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Greta Klotz

Parteien und Wahlen im Wandel

Die beiden Infografiken auf den folgenden Seiten zeigen verschiedene statistische Daten zum italienischen Parlament sowie zum Südtiroler Landtag unter Berücksichtigung von einschneidenden Jahren. Die Grafiken skizzieren die (Nicht)Veränderung der beiden gewählten Legislativorgane in den letzten 60 Jahren anhand einiger interessanter Indikatoren.

Dabei geben die ausgewählten Grafiken die Zusammensetzung der Parlamente natürlich nur ausschnittweise wieder. Die Statistiken sollen den BetrachterInnen jedoch kurz und bündig veranschaulichen, inwiefern Reformen des Wahlsystems (im Fall der Italienischen Republik) oder bedeutende historische Ereignisse (im Fall Südtirols) die Zusammensetzung der gewählten Organe bzw. der Abgeordneten beeinflussen und verändert haben.

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich politische Prozesse, Parteiensysteme und WählerInnenverhalten verändert: Wirtschaftliche und soziale Umbrüche, neue gesellschaftliche Konfliktlinien und Modernisierungsprozesse können das Wahlverhalten der BürgerInnen beeinflussen und zur Entstehung von neuen Parteien führen (vgl. Pelinka 2005, 75ff). Demgegenüber sind politische Systeme auch mit institutionellen Veränderungen wie Verfassungsreformen und neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen konfrontiert.

Von zentraler Bedeutung in einem politischen System ist das Wahlsystem. Auf welche Art die RepräsentantInnen in einer Demokratie gewählt und mit welchem Verfahren die erhaltenen Stimmen in Sitze umgerechnet werden, wirkt sich neben der Sitzverteilung vor allem auf das Parteiensystem eines Staates aus (vgl. Nohlen 2004, 367ff). So kann das Wahlsystem je nach Regelung große oder kleine Parteien bevorzugen bzw. benachteiligen oder die Mandate einer Partei soweit verzerren, dass die Zusammensetzung eines Parlaments nicht den erhaltenen WählerInnenstimmen entspricht (vgl. Saalfeld 2007, 50ff).

Die folgende Infografik stellt Italien hinsichtlich seiner Wahlsystementwicklung dar. So werden die Jahre 1948, 1994, 2006 und 2013 verglichen und einander gegenübergestellt. Es handelt sich um drei Jahre, in denen Italien sein Parlament stets mit einem anderen Wahlsystem gewählt hat, 2013 wird als aktuelles Referenzjahr hinzugenommen. Das italienische Wahlgesetz ist kein Verfassungsgesetz, sondern entspricht einem ordentlichen Gesetz – das erleichtert Reformen. Die Verfassung legt aber unter anderem fest, dass der Senat auf regionaler Ebene gewählt werden muss (Art. 57, italienische Verfassung). Von 1948 bis 1992, über vierzig Jahre lang, wählte Italien mit einem reinen Verhältniswahlsystem1 ohne Sperrklausel und mit bis zu vier Vorzugsstimmen. Trotz relativ stabiler Großparteien (Democrazia Cristiana und Partito Comunista Italiano) waren eine starke Parteienfragmentierung mit vielen Kleinparteien die Folge (vgl. Onida/Pedrazza-Gorlero 2011, 154f). Nach der Implosion und der Transformation des italienischen Parteiensystems Mitte der 90er wurde die reine Verhältniswahl abgeschafft. Das Ergebnis war eine Kompromisslösung zwischen Mehrheitswahl und Verhältniswahl (75 Prozent der Parlamentssitze wurden von nun an nach Mehrheitswahl, 25 Prozent nach Verhältniswahl vergeben). Mit diesem von 1993 bis 2005 geltenden Mischwahlsystem2 (andere nennen es kombiniertes Wahlsystem), dem sogenannten Mattarellum, sollte das krisengebeutelte italienische Parteiensystem stabilisiert, die Zersplitterung reduziert und vor allem stabile alternierende Regierungen ermöglicht werden (vgl. Köppl 2007, 76f).

