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Hermann Atz/Günther Pallaver

Die Normalisierung Südtirols

Die Landtagswahlen 2013: Ergebnisse, Trends und Perspektiven

1. Politische Rahmenbedingungen

Nach den Parlamentswahlen im Februar fanden in Südtirol am 27. Oktober 2013 Landtagswahlen statt, die von einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren gekennzeichnet waren. Offen war, ob die Südtiroler Volkspartei (SVP) ihre absolute Mehrheit behalten würde, ob die deutschsprachigen (sezessionistischen) Parteien ihren Konsens würden steigern können und ob sich die Wahlergebnisse der gesamtstaatlichen italienischen Parteien bei den Parlamentswahlen auf Landesebene bestätigen würden.

Untergeordnete Unsicherheitsfaktoren waren: Würde es zu einer Konsolidierung oder zu einer weiteren Fragmentierung der italienischen Parteien kommen? Würde das ethnische Wahlverhalten der vergangenen Wahlgänge bestätigt werden oder würde es zu einer Aufweichung kommen? Und schließlich stand die Frage im Raum, mit wem die SVP beim Verlust ihrer absoluten Mandatsmehrheit die neue Landesregierung bilden würde.

Die Südtiroler Volkspartei befand sich im Jahr 2013 vor einer Zeitenwende. Der seit 1989 amtierende Landeshauptmann Luis Durnwalder trat nicht mehr zu den Wahlen an. Mit ihm wurde das „System Südtirol“ weitgehend identifiziert, das wirtschaftlich zwar erfolgreich war, aber zugleich immer größere demokratiepolitische Defizite aufzeigte. Die zu Beginn der Amtszeit von Landeshauptmann Durnwalder eingeführte frühmorgendliche Sprechstunde, zu der die BürgerInnen mit ihren Anliegen gehen konnten, hatte anfänglich das Image der Volksnähe, des Landeshauptmanns „zum Anpacken“ positiv geprägt, bis diese Sprechstunden im Volksmunde allmählich zur „Bittgangdemokratie“ verkamen, worunter feudales Gehabe und Klientelismus verstanden wurden.

Der Dezisionismus von Durnwalder hatte demokratische Mitentscheidungsprozesse immer mehr verkümmern lassen. Dies äußerte sich unter anderem in der Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Land und Gemeinden. Der Zentralismus Roms war schrittweise durch den Zentralismus Bozens abgelöst worden. Dieser Fetischismus des „Landes“, der Entscheidungsfindungsprozesse jenseits des Landtags oder einer modernen governance privilegierte, führte letztlich zum größten Korruptionsskandal, den Südtirol bislang erlebte. Der SEL-Skandal belastete die SVP und ihre Führungsschicht enorm (Hinterwaldner 2013), wobei der SEL-Skandal letztlich das CSU-Syndrom auch in Südtirol bestätigte: Jahrzehntelange Machtausübung mit absoluten Mehrheiten ohne effiziente demokratische Kontrolle führt leicht zu ausuferndem Klientelismus, Verfilzung und Vetternwirtschaft bis hin zu strafrechtlich relevanten Handlungen. Dabei kam die Kritik an Durnwalder, den Erneuerungsprozess blockiert und sich eine Legislaturperiode zu spät zurückgezogen zu haben, am stärksten aus der eigenen Partei (Donatini 2013).

Die SVP hatte zwar bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Februar 2013 (Diamanti 2013) mandatsmäßig einen Erfolg erzielen können, der allerdings mehr durch die Parteibündnisse abgesichert worden war, weniger durch den Konsens der SüdtirolerInnen (vgl. den Beitrag von Marco Angelucci in diesem Band). Mit 44,2 Prozent (Parlamentswahlen 2013) lag die SVP auf Landesebene unter der Mehrheitsschwelle, um bei den Landtagswahlen wiederum die absolute Mandatsmehrheit zu erzielen. Dies bestätigten auch die verschiedenen Umfragen vor den Landtagswahlen.

Neben diesen spezifischen Gründen schlug sich auch die schwierige wirtschaftliche Situation Italiens auf die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit der BürgerInnen Südtirols nieder (vgl. den Beitrag von Gernot Gruber in diesem Band). Die SVP unterstützte die Regierung Mario Montis, die sich vor allem durch eine Politik von „Blut und Tränen“ bemerkbar machte. Dazu kam insgesamt eine immer größer werdende Par­teien­verdrossenheit, ja Parteienablehnung, zumal Parteien nicht mehr imstande waren (und sind), den BürgerInnen glaubhafte Angebote zu machen. Die häufigen Skandale (Korruption, Bestechung, Unterschlagungen, persönliche Bereicherung usw.), die sich in Italien tagtäglich in den Medien nachlesen lassen, wirkten sich auch in Südtirol negativ auf die (regierenden) Parteien aus, sodass sich der Erosionsprozess ihrer politischen Legitimation in Rom genauso wie in Bozen breitmachte (vgl. Ignazi 2012; Revelli 2013).

Die Aufbruchstimmung, die die Partei durch die internen Vorwahlen erlebte (vgl. den Beitrag von Ulrich Ladurner in diesem Band), konnte allerdings nicht über die vielen internen Querelen und Konflikte hinwegtäuschen. Die SVP setzte deshalb in ihrem Wahlkampf vor allem auf die Botschaft „Bewahren und Erneuern“, wie das Wahlprogramm lautete (SVP 2013). In Zeiten der sozialen Unsicherheit sollte den WählerInnen soziale und politische Sicherheit vermittelt werden (verantwortliche Autonomiepolitik, Regierbarkeit), aber auch Erneuerung, nicht in revolutionärer Abgrenzung zum auslaufenden Durnwalder-System, sondern im Sinne eines evolutionären Übergangs. Den zunehmenden Sezessionstendenzen anderer Parteien setzte die SVP ihr Modell der „Vollautonomie“ entgegen, aber auch den europäischen Gedanken, der sich in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino artikulierte. Für diesen Weg stand Arno Kompatscher, der die SVP-internen Vorwahlen souverän für sich entscheiden konnte und als Spitzenkandidat der SVP und somit als Landeshauptmannkandidat zu den Wahlen antrat.

Der größte Herausforderer für die SVP waren die Freiheitlichen, die bereits bei den Parlamentswahlen im Februar 2013 auf knapp 16 Prozent der Stimmen gekommen waren. Die Freiheitlichen kritisierten das System SVP, deren Machtmonopol, die damit verbundenen Demokratiedefizite und deren Konsequenzen wie die Parteibuchwirtschaft, SEL-Skandal und Klientelismus, betonten den Vorrang der Einheimischen gegenüber den Einwanderern und das Projekt eines Freistaates, das mit allen drei Sprachgruppen verwirklicht werden sollte (Die Freiheitlichen 2013).

Bei der Süd-Tiroler Freiheit als im Wesentlichen einer one issue party stand die Selbstbestimmung Südtirols im Mittelpunkt des Wahlprogramms (Süd-Tiroler Freiheit 2013). Zur Aktivierung und Mobilisierung diente auch das sogenannte Selbstbestimmungsreferendum, das von der Süd-Tiroler Freiheit bereits im September eingeleitet worden war (Süd-Tiroler Freiheit 2014).1

Der Partito Democratico (PD) setzte in seinem Programm auf eine substanzielle Reform des Autonomiestatuts, auf Selbstverwaltung, Dezentralisierung und Föderalismus. Der Schwerpunkt lag auf der Zielsetzung, eine mehrsprachige Gesellschaft zu verwirklichen. Dazu sollten vor allem die Bildungseinrichtungen herangezogen, insbesondere eine mehrsprachige Schule verwirklicht werden. Absicherung des Sozialstaates und Schaffung von Arbeitsplätzen sollten die sozialdemokratische Ausrichtung der Partei unterstreichen (PD 2013).

Die Wahlkoalition Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie setzte den Schwerpunkt auf die Verwirklichung der Rechte der italienischsprachigen Bür­gerIn­nen in Südtirol, vor allem auch jener der „Gemischtsprachigen“. Neben den Forderungen nach Regelung der Einwanderung und nach Hilfe für die Familien konzentrierte sich die Wahlkoalition auf ökonomische Fragen, die vielfach gesamtstaatlich ausgerichtet waren (Team Autonomie 2013).

Die Grünen-Verdi-Vërc / Sel griffen in erster Linie lokale Themen auf. Sie sprachen sich in ihrem Wahlprogramm gegen die ethnische Trennung der Gesellschaft aus, gegen Nationalismus und Separatismus, für mehr direkte Demokratie und Chancengleichheit, für mehr Ökologie und für eine Reform des Autonomiestatuts (Grüne-Verdi-Vërc/Sel 2013).

Im Wahlkampf dominierten, wie in der Zwischenzeit in ganz Europa (Plasser 2003), die metapolitischen Themen, dazu gehören etwa Berichte über den Wahlkampfstil, Wahlspekulationen und durchgeführte Diskussionsveranstaltungen, Wahlkampfbündnisse, Kandidaturen und Koalitionsspekulationen. Mehr als 30 Prozent der Berichterstattung widmeten die beiden Tageszeitungen Dolomiten und Alto Adige diesen metapolitischen Themen. Weit abgeschlagen wurden sachpolitische Themen wie etwa Verkehr, Toponomastik, Bildung, Energie oder die Beziehung unter den Sprachgruppen angesprochen (vgl. den Beitrag von Christoph Tauber in diesem Band).

2. Politisches Angebot

Das politische Angebot bei den Landtagswahlen spiegelt die Entwicklung der Parteien auf Landes- sowie auf Staatsebene, den Trend zur Territorialisierung der Parteien sowie deren ethnische Zuordnung wider. Ein längerfristiger Vergleich der Entwicklung wird für die Zeitspanne zwischen 1988 und 2013 präsentiert. Es handelt sich um 25 Jahre, die mitunter bereits als Ära Durnwalder bezeichnet werden. 1988 war das Wahljahr, in dem Luis Durnwalder zum Landeshauptmann gewählt wurde; 2013 war das Wahljahr, in dem Durnwalder nicht mehr zur Wahl antrat und durch Arno Kompatscher ersetzt wurde.

Waren im Jahr 2008 noch 15 Listen angetreten, so konnten sich diesmal nur mehr 14 Listen der Wahl stellen, weil die Liste Fratelli d’Italia, die vom ehemaligen Alleanza-Nazionale-Exponenten und späteren Parlamentarier des Popolo della Libertà (PdL) Giorgio Holzmann angeführt wurde, aus formalen Gründen nicht zugelassen wurde (salto.bz 2014a). Allerdings täuscht die ähnliche Zahl eine Stabilität vor, die es in Wirklichkeit nicht gab. Vor allem das Berlusconi-Bündnis PdL war im Lauf der Legislatur in drei Ein-Mann-Parteien zerfallen. Dementsprechend wollten nicht weniger als vier Gruppierungen die Nachfolge antreten, von denen aber, wie erwähnt, eine ausgeschlossen wurde. Eine der drei übrigen Nachfolgelisten, die mit dem Namen Forza Alto Adige den Anspruch erhob, die legitime Erbin des PdL zu sein, hatte sich mit Elena Artioli und den von ihr angeführten Resten der Lega Nord Südtirol zusammengeschlossen. Einen weiteren Zusammenschluss bildete das Bündnis BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler zwischen Andreas Pöder, dem 2008 für die Union für Südtirol gewählten Abgeordneten, der Liste Ladins und dem abtrünnigen Freiheitlichen Thomas Egger. Von den 2008 konkurrierenden Listen traten drei nicht mehr an: Italia dei Valori, Unione dei Demo­cratici Cristiani e di Centro (UDC) und die Bürgerbewegung. Umgekehrt stellten sich im Gefolge ihrer Erfolge bei den Parlamentswahlen vom Februar der Movimento 5 Stelle und die Liste Scelta Civica erstmals der Wahl, Letztere vor allem von ehemaligen Popolari- bzw. Democrazia-Cristiana-Exponenten getragen. Schließ­lich trat Rifondazione Comunista, das 2008 Teil der Sinistra dell’Alto Adige war, diesmal allein an. Der Vollständigkeit halber muss noch erwähnt werden, dass die Grünen zwei Vertretern der Linkspartei Sel die Plätze 7 und 8 auf ihrer Liste einräumten. Damit schlossen die beiden Parteien an die gemeinsam bereits erfolgreich durchgeführte Parlamentswahl im Februar an, bei der sie ihren Kandidaten Florian Kronbichler in die Abgeordnetenkammer bringen konnten (Camera dei deputati 2014).

Aus dieser kurzen Darstellung wird klar, wie unübersichtlich sich das politische Angebot für politisch weniger interessierte Personen präsentierte, vor allem in der italienischen Wahlarena. Dort konkurrierten – einschließlich der Grünen – nicht weniger als zehn Parteien beziehungsweise Listen, die Hälfte davon zum ersten Mal. In der deutsch-ladinischen Wahlarena herrschte wesentlich mehr Kontinuität, die einzige Neuerung bestand im Zusammenschluss von BürgerUnion (2008 noch Union für Südtirol) und Ladins Dolomites, während umgekehrt die Bürgerbewegung sich nicht mehr der Wahl stellte. Diese Metamorphosen des Parteiensystems machen es zudem für die Analyse schwer, Vergleiche zum vorherigen Wahlgang zu ziehen.

