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Hermann Atz

Was ist dran am disagio der italienischen Volksgruppe in Südtirol?

„Unter den Italienern in Südtirol ist die Angst präsent, immer weniger Bedeutung zu haben, nichts mehr zu zählen. Die Deutschen – wenn ich sie so bezeichnen darf – besitzen Grund und Boden, Liegen­schaften, den Großteil des historischen Erbes. Die Italiener hingegen sehen sich als Verlierer. Mit etwas Zynismus könnte man sogar sagen: Wir Italiener sind Überbleibsel eines gescheiterten Kolonisationsversuches. Ein Großteil der Italiener hat hier in Südtirol noch immer keine Wurzeln geschlagen …“ (Lucio Guidice­andrea in einem Interview1)

1. Einleitung

Il disagio degli italiani ist in Südtirol seit Jahrzehnten zum geflügelten Wort oder auch zum Kampfbegriff bestimmter politischer Kräfte geworden. Dennoch fällt es nicht leicht zu sagen, welches Phänomen damit genau gemeint ist. Die verschiedenen Übersetzungsvorschläge, die sich in Wörterbüchern zum Begriff disagio finden­ lassen, nämlich „Befangenheit, Missbehagen, Unbehagen, Unbequemlichkeit, Ungemach, Mühseligkeit“, belegen, dass dieser keine eindeutige Entsprechung im Deutschen hat. Vielmehr schwankt die Bedeutung zwischen einem rein subjektiven Gefühl und einer weitgehend objektiven Gegebenheit. Und damit ist auch die Bandbreite des politischen Diskurses abgesteckt, der sich um den Begriff disagio entfaltet: von der Behauptung objektiver Benachteiligung von Angehörigen der italienischen Sprachgruppe in Südtirol bis zur Feststellung, es handle sich um ein rein subjektives Gefühl, das zudem nur einem Individuum, nicht einer ganzen ethnischen Gemeinschaft zugeschrieben werden könne (vgl. den Beitrag „Il disagio degli italiani commentato da partiti, sindacati ed operatori economiche“ in diesem Band und die dort enthaltene Stellungnahme von Michele Buonerba).

Eine systematische Analyse des öffentlichen Diskurses zum Thema wäre daher ein lohnendes, wenn auch sehr anspruchsvolles Unterfangen. An dieser Stelle soll ein anderer Ansatz verfolgt werden, nämlich einer, der die Ambivalenz des Begriffes dazu nutzt, das behauptete Ungemach/Unbehagen einerseits anhand von aus­gewählten statistischen Daten, andererseits anhand von Meinungsumfragen nachzuzeichnen. Vorab ist jedoch zu klären, wer das oder die Subjekte sind, die hier Ungemach erleiden oder Unbehangen empfinden.

1.1. Subjekte des disagio

Vom disagio, also vom Ungemach/Unbehagen einer Volks- oder Sprachgruppe kann nur gesprochen werden, wo es eine mehrsprachige Gesellschaft mit klar unterscheidbaren ethnischen Gruppen gibt. Diese sind nicht einfach da, sondern werden sozial und rechtlich konstruiert (vgl. Atz 2012). In Südtirol ist dafür neben der politischen Parteienlandschaft, die klar entlang ethnischer Grenzen verläuft, vor allem das Autonomiestatut verantwortlich, das die Existenz einer deutschen, einer ladinischen und einer italienischen Sprachgruppe postuliert und diese mittels der sogenannten Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung zu einem individuellen Merkmal macht. Wer eine solche Erklärung abgibt, gehört einer der drei offiziellen Sprachgruppen an beziehungsweise ordnet sich ihr zu. In der Praxis stimmt diese Zugehörigkeit in der Regel mit der Muttersprache oder der primären Umgangssprache überein, aber es ist keineswegs zwingend. Ilaria Riccione sieht im Begriff des Ungemachs/Unbehagens einen, der nur auf die individuelle, psychologisch zu beschreibende Seite des Phänomens Bezug nimmt, während sie für eine soziologische Betrachtung, welche den strukturellen gesellschaftlichen Ursachen dieses Gefühls nachspürt, den Begriff der „Entfremdung“ einführt. Wenn die Existenz von Sprachgruppen ein sozial erzeugtes Faktum darstellt, das – zum Teil auch unbewusst – Nachteile für deren Mitglieder produziert, dann solle man besser von Entfremdung sprechen, die vor allem mit Ausgrenzung, mit der Unmöglichkeit politisch-bürgerlicher Partizipation zusammenhänge (siehe den Beitrag von Riccione in diesem Band).

Die Rede von einem Ungemach/Unbehagen der italienischsprachigen Bevölkerung Südtirols kann grundsätzlich zweierlei bedeuten:

eine Erfahrung, die ausdrücklich mit der Zugehörigkeit zur italienischen Sprachgruppe in Verbindung gebracht wird (meistens von deren Angehörigen selbst)

eine Befindlichkeit, die sich vor allem unter italienischsprachigen Bürgerinnen und Bürgern in Südtirol feststellen lässt, ohne dass diese es selbst auf ihre ethnische Zugehörigkeit zurückführen.

Praktisch nimmt der Diskurs vom ethnischen Unbehagen aber auf die erste Bedeutung Bezug. Es geht um tatsächliche beziehungsweise behauptete Nachteile und um Gefühle, die Einzelpersonen haben, oder um negative Erfahrungen, die sie machen, weil sie einer bestimmten Sprachgruppe angehören. Nicht selten werden solche Nachteile, Gefühle, Erfahrungen dann der Sprachgruppe als Kollektiv zugeschrieben, doch scheint uns dies für den Versuch einer empirischen Überprüfung gleichermaßen unzulässig wie nicht umsetzbar. Wir wollen uns im Folgenden also mit dem Ungemach beschäftigen, das Bürgerinnen und Bürger Südtirols angeblich widerfährt, weil sie Angehörige der italienischen Sprachgruppe sind, beziehungsweise mit dem Ungemach, das sie der ethnischen Gruppe zuschreiben, mit der sie sich identifizieren. Für einige relevante Bereiche werden auch amtliche Daten zur Situation der drei Sprachgruppen dargestellt.