Doch die Anzahl der Parteien verringerte sich trotz Einführung der 4-Prozent-Sperrklausel kaum. Zwar schlossen sich die Parteien vor der Wahl zu größeren Bündnissen zusammen, doch sie verselbstständigten sich nach der Wahl zum Großteil wieder (vgl. Köppl 2007, 78ff). Seit 2006 gilt in Italien das Verhältniswahlsystem3 mit diversen Sperrklauseln für Koalitionen und einzelne Parteien, mit blockierten Listen und einer sogenannten Mehrheitsprämie für die stimmenstärkste Partei oder das stimmenstärkste Parteienbündnis (diese Prämie wird für die Kammer auf nationaler, für den Senat auf regionaler Ebene vergeben).4

Aktuell, im Januar 2014, wurde im Parlament wieder über ein neues Wahlsystem debattiert, da Teile des vorhergegangenen für verfassungswidrig erklärt wurden.5 Das geplante Wahlsystem, genannt Italicum, sieht unter anderem eine Mehrheitsprämie für jene Partei/Parteienkoalition vor, die mindestens 37 Prozent der Stimmen erhält sowie (wiederum) blockierte Listen ohne Vorzugsstimmen. Dafür soll allerdings eine verpflichtende Frauenquote eingeführt werden (50 Prozent für jede Liste).

Mit Landesgesetz Nr. 5 vom 8. Mai 2013 wurde eine ähnliche Quote in Süd­tirol obligatorisch. Der Landtag ergänzte das bisher geltende Landesgesetz vom 14. März 2003, Nr. 4 und beschloss, dass „auf keiner Liste (…) ein Geschlecht mehr als Zweidrittel der Kandidatinnen/Kandidaten stellen [darf]“ (Art. 1, Absatz 5, Landesgesetz vom 8. Mai 2013). Während das Wahlsystem und das Wahlrecht in Südtirol in den letzten sechs Jahrzehnten relativ statisch geblieben sind, brachte die genannte Reform von 2013 noch weitere Veränderungen. Neben der Geschlechterquote sind dies die Einführung der Briefwahl für die AuslandssüdtirolerInnen sowie die Beschränkung der Wahlkampfausgaben.

Gemäß Autonomiestatut (Art. 47, ASt) wählt Südtirol seinen Landtag per Verhältniswahl, über die Wahlmodalitäten entscheidet der Landtag mit absoluter Mehrheit (vgl. Alber/Parolari 2010). Die hier gezeigte Infografik zum Südtiroler Landtag vergleicht im Gegensatz zu Italien keine Reformjahre, sondern für die Autonomiegeschichte bedeutende Jahre (1948, 1973, 1993), hinzu kommt der zuletzt gewählte Landtag (2013). Erfasst wurden somit der erste gewählte Landtag, die Wahlen nach dem Zweiten Autonomiestatut und das „Hohe Haus“ nach der Streitbeilegung zwischen Italien und Österreich. Mit Blick auf die Entwicklungen des Landtags in über 60 Jahren Autonomiegeschichte ist besonders die Transformation der Südtiroler Parteienlandschaft relevant (vgl. Pallaver 2011 und 2012).

Wie bekannt, erzielte die Südtiroler Volkspartei seit 1948 immer die absolute Mehrheit an Stimmen und somit auch die Mehrheit der Sitze im Landtag. Die Partei konnte deshalb als „hegemoniale Partei“ bezeichnet werden (vgl. Pallaver 2011, vgl. auch De Winter/Türsan 1998). Bei den Landtagswahlen 2008 fiel die SVP unter die 50-Prozent-Marke an WählerInnenstimmen, behielt jedoch die Mehrheit an Sitzen (18 von 35). Seit 2013 stellt die SVP nur mehr 17 von 35 Abgeordneten, womit sie ihren hegemonialen Status verloren hat. Obwohl die Partei im Laufe der Jahre zunehmender Konkurrenz innerhalb der eigenen Sprachgruppe ausgesetzt war (von rechts wie von links), ist sie die einzige Partei, die seit über sechzig Jahren konstant im Landtag vertreten ist (Pallaver 2012, 220). 2013 konnten bis auf die SVP alle deutschsprachigen Parteien bzw. die interethnischen Grünen ihre Sitzanzahl halten oder erhöhen. Demgegenüber fielen die italienischsprachigen Repräsentanten in eine Krise. Die Anzahl der italienischen Parteien im Landtag ist anderen Jahren gegenüber zwar nicht stark gesunken, wohl aber die Zahl ihrer VertreterInnen (1993, 10; 2013, 5). Dies wiederum wirkt sich auf die Zusammensetzung der Landesregierung aus (Art. 50, Absatz 2, Ast; vgl. Lantschner/Poggeschi 2008, 225f), weil die Vertretung der italienischen Sprachgruppe auf ein Regierungsmitglied gesunken ist. Das WählerInnenverhalten verändert sich, dadurch ändern sich auch das Parteiensystem und die Institutionen.

