, das aber auch klar einstellig war. Vielleicht ist aber diese Unauffälligkeit des grünen Wahlergebnisses auch sein auffälligstes Kennzeichen, kann doch Bayerns Nachbarland Baden-Württemberg – strukturell konservativ wie Bayern, bei historisch starker CDU-Dominanz (die allerdings nach dem Ende der Regierungszeit Lothar Späths in den frühen 90er-Jahren gerade auch im Vergleich mit dem bayerischen Fall stark relativiert werden muss) – seit 2011 mit Winfried Kretschmann den ersten grünen Ministerpräsidenten aufweisen. Insgesamt gilt aber das Jahr 2013 für die Grünen eher als Misserfolgsjahr, was sich dann eine Woche nach den bayerischen Landtagswahlen bei den Bundestagswahlen nochmals bestätigt hat. Insofern ist das relativ schlechte Abschneiden der bayerischen Grünen wohl auch weniger von bayerischen Faktoren beeinflusst. Allerdings war es den bayerischen Grünen auch nicht gelungen, sich positiv vom Bundestrend abzusetzen.

4.3 Die Freien Wähler: Die wirkliche Neuigkeit

Die Freien Wähler (FW) sind seit Jahrzehnten eine wichtige politische Größe in Bayern, wobei ihr Einfluss vor allem kommunalpolitischer Natur auf der Ebene von Kommunen und Landkreisen war. 2008 gelang den FW der Einzug in den bayerischen Landtag und das gleich mit einem spektakulären zweistelligen Ergebnis. Dies war zu einem nicht unerheblichen Teil auf Kandidatur und Kampagne von Gabriele Pauli zurückzuführen, die sich in den Monaten und Jahren vor der Wahl 2008 einen Ruf als CSU-Rebellin erworben hat, die letztendlich zum Sturz des populären CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber beigetragen hat und die nach ihrem Austritt aus der CSU den FW-Wahlkampf erstens ganz auf sich, die sie nicht einmal offizielle Spitzenkandidatin war, zugeschnitten und zweitens am Erfolgsmodell der CSU orientiert hat (siehe Wagemann 2009 für eine ausführliche Darstellung). Als dann Gabriele Pauli auch aus den FW ausgetreten war und als fraktionslose Abgeordnete weiterhin dem Landtag angehörte (und sich ihre eigene Gründung der Partei Freie Union schon nach wenigen Wochen als großer Flop herausgestellt hatte), war die Frage, ob es der FW gelingen könnte, ihren kommunalpolitischen Erfolgsnimbus und vor allem ihre organisatorische Verankerung in der Fläche zu nutzen, um damit den positiven Pauli-Effekt des Jahres 2008 wettzumachen. Die 2013 erreichten 9,0 Prozent bestätigen dies. Mit den FW sitzt also (neben der CSU) eine zweite bürgerliche Partei im bayerischen Landtag, die es auch außerhalb der Sondersituation des Jahres 2008, in der die CSU aufgrund zahlreicher Skandale, Personalquerelen und relativer politischer Erfolglosigkeit einen großen Einbruch verzeichnen musste, schaffen kann, Stimmen vor allem aus dem CSU-Lager (Schultze 2009, 48) zu erhalten. Hierbei sind zwei situationelle und zwei strukturelle Erfolgsfaktoren anzuführen: Situationell hat sich der bayerische FW-Vorsitzende Hubert Aiwanger über die Legislaturperiode hinweg als sichtbarer Einzelpolitiker profiliert, wohl auch, um die durch Gabriele Pauli im Jahre 2008 erfolgte Prägung der FW als Rache-Arena für die in der CSU erlittenen Verunglimpfungen zu mildern. Ebenfalls situationell waren die FW die einzige im bayerischen Landtag vertretene Kraft, die der parteiübergreifenden Rettungspolitik in der Eurokrise eher skeptisch, dabei aber nicht populistisch oder gar rassistisch gegenüberstand. Damit griffen die FW die CSU-Tradition der Europa-Ressentiments auf (Wagemann 2005, 181ff.), die ja nur, weil sie die CSU nicht aktiv in ihren Strategien nutzt (zur CSU-Europapolitik als Hort der Bewahrung konservativer Grundsätze siehe Schöfbeck 2010, 232f.), nicht aus der bayerischen öffentlichen Meinung verschwunden sind. Ein struktureller Grund für den bleibenden Erfolg der FW ist, dass die FW mit ihrer großen Anzahl erfolgreicher und sachkundiger KommunalpolitikerInnen regelmäßig politische Sachkompetenz (und dies noch dazu auf kommunaler Ebene, also „nah bei den BürgerInnen“) unter Beweis stellen und damit nicht das Schicksal anderer Neo-Parteien erleben, aufgrund sachlicher oder politisch-strategischer Inkompetenz Momenterfolge nicht wiederholen zu können. Ein zweiter struktureller Vorteil der FW ist, dass natürlich auch die Übernahme öffentlicher Ämter sowie die flächendeckende Präsenz der Organisation eine Infrastruktur bereitstellt, die sowohl die Durchführung von Wahlkämpfen als auch die Ausdehnung der Aktivitäten von der kommunalen auf die Landesebene erleichtert.8