1.2. Spielarten des Ungemachs/Unbehagens

Wenn vom Ungemach/Unbehagen der italienischen Sprachgruppe die Rede ist, dann in ganz bestimmten Zusammenhängen. Sehr häufig geht es dabei um zentrale Bestimmungen des Autonomiestatuts und deren Anwendung: die Zweisprachigkeitspflicht im öffentlichen Dienst, die Besetzung von öffentlichen Stellen unter Berücksichtigung des zahlenmäßigen Verhältnisses der Sprachgruppen (der sogenannte ethnische Proporz), die Zuweisung von Sozialwohnungen. Während rechtsnationale politische Vertreter der italienischen Volksgruppe vor einigen Jahrzehnten noch die Berechtigung dieser Bestimmungen grundsätzlich in Frage stellten (vgl. Benedikter et al. 1987), wird in jüngerer Zeit nur mehr ihre konkrete Umsetzung kritisiert. Es heißt etwa, der Proporz bei öffentlichen Stellen müsse flexibler gehandhabt werden, die Leistung müsse mehr zählen als die Zugehörigkeit zur „richtigen“ Sprachgruppe. Vor allem bei der Besetzung von Führungsfunktionen wird bemängelt, eine (zu) enge Auslegung des ethnischen Proporzes führe dazu, dass der Posten des Vorsitzenden oder Direktors praktisch immer der deutschen Sprachgruppe vorbehalten bleibe, während sich Angehörige der italienischen Sprachgruppe mit der Stellvertreterrolle begnügen müssten. Auch auf dem Zweisprachigkeitsnachweis würde zu kleinlich beharrt, wo es zum Beispiel im Gesundheitswesen doch in erster Linie um die fachliche Kompetenz gehe. Und Sozialwohnungen müssten rein nach Bedarf vergeben werden.

Eng verwandt mit dieser auf arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen bezogenen Kritik ist auch jene, die sich auf die Sphäre der Politik bezieht. Hier fordert das Autonomiestatut, dass die Zusammensetzung von Landesregierung, Gemeindeausschuss und so weiter genau dem Verhältnis der Sprachgruppen im jeweiligen Parlament oder Rat entspricht und sichert den italienischsprachigen Politikern so ein Mitspracherecht. Mit Ausnahme einiger Gemeinden mit einem starken Anteil an italienischsprachiger Bevölkerung (u. a. Bozen, Leifers, Branzoll, Salurn) dominiert jedoch die von der deutschsprachigen Bevölkerung mehrheitlich gewählte Südtiroler Volkspartei alle diese Vertretungskörperschaften. Der SVP wiederum wird vorgehalten, sie missbrauche ihre – an und für sich legale – Machtposition auf verschiedene Weise: Sie lege zum Beispiel das Recht auf den Unterricht in der Muttersprache zu eng aus und verhindere so eine zeitgemäße Form der Vermittlung der Zweitsprache an italienischsprachigen Schulen (Verbot von Fachunterricht in der Zweitsprache, was häufig – nicht ganz korrekt – als „Immersionsunterricht“ bezeichnet wird). Sie suche sich immer schwache italienische Koalitionspartner aus, die nur eine Minderheit der italienischsprachigen Wählerschaft repräsentieren, und setze dann rücksichtslos ihre jeweiligen Interessen durch. Dadurch entstehe ein Mangel an politischer Partizipation, die „Italiener“ hätten das Gefühl nichts zu zählen, Bürger der Kategorie B zu sein. Zudem nehme sie mit der Verteilung von Geldmitteln und sonstigen Ressourcen streng nach Proporz zu wenig Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse der italienischsprachigen Bevölkerung, die zum Beispiel mit deren Konzentration in städtischen Wohngebieten zusammenhängen. Ein aktuelles Beispiel ist das sogenannte Toponomastik-Gesetz, mit dem die Ortsnamengebung endlich auf Landesebene geregelt wird. Auch hier wird der SVP unterstellt, ihren Koalitionspartner, die Demokratische Partei, mehr oder weniger erpresst und so eine Regelung durchgesetzt zu haben, mit der die Mehrheit der italienischen Volksgruppe nicht einverstanden ist.

Dieser letzte Punkt, die Ortsnamengebung kann auch mehr aus einer soziologischen beziehungsweise psychologischen Sicht gedeutet werden. Vonseiten der italienischen Volksgruppe besteht die Befürchtung, man wolle ihr das Heimatrecht verwehren, indem schrittweise italienische Ortsnamen eliminiert würden. Das Ganze sei eine Strategie, Südtirol wieder rein deutsch zu machen. Ähnlich lautet die Argumentation in der Auseinandersetzung um die sogenannten faschistischen Denkmäler. Auch dort beklagen viele Exponenten der italienischen Volksgruppe, die SVP verhalte sich rücksichtslos beziehungsweise arrogant und wolle das historische Erbe der Italiener in Südtirol zerstören. Dem wird allerdings von anderen entgegengehalten, das Gefühl der Heimatlosigkeit und Ausgrenzung sei selbst verschuldet, weil sich viele Personen italienischer Muttersprache zu wenig auf die Besonderheiten Südtirols einlassen, weil sie zu schlecht Deutsch sprechen, und sich zu viel für nationale und zu wenig für lokale Themen interessieren würden (vgl. Guidiceandrea/Mazza 2012). Gelegentlich wird auch eine wirtschaftliche Schlechterstellung der italienischen Sprachgruppe in Südtirol behauptet und diese mit dem Verlust traditioneller Berufsfelder oder den hohen Wohnungspreisen in Bozen begrün­det (vgl. den Beitrag von Luca Fazzi „Il disagio degli italiani tra retorica e ­realtà“ in diesem Band), obwohl es wenig „harte“ Belege für diese These gibt.

2. Fakten und Daten der historischen Entwicklung

2.1. Die Stärke der Volksgruppen im zeitlichen Verlauf

Wenn Lucio Guidiceandrea die italienische Volksgruppe in Südtirol als „Überbleibsel eines gescheiterten Kolonisationsversuches bezeichnet, so nimmt er auf die gezielte Politik der Italianisierung Bezug, mit welcher das faschistische Regime das ursprünglich zu rund 90 Prozent deutschsprachige Südtirol in ein ganz oder mehrheitlich italienischsprachiges Land zu verwandeln suchte. Dazu wurden im Wesentlichen zwei politische Instrumente eingesetzt: (1) erzwungene Assimilierung durch das Verbot der deutschen Sprache in Öffentlichkeit und Schule, (2) Ansiedlung von Zuwanderern aus anderen italienischen Regionen (Beamte, Arbeiter in den zu diesem Zweck errichteten Industriezonen von Bozen und Meran). Beide Arten von Maßnahmen setzten in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein und dauerten rund zwei Jahrzehnte an, ehe das Hitler-Mussolini-Abkommen über die Aussiedlung der deutschsprachigen Südtiroler geschlossen wurde, das diese nur teilweise erfolgreichen Maßnahmen radikal zu Ende führen sollte (vgl. Pallaver/Steurer 2011). Tatsächlich verließen zwischen 1939 und 1943 rund 75.000 deutschsprachige Südtiroler im Zuge der sogenannten Option das Land – etwa ein Drittel des Bestandes der Volksgruppe – von denen nur zwischen 20.000 und 25.000 nach dem Weltkrieg als „Rücksiedler“ wieder heimkehrten (vgl. Lechner 1988, Leidlmaier 1958). Als sich die Zuwanderung aus anderen italienischen Regionen nach Südtirol auch nach der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1945 fortsetzte, während viele junge deutschsprachige Südtiroler auf der Suche nach Arbeit zumeist nach Deutschland auswanderten, charakterisierte der Volkstumskämpfer und Herausgeber der Tageszeitung „Dolomiten“ Kanonikus Michael Gamper im Jahr 1953 diese Entwicklung mit dem berühmten Diktum vom „Todesmarsch der Südtiroler“. Die statistischen Daten, mit denen er diese Behauptung untermauerte, sind durchaus umstritten, doch sie brachte die Stimmung unter den deutschsprachigen Südtiroler auf den Punkt und führte nach Bombenanschlägen, UNO-Resolutionen und zähen Verhandlungen zwischen Rom, Bozen, Innsbruck und Wien letztendlich zur Annahme des sogenannten Südtirol-Pakets im Jahre 1969, das Grundlage des 1972 in Kraft getretenen Zweiten Autonomiestatuts war (vgl. Steininger 2003).