Was die Wahlbeteiligung betrifft, so lag diese in den letzten Jahrzehnten zwischen 75 und 78 Prozent, in Italien wie auch in Südtirol. Für diese und andere detailliertere Erörterungen soll an dieser Stelle auf die spezifischen Beiträge in diesem Band verwiesen werden.

Anmerkungen

2 L. n. 277/1993 für die Kammer, L. n. 276/1993 für den Senat

3 L. n. 270/2005

4 In der Region Trentino-Südtirol und dem Aostatal bleibt zum Schutz der sprachlichen Minderheiten die Mehrheitswahl in Kraft, es wird keine Mehrheitsprämie vergeben.

5 C. cost., sent. n. 1/2004

Literaturverzeichnis

Alber, Elisabeth/Parolari, Sara (2010). Minderheiten und Wahlrechtsinstrumente in der regionalen Gesetzgebung. Südtirol und das Trentino im europäischen Vergleich, in: Gamper, Anna (Hg.). Entwicklungen des Wahlrechts am europäischen Fallbeispiel, Wien: Springer, 355–394

De Winter, Lieven/Türsan, Huri (1998). Regionalist parties in Western Europe, London and New York: Routledge

Köppl, Stefan (2007). Das politische System Italiens. Eine Einführung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Lantschner, Emma/Poggeschi, Giovanni (2008). Quota System, Census and Declaration of Affiliation to a Linguistic Group, in: Woelk, Jens /Palermo, Francesco/Marko, Joseph (Hg.). Tolerance through Law, Self Governance and Group Rights in South Tyrol, Leiden/Boston: Martinus Nijhoff, 219–234

Nohlen, Dieter (2004). Wahlrecht und Parteiensystem. Zur Theorie der Wahlsysteme, Opladen: Leske+Budrich/UTB für Wissenschaft

Onida, Valerio/Pedrazza-Gorlero, Maurizio (2011). Compendio di Diritto Costituzionale, Milano: Giuffré Editore

Pallaver, Günther (2011). Parteien und Parteiensystem in Südtirol. Zwischen ethnischen Bruchlinien und gesellschaftlichen Transformationsprozessen, in: Kreisel, Werner/Ruffini, Flavio V./Reeh, Tobias/Pörtge, Karl-Heinz (Hg.). Südtirol/Alto Adige. Eine Landschaft auf dem Prüfstand/Un paesaggio al banco di prova, Lana: Tappeiner, 210–220

Pallaver, Günther (2012): Transformationsprozesse der Südtiroler Autonomie 1972–2012, in: Pallaver, Günther (Hg.). Politika12. Jahrbuch für Politik/Annuario di politica/Anuar de politica (Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft/Societá di Scienza Politica dell’Alto Adige/Südtiroler Sozietá per Scienza Pulitica), Bozen: Edition Raetia, 205–239

Pelinka, Anton (2005). Vergleich politischer Systeme, Wien: Böhlau Verlag

Saalfeld, Thomas (2007). Parteien und Wahlen, Baden-Baden: Nomos

Abstracts

Partiti e voti che cambiano

La parola rinnovamento nel corso del 2013 è stata sulla bocca di tutti. Sia a livello nazionale che locale. Sino a che punto si sono trasformate negli ultimi decenni le composizioni del parlamento italiano e del Consiglio provinciale? Due infografiche illustrano alcuni dati relativi alle due tornate elettorali in relazione ad anni politici particolarmente significativi e delineano, sulla base di importanti indicatori chiave, il loro (non) cambiamento.

Partic y veles che se muda

La parola renuvamënt fova ntan l ann 2013 bëndebò adurveda. Sibe a livel nazionel che a livel lochel. A ce maniera se à pa mudà la cumposizion dl Parlamënt y dl Cunsëi provinziel de Südtirol ti ultimi dejeneies? Doi infografiches mostra su n valgun dac sun dui doi organs legislatives per cie che à da nfé cun ani politics de mpurtanza y dessënia tres indicadëures mpurtanc si (nia)mudamënt.

Change within parties and in elections

The word “renewal” was on everyone’s lips in 2013, at the national as well as at the local level. In what way has the composition of the Italian Parliament and the South Tyrolean Parliament changed in recent decades? Two infographics show some statistical data about the two legislative bodies with regard to meaningful political years and, with the help of key indicators, outline their change – or lack thereof.