Insgesamt betrachtet befanden sich unter den 14 Parteien vier deutschsprachige (SVP, Die Freiheitlichen, Süd-Tiroler Freiheit, Bündnis BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler), neun italienischsprachige (PD, Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie, Movimento 5 Stelle, L’Alto Adige nel cuore, Unitalia, Scelta Civica per l’Alto Adige-Südtirol, La Destra Minniti, Partito della Rifonda­zione Comunista, Partito dei Comunisti Italiani – Südtiroler Kommunisten) und eine interethnische Partei (Grüne-Verdi-Vërc / Sel) (Südtiroler Landesregierung 2013). Von diesen 14 Parteien waren sieben regionale und sieben gesamtstaatliche Parteien. Unter diesen Parteien befanden sich auch die drei zitierten Wahlbünd­nisse. Solche Wahlbündnisse sind nichts Neues, traten bislang aber eher vereinzelt auf (z. B. 1998: Lista Civica – Forza Italia – Centro Cristiano Democratico (CCD); 2008: Grüne – BürgerListeCiviche) und werden von der Notwendigkeit diktiert, durch die Bündelung der Stimmen zumindest ein Restmandat zu erzielen oder jedenfalls keine Stimmen „wegzuwerfen“. Im Vergleich zu den Wahlen ab 1988 waren noch nie drei Wahlbündnisse angetreten, die alle erfolgreich waren. Ein verstecktes Wahlbündnis, das aber nicht im Listennamen aufschien, war auch der Partito Democratico (PD) mit den Sozialisten eingegangen, die dafür einige Listenplätze zugewiesen erhielten.

Das politische Angebot hat sich entgegen der landläufigen Meinung, dass sich das Parteiensystem in Südtirol zunehmend fragmentieren würde, im Vergleich zu den Wahlen seit 1988 nicht sonderlich geändert. 2008 hatten 15 Parteien, 1993 sogar 16 Parteien an den Wahlen teilgenommen. Selbst wenn die Anzahl der Parteien nach ethnischen Zuordnungen aufgeteilt wird, hat die Fragmentierung nicht wesentlich zugenommen. 1988 hatten acht italienische Parteien kandidiert, 2013 waren es neun, 1993 waren es auch schon einmal zehn Parteien gewesen. Das Angebot auf deutschsprachiger Seite war 2008 mit fünf Parteien auch schon höher als 2013 mit nur vier Parteien gewesen.

Konstant als interethnische Partei sind immer die Grünen angetreten, die 1988 noch als Grün-Alternative Liste an den Landtagswahlen teilgenommen hatten. Eine weitere Änderung hat es auch im Angebot der italienischen Parteien gegeben. Während bis Anfang der 80er-Jahre nur gesamtstaatliche Parteien zu den Landtagswahlen antraten, haben seitdem immer wieder rein territoriale italienische Parteien am politischen Wettbewerb teilgenommen. 2013 waren es zwei Parteien gewesen, nämlich Unitalia und L’Alto Adige nel cuore. Wenn man sämtliche Parteien im neuen Landtag heranzieht, kann auch noch das Team Autonomie dazugezählt werden, das zu den Wahlen noch in einem Wahlbündnis mit Forza Italia angetreten war und somit einen gesamtstaatlichen Anspruch erhoben hatte. Nach der Trennung von Forza Italia und Lega Nord reiht sich das Team Autonomie unter die rein territorialen Parteien ein (salto.bz 2014), sodass im Landtag nur mehr der PD und der Movimento 5 Stelle als gesamtstaatliche Parteien vertreten sind.

Aufschlussreich sind die Erfolgsquoten der angetretenen Parteien. Die Erfolgsquote bei den deutschsprachigen Parteien ist bedeutend höher als bei den italienischsprachigen. Mit Ausnahme der Naturgesetzpartei (1993) und der Bürgerbewegung (2008) sind immer alle deutschsprachigen Parteien, die zu den Wahlen angetreten sind, auch in den Landtag gewählt worden.

Anders bei den italienischen Parteien: In der Regel treten doppelt so viele Parteien als im deutschsprachigen Lager an, allerdings schaffen in der Regel auch immer nur die Hälfte der angetretenen Parteien den Sprung in den Landtag. 2013 waren neun Parteien angetreten, nur vier konnten Mandate erzielen. Die territorialen unter den italienischen Parteien weisen eine leicht höhere Erfolgsquote als die gesamtstaatlichen Parteien auf. Von den sieben gesamtstaatlichen Parteien kamen drei in den Landtag, von den beiden regionalen Parteien schaffte es eine. Wenn Team Autonomie zu den territorialen Parteien gezählt wird, verschiebt sich das Ergebnis noch deutlicher zugunsten der regionalen Parteien.

Die beiden gesamtstaatlichen Parteien, die erstmals bei den Parlamentswahlen im Februar 2013 ins italienische Parlament eingezogen waren, nämlich Scelta Civica­ von Mario Monti und Movimento 5 Stelle von Beppe Grillo, stellten sich auch in Bozen zur Wahl und versuchten auf der gesamtstaatlichen Sympathiewelle (Movi­­mento 5 Stelle) auch in Südtirol erfolgreich zu sein. Scelta Civica bot sich indirekt bereits während des Wahlkampfes als Koalitionspartner der politischen Mitte der SVP an.

Von den neun italienischen Parteien, die zu den Wahlen angetreten sind, haben sich vier mit einem zweisprachigen Namen oder zumindest mit einem deutschsprachigen Hinweis in ihrem Namenszug präsentiert. Es sind dies: Partito Democratico – Demokratische Partei; Scelta Civica per l’Alto Adige-Südtirol, Partito dei Comunisti Italiani – Südtiroler Kommunisten. Den Namen Team Autonomie kann man deutsch (Autonomie in der Einzahl), aber auch italienisch lesen (autonomie in der Mehrzahl). Auch 2008 hatten vier der acht wahlwerbenden italienischen Parteien ihren Namen mit einem deutschsprachigen Zusatz ergänzt. Am konsequentesten ist hier seit 1988 der PCI/KPI und alle seine Nachfolgeparteien.

Der zweisprachige (oder jedenfalls zweisprachig ergänzte) Namenszug hängt mit dem Versuch all dieser Parteien zusammen, die ethnische Wahlarena zu durchbrechen und in allen Sprachgruppen Wählerkonsens zu erzielen. Der Anspruch, rein mit dem zweisprachigen Namen bereits die Identität einer interethnischen Partei erworben zu haben, lässt sich empirisch aber nicht halten. Darauf wird im Kapitel über das Parteiensystem noch genauer eingegangen.

Die Landtagswahlen von 1988 waren die letzten der sogenannten Ersten Republik. Anfang der 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts kam es aus unterschiedlichen Gründen zur Implosion des alten Parteiensystems und zur Neugründung von politischen Bewegungen (vgl. Morlino/Tarchi 2006). Von diesem Transformationsprozess wurden auch die in Südtirol agierenden nationalen Parteien erfasst. Es darf deshalb nicht verwundern, wenn von den 1988 im Landtag vertretenen Parteien im Jahre 2013 nur mehr die SVP unter ihrem ursprünglichen Namen kandidierte.

3. Das Wahlergebnis

3.1. Wahlberechtigte und Wahlbeteiligung

Am 15. Mai 2013 trat das neue Gesetz für die Wahl des Südtiroler Landtages in Kraft. Wie vom Autonomiestatut vorgesehen (Art. 47 und 48), wird der Landtag nach dem Verhältniswahlsystem gewählt. Neu geregelt und eingeführt wurde für AuslandssüdtirolerInnen das Briefwahlrecht, eine gesetzlich vorgeschriebene Mandatsbeschränkung für Mitglieder der Landesregierung auf drei Amtszeiten, die Beschränkung der Wahlkampfkosten auf 40.000 Euro pro KandidatIn. Mit dem neuen Gesetz wurde erstmals eine Geschlechterquote eingeführt. Diese sieht vor, dass ein Geschlecht nicht mehr als zwei Drittel der Listenplätze besetzen darf. Für die Landesregierung gilt künftig eine Obergrenze von neun Mitgliedern, bestehend aus dem Landeshauptmann/der Landeshauptfrau und weiteren maximal acht Landes­rätInnen (Autonome Provinz Bozen Südtirol 2013). Mit diesen neuen Regelungen fanden die 15. Wahlen zum Südtiroler Landtag seit Ende des Zweiten Weltkriegs statt.

Am 27. Oktober wurden insgesamt 297.837 Stimmen abgegeben, um gut 16.000 weniger als fünf Jahre zuvor. Angesichts einer Gesamtzahl von Wahlberechtigten, die erstmals die Grenze von 400.000 überschritt, lag die Wahlbeteiligung damit bei 74,3 Prozent, was eine deutliche Abnahme um 5,8 Prozentpunkte gegenüber den Wahlen des Jahres 2008 bedeutet.

In der Berichterstattung war häufig von einer Wahlbeteiligung von 77,7 Prozent die Rede, die sich jedoch nur auf jenen Teil der Wählerschaft bezieht, der in der jeweiligen Heimatgemeinde seine Stimme abgeben konnte. Erstmals kam bei diesem Wahlgang nämlich die neu eingeführte Briefwahl zum Tragen. Fast 28.000 WählerInnen, zum Großteil solche, die im Register der Heimatfernen eingetragen sind, hatten nämlich nur die Möglichkeit, ihre Stimme per Post abzugeben. Heimatferne hatten ausdrücklich mitteilen müssen, wenn sie nicht brieflich, sondern persönlich in der Heimatgemeinde abstimmen wollten. Ansässige WählerInnen konnten eine Adresse außerhalb Südtirols angeben, an die ihnen dann der Stimmzettel und die entsprechenden Unterlagen zugesandt wurden (bei den Heimatfernen erfolgte diese Zusendung automatisch). Trotzdem lag die Beteiligungsquote der BriefwählerInnen nur bei 29 Prozent, wodurch sich die gesamte Beteiligungsquote – sie allein ist mit den Daten aus früheren Wahlgängen vergleichbar – eben auf die besagten 74,3 Prozent verringerte.

Stärkere Auswirkungen auf Wahlbeteiligung und Ergebnis aus diesem Umstand sind in jenen Gemeinden zu erwarten, in denen sehr viele Personen ins Register der Heimatfernen eingetragen sind. Das trifft in erster Linie auf den Obervinschgau zu, wo die Zahl der in der Gemeinde Wahlberechtigten um 15 Prozent zurückgegangen ist, mit dem Spitzenwert in Taufers in Münstertal (– 24 %).

Auf den ersten Blick setzt sich ein langjähriger internationaler Trend der abnehmenden Bereitschaft, an Wahlen teilzunehmen, fort, der auch in Südtirol Ende der 80er-Jahre eingesetzt hat. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass dieser Trend vor allem in den städtischen Zentren ausgeprägt ist, während im ländlichen Gebiet nur minimale Rückgänge zu verzeichnen sind. Eine gewisse Rolle spielt dabei, dass die – vor allem aus ländlichen Regionen stammenden – Heimatfernen, deren Wahlbeteiligung sehr gering ist, diesmal nicht an ihrem ehemaligen Wohnort, sondern getrennt als BriefwählerInnen gezählt wurden. Aber der Großteil der Differenz geht auf die immer geringere Beteiligung der italienischsprachigen Wählerschaft an regionalen Wahlgängen zurück.

Eine weitere Aufgliederung zeigt, dass es die Gemeinden Bozen, Leifers und Meran sind, die fast allein für den relativ starken Rückgang der Wahlbeteiligung verantwortlich sind, während die Abnahme in Brixen und Bruneck nur einen Prozentpunkt beträgt. Da in den erstgenannten Gemeinden auch die Mehrheit der italie­nischsprachigen Bevölkerung des Landes lebt, liegt es auf der Hand, ein entsprechendes Verhalten dieses Teils der Wählerschaft zu vermuten. Die seit mehreren Wahlgängen zum Südtiroler Landtag festzustellende Schere zwischen Stadt und Land und vor allem zwischen deutscher bzw. ladinischer und italienischer Sprachgruppe öffnet sich damit weiter: In den ländlichen Gebieten liegt die Beteiligung mit durchschnittlich 84 Prozent um fast 20 Prozentpunkte höher als in den Stadtgemeinden Bozen, Leifers und Meran mit 65 Prozent. Das bewirkt insgesamt, dass die Zusammensetzung des Südtiroler Landtags immer mehr von den WählerInnen deutscher bzw. ladinischer Sprache bestimmt wird.

Dahinter steht als politisches Phänomen ein fortschreitender Rückzug der ita­lie­nisch­sprachigen Bevölkerung Südtirols aus der Landespolitik, der schon für die Wahlen 2003 im Vergleich zu 1998 festzustellen war (Atz 2004, 199) und sich 2008 bestätigt hatte (Atz 2009, 214). Während die unterschiedlich starke Teilnahme an Landtagswahlen zwischen Stadt- und Landgemeinden nämlich auch Gründe hat, die offenbar mit der unterschiedlichen Sozialstruktur zusammenhängen, lässt sich anhand des Wahlverhaltens in den Städten nachweisen, dass italienischsprachige BürgerInnen – unabhängig vom Wohnort – mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit zur Urne schreiten als deutschsprachige. Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, liegt die Wahlbeteiligung 2013 in rein deutschen städtischen Sprengeln durchschnittlich bei fast 80 Prozent, in rein italienischen tendenziell unter 60 Prozent.2

Wiederholt man dieselbe Analyse für ländliche Gemeinden, so ergibt sich ein weitgehend ähnliches Bild, nur dass rein deutsch-ladinische Sprengel eine Wahlbeteilung über 80 Prozent aufweisen. Daraus lässt sich folgern, dass die in den Städten konzentrierte italienischsprachige Bevölkerung zu über 40 Prozent den Wahlen ferngeblieben ist, während sich die hauptsächlich im ländlichen Gebiet lebende deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung nur zu circa einem Sechstel nicht daran beteiligt hat.

Eine kleine Hochrechnung aus diesen Ergebnissen unter Berücksichtigung der Stärke der Sprachgruppen laut Volkszählung ergibt, dass 2013 nur rund ein Fünftel aller Stimmen von WählerInnen italienischer Sprache stammen dürfte, die große Mehrheit (circa 80 %) von solchen deutscher und ladinischer Sprache. Es setzt sich damit eine Entwicklung fort, die das Gewicht der italienischen Stimmen immer mehr schwinden lässt und so die Diskrepanz zur Stärke laut Sprachgruppenzählung 2011 vergrößert, wonach der Anteil der italienischen Sprachgruppe 26,1 Prozent beträgt.