Dessen wichtigste Bestimmung, die generelle Einführung des ethnischen Proporzes im öffentlichen Dienst, insbesondere auch bei den staatlichen Verwaltungen und Körperschaften (Landesstellen fielen schon vorher darunter)2, und bei der Zuteilung von Sozialwohnungen, brachte die unglückliche Verquickung der namentlichen Erklärung der Sprachgruppenzugehörigkeit mit der statistischen Erhebung der Stärke der Sprachgruppen mit sich. Anlässlich der allgemeinen Volkszählung des Jahres 1981 mussten erstmals alle in Südtirol ansässigen Bürgerinnen und Bürger angeben, welcher Sprachgruppe sie sich zuordnen wollten. Diese Erklärung diente dann den beiden obengenannten Zwecken zugleich. Und sie stieß auf heftigen Widerstand vonseiten der interethnischen Bewegung um Alexander Langer, der den Zwang zur ethnischen Deklaration als zweite Option bezeichnete und im Bild der ethnischen Käfige zusammenfasste. Die Volkszählung des Jahres 1981 blieb die einzige, in der sich alle statistischen Daten auch nach Sprachguppen aufschlüsseln lassen, schon 1991 wurden die beiden Erhebungen wieder entkoppelt, seit 2011 erfolgt die Angabe der Sprachgruppenzugehörigkeit sogar wieder anonym in der Art einer Volksabstimmung.

Tabelle 1: Bevölkerung Südtirols nach Sprachgruppen laut verschiedenen Volkszählungen

Jahr

Deutsch

Italienisch

Ladinisch

Andere

Insgesamt

Deutsch

Italienisch

Ladinisch

1900

197.822

8.916

8.907

7.149

222.794

91,7 %

4,1 %

4,1 %

1910

223.913

7.339

9.429

10.770

251.451

93,0 %

3,0 %

3,9 %

1921

193.271

27.048

9.910

24.506

254.735

83,9 %

11,7 %

4,3 %

1961

232.717

128.271

12.594

281

373.863

62,3 %

34,3 %

3,4 %

1971

260.351

137.759

15.456

475

414.041

63,0 %

33,3 %

3,7 %

1981

279.544

123.695

17.736

9.593

430.568

66,4 %

29,4 %

4,2 %

1991

287.503

116.914

18.434

17.657

440.508

68,0 %

27,6 %

4,4 %

2001

296.461

113.494

18.736

34.308

462.999

69,2 %

26,5 %

4,4 %

2011

314.604

118.120

20.548

51.795

505.067

69,4 %

26,1 %

4,5 %

Quelle: ASTAT 2012, 19

Die genannten Entwicklungen lassen sich anhand der amtlichen Volkszählungsergebnisse der vergangenen hundert Jahre nachvollziehen (siehe Tabelle 1). Demnach blieb die zahlenmäßige Stärke der deutschen Volksgruppe zwischen 1910 und 1961 ziemlich stabil bei rund 230.000 Personen (der Einbruch des Jahres 1921 ist darauf zurückzuführen, dass vielen deutschsprachigen Südtiroler die italienische Staatsbürgerschaft nicht zuerkannt wurde, weshalb sie als Ausländer galten). Seither nahm sie stetig zu und erreichte offiziell 314.604 Personen im Jahr 2011. Die italienischsprachige Bevölkerung stieg dagegen von 27.048 im Jahr 1921 auf 128.271 im Jahr 1961 an, das heißt sie verfünffachte sich beinahe innerhalb von vier Jahrzehnten, um bis 1971 nochmals um fast 10.000 zuzunehmen. In den folgenden 30 Jahren war jedoch ein Rückgang um circa 24.000 Personen oder rund 18 Prozent gegenüber dem Höchststand festzustellen, dem ein leichter Wieder­anstieg um circa 5.000 Personen auf zuletzt 118.120 Personen folgte. Interessant auch die Entwicklung der Ladiner, die zwischen jener der beiden anderen Volksgruppen liegt: Die Zahl ihrer Angehörigen erlebte nämlich einen kontinuierlichen Zuwachs und erfuhr so zwischen 1921 und 2011 mehr als eine Verdopplung, von knapp 10.000 auf genau 20.548 Personen. Beschränkt man sich, wie bei der Berechnung des offiziellen ethnischen Proporzes, auf die drei anerkannten Sprachgruppen, so ist der Anteil der deutschen Sprachgruppe von 93 Prozent im Jahr 1910, über 84 Prozent im Jahr 1921 bis auf 62 Prozent im Jahr 1961 gesunken, dann jedoch wieder auf 69 Prozent, oder mehr als zwei Drittel, angestiegen. Der Anteil der italienischen Sprachgruppe, der 1910 nur 3 Prozent betrug, wuchs von 12 Prozent im Jahr 1921 auf 34 Prozent, also über ein Drittel, im Jahr 1961, sank dann aber schrittweise wieder ab auf 26 Prozent, ein gutes Viertel also. Der Anteil der ladinischen Sprachgruppe lag über den gesamten Zeitraum hinweg bei etwas über 4 Prozent (zuletzt sogar 4,5 %), ausgenommen die Zählungen 1961 und 1971, wo er auf 3,4 Prozent beziehungsweise 3,7 Prozent zurückfiel.

Schaubild 1

Quelle: ASTAT 2012, 19 (eigene Aufbereitung)

Die Ursachen dieser Entwicklung sind komplex. Es ist nicht leicht festzustellen, in welchem Umfang das Zweite Autonomiestatut und seine politische Umsetzung dafür verantwortlich sind, dass die Zuwanderung aus Italien seit Mitte der 70er-Jahre praktisch zum Erliegen kam. Aber sowohl der ethnische Proporz im öffentlichen Dienst als auch die gezielte Förderung des ländlichen Raumes und die raumordnungspolitische Einschränkung des Wachstums der Städte haben zweifellos einen Einfluss darauf gehabt, dass sich die Beschäftigungschancen für deutschsprachige Südtiroler verbesserten, während das Land als Zuwanderungsgebiet für Italiener aus anderen Regionen an Attraktivität verlor (vermutlich reduzierte sich dort im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs auch der Druck zur Auswanderung). Und natürlich bewirkte die Anforderung der Beherrschung von Italienisch und Deutsch für öffentlich Bedienstete, aber auch für die Beschäftigten in vielen privaten Unternehmen, dass sich die Berufs- und Karrierechancen zwischen den Angehörigen der verschiedenen Volksgruppen verschoben.