Insgesamt stellt also der Wiedereinzug der FW in den bayerischen Landtag bei gleichzeitig nur moderat besserem Wahlergebnis der CSU die eigentliche Neuigkeit der Landtagswahlen 2013 dar; sollte es den FW gelingen, auch weiterhin auf kommunal- und landespolitischer Ebene ihre Kompetenz zu erhalten und die Legislaturperiode der FW weder durch Skandale noch durch Unsichtbarkeit geprägt sein, dann könnte sich hier tatsächlich eine Gefahr für die absolute Mehrheit und die strukturelle Dominanz der CSU entwickeln, wie sie auch profilierte SPD-SpitzenkandidatInnen wie Renate Schmidt und Christian Ude nicht dargestellt haben. Die FW fischen nämlich in den ureigensten Gewässern der CSU: Heimatverbundenheit, lokale Verankerung, kommunalpolitische Problemlösungskompetenz vor Ort und der richtige Schuss Populismus von Zeit zu Zeit.9 Laut Newsletter der Forschungsgruppe Wahlen sind die FW auch die nach der CSU am zweitbesten bewertete Partei Bayerns. Insofern bleibt es spannend abzuwarten, ob es den FW gelingt, was anderen lokal und regional erfolgreichen Gruppierungen (wie der Arbeit für Bremen, der Schill-Partei oder der STATT-Partei) verwehrt geblieben ist, nämlich die dauerhafte Etablierung als Regionalpartei. Dies würde natürlich den bayerischen Fall insofern noch besonderer machen, als dann zwei bayerische Regionalparteien nebeneinander existieren würden, nämlich CSU und FW. Wenn auch unter vollkommen anderen Vorzeichen und mit vollkommen anderen Zahlenverhältnissen, so erinnert diese Konstellation doch auch an den Antagonismus zwischen CSU und Bayernpartei in den 50er-Jahren.

4.4 Die Kleinstparteien: Noise unter der Fünf-Prozent-Hürde

Zu behaupten, die CSU-Hegemonie in Bayern werde nur von den Parlamentsparteien der Opposition kritisiert, ist nicht ganz vollständig. Die bayerische „Gegenkultur“ (Mintzel 1987b) umfasst auch gesellschaftliche Initiativen, KünstlerInnen und Bürgerinitiativen; gleichzeitig weist Bayern aber auch eine Vielzahl von Kleinstparteien auf, die nicht unbedingt dem rechts- oder linksextremen Spektrum zuzurechnen sind bzw. Eintagsfliegen sind. So lag seit 1994 der Gesamtanteil derjenigen Parteien, die aufgrund der 5-Prozent-Hürde nicht im bayerischen Landtag vertreten sind, über 10 Prozent (und damit die Grenze zur absoluten Mehrheit der Sitze unter 45 Prozent). Bei der Landtagswahl 2013 sind sogar 14,1 Prozent der WählerInnen-Stimmen nicht durch Parlamentssitze repräsentiert. Hierbei entfallen 3,3 Prozent auf die schon oben besprochene FDP; 2,1 Prozent konnte die Linkspartei erringen. Damit hat die Linkspartei ihre bayerische Erfolglosigkeit fortgeschrieben, trat sie doch bis 2003 gar nicht in Bayern an (auch nicht als PDS) und scheiterte 2008 mit 4,4 Prozent an der 5-Prozent-Hürde. Überraschend stark schnitt die regionalistisch-separatistische Bayernpartei (BP) ab, die mit einem Ergebnis von 2,1 Prozent nicht nur mit der im Bundestag vertretenen Linkspartei gleichzog, sondern auch ihr bestes Ergebnis seit 1966 – als die CSU erstmals die absolute Mehrheit der Sitze errang – erzielte. Natürlich ist damit die BP nach wie vor meilenweit von einem Einzug in den bayerischen Landtag entfernt; man kann aber die Frage stellen, warum 2,1 Prozent der bayerischen WählerInnen ihre Stimme einer Partei geben, deren Einzug in den Landtag wohl niemand erwartet hat. Hier scheint entweder eine sehr starke Überzeugung oder auch Protesthaltung vorzuliegen.10 Wenn auch inhaltlich ganz anders ausgerichtet, ist auch die Ökologisch-Demokratische Partei ÖDP seit mehreren Jahrzehnten Teil der bayerischen Gegenkultur. Als konservative Abspaltung von den frühen Grünen ist die ÖDP vor allem in Süddeutschland und Nordrhein-Westfalen aktiv und erzielt regelmäßig Achtungserfolge bei Kommunalwahlen11 bzw. bei direktdemokratischen Urnengängen; so war sie federführend bei der Abschaffung des bayerischen Senats 1998 (einer ständischen zweiten Kammer im bayerischen Regierungssystem) sowie bei der Verabschiedung des strengen bayerischen NichtraucherInnen-Gesetzes 2010. Auffällig ist, dass die ÖDP seit 1990 ihr damaliges Ergebnis von 1,7 Prozent fast unverändert gehalten hat – 2013 waren es 2,0 Prozent. Gerade BP und ÖDP differenzieren also das bayerische Parteiensystem unterhalb der 5-Prozent-Hürde noch weiter aus.12