3.2. Ergebnisse nach Listen

Trotz der beträchtlichen Veränderungen im politischen Angebot haben die Wahlen keine radikale Umwälzung gebracht, sondern – mit einer Ausnahme – nur relativ bescheidene Verschiebungen des Kräfteverhältnisses. Stärkste Partei wurde, wie nicht anders zu erwarten, die Südtiroler Volkspartei, auf die 45,7 Prozent der gültigen Stimmen entfallen, um 2,4 Prozentpunkte weniger als 2008. Damit verbunden war allerdings der Verlust des 18. Mandats und damit der absoluten Mehrheit im Südtiroler Landtag. Der Rückgang um 15.300 Stimmen hätte normalerweise den Verlust von zwei Mandaten bewirken müssen, doch durch das gleichzeitige Absinken der Teilnahme an den Wahlen um rund sechs Prozentpunkte blieb es bei einem Mandat weniger für die SVP. Eindeutige Wahlsieger sind die Freiheitlichen mit einem Zuwachs von 3,6 Prozentpunkten oder fast 8.000 Stimmen. Aber auch die Grünen (+2,9 Prozentpunkte) und die Süd-Tiroler Freiheit (+2,3 Prozentpunkte) erzielten deutliche Zuwächse. Alle drei genannten Parteien legten jeweils um einen Sitz im Landtag zu. Unter den neu angetretenen Listen erzielten Movimento 5 Stelle und L’Alto Adige nel cuore Achtungserfolge und erreichten jeweils ein Restmandat. Ein Restmandat sicherte sich zudem das Bündnis BürgerUnion – Ladins – Wir Südtiroler. Einen kleinen Zuwachs verzeichnete schließlich noch der Partito Democratico, der damit aber den Gewinn des angestrebten dritten Mandats verfehlte.

Die oben erwähnte Ausnahme von den sonst eher mäßigen Verschiebungen bildet der Absturz von Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie bzw. des gesamten italienischen Mitte-rechts-Lagers, das über zwei Jahrzehnte die italienische Wahlarena dominiert hatte. Vergleicht man das Abschneiden dieser Nachfolgeliste mit dem Stimmenanteil, den PdL und Lega Nord 2008 zusammen auf sich vereint hatten, so beträgt der Rückgang nicht weniger als 7,9 Prozentpunkte oder fast 25.000 Stimmen und damit den Verlust von drei Mandaten. Aber auch bei Berücksichtigung der neuen Splitterparteien hat sich der Anteil für alle italienischen Gruppierungen abgegebenen Stimmen, die dem rechten Lager zuzuordnen sind, fast halbiert oder, relativ betrachtet, von 12 auf 7 Prozentpunkte reduziert.

Umgekehrt haben linke und dem Zentrum zuzuordnende Listen ebenfalls um rund 5.000 Stimmen oder einen Prozentpunkt an Zustimmung verloren. Die von der Fünf-Sterne-Bewegung erzielten 2,5 Prozent an Wählerzustimmung können diese Verluste bei Weitem nicht wettmachen, sodass das Gewicht der italienischen Parteien insgesamt von 22 Prozent auf 18 Prozent der Stimmen gesunken ist.

Noch deutlicher hat sich das als Folge mehrerer „Zufälle“ auf die Verteilung der Sitze ausgewirkt. Da nämlich einerseits auf der Liste des Movimento 5 Stelle ein deutschsprachiger Kandidat zum Zug kam, andererseits mehrere italienische Listen relativ knapp ein Restmandat verfehlten (Unitalia, Scelta Civica), sank die Zahl der italienischsprachigen VertreterInnen im Südtiroler Landtag von acht im vorhergehenden Landtag auf nur mehr fünf: zwei auf der Liste des PD, je einer für Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie und für L’Alto Adige nel cuore und einer auf der Liste der Grünen.

Der Stimmen- und Mandatsverlust auf italienischer Seite stärkte naturgemäß die Parteien der deutsch-ladinischen Wahlarena. Ihnen fielen als Folge der schwachen Beteiligung der italienischsprachigen Wählerschaft zwei zusätzliche Sitze zu, von denen einer der SVP und einer der Süd-Tiroler Freiheit zugutegekommen sind. 82 Prozent aller Stimmen und 30 von 35 Landtagssitzen werden nunmehr von den VertreterInnen der fünf Parteien eingenommen, welche die deutsch-ladinische Parteienlandschaft bilden (der italienischsprachige Riccardo Dello Sbarba von den Grünen wurde hier mitgezählt). Und innerhalb dieses Spektrums haben vor allem die drei eher rechten, „patriotisch“ (sezessionistisch) orientierten Parteien Freiheitliche, Süd-Tiroler Freiheit und das Bündnis erheblich an Gewicht gewonnen.

Alle drei im Landtag vertretenen deutschen Oppositionsparteien kommen zusammen somit auf 10 Sitze (zwei mehr als in der vorherigen Legislatur). Zählt man noch die deutschsprachigen Vertreter der Grünen im Landtag hinzu, so stehen 16 deutschsprachigen VolksvertreterInnen und einem Ladiner auf der Liste der SVP zwölf auf insgesamt vier Oppositionslisten gegenüber – im vorherigen Landtag hatte das Verhältnis noch 18:9, vor 10 Jahren sogar 21:6 gelautet. Somit hat sich das Gewicht der Opposition in der deutschen und ladinischen Wahlarena weiter erhöht, der Alleinvertretungsanspruch der SVP für die sprachlichen Minderheiten, der vor allem gegenüber Rom, Wien und Brüssel bisher wie selbstverständlich geltend gemacht wurde, ist nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Auf italienischer Seite konnte der Partito Democratico nicht vom Zerfall des rechten italienischen Parteienspektrums profitieren; mit 6,7 Prozent der Stimmen (und das trotz der niedrigen Wahlbeteiligung) verfehlte er das angestrebte Ziel von drei Mandaten und auch die erhoffte Etablierung als interethnische Partei, die eine Wahl der drittgereihten Kandidatin Cornelia Brugger signalisiert hätte. Vom Zerfall des Berlusconi-Bündnisses und der Schwäche der Nachfolgegruppierungen profitierte einzig die erstmals angetretene Fünf-Sterne-Bewegung, die nunmehr einen – allerdings deutschsprachigen – Abgeordneten stellt. Nicht einmal das rechte „Urgestein“ Donato Seppi mit seiner Liste Unitalia konnte die ehemals stärkste italienische Partei im Landtag beerben, auch er verlor seinen Sitz. Völlig gescheitert ist auch der Versuch, anknüpfend an die alte DC eine südtirolspezifische Gruppierung in der Mitte des politischen Spektrums aus der Taufe zu heben: Trotz einer Reihe bekannter KandidatInnen (darunter der ehemalige „Kurzzeitbürgermeister“ von Bozen, Giovanni Benussi) misslang dieser als Ableger der Partei Scelta Civica von Mario Monti angetretenen Liste der Sprung in den Landtag. Die schon immer schwachen kleinen Linksparteien verloren noch mehr an Zustimmung und blieben mit zusammen weniger als einem Prozent der Stimmen völlig marginal.

Damit hat die zwei Jahrzehnte bestehende Vorherrschaft des rechten politischen Lagers in der italienischen Wahlarena auf unerwartete Weise ihr Ende gefunden. Mitte-Links (wenn man Scelta Civica dazurechnet) konnte erstmals seit Langem Mitte-Rechts an Stimmen überholen und an Mandaten gleichziehen, und das trotz einer Einbuße von rund 5.000 Stimmen. Der – gemessen an den Erwartungen – eher bescheidene Erfolg des Movimento 5 Stelle war viel zu gering, um die Verluste von Mitte-Rechts und Mitte-Links zu kompensieren, und hatte den schon beschriebenen Einbruch der italienischen Vertretung im Südtiroler Landtag zur Folge.

3.3. Wahlergebnisse nach Kleinregionen

Üblicherweise werden die Wahlergebnisse in Südtirol entweder nach Bezirks- und Talgemeinschaften oder nach den SVP-Bezirken aufgeschlüsselt. Hier soll jedoch die geografische Verteilung nach den weniger bekannten sogenannten funktionalen Kleinregionen analysiert werden, wie sie vom Landesinstitut für Statistik (ASTAT) verwendet werden, denn diese haben den Vorzug, Südtirol in 15 kleinere, intern eng verflochtene Gebiete zu gliedern (siehe Abbildung 3). Allerdings sind die Gebiete unterschiedlich groß, sie umfassen zwischen 20 Gemeinden (Bozen einschließlich Umland) und drei Gemeinden (Naturns, St. Martin in Passeier); generell sind die Gebiete in Ballungsräumen größer und bevölkerungsreicher als an der Peripherie.

Abbildung 3: Funktionale Kleinregionen

Quelle: Landesinstitut für Statistik – ASTAT

Beginnen wir mit den Parteien der deutschen Wahlarena: Wie aus Tabelle 3 ablesbar, erreichte die Südtiroler Volkspartei ihr bestes Ergebnis mit knapp zwei Drittel der Stimmen im Gadertal, in den Kleinregionen St. Ulrich in Gröden und Mals (Obervinschgau) erzielte sie rund 56 Prozent. Anderseits blieb sie nicht nur im Bereich­ der Städte Bozen, Meran und Brixen, wo ein erheblicher Anteil der Bevölkerung der italienischen Sprachgruppe angehört, sondern in weiteren drei Kleinregionen (Lana, Sterzing, Sand in Taufers) unter 50 Prozent. Die Freiheitlichen erreichten ihr Spitzenergebnis (28 %) im Ahrntal (Sand in Taufers), konnten aber auch in den Kleinregionen Lana und Brixen mehr als ein Viertel der Stimmen auf sich vereinen. Vergleichsweise schwach fiel ihr Ergebnis in Bozen, im Gadertal (Abtei) und im Südtiroler Unterland (Auer-Neumarkt) aus. Die Süd-Tiroler Freiheit hat ihre Hochburgen im Ahrn- und im Passeiertal, ist aber auch in den anderen ländlichen Gebieten (außer Abtei und St. Ulrich) relativ gleichmäßig vertreten. Im Verteilungsmuster des Listenbündnisses BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler lässt sich erkennen, woher die jeweiligen SpitzenkandidatInnen stammen: Im Gadertal (Abtei), historische Hochburg der Ladins, und im Wipptal (Sterzing), dem Heimatbezirk von Thomas Egger, konnte das Bündnis die besten Ergebnisse erzielen, etwas überdurchschnittlich ist das Abschneiden auch in den Kleinregionen St. Ulrich (Ladinergebiet3) und Lana, der Wohnsitzgemeinde von Andreas Pöder.

Die Stimmen der italienischen Parteien verteilen sich räumlich mehr oder weniger so wie die italienischsprachige Bevölkerung. Das heißt, Partito Democratico, Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie, L’Alto Adige nel cuore, Movimento 5 Stelle, Unitalia, Rifondazione und Comunisti Italiani sind im Großraum Bozen jeweils am stärksten, gefolgt von Meran und Umgebung, Südtiroler Unterland und Brixen samt Umland. Allerdings ist bei L’Alto Adige nel cuore und Unitalia, deren SpitzenkandidatInnen aus Bozen stammen, das Übergewicht der Landeshauptstadt besonders ausgeprägt, während Scelta Civica (mit dem Meraner Giorgio Balzarini als Zugpferd) und La Destra Minniti – Minniti ist ebenfalls Meraner – in Meran und Umland relativ am besten abgeschnitten haben. Vergleichsweise schwach ist das Ergebnis der Demokratischen Partei in Meran und Umgebung, wo ihr Anteil niedriger liegt als im Südtiroler Unterland. Diese kleinräumige Analyse bestätigt zweierlei: einmal die Unterteilung der Wählerschaft auf die ethnischen Wahl­arenen mit vom Umfang her sehr beschränkten Abweichungen. Zum anderen zeigt sich, dass gerade das Abschneiden von Kleinparteien stark mit der lokalen Beliebtheit ihre SpitzenkandidatInnen zusammenhängt, wie oben anhand etlicher Beispiele gezeigt wurde.

Weitere Aufschlüsse bringt ein Vergleich der letzten vier Landtagswahlen in der räumlichen Gliederung nach funktionalen Kleinregionen. Die Südtiroler Volkspartei hat demnach nur im Gadertal gegenüber 1998 zugelegt, in Bozen und Umgebung konnte sie ihren Stimmenanteil halten, im Meraner Raum, in der Kleinregion St. Ulrich und im Südtiroler Unterland lag der Verlust über 15 Jahre bei circa 10 Prozentpunkten. In allen anderen Kleinregionen musste die SVP im Vergleich zu 1998 jedoch Verluste um mindestens 20 Prozentpunkte hinnehmen, im Passeier ­sogar um rund 40, im Ahrntal um circa 35 Prozentpunkte. Beschränkt man sich auf die letzten fünf Jahre, so konnte der Stimmenanteil in Bozen, Auer-Neumarkt, St. Ulrich und Brixen in etwa gehalten werden, überall sonst gingen zwischen 5 und 10 Prozentpunkte an Zustimmung verloren.

Bei den Grünen sticht eine besonders gleichmäßige Verteilung der Stimmenanteile nach Kleinregionen ins Auge, die sich daraus erklärt, dass diese Partei als einzige in halbwegs ausgewogenem Maß in beiden Wahlarenen punktet. Die höchste Zustimmung wurde im Großraum Bozen erzielt, auch in Meran und Umgebung und im Hochpustertal (Innichen) lag der Anteil über 9 Prozent. Nicht einmal halb so viel an Zustimmung erzielte die Liste im Gadertal, im Passeiertal und im Ahrntal. Überall sonst liegt der Stimmenanteil zwischen 6 und 9 Prozent.