Jedenfalls war von Mitte der 70er- bis Mitte der 90er-Jahre ein negativer Wanderungssaldo mit dem übrigen Italien zu verzeichnen (nur mit der Makroregion Süditalien blieb der Saldo positiv). Allein zwischen 1981 und 1990 summierte sich die Differenz aus Abwanderungen und Zuwanderungen zu einem Bevölkerungsverlust von rund 5.000 Personen, die zweifellos großteils italienischer Muttersprache waren (vgl. ASTAT 1991b,111; ASTAT 1997, 107 – eigene Berechnung). Eine weitere Ursache für den zahlenmäßigen Rückgang der italienischsprachigen Bevölkerung Südtirols liegt darin, dass diese eine besonders niedrige Geburtenrate aufwies, und zwar unabhängig davon, ob Frauen im gebärfähigen Alter in großer Zahl abgewandert sind, wie von mancher Seite behauptet (vgl. den Beitrag von Luca Fazzi in diesem Band). Die auffallend niedrige Rate erklärt sich weniger daraus, dass sich die italienische Sprachgruppe vor allem auf urbane Gebiete konzentriert, wo die Geburtenfreudigkeit generell niedrig ist, sondern hängt vor allem damit zusammen, dass die Fruchtbarkeitsziffer italienischsprachiger Frauen in Südtirol fast unabhängig vom Wohngebiet in den 80er-Jahren auf extrem niedrige Werte absank, nämlich rund ein Kind pro Frau. Zum Vergleich lag diese „zeitbezogene Fruchtbarkeitsziffer“ für die deutsche Sprachgruppe bei 1,3 bis 1,5 Kindern pro Frau (vgl. Ascoliano 1998, 25).

Einen weiteren Beitrag zum zahlenmäßigen Einbruch der italienischen Sprachgruppe in Südtirol dürfte das Phänomen der sogenannten Falscherklärungen geleistet haben. Da die Chancen auf eine öffentliche Arbeitsstelle für Angehörige der deutschen und ladinischen Sprachgruppe aus Gründen des „Ausgleichproporzes“ offensichtlich höher waren als für Angehörige der italienischen, hat sich ein bestimmter Anteil von Personen italienischer Muttersprache – genaue Zahlen dazu gibt es nicht – einer der beiden erstgenannten Gruppen zugehörig erklärt. Der beschriebene „ethnische Opportunismus“ war manchen deutschen Volkstumspolitikern ein Dorn im Auge – ein Hauptgrund, weshalb die Verbindung von namentlicher und statistischer Zugehörigkeitserklärung überhaupt geschaffen worden war. Und auch die langen Fristen für „Umerklärungen“ sollten dazu dienen, dass attraktive öffentliche Arbeitsplätze nicht von anderen besetzt wurden als von jenen, für die sie gedacht waren, nämlich die Angehörigen der sprachlichen Minderheiten. Aber im Endeffekt trug das Phänomen dazu bei, die deutsche und die ladinische Sprachgruppe auf Kosten der italienischen zu stärken.

Unabhängig vom schwer feststellbaren Gewicht der beschriebenen Einflussfaktoren bleibt die Tatsache, dass nach einem rasanten Anstieg in den vorhergehenden Jahrzehnten die Zahl von Angehörigen der italienischen Sprachgruppe in Südtirol ab Mitte der 70er-Jahre wieder abnahm, ein Phänomen, das von einigen italienischen Politikern und Kommentatoren in Anspielung an die Parole Michael Gampers als „Todesmarsch der italienischen Sprachgruppe“ gebrandmarkt wurde (so zuletzt von Michaela Biancofiore im November 2011 in der Abgeordnetenkammer anlässlich der Vertrauensabstimmung über die Regierung Monti) (vgl. Marchiodi 2011).

2.2. Der ethnische Proporz

Der ethnische Proporz ist eine der zentralen Bestimmungen des Zweiten Autonomiestatuts. Er betrifft in erster Linie den öffentlichen Dienst und sieht dabei vor, dass die öffentlichen Stellen im Verhältnis zur Stärke der Sprachgruppen, wie sie aus den bei der amtlichen Volkszählung abgegebenen Zugehörigkeitserklärungen hervorgeht, vergeben werden (vgl. den Beitrag von Karl Gudauner in diesem Band). Diese Bestimmung war dazu gedacht, eine Situation zu verändern, die als Spätfolge der Italianisierungspolitik bis in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts bestanden hat, nämlich die überwiegende Besetzung öffentlicher Stellen durch italienischsprachige Personen. Peterlini (1980, 84) liefert eine Fülle von Zahlenangaben dazu. Er zeigt unter anderem auf, dass im Jahr 1975 von knapp 6.000 Stellen bei staatlichen Ämtern, die unter den Proporz fielen, nur 14 Prozent von Angehörigen der deutschen oder der ladinischen Sprachgruppe besetzt waren. Allerdings weist er darauf hin, dass in den örtlichen Körperschaften (Provinz, Gemeinden, Öffentlicher Gesundheitsdienst …) schon 1980 ein viel ausgewogeneres Verhältnis geherrscht hat. Leider fehlt eine Gesamtübersicht.

Eine solche liefert Atz (1991, 158), der die Daten der Volkszählung 1981 zu den Berufstätigen nach Sprachgruppen und nach Wirtschaftszweigen aufschlüsselt, allerdings ohne angeben zu können, in welchen Körperschaften die Personen tätig sind. Dort ergibt sich für die knapp 11.000 Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung im engeren Sinn eine Mehrheit von 64 Prozent für die italienische Sprachgruppe. Bei den „sonstigen Dienstleistungen“, unter die auch Bildungs- und Gesundheitswesen fallen, weicht die Verteilung mit 33 Prozent für die italienische, 64 Prozent für die deutsche und 4 Prozent für die ladinische Sprachgruppe dagegen nur wenig von der Stärke der Sprachgruppen ab (aber auch hier zugunsten der italienischen Sprachgruppe). Zwanzig Jahre vorher, im Jahr 1961, war der Anteil der italienischen Sprachgruppe unter den Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung – obwohl nicht eigens angegeben, ist davon auszugehen, dass es sich vor allem um Staatsstellen handelte – sogar noch bei 75 Prozent gelegen (vgl. Atz 1991, 156). Bei den „sonstigen Dienstleistungen“ erreichte die deutsche Sprachgruppe dagegen 70 Prozent, die italienische 27 Prozent und die ladinische 3 Prozent.