5. Zusammenfassung: Das bayerische Parteiensystem 2013

Das bayerische Parteiensystem nach der Landtagswahl von 2013 ist also durch drei Auffälligkeiten gegenüber dem bundesdeutschen Regelfall geprägt:

Erstens ist die Dominanz der CSU – wenn auch eingeschränkt – nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal des bayerischen Parteiensystems. Die CSU ist in WählerInnen-Stimmen bei Weitem unangefochten stärkste Partei. Zudem deutet nichts darauf hin, dass die CSU ihre Sonderrolle als nur-bayerische Partei verliert bzw. Konkurrenz durch eine auf Bayern ausgedehnte CDU fürchten muss. Zweitens entwickeln sich die FW zu einer bayerischen Partei, die viele Strategien und Inhalte der CSU übernommen hat, ohne die CSU zu sein. Sie ist damit ein Korrektiv einerseits aus der Opposition und andererseits aus der kommunalen Verankerung heraus (das eventuell auch kommunale Interessen stärker repräsentieren und damit sogar eine Art ständischer Funktion einnehmen könnte), das aber nicht über die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU in Berliner Regierungs- bzw. auch Oppositionspolitik eingebunden ist. Drittens zeigen die Erfolge von BP und ÖDP auf niedrigem Niveau, dass sich die bayerische Parteienlandschaft vor allem regional und kommunal noch weiter ausdifferenziert. Allerdings kann man wohl auch behaupten, dass sich FW, BP und ÖDP in ihrer Agenda klar an der CSU ausrichten, sodass das Alleinstellungsmerkmal der CSU letztendlich die Klein- und Kleinstparteien in ihrer Ausrichtung prägt und damit begünstigt. Zu den momentanen Verlierern gehören die bundesdeutschen „Regelparteien“ wie SPD, FDP, Grüne und Linkspartei, aber auch die Rechtsextremen, also diejenigen Parteien, die bisher nicht in der Lage waren, eine besonders bayerische Komponente ihres Handelns zu erzielen.

Im Hinblick auf unsere Ausgangsfrage nach Stabilität und Wandel können wir also getrost davon ausgehen, dass die alte Stabilität wohl tatsächlich erst mal der Vergangenheit angehört; das Ergebnis von 2013 hat mit den Ergebnissen von 2003 und früher zwar im Falle der SPD, der FDP und der Grünen einige Gemeinsamkeiten; dennoch scheinen die Entwicklungen bei CSU und FW, wenn auch teilweise unter der 5-Prozent-Hürde, auf einen Wandel hinzudeuten. Ob schon eine neue Stabilität erreicht ist oder ob es sich um fortgesetzten Wandel handelt, werden die kommenden Wahlen zeigen müssen. Die Wahl von 2013 spricht eher für eine neue Stabilität (nachdem die Verschiebungen nicht wirklich dramatisch waren), aber Momentereignisse oder Skandale können diesen Stabilisierungsprozess jederzeit erschüttern.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass – vielleicht sogar mehr denn je – das bayerische Parteiensystem ein Gebilde sui generis ist. Ob man deswegen gleich von andersgehenden Uhren sprechen muss, bleibt dahingestellt. Und ob sich ähnliche Ausdifferenzierungen auch in anderen deutschen Bundesländern ergeben können, ist eine spannende Frage, die vor allem vor dem Hintergrund flexibler gewordener Koalitionsarithmetiken nicht ernsthaft verlässlich zu beantworten ist. Der bayerische Fall bleibt aber interessant und damit untersuchenswert.