Fast spiegelbildlich stellt sich die Entwicklung der Freiheitlichen dar. Sie hatten ihren Stimmenanteil bereits zwischen 1998 und 2003 in fast allen Kleinregionen mehr oder weniger verdoppelt (Ausnahme: Gadertal, wo es keinen Zuwachs gab). 2008 war ein noch stärkerer Sprung nach oben zu beobachten, durch den sich das Muster an Hochburgen und Schwächegebieten akzentuierte, aber nicht grundlegend veränderte. Der weitere Anstieg an Zustimmung bei den aktuellen Wahlen bestätigte diesen Trend mit einigen Nuancen: besonders hohe Gewinne in den Kleinregionen Lana, St. Martin in Passeier und Sand in Taufers, Stagnation im Wipptal (aus dem der mit eigener Liste angetretene ehemalige Landtagsabgeordnete der Freiheitlichen Thomas Egger stammt) und in Brixen, wo 2008 das beste Ergebnis erzielt worden war.

Relativ gleichmäßig fielen auch die Zuwächse der Süd-Tiroler Freiheit aus. Am stärksten ist der Anstieg im Ahrntal, das schon 2008 eine Hochburg bildete, relativ deutlich auch im unteren Vinschgau (Naturns), im Wipptal und in der weiteren Hochburg Passeier (aus dem die Spitzenkandidatin Eva Klotz stammt). Eher schwach schneidet die Süd-Tiroler Freiheit dagegen in den städtischen Regionen, in den ladinischen Tälern und im Südtiroler Unterland ab, dort gab es auch nur mäßige Zugewinne.

Das Listenbündnis BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler erwies sich als Koalition der VerliererInnen. Mit Ausnahme des Wipptals, wo Thomas ­Egger einen kleinen Achtungserfolg erzielen konnte, waren überall Einbußen gegenüber dem Stimmenanteil zu verzeichnen, den die Komponenten des Bündnisses 2008 zusammen erreicht hatten. Am deutlichsten ist das im Gadertal und im Grödnertal zu sehen, wo sich der Anteil gegenüber dem damaligen Abschneiden der Liste Ladins Dolomites jeweils halbiert hat. Analoges gilt für das Ergebnis der BürgerUnion in der Kleinregion Lana, und auch überall sonst war die Zustimmung rückläufig.

Bei den Grünen ist gegenüber dem Ergebnis vor fünf Jahren ein allgemein ansteigender Trend zu beobachten, der mehr oder weniger das bestehende Muster bestä­tigt, wenn auch mit kleinen Verschiebungen: Überdurchschnittliche Zuwächse gab es in der Kleinregion Innichen, im gesamten Vinschgau, aber auch in Meran bzw. in Bozen und Umgebung. Besonders schwach war der Anstieg dagegen im Gadertal und im Raum Brixen, unterdurchschnittlich auch in der Kleinregion St. Ulrich und im Passeiertal.

3.4. Umfragen versus Ergebnisse

Umfragen sind Momentaufnahmen über die Meinung der WählerInnen und können Einfluss nehmen auf die Parteien, die WählerInnen, auf die Medien und auf die politische Kommunikation insgesamt (Corbetta/Gasperoni 2007). Im Jahr 2012 markierte der SEL-Skandal den Tiefpunkt eines zunehmenden Vertrauensverlustes, den die Südtiroler Volkspartei in der letzten Amtszeit von Landeshauptmann Luis Durnwalder bis hinein in ihre Kernwählerschichten erlitt. Dies lässt sich auch anhand von Meinungsumfragen gut belegen. Bis Mitte 2012 war die Zustimmung bei der Sonntagsfrage noch bei 43 bis 45 Prozent gelegen, um den Jahreswechsel 2012/2013 ergaben drei Umfragen verschiedener Institute einhellig Beliebtheitswerte von nur mehr rund 40 Prozent oder sogar darunter. Die Kür von Arno Kompatscher und das unerwartet gute Abschneiden bei den Parlamentswahlen dürften dann für die Kehrtwende verantwortlich sein, die eine Erholung auf das tatsäch­liche Ergebnis von fast 46 Prozent einleitete. Spiegelbildlich dazu erlebten die Freiheitlichen, zum Teil auch Grüne und Partito Democratico einen Höhenflug in den Umfragen, der sich bis zum tatsächlichen Wahltermin hin wieder etwas abschwächte.

Tabelle 4: Sonntagsfrage zu den Landtagswahlen – Ergebnisse verschiedener Umfragen 2011 bis 2013

Durchführen­des Institut, Befragungszeit

SVP

Freiheitliche

PdL

PD

Grüne-Verdi-Vërc

Süd-Tiroler Freiheit

BürgerUnion

Lega Nord

Movimento 5 Stelle

Scelta Civica

Unita­lia

Altri

Gruber, 11/2011 a)

44,9

19,6

4,6

7,9

8,7

3,4

1,8

0,9

8,2

Gruber, 06/2012 b)

43,2

18,4

5,2

10,0

7,8

4,8

2,1

0,7

7,8

Gruber, 11/2012 c)

40,6

23,7

3,6

9,5

5,8

5,6

1,9

0,8

1,2

7,3

apollis 01/2013 d)

40,1

21,9

5,0

11,4

9,0

3,3

1,6

1,8

5,9

market 02/2013 e)

38,0

24,0

4,0

10,0

11,0

4,0

1,0

2,0

3,0

1,0

2,0

apollis 09/2013 f)

45,2

16,1

4,7

6,8

13,0

5,7

2,2

3,4

2,9

Gruber, 10/2013 g)

44,8

14,2

6,5

11,9

8,1

6,0

1,6

2,3

1,4

1,2

2,0

Quellen: a) www.archivio.sondaggipoliticoelettorali.it; b) www.sondaggipoliticoelettorali.it; c) Neue Südtiroler Tageszeitung, 6.11.2012; d) FF, 31.01.2013; e) Dolomiten, 7.2.2013; f) FF, 10.10.2013; g) Neue Südtiroler Tageszeitung, 8.10.2013

3.5. Wählerstruktur

Für eine genaue Analyse der Wählerstruktur nach sozialen und demografischen Merkmalen fehlen leider aussagekräftige Datenquellen. Einige Schlüsse lassen sich aber aus einer in zwei Wellen (Jänner 2013, September 2013) durchgeführten Wahlumfrage im Auftrag der Wochenzeitschrift FF ziehen (apollis 2013a, apollis 2013b). Aussagen können jedoch nur über die größeren Parteien gemacht werden.

Die Ergebnisse der Befragung zeigen bei zwei Parteien eine deutliche Geschlechterdifferenz: Die Freiheitlichen finden fast doppelt so viel Zustimmung ­unter Männern als unter Frauen, bei den Grünen ist es genau umgekehrt. Was die Altersstruktur der jeweiligen Anhängerschaft betrifft, sind die Profile offenbar weniger stark ausgeprägt als vor fünf Jahren. Die Zustimmung für die SVP ist generell gesunken, am stärksten schneidet sie bei Personen im Rentenalter ab, aber ansonsten ist kein starker Generationeneffekt festzustellen. Die Grünen finden bei WählerInnen ab 65 Jahren nach wie vor weniger Zustimmung, ansonsten gibt es wenig Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Klar ist die Tendenz allerdings bei den Freiheitlichen: je jünger die WählerInnen, desto höher die Zustimmung.

Die Altersstruktur der jeweiligen Wählerschaft hat auch Entsprechungen bei deren Zusammensetzung nach Bildungsgrad. Unter den WählerInnen der SVP finden sich besonders viele Personen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben. Umgekehrt ist es bei den Grünen: Sie sind bei den Personen mit Hochschulabschluss oder Matura die zweitstärkste Partei nach der SVP, haben aber in den unteren Bildungsschichten nur wenige AnhängerInnen. WählerInnen der deutschen Opposi­tions­parteien verfügen typischerweise über niedere bis mittlere schulische Abschlüsse. Besonders gut liegen die Freiheitlichen bei Personen mit Lehrabschluss oder vergleichbaren berufspraktischen Qualifikationen, sie haben aber auch bei den höher Gebildeten etwas aufgeholt. Der Partito Democratico wird, ähnlich wie die Grünen, vornehmlich von Personen mit höherer Schulbildung gewählt.

3.6. Ethnische Wahlarenen

In Südtirol wird traditionell ethnisch gewählt: Die deutsch- und ladinischsprachige Wählerschaft wählt vor allem Parteien, die sich explizit als Vertretung dieser sprachlichen Minderheiten deklarieren, die italienischsprachige Wählerschaft vor allem nationale Parteien oder Parteien, die sich als Vertretung der italienischen Sprachgruppe in Südtirol darstellen. Entsprechend gering ist die Durchlässigkeit zwischen den ethnischen Wahlarenen (vgl. Atz 2007).

Aufgrund ihrer programmatischen Ausrichtung und der sprachlichen Zusammensetzung ihrer KandidatInnen kann bei den Landtagswahlen 2013 davon ausgegangen werden, dass von den 14 angetretenen Listen nur folgende vier auf Wählerstimmen aus mehreren Wahlarenen hoffen konnten und dies auch anstrebten: Grüne-Verdi-Vërc/Sel, Partito Democratico, Movimento 5 Stelle und SVP. Rifon­da­zione Comunista und Südtiroler Kommunisten fallen zwar grundsätzlich ebenfalls in diese Gruppe, sollen aufgrund ihrer geringen Bedeutung hier aber nicht weiter betrachtet werden.

In welchem Umfang es diesen Parteien tatsächlich gelungen ist, in beiden Wahl­arenen Zuspruch zu erhalten, lässt sich zwar nicht genau sagen, aber doch recht gut abschätzen. Methodisch wurden dabei einerseits Wahlumfragen genutzt (apollis 2013a, 2013b), andererseits Korrelationsanalysen auf der Ebene der Wahlsprengelergebnisse gemacht.

Als Beispiel für das empirische Vorgehen wird in Abbildung 7 der Zusammenhang zwischen dem Stimmenanteil für die SVP und der Stärke der italienischen Sprachgruppe dargestellt. Aus diesem Streudiagramm lässt sich einerseits der ethnische Charakter der SVP-Wählerschaft klar ablesen: Je höher der Anteil der italienischen Sprachgruppe, desto weniger Zustimmung hat die SVP erhalten. Anderseits sieht man jedoch auch, dass die Trendgerade beim Skalenwert 100 Prozent auf der waagrechten Achse nicht den Wert null auf der senkrechten Achse annimmt, sondern diese circa bei 0,06 schneidet. Das kann so gedeutet werden, dass schätzungsweise 6 Prozent der italienischsprachigen Wählerstimmen auf die SVP entfallen. Diese Tendenz bestätigt sich in den Wahlumfragen, wo circa 10 Prozent der italienischsprachigen Befragten ihre Präferenz für die SVP ausdrücken. Der wahre Wert kann also im Bereich 6 bis 10 Prozent angenommen werden (siehe unten). Auf der Grundlage dieser Daten wurde die Anzahl „italienischer“ Stimmen für die SVP auf circa 4.000 geschätzt. Damit fällt die Unterstützung der SVP durch italienischsprachige WählerInnen – in absoluten Zahlen – wieder auf jenen Wert zurück, der schon seit längerer Zeit als realistisch galt, der aber bei den Landtagswahlen 2008 um ein paar Tausend Stimmen überschritten wurde (Atz 2009, 229). Anteilsmäßig ist der Anteil der SVP-Stimmen innerhalb der italienischen Wahlarena zwar fast unverändert, aber wegen der stark rückläufigen Wahlbeteiligung der italienischen Sprachgruppe kommt das doch einer merklichen Abnahme der Stimmenzahl gleich.

Die Grünen hatten bei den letzten Landtagswahlen – trotz ihrer interethnischen Ausrichtung – in der deutschsprachigen Wählerschaft deutlich besser abgeschnitten als in der italienischen (allerdings auf relativ bescheidenem Niveau). Diesmal konnten sie generell wieder deutlich zulegen, nicht zuletzt dank der Tatsache, dass sie in der italienischen Wahlarena eine vergleichbar hohe Zustimmung erhalten haben wie in der deutsch-ladinischen (nämlich 8 bis 9 Prozent), was absolut gesehen gut 5.000 Stimmen entspricht. Allerdings ist hier anzumerken, dass die Grünen aufgrund ihrer programmatischen Ausrichtung gerade für die ethnisch nicht eindeutig festgelegte Wählerschaft anziehend sein sollten.

Als nicht ethnisch ausgerichtet ist auch die Liste Movimento 5 Stelle einzustufen, zumal einer ihrer profiliertesten Kandidaten (seit den Parlamentswahlen im Februar 2013) der deutschen Sprachgruppe angehört: Paul Köllensperger, der dann auch in den Landtag gewählt wurde. Die statistischen Analysen zeigen jedoch, dass die Zustimmung in der deutsch- bzw. ladinischsprachigen Wählerschaft nur bei circa einem halben Prozent liegt, was etwa 1.000 Stimmen entspricht. Der Partito Demo­cratico schließlich dürfte dagegen nur einige Hundert deutsch- oder ladinischsprachige WählerInnen angesprochen haben und das, obwohl die deutschsprachige Gewerkschafterin Cornelia Brugger als Spitzenkandidatin lanciert wurde und auch am drittmeisten Vorzugsstimmen erhielt.