Heutzutage ist als Folge der konsequenten Anwendung des ethnischen Proporzes eine fast vollständige Übereinstimmung zwischen der Stärke der Sprachgruppen laut Volkszählung 2011 und der Verteilung der öffentlich Bediensteten nach erklärter Sprachgruppenzugehörigkeit festzustellen. Von den über 40.000 öffentlich Bediensteten, die es in Südtirol im Jahr 2010 in den verschiedenen staatlichen und lokalen Körperschaften gab, entfallen 69,4 Prozent auf die deutsche, 27,1 Prozent auf die italienische und 3,5 Prozent auf die ladinische Sprachgruppe (vgl. Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt 2012, 85).

Um von einer unverhältnismäßig starken Präsenz von Angehörigen der italienischen Sprachgruppe in der öffentlichen Verwaltung, insbesondere in den gesamtstaatlichen Behörden, und bei wichtigen öffentlichen Diensten auf das nunmehr ausgewogene Verhältnis zu kommen, musste bei Stellenbesetzungen 30 Jahre lang zwangsläufig Personen mit deutscher und ladinischer Sprachgruppenzugehörigkeit der Vortritt gegenüber solchen mit italienischer gegeben werden. Das wurde zwar dadurch etwas abgefedert, dass die öffentliche Verwaltung insgesamt stark expandierte, dennoch bedeutete es, dass ein traditionell wichtiges Berufsfeld für Angehörige der italienischen Sprachgruppe deutlich eingeschränkt wurde.

Ein weiterer Bereich, in dem seit Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts der ethnische Proporz beachtet werden muss, ist der soziale Wohnbau. Im Jahr 1971 waren von knapp 3.000 Sozialwohnungen 80 Prozent Angehörigen der ita­lienischen Sprachgruppe und nur 20 Prozent solchen der deutschen (und der ladinischen) Sprachgruppe zugewiesen. Bis zum Jahr 1985 war die Zahl dieser öffent­lichen Wohnungen bereits auf 8.500 angestiegen, der Anteil der deutsch- und ladinischsprachigen Bewohnerfamilien hatte sich auf 39 Prozent erhöht. Im Jahr 2008 schließlich wurde nur mehr knapp die Hälfte (48 %) der nunmehr über 12.000 Sozialwohnungen von Angehörigen der italienischen Sprachgruppe besetzt, 45 Prozent der Bewohnerfamilien gehören der deutschen Sprachgruppe an, 2 Prozent der ladinischen. Dazu kommen noch 5 Prozent, die von „anderen“, also von Bür­ger aus Staaten, die nicht zur EU gehören, bewohnt werden (vgl. Morello/­Altieri/Spitaler, 153). Somit handelt sich auch bei den Sozialwohnungen um einen Bereich, wo die frühere Privilegierung der italienischsprachigen Bevölkerung zwar nicht verschwunden ist, jedoch deutlich abgenommen hat. Dass sie überhaupt noch fortbesteht, liegt einerseits daran, dass einmal zugewiesene Sozialwohnungen in der Regel ein Leben lang benutzt werden können, andererseits an der Berücksichtigung von Kriterien der Bedürftigkeit. Da der Anteil an Eigenheimen in der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung aus historischen und soziologischen Gründen von jeher höher liegt als in der italienischsprachigen, erfüllten mehr Angehörige der letztgenannten Sprachgruppe die notwendigen Voraussetzungen für die Zuweisung einer Sozialwohnung. In den letzten Jahren sind es viele Migrantenfamilien, auf die dasselbe zutrifft, sodass vor allem diese zum Zuge kämen, wenn nicht vonseiten der Landesregierung versucht worden wäre, hier mit normativen Maßnahmen eine Obergrenze festzulegen.3

2.3. Politische Repräsentation und Partizipation

Auch die Südtiroler Landesregierung unterliegt dem Proporz, und zwar muss die ethnische Zusammensetzung der Landesregierung der Stärke der drei Sprachgruppen im Landtag entsprechen (jeder Kandidat muss vor der Wahl seine Sprachgruppenzugehörigkeit erklären). Damit ist zumindest die Präsenz von italienischsprachigen Mitgliedern in der Landesregierung gesichert. Allerdings muss der Landeshauptmann und seine Regierung nur als Ganzes das Vertrauen des Landtags haben, nicht das jeder einzelnen Volksgruppe. Deshalb folgte die dominierende Südtiroler Volkspartei der Logik jeder Koalitionsbildung, nämlich schwächere Koalitionspartner zu bevorzugen, solange sie zur nötigen Mehrheit verhelfen oder – im Südtiroler Fall – die notwendige Zahl an Regierungsmitgliedern aus den Reihen ihrer gewählten Abgeordneten stellen können. Dies wiederum hatte zur Folge, dass in den letzten Jahrzehnten nicht die am meisten gewählten italienischen Parteien an der Regierung waren, sondern jene, die der SVP ideologisch am nächsten stehen beziehungsweise am ehesten bereit waren, die Politik der SVP mitzutragen. Vonseiten der ausgegrenzten Parteien, insbesondere der neofaschistischen Partei und ihren Nachfolgeparteien Alleanza Nazionale, Forza Italia beziehungsweise Popolo della Libertà und Unitalia wurde das immer als Missachtung des Wählerwillens gedeutet.

Tabelle 2: Stimmenanteile der regierungsbildenden Parteien im Südtiroler Landtag

Landtags­wahlen

SVP

DC/PPI,

Centro

PSI/PSDI

PDS/PD

Anteil ital. Koalitions­partner

Anteil
Landes­regierung

1973

56,4

14,1

5,6

19,7

76,1

1978

61,3

10,8

2,3

13,1

74,4

1983

59,4

9,6

3,9

13,5

72,9

1988

60,4

9,1

4,0

13,1

73,5

1993

52,0

4,4

2,9

7,3

59,3

1998

56,6

4,5

3,5

8,0

64,6

2003

55,6

3,7

3,8

7,5

63,1

2008

48,1

6,0

6,0

54,1

Quelle: Südtiroler Landesregierung 2012; eigene Aufbereitung

Bekanntlich war die Südtiroler Volkspartei seit den ersten Wahlen nach dem Krieg immer mit absoluter Mandatsmehrheit (bis 2003 auch mit absoluter Stimmenmehrheit) im Südtiroler Landtag vertreten und konnte so den Landeshauptmann und den Großteil der Regierungsmitglieder stellen. Aus den oben erwähnten Gründen musste sie sich dennoch immer italienische Koalitionspartner suchen. Ursprünglich waren dies die Democrazia Cristiana (DC), zu der später die Sozialistische beziehungsweise die Sozialdemokratische Partei hinzukamen. Als diese nicht mehr genügend Abgeordnete für die zustehenden Regierungsämter hatten, erfolgte die Öffnung zu den Nachfolgeparteien der Kommunistischen Partei Italiens, deren sozialdemokratischer Flügel DS vor der letzten Wahl mit den eher links orientierten Teilen der ehemaligen DC zur Demokratischen Partei fusionierte.