Abbildung 3: SPD-Ergebnisse bei bayerischen Landtagswahlen seit 1966

Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage von Daten des Bayerischen Statistischen Landesamts

Anmerkungen

1 Ich danke Nils Sartorius für die Zuarbeit zu diesem Artikel.

2 Hier sei der Vergleich mit der Hamburger Bürgerschaftswahl 2011 erlaubt, wo die SPD ganze 14,3 Prozentpunkte gegenüber der Vorwahl zulegte.

3 Hierbei geht die CSU übrigens auch erstaunlich offen davon aus, dass sie die kommenden Landtagswahlen ohnehin gewinnen und damit den Ministerpräsidenten stellen wird.

4 Genau genommen handelt es sich um zwei verschiedene und auch zeitlich getrennte Regierungen, nämlich einmal um die 1945/1946 amtierende Nachkriegsregierung aus SPD, CSU und KPD und dann um die berühmte Viererkoalition von 1954 bis 1957, die die doch sehr unterschiedlichen Parteien SPD, Bayernpartei, Vertriebenenpartei GB/BHE und FDP für nicht einmal eine volle Legislaturperiode vereinigte (übrigens auch die einzige bayerische Nachkriegsregierung ohne Beteiligung der CSU). Beide Male war der SPD-Politiker Wilhelm Hoegner Ministerpräsident.

5 Für (Ober-)BürgermeisterInnen gibt es in Bayern eine Altersgrenze, die Christian Ude eine Wiederkandidatur als Münchner Oberbürgermeister verwehrt. Diese Altersgrenze gibt es aber nicht für MinisterpräsidentInnen, sodass Ude hierfür kandidieren konnte.

6 Udes 66,8 Prozent bei der OB-Wahl des Jahres 2008 stehen nur 39,8 Prozent für die Münchner SPD-Stadtratsfraktion gegenüber. Dies macht die SPD zwar immer noch zur stärksten politischen Kraft in München (vor der CSU mit 27,7 %), aber Udes persönliches Wahlergebnis ist trotzdem in einer anderen Dimension anzusiedeln.

7 Konkret hat sich der CSU-Vorsitzende, Bayerns Ministerpräsident Seehofer, wiederholt und deutlich mit seinen Vorschlägen von der Linie der Bundeskanzlerin Merkel von der Schwesterpartei CDU abgesetzt. Merkel selbst hatte in der Folge beim TV-Duell mit ihrem SPD-Herausforderer Steinbrück eine Pkw-Maut auch ausdrücklich abgelehnt. So bekam dieses Thema Symbolwert bei den Koalitionsverhandlungen als Kernforderung der CSU als kleinstem Partner der Großen Koalition.

8 Dass der Wahlerfolg der bayerischen FW dabei kein Selbstläufer ist, zeigt die nach wie vor deutliche Erfolgslosigkeit der FW in anderen Bundesländern bzw. auf Bundesebene und bei Europawahlen. Dies ist aber darin begründet, dass die FW eben nur in Bayern eine kommunalpolitisch wichtige Kraft sind bzw. eine entsprechende Infrastruktur haben.

9 Aufgrund fehlender Daten muss leider die hochinteressante Frage unbeantwortet bleiben, ob die prinzipielle Offenheit der FW gegenüber möglichen Koalitionen nach der Wahl 2013 (also Unterstützung einer CSU-geführten Regierung versus ein Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FW) dazu geführt hat, dass das WählerInnen-Potenzial nicht voll ausgeschöpft werden konnte. Es kann nur darüber spekuliert werden, ob eine klare Koalitionsaussage zugunsten der CSU die FW nicht als CSU-Korrektiv derart positioniert hätten, dass ein noch besseres Wahlergebnis möglich gewesen wäre.

10 Wie auch in anderen großen deutschen Bundesländern gibt es auch in Bayern sogenannte Bezirke, die zwischen der Landes- und der Landkreisebene verschiedene Verwaltungsaufgaben übernehmen und für die ebenfalls (am Tag der Landtagswahlen) Parlamente, sogenannte Bezirkstage, gewählt werden. Konnte die Bayernpartei 2008 nur im Bezirkstag von Oberbayern einen Sitz erringen (es gibt keine 5-Prozent-Hürde für die Bezirkstage), so waren es 2013 schon drei in Oberbayern (bei einem stattlichen Wahlergebnis von 4,2 %) und je einer in Niederbayern, Schwaben und der Oberpfalz. Die Anzahl ihrer kommunalen MandatsträgerInnen beträgt derzeit bayernweit circa 50, darunter 15 KreisrätInnen und ein Stadtratsmitglied in München.