Damit scheint die weitgehende Geschlossenheit der ethnischen Wahlarenen eher zu- als abgenommen zu haben. Vor allem die deutsch- und ladinischsprachige Wählerschaft entschied sich zu 99 Prozent für ethnisch deutsche bzw. ladinische Parteien oder die interethnischen Grünen. Umgekehrt sind auch italienischsprachige WählerInnen zu über 90 Prozent in ihrer Arena verblieben. Insgesamt haben damit weniger als zwei Prozent der WählerInnen ihre jeweilige Wahlarena verlassen. Pikanterweise ist es nach wie vor die SVP als Sammelpartei der deutschen und ladinischen Sprachminderheit, die die größte Attraktivität über die ethnischen Grenzen hinweg ausübt und Zustimmung vonseiten italienischsprachiger WählerInnen in einem für die Mandatszahl relevanten Ausmaß erhält (vgl. auch salto.bz 2013).

Unter Berücksichtigung der oben erläuterten Abschätzung, wie sich die Wählerschaft der verschiedenen Parteien zusammensetzt, lässt sich auch die Verteilung innerhalb der großen Wahlarenen ermitteln. Dabei werden die deutsche und die ladinische Arena aus statistisch-methodischen Gründen zusammengefasst, obwohl es aus politikwissenschaftlicher Sicht besser wäre, sie zu differenzieren. In dieser zusammengefassten Arena dominiert offensichtlich die Südtiroler Volkspartei mit einem Anteil von rund 56 Prozent. Fast ein Viertel der Stimmen (23%) entfallen auf die Freiheitlichen, gut 9 Prozent auf die Süd-Tiroler Freiheit, weitere 3 Prozent auf das Listenbündnis BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler. Zusammen entfallen auf diese rechts der SVP anzusiedelnden deutschen bzw. ladinischen ­Oppositionsparteien mehr als ein Drittel (35%) der entsprechenden Wählerschaft. Die restlichen 9 Prozent sind den Grünen zuzurechnen. Dazu kommen noch Bruchteile von Prozenten von Movimento 5 Stelle, Partito Democratico und Rifonda­zione Comunista.

Während die deutsche Wahlarena nach dem Ausscheiden bzw. Zusammenschluss einiger Kleinparteien an Übersichtlichkeit gewonnen hat, stellt sich die italienische Wahlarena noch zersplitterter dar als vor fünf Jahren. Damals hatten die beiden stimmenstärksten Parteien zusammen noch mehr als die Hälfte ausgemacht, nunmehr erreicht nur mehr der Partito Democratico mit knapp einem Drittel der Stimmen eine mittlere Größe, alle anderen Listen konnten maximal 12 Prozent der italienischsprachigen Wählerschaft überzeugen. Immerhin sieben dieser Listen haben dabei eine Stärke, die gerade noch oder gerade nicht mehr für ein Restmandat reicht. Drei davon (Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie, Movimento 5 Stelle, L’Alto Adige nel cuore) erreichten dieses Mandat, zwei weitere (Unitalia, Scelta Civica) verfehlten es. Dazu kommen noch die „italienischen“ Stimmen der Grünen und der SVP, die zum Erfolg dieser beiden Listen ihren Beitrag leisteten, wobei nur im Fall der Grünen auch ein italienischsprachiger Kandidat zum Zug kam. Es ist offensichtlich, dass allein durch die Zersplitterung mindestens ein Mandat für die italienische Sprachgruppe verloren gegangen ist (zwei weitere gehen auf die Rechnung der gesunkenen Wahlbeteiligung).

3.7. Wählerwanderungen

Auf eine detaillierte Analyse der Wählerwanderungen muss hier aus verschiedenen Gründen verzichtet werden. Aus der oben belegten, weiterhin bestehenden Geschlossenheit der Wahlarenen und unter Berücksichtigung von eigenen Umfragedaten lassen sich aber doch einige Aussagen zu den großen Tendenzen treffen.

Demnach hat die SVP den Großteil ihrer Verluste von rund 15.000 Stimmen an die Freiheitlichen, an die Grünen und an die Süd-Tiroler Freiheit abtreten müssen, doch auch ins Lager der NichtwählerInnen dürften nicht wenige abgewandert sein. Schließlich haben die Stimmen auch in der deutsch-ladinischen Wahlarena um circa 2.000 abgenommen, und das trotz einer Zunahme der Wahlberechtigten um 10.000. (In Wirklichkeit sprechen wir bei diesen Zahlen vom Wanderungssaldo, die Ströme sind um einiges größer, da es in der Regel ja Wechsel in beide Richtungen gibt.) Ein Naheverhältnis besteht zudem zwischen allen deutschen Oppositionsparteien. Die Ladins haben offensichtlich nur rund die Hälfte ihrer Wählerschaft aus dem Jahr 2008 ins neue Bündnis mitnehmen können, die andere Hälfte (circa 1.500 Stimmen) ist wohl mehrheitlich zur SVP gewandert – was man auch am guten Abschneiden der Volkspartei in den ladinischen Gemeinden ablesen kann. Die Grünen haben einerseits von der SVP gewonnen und wohl auch einige Stimmen von der Bürgerbewegung zurückgeholt, anderseits dürften sie – gerade unter der italienischsprachigen Wählerschaft – ihre bescheidenen Zugewinne auf Kosten verschiedener Mitte-links- und Linksparteien gemacht haben, die aber im Einzelnen schwer zu eruieren sind.

In der italienischen Wahlarena ist der hauptsächliche Strom offensichtlich vom ehemaligen Berlusconi-Bündnis und der Lega Nord in Richtung Nichtwählerschaft gegangen, denn per saldo beträgt der Verlust aller rechtsgerichteten italienischen Parteien fast 18.000. Daneben gibt es einen gewissen Austausch zwischen Demokratischer Partei, Lista Civica und Grünen. Die Liste Scelta Civica weist eine programmatische Nähe zur diesmal nicht mehr angetretenen UDC auf und sprach überdies unzufriedene PD-WählerInnen an. Der Movimento 5 Stelle schließlich dürfte seine gut 7.000 Stimmen aus allen Lagern, einschließlich der NichtwählerInnen gewonnen haben.

3.8. SpitzenkandidatInnen und Personalisierung

Seit Langem wird in der Politik eine Tendenz zur Personalisierung beobachtet (Swanson/Mancini1996, Brettschneider 2002). Es stellt sich daher die Frage nach der Bedeutung der SpitzenkandidatInnen der einzelnen Parteien, die hier anhand der abgegebenen Vorzugsstimmen analysiert werden soll.

Als Erstes fällt auf, dass die WählerInnen von Parteien der deutsch-ladinischen Wahlarena im Mittel mehr als doppelt so viele Vorzugsstimmen (2,6) vergeben wie jene der italienischen Wahlarena (1,2). An der Spitze steht dabei die Wählerschaft der SVP mit durchschnittlich fast drei Vorzugsstimmen, aber auch bei den Freiheitlichen, der Süd-Tiroler Freiheit, dem Bündnis BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler und den Grünen (die hier der Einfachheit halber der deutsch-ladinischen Wahlarena zugerechnet werden) liegt die mittlere Zahl der Vorzugsstimmen je Stimme für die Liste jeweils über zwei. Dagegen erreicht unter den italienischen Parteien lediglich der Partito Democratico (1,4) und Scelta Civica (1,3) Vorzugsstimmenquoten, die merklich über eins liegen. Für alle anderen italienischsprachigen Listen schwankt die mittlere Vorzugsstimmenzahl zwischen 1,2 (L’Alto Adige nel cuore) und 0,7 (Movimento 5 Stelle). Bei den Wahlen des Jahres 2008 war eine ähnliche Struktur des Wählerverhaltens in Bezug auf die Vorzugsstimmen zu beobachten gewesen, die Unterschiede zwischen den Wahlarenen haben sich allerdings noch etwas vergrößert (Atz 2009, 234).

Doch zurück zu den KandidatInnen, die auf ihrer Liste jeweils am meisten Vorzugsstimmen sammeln konnten. Absolut gesehen liegt Arno Kompatscher (SVP) mit über 81.000 Präferenzen unangefochten an der Spitze, es folgen Pius Leitner (Freiheitliche) mit fast 37.000 Stimmen vor Eva Klotz (Süd-Tiroler Freiheit) und Hans Heiss (Grüne-Verdi-Vërc / Sel), die jeweils rund 13.000 Vorzugsstimmen auf sich vereinigen konnten. Bezogen auf die Zahl der für die Liste abgegebenen Stimmen nimmt dagegen Pius Leitner von den Freiheitlichen klar die erste Stelle ein: 71% der WählerInnen, die freiheitlich gewählt haben, entschieden sich auch für ihn persönlich. Rund 60 Prozent der Listenstimmen konnten Eva Klotz, Arno Kompatscher und Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) auf sich vereinigen, etwa die Hälfte Hans Heiss, Andreas Pöder (Bündnis BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler), Donato Seppi (Unitalia) und Mauro Minniti (La Destra Minniti).

Aber erst wenn auch die für andere KandidatInnen abgegebenen Vorzugsstimmen einbezogen werden, ergibt sich ein vollständiges Bild. Sehr aussagekräftig ist diesbezüglich der Vorsprung des oder der Meistgewählten gegenüber der Nummer zwei der jeweiligen Liste (in der Tabelle als „Überlegenheitsfaktor“ dargestellt). Hier zeigt sich, dass Eva Klotz, Andreas Pöder und Pius Leitner trotz ihres starken persönlichen Abschneidens jeweils starke PartnerInnen oder KonkurrentInnen haben, die fast ebenso viele Vorzugsstimmen erhalten haben (Sven Knoll auf der Liste Süd-Tiroler Freiheit, Thomas Egger beim Bündnis, Ulli Mair bei den Freiheit­lichen). Ebenso klar lassen sich die reinen Ein-Mann-Parteien von Donato Seppi, Mauro Minniti und Alessandro Urzì identifizieren, auf die vier- bis fünfmal so viele Vorzugsstimmen entfallen wie auf die jeweils nächsterfolgreichen KandidatInnen der Liste. Schließlich ist erkennbar, dass die (Spitzen-)KandidatInnen beim Movimento 5 Stelle und bei den linken Kleinparteien für deren Wählerschaft nur geringe Bedeutung haben.

Tabelle 5: Vorzugsstimmen und Stärke der SpitzenkandidatInnen 2013

Liste

Meistgewählte KandidatInnen

Vorzugs­stimmen der Meistge­wählten

Vorzugs­stimmen pro Listen­stimme

Anteil der Meist­­­gewählten an Listen­stimmen

Anteil der Meist­gewählten an Vorzugs­stimmen

Überler­genheits­faktor (Erste/Zweite)

SVP Südtiroler Volkspartei

Arno ­Kompatscher

81.117

2,9

62%

21%

2,6

Die Freiheit­lichen

Pius Leitner

36.764

2,4

71%

30%

1,2

Süd-Tiroler Freiheit

Eva Klotz

13.037

2,1

63%

31%

1,1

Grüne-Verdi-Vërc / Sel

Hans Heiss

12.703

2,1

51%

25%

1,4

PD Partito Democratico – ­Demokratische Partei

Christian Tommasini

6.829

1,4

36%

25%

1,3

L’Alto Adige nel cuore

Alessandro Urzì

3.492

1,2

58%

50%

3,9

Bündnis BürgerUnion – ­Ladins Dolomites –
Wir Südtiroler

Andreas Pöder

3.045

2,1

50%

24%

1,1

Unitalia Movimento
per l’Alto Adige

Donato Seppi

2.403

1,1

50%

44%

5,1

Forza Alto Adige –
Lega Nord – Team Autonomie

Elena Artioli

2.054

1,1

29%

26%

1,5

Scelta Civica per l’Alto Adige-Südtirol

Giorgio Balzarini

1.505

1,3

33%

25%

2,1

Movimento 5 Stelle

Paul ­Köllensperger

1.334

0,7

19%

25%

1,6

La Destra Minniti

Mauro Minniti

757

0,9

46%

49%

4,6

Partito della Rifondazione Comunista

David ­Augscheller

320

1,1

28%

25%

1,7

Partito dei Comunisti Italiani –
Südtiroler Kommunisten

Carlo Carlini

180

0,8

25%

32%

2,8

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Situation bei der SVP. Einerseits war der Spitzenkandidat Kompatscher offenbar zugkräftig: Schließlich hat er mehr Vorzugsstimmen erhalten als Luis Durnwalder bei seinem ersten Antritt als Spitzenkandidat der Volkspartei und – anteilsmäßig nicht viel weniger – als der Langzeitlandeshauptmann vor fünf Jahren; auch der Abstand zu Arnold Schuler, dem Zweitgewählten ist sehr deutlich. Anderseits entfiel nur jede fünfte Vorzugsstimme innerhalb der SVP auf Kompatscher. Das zeigt, dass neben dem Spitzenkandidaten auch die VertreterInnen der verschiedenen Bezirke und Interessengruppierungen innerhalb der Sammelpartei eine wichtige Rolle spielen und damit einen erheblichen Einfluss auf die Attraktivität der Liste haben.

3.9. Personelle Zusammensetzung des Landtages

Das neue Gesetz für die Wahl des Südtiroler Landtages vom Mai 2013 hat erstmals eine Geschlechterquote eingeführt, die vorsieht, dass ein Geschlecht nicht mehr als zwei Drittel der Listenplätze besetzen darf. Auch darauf ist es zurückzuführen, dass sich unter den insgesamt 424 KandidatInnen, die sich für die 35 Landtagssitze beworben haben, 156 Frauen (36,8 %) finden (Alto Adige 2013).

Mit zehn von 35 Abgeordneten (28,5 %) ist die Frauenquote im Vergleich zu 2008 dennoch gleich geblieben.4 Lediglich bei den Wahlen 2003 lag die Frauenquote mit elf Abgeordneten noch höher. Von 1948 bis 1964 hatte sich der Landtag ausschließlich aus Männern zusammengesetzt. Erst ab den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, also ab dem Zweiten Autonomiestatut, begann der leichte Anstieg der Frauen im Landtag (Cherubini 2009).