Interessant ist aber vor allem, wie der Stimmenanteil dieser Koalitionspartner von knapp 20 Prozent im Jahr 1973 über rund 13 Prozent in den 80er-Jahren auf nur mehr 6 bis 8 Prozent seit 1993 absank. Das bedeutet, dass die italienische Präsenz in der Landesregierung in den letzten 20 Jahren nur mehr bei einem Viertel bis einem Drittel aller für italienische Parteien abgegebenen Stimmen liegt. Und genau dieser Umstand gab Anlass zur erwähnten Kritik an der SVP, der vorgeworfen wird, arrogant zu sein und den italienischen Wählerwillen nicht zu achten – ein Umstand, der als eine der Ursachen des italienischen Unbehagens häufig genannt wird, wobei die Kritik sich natürlich nicht nur auf die zahlenmäßigen Verhältnisse, sondern natürlich auch auf die politischen Inhalte, wie die Verabschiedung von Gesetzen und Verordnungen, Entscheidungen über Großprojeke und andere Finanzierungen oder die Besetzung wichtiger Ämter im öffentlichen und halböffentlichen Bereich bezieht.

Schaubild 2

Quelle: Südtiroler Landesregierung 2012, eigene Aufbereitung

Parallel zur abnehmenden Repräsentation der italienischsprachigen Wählerschaft in der Exekutive des Landes lässt sich ein Rückgang ihrer politischen Partizipation beobachten. Die Wahlbeteiligung von Angehörigen der italienischen Volksgruppe bei den Landtagswahlen 1998, 2003 und 2008 ist durch eine fortschreitende Abnahme gekennzeichent. Eine Schätzung ergibt, dass rund 30 Prozent der italienischsprachigen Wahlberechtigten der Wahl im Jahr 2008 ferngeblieben sind, während der Anteil der Wahlenthaltung auf deutsch-ladinischer Seite nur halb so hoch lag. Und dieses Phänomen ist nur zum geringeren Teil aus dem unterschiedlichen Urbanisierungsgrad der Volksgruppen zu erklären, denn auch in städtischen Wahlkreisen hängt die Wahlbeteiligung stark von der ethnischen Zusammensetzung der Wählerschaft ab (vgl. Atz 2009, 215). In der Interpretation von Riccioni (vgl. den Beitrag in diesem Band) wäre darin ein deutliches Anzeichen für den disagio der italienischen Volksgruppe zu sehen. An dieser Stelle ist jedoch auf ein weiteres Phänomen hinzuweisen, nämlich jenes der zunehmenden Attraktivität der Südtiroler Volkspartei für die italienische Volksgruppe. Für die Landtagswahlen des Jahres 2008 gilt als gesichert, dass der SVP mindestens 5.000 Stimmen vonseiten italienischsprachiger Wählerinnen und Wähler zugeflossen sind, was beinahe einem Mandat entspricht (vgl. Atz 2009, 229). Auch neueste Meinungsumfragen bestätigen einen Anteil von 9 Prozent bis 15 Prozent an Angehörigen der italienischen Sprachgruppe, die der SVP bei Landtagswahlen ihre Stimme geben würden.4 Dieser Befund wird auch durch weitere Umfragedaten gestützt, die eine große Beliebtheit von Landeshauptmann Durnwalder und eine hohe Zufriedenheit mit den Leistungen der Landesregierung gerade in der italienischen Volksgruppe erkennen lassen.5 Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass die Ausgrenzung der am meisten gewählten italienischen Parteien aus der Landespolitik weniger die SVP als die eigene politische Vertretung der italienischsprachigen Wählerschaft geschädigt hat. Das Unbehagen in der italienischen Volksgruppe lässt sich somit nicht so eindeutig der deutschen Seite anlasten, wie dies im oben ausgeführten politischen Diskurs gern geschieht.

2.4. Politisch besetzte Führungsfunktionen

Ein besonders wirkkräftiges Symbol für das Ungemach der italienischen Volksgruppe in Südtirol stellt die Besetzung von öffentlichen Führungsfunktionen dar, wo der Vorsitz gewöhnlich an Angehörige der deutschen Sprachgruppe geht, während den Angehörigen der italienischen Sprachgruppe allenfalls die Rolle des Stellvertreters beziehungsweise der Stellvertreterin bleibt. Dabei trifft dieser Vorwurf auf die Spitzen der Landesverwaltung gar nicht zu, denn auch auf der Direktionsebene entsprechen die Anteile der Sprachgruppen ziemlich genau dem Proporz – wenn es Abweichungen gibt, dann sogar eher zugunsten der italienischen Sprachgruppe (vgl. den Beitrag von Karl Gudauner in diesem Band).

Ein ganz anderes Bild zeigt sich jedoch bei den Verwaltungsräten öffentlicher Körperschaften und öffentlich kontrollierter Gesellschaften. Von 16 Verwaltungsratsvorsitzenden derartiger Agenturen gehörten zum Stichtag 1.1.2010 elf der deutschen, drei der italienischen und zwei der ladinischen Sprachgruppe an. Allerdings handelte es sich bei den italienisch geführten um solche, die sich ohnehin nur an diese Sprachgruppe wenden (Pädagogisches Institut, Landesbibliothek und Institut für Musikerziehung), ebenso wie bei den ladinisch geführten (Pädagogisches Institut, Kulturinstitut). Unter den deutsch geführten finden sich dagegen eine ganze Reihe, die sich an alle Sprachgruppen wenden (u. a. der Sonderbetrieb für die Feuerwehr- und Zivilschutzdienste, die Fachhochschule für Gesundheitsberufe „Claudiana“, die land- und forstwirtschaftliche Versuchsanstalt Laimburg, die Forst- und Domänenverwaltung, das Arbeitsförderungsinstitut, das Landesmuseum Schloss Tirol). Noch einseitiger ist die Verteilung bei privatrechtlichen Gesellschaften, in denen das Land Allein- oder Miteigentümer ist und daher ein Recht auf die Ernennung von Verwaltungsräten hat: An zwölf dieser Gesellschaften ist das Land mit mindestens 50 Prozent beteiligt und alle zwölf Vorsitzenden sind deutschsprachig. Darunter befinden sich so wichtige Unternehmen beziehungsweise Gesellschaften wie SEL-AG, Südtiroler Informatik-AG (SIAG), KlimaHaus, Messe Bozen, Therme Meran, Business Location Südtirol (BLS), Südtirol-Marketing KAG (SMG) und Techno Innovation Südtirol (TIS).6

2.5. Einkommen und Besitz

Die angebliche wirtschaftliche Benachteiligung der italienischen Sprachgruppe wird durch die amtlichen statistischen Daten nicht gestützt. Die wenigen Merkmale, die es in der Untergliederung nach Sprachgruppen gibt, weisen für die italienische Sprachgruppe stets höhere Durchschnittswerte als für die deutsche auf (die Werte für die Ladiner sind wegen der geringen Fallzahlen nicht ganz zuverlässig). Die Unterschiede sind allerdings relativ gering – man kann deshalb argumentieren, dass das nominell höhere Einkommen von italienischsprachigen Personen und Haushalten durch die in städtischen Wohngebieten höheren Lebenshaltungskosten so stark kompensiert werde, dass sich daraus ein Nachteil ableiten lasse. Aber abgesehen von den Wohnungskosten, wo höhere Preise in der Stadt außer Zweifel stehen, handelt es sich dabei um reine Vermutungen. Fakt ist jedoch, dass italienischsprachige Haushalte seltener Eigentümer der eigenen Wohnung sind, somit häufiger Mieter bei privaten Hausbesitzern oder Bewohner von Sozialwohnungen (siehe Tabelle 3).