11 Hierbei ist – im Gegensatz zur BP – die Präsenz von ÖDP-Mitgliedern in bayerischen Kreistagen und Gemeinde- bzw. Stadträten eher die Regel als die Ausnahme. Die Gemeinden Pfreimd und Emskirchen haben sogar Bürgermeister, die bei der Wahl ausschließlich für die ÖDP angetreten sind.

12 Eine weitere zahlenmäßig wichtige, aber nicht sonderlich bayernspezifische Kleinpartei sind die Piraten, die 2,0 Prozent erzielten. Rechtsextreme Parteien spielten bei der Landtagswahl von 2013 keine Rolle (Republikaner 1,0 %, NPD 0,6 %), so wie dies abgesehen von den 7,4 Prozent der NPD 1966 und den 4,9 bzw. 3,9 Prozent der Republikaner 1990 und 1994 auch nie der Fall war. Die bayerische „Gegenkultur“ ist also nicht rechtsextrem geprägt.

Literaturverzeichnis

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Abstracts

Riconquistata stabilità o protratto cambiamento?

Le elezioni regionali bavaresi del 15 settembre 2013 hanno confermato nuovamente la maggioranza assoluta della CSU. Sarebbe però errato concludere che questo risultato elettorale significhi un completo ripristino del ruolo speciale ricoperto dalla CSU.

Da un lato, infatti, la percentuale di crescita dei voti è troppo bassa rispetto all’elezione precedente; dall’altro lato con i “Freie Wähler” sembra affermarsi una valida (anche se per adesso limitata) alternativa alla CSU, alternativa che sottende un’ulteriore differenziazione del panorama partitico bavarese. Il Bayernpartei e l’ÖDP sono altri partiti politici al di sotto dello sbarramento del 5 per cento che – e questa è una particolarità bavarese – sono cresciuti a livello regionale e locale diventando concorrenti della CSU.

Se considerate nel loro complesso le elezioni del 2008 e del 2013 rappresentano indubbiamente un nuovo concetto di stabilità caratterizzato da una forte, ma non più incontrastata, posizione di potere della CSU la cui continuità dovrà essere messa alla prova nel corso delle future tornate elettorali regionali.

Stabilità davanieda da nuef o dejëuta che va inant?

La veles dl Cunsëi dl raion Paiern de setëmber dl 2013 à – inò n iede – purtà ala maiuranza assoluta dla CSU. Ma l fossa na fauza interpretazion miné che chësc resultat dla veles fossa inò na cunfërma dl post speziel dla CSU. Per chësc ie da una na pert l aumënt dla ujes n cunfront al’ultima veles massa bas; dal’autra pert semieiel che i Freien Wähler se afermea, desferenzian mo deplù l mond di partic dl Paiern, sciche alternativa dla CSU da tò n cunscidrazion a livel bas. Nce sota l limit dl 5 percënt iel cun Bayernpartei y ÖDP partic che – nce chësc spezifich per l Paiern – ie chersciui regionelmënter y localmënter sciche cuncurënc dla CSU. Sce n cunscidra adum la veles dl 2008 y dl 2013 ndicheieles zënzauter na forma de stabilità nueva, che ie senieda da na pusizion de pudëi sterscia, ma mpo mo nia tan che n ne possa nia ti la cuntesté ala CSU che perdrët muessa permò afermé si costanza tla proscima veles dl Cunsëi.

Regained stability or continuing change?

The Bavarian elections at the Land-level, which took place in September 2013, produced – once again – an absolute majority of parliamentary seats for the CSU. However, we would be wrong in claiming that this electoral result would restore the special political role that the CSU had held in the past. On the one hand, the increase in the CSU’s electoral result is rather small; while, on the other hand, a serious (but small) alternative to the CSU has been established through the Free Voters, implying a further differentiation of the Bavarian party system. The Bayernpartei and the ÖDP are further political parties below the 5 percent hurdle which – also this is specific to Bavaria – are regional and local competitors to the CSU. Taken together, the 2008 and 2013 Land-level elections indeed represent a new kind of stability which is characterized by a strong, but no longer uncon­tested dominant power position of the CSU, and whose durability still has to be proven in upcoming Land-level elections.