Tabelle 6: Frauen im Südtiroler Landtag 1948–2013

1948–1964

1964–1968

1968–

1973

1973–

1978

1978–

1983

1983–

1988

1988–

1993

1993–

1998

1998–

2003

2003–

2008

2008–

2013

2013 –

2018

0

2

1

3

4

5

3

6

7

11

10

10

Quelle: Eigene Auswertung auf Grundlage der amtlichen Wahlergebnisse

Von den neun Parteien im neuen Südtiroler Landtag weisen lediglich vier Parteien Frauen in ihrer Fraktion auf. Es sind dies die SVP (fünf Frauen), die Freiheitlichen (zwei), die Grünen, die Süd-Tiroler Freiheit und das Team Autonomie (je eine Frau). Prozentuell gesehen besetzt die SVP 29 Prozent ihrer Mandate mit Frauen, die anderen Parteien liegen jeweils bei 33 Prozent, sieht man von der Ein-Frau-Fraktion Team Autonomie ab, die auch die einzige Italienerin stellt. Auch 2008 waren neun Parteien im Südtiroler Landtag vertreten, in sechs Frak­tionen gab es Frauen: SVP (fünf), Lega Nord, PdL, PD, Freiheitliche und Süd-Tiroler Freiheit mit jeweils einer Abgeordneten.

Wenn wir eine erste soziodemografische Analyse der Landtagsabgeordneten vornehmen, so fällt auf, dass von den 35 Abgeordneten 13 (37 %) das erste Mal im Landtag vertreten sind. Die größte Erneuerung hat die SVP mit acht von 17 Abgeordneten vollzogen (47 %). Jeweils einen Neuzugang haben die Grünen, die Süd-Tiroler Freiheit und die Freiheitlichen. Unter den italienischen Abgeordneten gab es keine Erneuerung. 2008 sind 12 Abgeordnete das erste Mal in den Landtag gezogen (34 %).

Die dienstälteste Abgeordnete ist Eva Klotz von der Süd-Tiroler Freiheit, die in ihre siebte Legislaturperiode geht, Pius Leitner von den Freiheitlichen beginnt seine fünfte Legislaturperiode, Andreas Pöder, Alessandro Urzì, Martha Stocker und Richard Theiner treten ihre vierte an. Fünf Jahre zuvor begann Luis Durnwalder seine achte Legislaturperiode.

Das Durchschnittsalter der Abgeordneten liegt bei 48 Jahren, wobei jenes der italienischen Abgeordneten mit 50 Jahren etwas höher ist. 2008 lag das Durchschnittsalter der Abgeordneten bei 45 Jahren, bei den ItalienerInnen bei knapp 46 Jahren. Das Durchschnittsalter der Frauen liegt diesmal bei 53 Jahren, 2008 waren es im Mittel 46 Jahre gewesen.

Der an Jahren älteste Abgeordnete ist 2013 Oswald Schiefer von der SVP (Jahrgang 1950), der jüngste Philipp Achammer, ebenfalls von der SVP (Jahrgang 1985). 2008 war Luis Durnwalder der an Jahren älteste Abgeordnete (Jahrgang 1941), der jüngste Abgeordnete war Sven Knoll von der Süd-Troler Freiheit (Jahrgang 1980).

Gemessen am Alter ihrer Mitglieder ist die Fraktion der Grünen insgesamt die älteste (56), gefolgt von der SVP (52). In allen anderen Fraktionen liegt der Altersdurchschnitt zwischen 44 und 49 Jahren. Die Grünen hatten in dieser Hinsicht auch schon 2008 das Altersprimat mit 55 Jahren, gefolgt von der SVP (53). Bei allen anderen Fraktionen lag das Durchschnittsalter damals zwischen 38 (PdL, LN) und 47 Jahren (PD).

20 von 35 Abgeordneten verfügen über einen akademischen Abschluss, das sind 57 Prozent. 2008 waren es um rund zehn Prozentpunkte weniger.

Im Vergleich der beiden Wahlgänge kann man feststellen: Das neue Landesparlament weist eine etwas größere personelle Erneuerung auf als jenes von 2008, während die Frauenquote so gut wie gleich geblieben ist. Die Abgeordneten sind im Durchschnitt etwas älter als 2008 und formal etwas höher gebildet.

Tabelle 7: Die Abgeordneten im Landtag – 2013

Parteien

Frauen

Erneuerung

Durchschnittsalter

Akad. ­Abschluss

SVP

5/17

8/17

52

12/17

Die Freiheitlichen

2/6

1/6

45

1/6

Grüne

1/3

1/3

56

3/3

Süd-Tiroler Freiheit

1/3

1/3

49

1/3

PD

-

-

49

2/2

Team Autonomie

1/1

-

44

0/1

Movimento 5 Stelle

-

1/1

44

1/1

BürgerUnion – Ladins – Wir Südtiroler

-

-

47

0/1

L’Alto Adige nel cuore

-

-

48

0/1

Insgesamt

48

20/35

Anmerkung: Team Autonomie, BürgerUnion und L’Alto Adige nel cuore waren 2008 unter den aktuellen Namen nicht im Landesparlament gewesen. Es besteht aber eine personelle Kontinuität jenseits der formalen Etiketten.

4. Ideologie und Autonomie: Änderungen des Parteiensystems

Die ethnische cleavage bleibt auch nach den Landtagswahlen 2013 das markanteste Kennzeichen des Südtiroler Parteiensystems wie des politischen Systems insgesamt (Pallaver 2008). Deutsch- und italienischsprachige Parteien haben ihren Wahlkampf im Wesentlichen ethnozentriert innerhalb ihrer jeweiligen ethnischen Wahlarena geführt. Lediglich die Grünen haben als interethnische Partei ihren Wahlkampf sprachgruppenübergreifend in allen ethnischen Subarenen geführt.

Im Gegensatz zu den vorherigen Landtagswahlen haben diesmal mehrere Parteien den Anspruch erhoben, ebenfalls die ethnischen Abgrenzungen zu überwinden. Dieser Anspruch wurde in erster Linie mit zwei Argumenten betont: dass sich auf der Liste KandidatInnen aus allen Sprachgruppen befinden und dass die politische Werbung in den Landessprachen erfolgt, im Wesentlichen in den beiden großen, Deutsch und Italienisch.

Nach unserer Typologisierung kann man von einer interethnischen Partei sprechen, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: Als Zielgruppe gelten alle ethnischen Gruppen, extern werden die betreffenden Parteien als interethnisch wahrgenommen, die interne und externe Kommunikation ist zumindest zweisprachig. Die Organisation ist interethnisch, besteht somit aus MitarbeiterInnen aller Sprachgruppen. Mitglieder, KandidatInnen und WählerInnen kommen ebenfalls aus allen Sprachgruppen und das Gesellschaftsmodell geht in Richtung Integration, nicht in Richtung ethnischer Separation (Pallaver 2012, 256).

Wenn wir von dieser Typologie ausgehen und uns die Parteien ansehen, die im Oktober zu den Wahlen angetreten sind, so fallen die Grünen zweifelsfrei darunter, während die anderen Parteien nur zum Teil diese Voraussetzungen einer interethnischen Partei erfüllen.

Dass fast alle Parteien alle Sprachgruppen als Zielgruppe ansehen, ist im Sinne der Stimmenmaximierung weiters keine Besonderheit. Während die externe Kommunikation mitunter zweisprachig erfolgte – das gilt am meisten für den PD, für das Team Autonomie, den Movimento 5 Stelle, aber auch für die SVP und vereinzelt sogar für die Süd-Tiroler Freiheit (die ladinische Realität wird hier nicht berücksichtigt) –, ist die interne Kommunikation in der Regel jeweils einsprachig. Das gilt für den PD genauso wie für den Movimento 5 Stelle oder die SVP und betrifft auch die Funktionärs- und Mitarbeiterebene. Das Gesellschaftsmodell wiederum geht vor allem bei den italienischen Parteien in Richtung Integra­tion.

Die meisten Parteien waren bei diesem Wahlgang sehr bemüht, KandidatInnen aus allen Sprachgruppen auf ihre Liste zu setzen. Das betrifft beispielsweise den PD, der mit Cornelia Brugger an dritter Listenstelle gehofft hatte, eine deutschsprachige Kandidatin ins Landesparlament zu entsenden (was aber wegen des ­relativ schlechten Abschneidens der Partei nicht erfolgte). Unter den ersten zehn PD-KandidatInnen nach Vorzugsstimmen befanden sich immerhin drei Deutschsprachige. Bei allen anderen Parteien fanden sich vereinzelt KandidatInnen aus der jeweils anderen Sprachgruppe auf den Listen, aber deren Anzahl sowie ihre Platzierung auf der Liste waren kaum relevant. Einer der wichtigsten Indikatoren, nämlich dass interethnische Parteien von allen Sprachgruppen in konsistenter Weise gewählt werden, ist auch bei den Wahlen 2013 nicht erfolgt, sodass im Landtag ledig­lich Grüne-Verdi-Vërc / Sel und, mit erheblichen Abstrichen, der Movimento 5 Stelle als interethnische Parteien vertreten sind und als solche auch von der Öffent­lichkeit wahrgenommen werden.

Was die Entwicklung der ideologischen Pole betrifft, so fällt auf, dass sich das Parteiensystem zentrifugal entwickelt. Das Zentrum wird elektoral schrittweise erodiert, während die Mitte-rechts- und die Mitte-links-Parteien an Konsens gewinnen.

Innerhalb der letzten 25 Jahre sind der extrem linke (PCI) und der extrem rechte Pol (MSI) weggefallen. Während die Mitte-links-Parteien 1988 bei 10,7 Prozent und drei Mandaten lagen, haben diese Parteien 2013 im Vergleich um zwei Mandate zugenommen und liegen bei 18,0 Prozent. Den stärksten Zuwachs erlebten die Mitte-rechts-Parteien, die von 3,6 Prozent und zwei Mandaten im Jahre 1988 auf 31,8 Prozent und 12 Mandate zugenommen haben. Die Zunahme dieses Pols geht im Wesentlichen auf die deutschsprachigen Parteien zurück, während die beiden italienischen Parteien lediglich auf 4,6 Prozent kommen.

Starke Verluste musste die politische Mitte hinnehmen, die von knapp 70 Prozent im Jahre 1988 und 25 Mandaten auf rund 46 Prozent und 17 Mandate abgenommen hat. Im Vergleich zu 2008 sind die ideologischen Pole aber im Wesentlichen gleich geblieben. Lediglich die Mitte-links-Parteien haben dank des Movimento 5 Stelle substanziell zugelegt.

Insgesamt kann man sagen, dass sich die Südtiroler Wählerschaft im Jahre 1988 zu rund 80 Prozent mit den Mitte-links-Parteien identifiziert hat (SVP und DC auf der einen Seite, Partito Socialista Italiano (PSI), GAL-LVA (Grün-Alter­native Liste/Lista Verde Alternativi) auf der anderen Seite, wobei auch der PCI in jenen Jahren seine Anti-System-Haltung längst abgelegt hatte. Diese breite elektorale Mehrheit drückte sich auch in der Regierungskoalition der Mitte-links-Par­teien aus (SVP, DC, PSI). Die Mitte-links-Wählerschaft ist aber von 80 Prozent auf rund 64 Prozent zurückgegangen. Südtirols WählerInnen haben sich in den letzten 25 Jahren nach Mitte-Rechts bewegt, zumal diese Parteien heute bei rund 32 Prozent liegen. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass es im Vergleich zu 1988 im italienischen Parteienlager keine Zentrumspartei mehr gibt (vgl. Pallaver 2013, 63–266).

Tabelle 8: Vergleich der Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen 1988–2013 auf der Links-rechts-Achse

Links

Mitte-Links

Mitte

Mitte-Rechts

Rechts

1988

PCI/KPI

PSI, GAL-LVA

SVP, DC

FPS, SHB

MSI-DN

Prozent

Anzahl Mandate (35)

3,0

1

10,7

3

69,4

25

3,6

2

10,3

4

2008

-

PD,
Verdi Grüne Vërc

SVP

UfS/BU, STF, F, LN, PdL

Unitalia

Prozent

Anzahl Mandate (35)

-

11,8

4

48,1

18

31,9

12

1,9

1

2013

-

PD, Grüne Verdi Grüne Vërc – Sel

Movimento 5 Stelle

SVP

BU/L/W, STF, F, Team Autonomie, L’Alto Adige nel cuore

Prozent

Anzahl Mandate (35)

-

18,0

6

45,7

17

31,8

12

Abkürzungen: DC: Democrazia Cristiana; F: Die Freiheitlichen; FPS: Freiheitliche Partei Südtirols; GAL-LVA: Grün-Alternative Liste/Lista Verde Alternativi; LN: Lega Nord; MSI-DN: Movimento Sociale Italiano-Destra Nazionale; PCI: Partito Comunista Italiano; PD: Partito Democratico; PSI: Partito Socialista Italiano; SHB: Südtiroler Heimatbund; STF: Süd-Tiroler Freiheit; UfS/BU: Union für Südtirol/BürgerUnion; BU/L/W: BürgerUnion – Ladins – Wir Südtiroler; GAL-LVA: Grün-Alternative Liste/Lista Verde Alternativi.

Quelle: Eigene Berechnung auf Grundlage der amtlichen Wahlergebnisse 1988, 2008 und 2013. In die Berechnung wurden nur jene Parteien aufgenommen, die in den Landtag gewählt worden sind, sodass die Summen nicht immer 100 Prozent ergeben.

In Abweichung zu Giovanni Sartori (1976) ziehen wir bei der Einordnung des Südtiroler Parteiensystems anstelle der ideologischen Distanz die Nähe beziehungsweise Entfernung der Parteien zur Autonomie als Gradmesser der Polarität heran. Dabei unterscheiden wir zwischen Autonomieparteien, Semi-Autonomieparteien und Anti-Autonomieparteien (Pallaver 2010).