Tabelle 3: Einkommen nach Sprachgruppe – 2008, 2003 und 1998

Jahr

Deutsch

Italienisch

Ladinisch

Insgesamt

Persönliches Gesamteinkommen ­(Mittelwert, 1.000 Euro)

2003

16,1

17,0

16,0

16,3

Persönliches Gesamteinkommen ­(Mittelwert, Millionen Lire)

1998

23,8

25,2

21,9

24,4

Bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen (Mittelwert, 1.000 Euro)

2008

19,8

19,9

24,1

19,8

Standardisiertes Pro-Kopf-Einkommen (Mittelwert, 1.000 Euro)

2003

14,1

15,2

13,1

14,3

Haushalt mit Wohnungsbesitz ­(Prozentanteil)

2008

68,4

54,7

71,6

60,2

Quelle: ASTAT 2010, 35 und 56; Zeppa/Vogliotti 2006, 10 und 15; ASTAT 2000, 47

3. Das subjektive Ungemach/Unbehagen

3.1. Einstellung zu den Säulen der Autonomie

Die Einstellung zu den sogenannten Säulen der Autonomie, ethnischer Proporz und Zweisprachigkeit, wurde mehrfach in groß angelegten Befragungen demoskopisch untersucht. Schon 1986 ergab eine Meinungsbefragung unter italienischsprachigen Bewohner von Bozen und Leifers, dass diese den Autonomiebestimmungen gegenüber sehr kritisch eingestellt waren: Je 52 Prozent hielten es zwar für richtig, dass die deutschsprachige Minderheit durch das Autonomiestatut geschützt wird beziehungsweise dass die Zweisprachigkeitspflicht im öffentlichen Dienst besteht, doch nur 9 Prozent fanden das Kriterium des Proporzes in Südtirol gerecht; als Hauptgründe für die Ablehnung wurden angeführt, dass der Bedarf nicht berücksichtigt würde und dass der Proporz die deutsche Sprachgruppe privilegiere (vgl. Atz 1987, 116). Aufschlussreich sind vor allem zwei vom Landesinstitut für Statistik ASTAT durchgeführte Studien aus den Jahren 1991 (vgl. Atz 1992) beziehungsweise 2004 (vgl. ASTAT 2006). Darin zeigt sich eine große Kluft zwischen den Volksgruppen in der Bewertung des ethnischen Proporzes. Im Gegensatz zu deutsch- und ladinischsprachigen Befragten bewertet nur eine Minderheit von Befragten, die sich der italienischen Sprachgruppe zurechnen, den Proporz als Instrument der ethnischen Friedenssicherung. Umgekehrt sind vier von fünf italienischsprachigen Befragten der Überzeugung, dass die starre Anwendung des Proporzes in einem Europa „ohne Grenzen“ überholt sei; in den anderen beiden Sprachgruppen liegt der entsprechende Anteil nur bei einem Drittel. Ganz ähnlich sind die Ergeb­nisse, wenn danach gefragt wird, wie die Zuteilung von Sozialwohnungen beziehungsweise die Vergabe von öffentlichen Stellen nach Proporz bewertet wird. Lediglich in der Einschätzung, dass der Proporz einen Vorteil für die einheimischen Arbeitskräfte bedeutet, sind sich die drei Sprachgruppen einig.

Tabelle 4: Einstellung zum ethnischen Proporz – 2004, 1997 und 1991
(Prozentanteil Zustimmung)

Jahr

Deutsch

Italienisch

Ladinisch

Insgesamt

Der Proporz trägt zum friedlichen ­Zusammenleben bei

2004

76,6

44,4

71,0

68,9

1997

86

54

81

75

1991*

85,4

43,8

78,5

70,1

Die Anwendung des Proporzes kann die Qualität der Dienstleistungen ­beeinträchtigen

2004

48,0

74,3

54,0

54,4

Die starre Anwendung des Proporzes ist in einem Europa „ohne Grenzen“ überholt

2004

32,6

79,8

33,9

43,5

1997**

30

81

34

48

Die Anwendung des Proporzes begünstigt die einheimische Bevölkerung

2004

71,1

74,4

84,1

72,0

Sind Sie mit dem ethnischen Proporz bei der Zuteilung von Sozialwohnungen einverstanden?

1997

85

55

85

75

Sind Sie mit dem ethnischen Proporz bei der Vergabe öffentlicher Stellen einverstanden?

1997

86

44

82

72

Sollte Ihrer Meinung nach die Pflicht zur Zwei- beziehungsweise Dreisprachigkeits­prüfung für den öffentlichen Dienst ­beibehalten oder abgeschafft werden?

2004

92,4

58,4

91,2

84,4

* Neuberechnung ohne „weiß nicht“; ** Formulierung abweichend

Quelle: ASTAT 2006, 96 und 181–187; Haller 2000, 79

Interessante Unterschiede lassen sich auch in Bezug auf die Zweisprachigkeitspflicht im öffentlichen Dienst feststellen. Im Jahr 1991 sprachen sich zwar nur 12,3 Prozent der italienischsprachigen Befragten für eine vollständige Abschaffung dieser Pflicht aus (aber auch 7,7 % der ladinischen und 3,6 % der deutschsprachigen), doch eine deutliche Mehrheit von ihnen (55,3 %) wollte die Pflicht zur Beherrschung beider großer Landessprachen auf Beamte mit Publikumskontakt beschränkt wissen (36,7 % der ladinischen und 17,0 % der deutschsprachigen Befragten vertraten dieselbe Meinung). Anders gesagt, nur rund ein Drittel der Angehörigen der italienischen Sprachgruppe erklärte sich mit dem Ist-Zustand der fast alle öffentlich Bediensteten umfassenden Pflicht zur Zweisprachigkeit einverstanden, während dies auf vier von fünf deutschsprachigen und auch eine klare Mehrheit der ladinischen Befragten zutraf (vgl. Atz 1992, 95). Ähnlich stark weichen die Meinungen im Jahr 2004 voneinander ab: Während sich nur 7,6 Prozent der deutschsprachigen und 8,8 Prozent der ladinischen Befragten für eine Abschaffung der Pflicht zur Zwei- beziehungsweise Dreisprachigkeits­prüfung aussprachen, waren es unter den italienischsprachigen 41,6 Prozent (vgl. ASTAT 2006, 96).