Unter Autonomieparteien sind Parteien zu verstehen, die im Sinne der Typologisierung De Winters (1998) für die Autonomie ihrer Region eintreten. Dazu zählten nach den Landtagswahlen von 1988 alle Parteien außer dem Movimento Sociale Italiano (MSI), der mit 10,3 Prozent der Stimmen als Anti-Autonomiepartei ein­gestuft werden konnte, weil die neofaschistische Partei die Autonomie ablehnte. Auf deutschsprachiger Seite war der Südtiroler Heimatbund mit 2,3 Prozent die einzige Anti-Autonomiepartei. Alle anderen Parteien im Südtiroler Landtag mit rund 85 Prozent waren Autonomieparteien. Darunter befanden sich 61,7 Prozent deutschsprachige, 16,4 Prozent italienischsprachige und 6,7 Prozent interethnische Parteien.

Als Semi-Autonomieparteien können jene Parteien eingestuft werden, welche die Autonomie als Zwischenlösung bejahen, aber nur als Ausgangspunkt für eine sezessionistische Lösung (bei italienischen Parteien bedeutet dies umgekehrt die Forderung nach einer stärkeren Rückkehr des Staates). Solche Parteien gab es 1988 noch keine.

Mit den Landtagswahlen 2013 hat sich dieses Bild geändert. Den Autonomieparteien (SVP, PD, Grüne, Movimento 5 Stelle, Team Autonomie, L’Alto Adige nel cuore) mit insgesamt 68,2 Prozent stehen die Freiheitlichen und das Wahlbündnis BürgerUnion mit 20,0 Prozent als Semi-Autonomieparteien gegenüber. Deren Ziel ist die Errichtung eines Freistaates, die Freiheitlichen wollen dies mit dem Konsens der italienischen Sprachgruppe. Die Süd-Tiroler Freiheit (7,2 %) will hingegen die Loslösung von Italien und (als naheliegenden zweiten Schritt) den Anschluss an Österreich auch ohne Konsens der italienischsprachigen SüdtirolerInnen. Den rund 68 Prozent an Autonomieparteien stehen somit rund 27 Prozent an Semi- und Anti-Autonomieparteien gegenüber. Sartori paraphrasierend können wir von einem gemäßigten Autonomieparteiensystem sprechen.

Bis 2008 musste man hingegen von einem polarisierten Autonomieparteiensystem sprechen, weil es an den beiden extremen (italienischen und deutschen) Polen Anti-Autonomieparteien gab, wobei das Parteiensystem auch ethnisch (und zum Teil auch ideologisch) polarisiert war und zu einem zentrifugalen Wahlverhalten führte. Die Autonomieparteien als Zentrum verloren immer mehr Konsens an die beiden Extreme, an die italienischen und deutschen Anti-Autonomieparteien.

Mit den Wahlen 2013 hat es in dieser Hinsicht eine Trendumkehr gegeben. Dies hängt stark damit zusammen, dass die ehemaligen italienischen Anti- bzw. Semi-Autonomieparteien wegen ihrer starken Fragmentierung, persönlicher Konflikte und der Parteienverdrossenheit der italienischen Wählerschaft vielfach den Einzug in den Landtag nicht mehr geschafft haben. Oder ehemals Semi-Autonomieparteien haben einen Wandel zu Autonomieparteien gemacht, wie dies etwa für das Team Autonomie oder L’Alto Adige nel cuore zutrifft.

Die Autonomieparteien gehören dem Zentrum und dem Mitte-links-Lager an, die Anti- und Semi-Autonomieparteien gehören dem Mitte-rechts-Lager an. Die Konstellation Mitte/Mitte-Links/Pro-Autonomie versus Mitte-Rechts/Anti- oder Semi-Autonomie entspricht der gesamten Geschichte der Südtirolautonomie. Auffällig ist, dass sich die Anti- und Semiautonomieparteien alle im deutschsprachigen Lager befinden, während in der Vergangenheit diese Parteien im italienischen Lager zu finden waren.

Tabelle 9: Position der Parteien zur Autonomie 1988–2013

Italienische Parteien

Interethnische Parteien

Deutsche Parteien

Jahr

Anti-Autonomie­parteien

Semi-Autonomie­parteien

Autonomieparteien

Semi-Autonomie­parteien

Anti-Autonomie­parteien

1988

MSI-DN

10,3

DC, PCI, PSI

16,4

GAL-LVA 6,7

SVP, FPS

61,7

SHB

2,3

Autonomieparteien: 84,8 % – dt. Parteien: 61,7 %, it. Parteien 16,4 %,
interethnische Parteien 6,7 %

Semi-Autonomieparteien: 0 %

Anti-Autonomieparteien: 12,6 %, dt. Parteien 2,3 %, it. Parteien 10,3 %

2013

PD,

L’Alto Adige nel cuore, Movimento 5 Stelle,5 Team Autonomie

13,8

Grüne

8,7

SVP

45,7

F, BU/L/W

20,0

STF

7,2

Autonomieparteien: 68,2 %, dt. Parteien 45,7 %, italienische Parteien 13,8 %,
interethnische Parteien 8,7 %.

Anti-Autonomieparteien: 7,2%, nur dt. Parteien

Semi-Autonomieparteien: 20,0%, nur dt. Parteien

Differenz

1988

2013

– 10,3

–2,6

+2,9

–16,0

+20,0

+4,9

Quelle: Eigene Berechnungen. Diesen liegen die Ergebnisse der Landtagswahlen 1988, 2008 und 2013 zugrunde. Allerdings blieben jene Parteien, die kandidiert haben, aber den Einzug in den Landtag nicht geschafft haben, als für das Parteiensystem nicht relevant unberücksichtigt. Deshalb ergeben die Prozentsätze in Summe auch nicht den Wert 100.

5. Resümee

Die Landtagswahlen 2013 haben definitiv den bereits vor längerer Zeit eingeleiteten Prozess der Normalisierung und Europäisierung Südtirols bestätigt. Die bis dahin mit absoluten Mehrheiten ausgestattete Südtiroler Volkspartei hat erstmals in ihrer Geschichte auch die Mandatsmehrheit verloren, nachdem sie 2008 schon bei den Stimmen unter die 50-Prozent-Schwelle gerutscht war. Parteien mit absoluten Mehrheiten, auch auf regionaler Ebene, sind in Europa rar geworden.

Die Logik der ethnischen Sammelpartei, die ideologieübergreifend gewählt wurde, um als ethnische Minderheit bestehen zu können und um die Autonomie zu verwirklichen, ist brüchig geworden. Die BürgerInnen der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit orientieren sich in ihrem Wahlverhalten vorwiegend an ­ihren Interessen, politischen Orientierungen und Präferenzen, immer weniger an ethnischen Vorgaben. Die Volatilität der WählerInnen ist in den letzten Jahren immer größer geworden, die Stammwählerschaft nimmt stetig ab.

Die in Europa immer stärker vordringenden rechtspopulistischen Parteien haben auch in Südtirol einen fixen Platz im Parteiensystem erobert. Die zunehmende Unzufriedenheit der BürgerInnen mit den traditionellen Parteien, die von den Parteien zum Großteil selbst verschuldet worden ist, die zunehmende soziale Unsicherheit, die auch in Südtirol den Weg in die Prekariatsgesellschaft eröffnet hat, die steigende Zahl an ModernisierungsverliererInnen, die sich als WutbürgerInnen zu Wort melden, haben den Konsens für solche Parteien gefördert. Dazu kommt aber auch der Wunsch vieler WählerInnen, der lange dominierenden Mehrheitspartei durch eine stärkere Opposition Grenzen aufzuzeigen – eine Tendenz, von der vor allem die Freiheitlichen, aber auch die Grünen als schon lange in diesem Sinn profilierte politische Kräfte profitiert haben (apollis 2013b).

Das vielleicht folgenreichste Ergebnis der Landtagswahlen 2013 stellt der starke Erosionsprozess der italienischen Parteien dar. Das ehemals starke Mitte-rechts-Lager, im letzten Landtag noch durch drei MandatarInnen auf der Berlusconi-Liste PdL und zwei weitere Ein-Personen-Parteien vertreten, ist auf weniger als die Hälfte zusammengeschrumpft, der PD mit zwei Mandataren zur stärksten italienischen Partei geworden, die aber nur rund 30 Prozent der italienischsprachigen Bevölkerung vertritt. Die Ursachen liegen dabei sowohl auf gesamtstaatlicher als auch auf regionaler Ebene und haben nicht zuletzt mit dem permanenten Ausschluss der Mehrheit der italienischen MandatarInnen von der Macht in Südtirol zu tun. Diese mangelnde Repräsentanz hat bereits bei den Koalitionsverhandlungen zwischen der SVP und dem PD ein Problem virulent werden lassen, nämlich wie die adäquate Vertretung der italienischen Sprachgruppe in der Landesregierung gewährleistet werden kann.

Das Autonomiemodell, das 1948 geschaffen wurde, entspricht dem Modell der Konkordanzdemokratie (vgl. Lijphard 1977) und steckt die jeweiligen Einflusssphären der Sprachgruppen ab (Pallaver 2011). Unter anderem sieht dieses Modell die Beteiligung aller relevanten Sprachgruppen an der (Regierungs-)Macht und an verschiedenen nachgeordneten Subsystemen vor. Es handelt sich dabei um das Prinzip der proportionalen Inklusion aller Sprachgruppen.

Dieses Prinzip ist in den letzten zwanzig Jahren in eine starke Schieflage geraten. Laut Autonomiestatut müssen die Sprachgruppen im Verhältnis ihrer propor­tionalen Stärke im Landtag auch in der Landesregierung vertreten sein. In der ersten Republik hatten die traditionellen Koalitionspartner der SVP, die Democrazia Cristiana (DC) und die Sozialisten (PSI), immer die große Mehrheit der Italie­nerInnen vertreten. Mit den Landtagswahlen 2013 ist die Anzahl der italienischsprachigen Abgeordneten auf fünf gesunken, was nur mehr für einen Vertreter in der Landesregierung reicht. Die italienische Sprachgruppe, die laut der Zählung des Jahres 2011 einen Anteil von 26 Prozent an der Bevölkerung hat, stellt somit nur 14 Prozent der Abgeordneten im Landtag und 12,5 Prozent der Mitglieder der Landesregierung.

Derselbe Einbruch ist auch auf kommunaler Ebene feststellbar (Goller 2013). Die kontinuierlich abnehmende Inklusion der italienischen Sprachgruppe ist unter anderem ein Grund für das sogenannte „Unbehagen der Italiener“ (vgl. Pallaver 2013), weil sich die ItalienerInnen in den zentralen Entscheidungsgremien nicht angemessen vertreten sehen und damit ihr politischer Einfluss immer mehr schwindet. Dies führt zu einem Systemproblem, weil das Prinzip der maximalen Ein­bindung aller Sprachgruppen in der Landesregierung nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Es wird eine vordringliche Aufgabe des im Koalitionsabkommen vereinbarten Autonomiekonvents sein, hier eine Lösung zu finden. Denn nur dann besteht Hoffnung, dem zunehmenden Desinteresse der italienischsprachigen Bevölkerung an der Landespolitik Einhalt zu gebieten, das sich an der schon länger zu beobachtenden, diesmal jedoch drastisch gesunkenen Wahlbeteiligung dieses Teils der Wählerschaft ablesbar ist und das von Resignation zeugt. Denn nur alle Sprachgruppen gemeinsam werden in der Lage sein, einerseits jenen zentralstaatlichen Kräften Paroli zu bieten, die sich die Sonderautonomien zur Zielscheibe erkoren haben und dabei auch wesentliche Errungenschaften der Südtirolautonomie infrage stellen, andererseits den erstarkten sezessionistischen Tendenzen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Tabelle 1: Parteienangebot und Erfolgsquoten 1988–2013

Wahljahr

Kandi­dierende Parteien

Regionale Parteien

Gesamtstaatliche Parteien

Erfolgsquoten – Parteien im Landtag

dt

it

lad

int

dt

it

lad

int

1988

12

3

1

1

7

3

4

1

1993

16

4

2

1

1

7

3

5

1

1

1998

13

3

2

1

1

6

3

6

1

1

2003

13

3

4

1

1

4

3

5

1

2008

15

5

2

1

1

6

4

4

1

2013

14

4

2

1

7

4

4

1

Quelle: Eigene Berechnung aufgrund der amtlichen Wahlergebnisse

Abkürzungen: dt = deutsch; it = italienisch; lad = ladinisch; int = interethnisch

Abbildung 1: Wahlbeteiligung nach Wohngebiet 2003, 2008, 2013

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 2: Wahlbeteiligung und Sprachgruppe

Anmerkung: Wahlsprengel mit einem Anteil italienischer Parteien unter 5 Prozent wurden von der Analyse ausgeklammert.

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Tabelle 2: Ergebnis der Landtagswahlen 2013 – Stimmen und Mandate

Ergebnisse 2013

Veränderung zu 2008

Liste

Stimmen

%

Sitze

Stimmen

%-
Punkte

SVP Südtiroler Volkspartei

131.255

45,7%

17

–15.300

–2,4%

Die Freiheitlichen

51.510

17,9%

6

7.895

3,6%

Grüne-Verdi-Vërc/Sel

25.070

8,7%

3

7.325

2,9%

Süd-Tiroler Freiheit

20.743

7,2%

3

5.855

2,3%

PD Partito Democratico – Demokratische Partei

19.210

6,7%

2

1.069

0,7%

Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie (a)

7.120

2,5%

1

–24.590

–7,9%

Movimento 5 Stelle

7.100

2,5%

1

7.100

2,5%

Bündnis BürgerUnion – Ladins Dolomites –
Wir Südtiroler (b)

6.065

2,1%

1

–4.317

–1,3%

L’Alto Adige nel cuore

6.061

2,1%

1

6.061

2,1%

Unitalia Movimento per l’Alto Adige

4.832

1,7%

–857

–0,2%

Scelta Civica per l’Alto Adige-Südtirol

4.525

1,6%

4.525

1,6%

La Destra Minniti

1.655

0,6%

1.655

0,6%

Partito della Rifondazione Comunista (c)

1.134

0,4%

–1.092

–0,3%

Partito dei Comunisti Italiani – Südtiroler Kommunisten

730

0,3%

–532

–0,2%

Insgesamt

287.010

100%

35

–17.626

Gültige Stimmzettel

287.010

96,4%

–17.626

–0,7%

Weiße Stimmzettel

3.196

1,1%

–251

0,0%

Ungültige Stimmzettel

7.631

2,6%

1.771

0,7%

Ausgezählte Stimmzettel

297.837

100,0%

–16.106

Wahlberechtigte

400.961

8.993

Wahlbeteiligung

74,3%

–5,8%

(a) Vergleichsbasis 2008: Popolo della Libertà Berlusconi + Lega Nord Südtirol.

(b) Vergleichsbasis 2008: Union für Südtirol + Ladins Dolomites.

(c) Vergleichsbasis 2008: Sinistra dell’Alto Adige/Linke für Südtirol

Quelle: Südtiroler Bürgernetz; Südtiroler Landtag

Tabelle 3: Ergebnisse nach funktionalen Kleinregionen 2013

Klein­region

Partito dei Comunisti Italiani – Südtiroler Kommu­nisten

Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie

Unitalia Movimento per l’Alto Adige

L’Alto Adige nel cuore

SVP Südtiroler Volkspartei

La Destra Minniti

Partito della Rifonda­zione Comunista

PD Partito Democratico – Demokra­tische Partei

Süd-Tiroler Freiheit

Die Freiheit­lichen

Grüne-Verdi-
Vërc/Sel

Bündnis BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler

Scelta Civica per l’Alto Adige-Südtirol

Movimento 5 Stelle

Prozentanteil innerhalb der Kleinregion

Prozentanteil innerhalb der Kleinregion

Mals

0,1%

0,2%

0,1%

0,2%

56,1%

0,1%

0,2%

0,8%

9,0%

22,8%

7,6%

1,8%

0,5%

0,5%

Schlanders

0,1%

0,3%

0,1%

0,2%

52,1%

0,1%

0,2%

1,2%

10,1%

24,0%

7,7%

3,1%

0,1%

0,6%

Naturns

0,1%

0,3%

0,1%

0,2%

54,1%

0,1%

0,3%

0,8%

13,0%

21,4%

6,4%

2,8%

0,1%

0,4%

Meran

0,3%

2,8%

1,1%

1,8%

41,5%

2,7%

0,6%

5,9%

7,5%

17,2%

9,1%

1,9%

4,7%

3,0%

Lana

0,0%

0,7%

0,3%

0,3%

48,8%

0,2%

0,1%

1,3%

9,4%

26,4%

7,5%

3,4%

0,4%

1,0%

St. Martin/ Passeier

0,0%

0,1%

0,1%

0,1%

53,9%

0,0%

0,1%

0,4%

15,9%

24,0%

3,7%

1,3%

0,1%

0,3%

Bozen

0,5%

5,1%

4,2%

4,6%

37,5%

0,6%

0,7%

13,8%

4,1%

11,0%

9,7%

0,9%

2,4%

4,8%

Auer – Neumarkt

0,2%

2,7%

0,8%

1,7%

51,8%

0,3%

0,2%

7,4%

6,8%

15,1%

8,5%

1,0%

0,8%

2,7%

St. Ulrich

0,0%

0,7%

0,1%

0,6%

56,3%

0,1%

0,1%

1,4%

5,5%

20,1%

8,4%

5,3%

0,1%

1,3%

Brixen

0,2%

1,0%

0,4%

1,5%

47,4%

0,2%

0,1%

3,9%

6,9%

26,4%

8,2%

1,5%

1,2%

1,0%

Sterzing

0,1%

1,4%

0,6%

1,1%

47,6%

0,5%

0,1%

3,5%

10,0%

18,7%

6,4%

8,6%

0,3%

1,0%

Bruneck

0,2%

0,6%

0,2%

0,4%

50,2%

0,1%

0,2%

2,3%

10,3%

24,9%

8,2%

1,6%

0,2%

0,6%

Sand in Taufers

0,0%

0,2%

0,2%

0,1%

46,8%

0,0%

0,0%

0,9%

17,2%

28,3%

4,6%

1,3%

0,1%

0,2%

Innichen

0,2%

1,2%

0,4%

0,9%

52,7%

0,1%

0,2%

2,2%

7,9%

22,4%

9,1%

1,5%

0,5%

0,8%

Abtei

0,1%

0,7%

0,1%

0,2%

64,5%

0,1%

0,1%

1,2%

3,4%

13,0%

2,9%

11,4%

0,3%

2,2%

BriefwählerInnen

0,3%

0,6%

0,4%

0,5%

55,5%

0,2%

0,6%

4,2%

6,2%

5,1%

23,3%

1,3%

0,6%

1,3%

Zusammen

0,3%

2,5%

1,7%

2,1%

45,7%

0,6%

0,4%

6,7%

7,2%

17,9%

8,7%

2,1%

1,6%

2,5%

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 4: Südtiroler Volkspartei – Ergebnisse nach funktionalen Kleinregionen im Zeitvergleich 1998 bis 2013

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 5: Die Freiheitlichen – Ergebnisse nach funktionalen Kleinregionen im ­Zeitvergleich 1998 bis 2013

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 6: Süd-Tiroler Freiheit – Ergebnisse nach funktionalen Kleinregionen im Zeitvergleich 1998 bis 2013

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 7: BürgerUnion – Ladins Dolomites – Wir Südtiroler – Ergebnisse nach ­funktionalen Kleinregionen im Zeitvergleich 1998 bis 2013

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 8: Grüne-Verdi-Vërc/Sel – Ergebnisse nach funktionalen Kleinregionen im Zeitvergleich 1998 bis 2013

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 9: Stimmenanteil der SVP nach Sprachgruppenverteilung im Sprengel

Anmerkung: Wahlsprengel mit einem Anteil italienischer Parteien unter 5 Prozent wurden von der Analyse ausgeklammert.

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 10: Listenstimmen 2013 – deutsch-ladinische Wahlarena

Anmerkung: Die Anteile aller anderen Parteien liegen laut Schätzung unter 0,5 Prozent, weshalb sie in dieser Grafik nicht dargestellt sind.

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Abbildung 11: Listenstimmen 2013 – italienische Wahlarena

Quelle: Südtiroler Landtag, eigene Auswertung

Anmerkungen

1 An der Umfrage nahmen knapp 15 Prozent der Südtiroler Wahlberechtigten teil. Von den 61.189 abgegebenen Stimmen sprachen sich 92,17 Prozent für die Selbstbestimmung aus (stol 2014).

2 Die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Sprachgruppe ist für jede Gemeinde, aber nicht auf der Ebene der Wahlsprengel bekannt. Als Proxy-Variable wurde daher der Anteil von Stimmen herangezogen, der im Jahr 2003 auf eindeutig italienischsprachige Parteien entfällt. Dieser Zeitpunkt eignet sich deshalb besser als spätere, weil die zunehmende Wahlenthaltung der italienischsprachigen Wählerschaft deren Anteil unterschätzen und ein verzerrtes Bild zeichnen würde.

3 Die funktionale Kleinregion St. Ulrich umfasst neben den drei Grödner Gemeinden auch Kastelruth und Lajen, sodass der Anteil der ladinischsprachigen Bevölkerung nur bei rund 50 Prozent liegt, während er in der Kleinregion Abtei (Gadertal) 96 Prozent erreicht.

4 Änderungen im Laufe der Legislaturperiode werden nicht berücksichtigt. Allerdings hat Michela Biancofiore vom PdL 2008 schon gleich zu Beginn der Legislaturperiode auf ihr Mandat verzichtet.

5 Der Umstand, dass wir den Movimento 5 Stelle zu den italienischen Mitte-links-Parteien zählen, ist erklärungspflichtig. Die Bewegung erfüllt nur einen Teil der Kriterien, um als interethnisch klassifiziert zu werden, sodass wir den Movimento 5 Stelle unter die italienischen Parteien einordnen. Was die Einreihung unter die Mitte-links-Parteien betrifft, so herrscht in der politikwissenschaftlichen Literatur keine einhellige Meinung. Mitunter wird der Movimento 5 Stelle als „post­ideologisch“ bezeichnet (Pedrazzani/Pinto 2013, 119), aber auch als „nicht definiert“ (Bardignon/Ceccarini 2013, 67). Der größere Wähleranteil kommt italienweit von den linken und Mitte-links-Parteien. Bei den Wahlen des Jahres 2012 kamen schätzungsweise 41,2 Prozent vom PD – Italia dei Valori und 36,1 Prozent von PdL, Lega Nord, Movimento per le Autonomie. In der Selbstpositionierung lag die Provenienz von den „linken“ Parteien insgesamt bei knapp 53 Prozent, von den „rechten“ Parteien lediglich bei 27,5 Prozent (Pedrazzani/Pinto 2013, 106, 110). Bei den Parlamentswahlen 2013 waren beide Lager mit rund 30 Prozent bei den Grillini vertreten (Bardignon/Ceccarini 2013, 69). Obgleich die Partei populistisch und antieuropäisch ist, bleibt doch auch noch die spezifische Südtiroler Situation des Movimento 5 Stelle mit ihrem Landtagsabgeordneten Köllensperger zu berücksichtigen – alles Gründe, die zu dieser unserer Entscheidung geführt haben.

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Abstracts

La normalizzazione dell’Alto Adige:
risultati, tendenze e prospettive delle elezioni provinciali del 2013

Le elezioni provinciali del 2013 hanno confermato il processo di normalizzazione e di europeizzazione avviato già da tempo in Alto Adige. Il partito della Südtiroler Volkspartei, sinora in possesso della maggioranza assoluta, per la prima volta nella storia ha perso anche la maggioranza dei seggi, dopo che nel 2008 il livello dei voti era già sceso al di sotto della soglia del 50 per cento. In Europa sono oramai diventati rari i partiti con la maggioranza assoluta, anche a livello regionale. La logica di un partito etnico di raccolta, che trova il proprio consenso al di là delle ideologie, è ormai fragile. Negli ultimi anni è invece aumentata la volatilità dei votanti e parallelamente si è ridotta la quota di elettori abitudinari; resta comunque sostanzialmente inalterata, non proprio in linea con i tempi, la impenetrabilità degli elettori etnici.

Il forte processo di erosione dei partiti italiani ha portato a far sì che ormai solamente 5 dei 35 consiglieri appartengano al gruppo linguistico italiano. Questo stato di cose conduce ad una irregolarità del sistema poiché in questo modo è a rischio il principio del massimo coinvolgimento di tutti i gruppi linguistici nei processi decisionali a livello centrale. Sarà quindi compito prioritario della convenzione sull’autonomia, concordata nel programma di coalizione, trovare una soluzione per ovviare a questo problema; soluzione da cui non dipende solamente la pace interna, bensì anche la forza con la quale l’autonomia altoatesina possa essere difesa dagli attacchi provenienti dall’esterno.

La normalisazion de Südtirol: resultac, tendënzes y ­perspetives dla veles provinzieles 2013

La veles dl Cunsëi provinziel 2013 à cunfermà l pruzes de normalisazion y europeisazion de Südtirol scumencià bele da n pez incà. La Südtiroler Volkspartei, che nchin a chël mumënt ova la maiuranza assoluta, à per l prim iede tla storia perdù nce la maiuranza di mandac, do che la fova sbrisceda bele tl 2008 sota l livel dl 50 % n cont dla ujes giapedes. Partic cun na maiuranza assoluta, nce a livel regionel, ie deventei reres te Europa. La logica dl partit etnich de racolta che abina adum l cunsëns nce sëura la ideologies ora scumëncia a se desfé. Ntant sce ie la volatilità di litadëures ti ultimi ani jita for suvier, l livel di litadëures tradizionei ie a pèr jita juvier, perauter resta – nia iust aldò di tëmps – che i litadëures ne se lascia nia destò da si purtenienza etnica.

L gran pruzes de erojion di partic talians à purtà tan inant che l ie mé plu cinch danter i 35 cunselieres che purtën ala grupa de rujeneda taliana. Chësc cumporta n fal tl sistem, ajache l prinzip de tré ite l plu che la va duta la grupes de rujeneda pra i pruzesc de dezijion zentrei se storj. L sarà n duvier fundamentel dla Cunvenzion per l’autonomia metuda a una tl program de coalisazion de abiné na soluzion a chësta situazion da chëla che l ne depënd nia mé la pesc interna, ma nce la forza cun chëla che n ie boni de defënder l’autonomia de Südtirol da agrescions da dedora.

The Normalization of South Tyrol:

Results of, trends in and perspectives about the province’s 2013 parliamentary elections

The 2013 parliamentary elections confirmed a process that had already begun some time ago: the normalization and Europeanization of South Tyrol. The South Tyrolean People’s Party, which had previously enjoyed an absolute majority, lost the majority mandate for the first time in its history after having slipped under the threshold of 50 percent of the vote in 2008. Parties with an absolute majority, including those at the regional level, have become a rarity in Europe. The logic of a collective ethnic party that is supported by overarching ideologies has deteriorated. Instead voter volatility has increased steadily over the last years, and the electoral base has withered as a result. However the impenetrability of ethnic ballot boxes fundamentally persists, though it isn’t quite in step with the modern world.

The marked process of erosion that has been taking place within the Italian parties has resulted in only five out of the 35 parliamentary representatives elected coming from the Italian-language group. This leads to a systemic problem because it puts at risk the principle of maximum involvement of all language groups in central decision-making processes. It will be a top priority to find a solution within the coalition agreement, as set forth in the autonomy convention, upon which not only inner peace but also the strength with which South Tyrol’s autonomy can be defended against attacks from the outside depends.