In den genannten Ergebnissen spiegelt sich deutlich wider, dass die „Säulen der Autonomie“ zwar von einer großen Mehrheit der Angehörigen der ethnischen Minderheit (deutsche und ladinische Sprachgruppe) begrüßt werden, dass sie aber nur von einer Minderheit der italienischsprachigen Befragten mitgetragen werden. Einiges spricht dafür, dass diese Maßnahmen des Minderheitenschutzes zunehmend auch von der italienischen Volksgruppe akzeptiert werden, doch fehlen aktuelle statistische Daten, um eine solche Entwicklung zu belegen, denn die letzte derartige Untersuchung des ASTAT geht auf das Jahr 2004 zurück.

3.2. Soziale Beziehungen und Sprachbarrieren

Die Südtiroler Gesellschaft ist, vor allem im privaten Bereich, nach wie vor relativ stark segmentiert, wobei die Sprachgrenzen eine entscheidende Trennlinie bilden (vgl. Atz 2012). Eine uneingeschränkte Teilhabe am sozialen und politischen Leben ist in einer multiethnischen beziehungsweise mehrsprachigen Gesellschaft nämlich nur dann möglich, wenn alle ihre Mitglieder zumindest eine gemeinsame Verkehrssprache beherrschen, besser aber alle wichtigen Umgangssprachen. Die Bedeutung von Zweitsprachkenntnissen steht deshalb auch in den Augen der Bevölkerung außer Diskussion: Im Jahr 2004 erklärten bei der schon zitierten Umfrage des Landesinstituts für Statistik – ASTAT fast drei Viertel (72 %), die Beherrschung der Zweitsprache sei „sehr wichtig“, ein weiteres Viertel (25 %), sie sei „ziemlich wichtig“; nur 2 Prozent der Befragten wollten ihr geringe oder keine Wichtigkeit zumessen (vgl. ASTAT 2006, 196).

Die Wirklichkeit sieht jedoch so aus, dass zu anspruchsvolleren Gesprächen in der jeweiligen Zweitsprache 59 Prozent der Personen deutscher Muttersprache fähig­ sind – darunter rund ein Viertel aller deutschsprachigen Befragten, die sagen, sie könnten sich auf Italienisch „spontan und flüssig“ ausdrücken. Unter Personen italienischer Muttersprache liegt der entsprechende Anteil nur bei gut einem Viertel (27 %); ein knappes Zehntel gibt an, sich auf Deutsch ohne Probleme unterhalten zu können (vgl. ASTAT 2006, 138–153).

Diese Sprachbarrieren werden von den Menschen durchaus als Einschränkung in ihren sozialen Beziehungen erlebt. So erklärten relativ viele Personen im Jahr 1997 auf die Frage „Glauben Sie, dass Ihre Zugehörigkeit zu einer der Sprachgruppen in Südtirol Sie in Ihren sozialen Beziehungen benachteiligt?“, dass dies aufgrund mangelndem Sprachverständnis (19,6 %) oder durch das verschlossene Verhalten der anderen Sprachgruppen (14,6 %) gegeben sei. Nur wenige führten auch die freiwillige Selbstisolierung der eigenen Sprachgruppe (3,6 %) beziehungsweise die Schwierigkeit einflussreiche Personen kennenzulernen (4,3 %) als Ursache von Benachteiligung an. Diese Schwierigkeiten in den sozialen Beziehungen sind aber ein Problem, das vor allem die italienischsprachige Bevölkerung erlebt. Sie gab zu 42 Prozent Sprachprobleme und zu 32 Prozent die Verschlossenheit der anderen als Benachteiligungsgrund an. Mehrheitlich (59 %) fühlten sich italienischsprachige Befragte in irgendeiner Form sozial benachteiligt, während es bei den deutschsprachigen lediglich 18 Prozent waren, bei den ladinischen gar nur 4 Prozent (vgl. Censis 1997, 69).

Nicht selten wird der in Südtirol weit verbreitete Gebrauch des deutschen Dialekts als „Verschlossenheit“ der deutschen Sprachgruppe interpretiert oder zu­mindest verantwortlich gemacht für die Schwierigkeiten der italienischsprachigen Bürgerinnen und Bürger Südtirols, die Zweitsprache zu erlernen. Es sind die Angehörigen der italienischen Sprachgruppe selbst, die darin neben mangelndem Willen (43 %) eine Hauptursache für ihre Sprachschwierigkeiten sehen (40 %) (vgl. ASTAT 2006, 175–178). Mehrheitlich (63 %) wird von italienischsprachigen Befragten auch anerkannt, dass deutsche Dialektkenntnisse förderlich für das Zusammenleben wären, allerdings nicht so einhellig, wie das bei deutschsprachigen Befragten der Fall ist (89 %) (vgl. ASTAT 2006, 170).

Somit ist in den unzureichenden Sprachkenntnissen eines erheblichen Teils der italienischsprachigen Bevölkerung Südtirols ein weiterer bedeutender Faktor für das Ungemach der Volksgruppe zu sehen. Die allmähliche Verbesserung ihrer Kompetenzen im Bereich der Zweitsprache, die sich auch empirisch nachweisen lässt (vgl. Atz 2012), sollte deshalb auch einen Abbau dieser Art von Benachteiligung zur Folge haben.

3.3. Toponomastik – geografische Namen

Im vergangenen Jahr 2012 wurde von der Südtiroler Landesregierung endlich ein jahrzehntelang angekündigtes Gesetz verabschiedet, mit dem die amtliche Verwendung von geografischen Namen geregelt werden soll. Ob es in der vorliegenden Form in Kraft treten kann, hängt allerdings vom Ausgang eines Rekurses beim Verfassungsgerichtshof ab, den die nationale Regierung eingelegt hat. Bei diesem Gegenstand handelt es sich um ein ethnopolitisch besonders sensibles Thema, da die Abschaffung der deutschen Orts- und Flurnamen durch die faschistische Regierung und ihre Ersetzung durch Kreationen des italienischen Nationalisten und Vertrauten von Diktator Mussolini, Ettore Tolomei, von deutscher Seite immer als großes Unrecht empfunden und gebrandmarkt worden ist. Das neue Landesgesetz will nicht nur dieses Unrecht aufheben und den alten Namen wieder Gültigkeit verschaffen, sondern auch die weniger gebräuchlichen und kulturgeschichtlich unbegründeten italienischen Bezeichnungen aus dem amtlichen Verkehr entfernen. Letzteres ist aber im Autonomiestatut nicht vorgesehen, wo ausdrücklich von der Verpflichtung zur Zweisprachigkeit bei der Ortsnamengebung gesprochen wird. Deshalb haben Exponenten der italienischen Volksgruppe, aber auch andere Interessengruppen und Persönlichkeiten davor gewarnt, dass hier eine sprachliche Säuberung geplant sei, die darauf abziele, 90 Jahre italienischer Präsenz im Land zu ignorieren und der italienischsprachigen Bevölkerung das Heimatrecht abzusprechen. Zudem wurde das in diesem Landesgesetz festgelegte Verfahren kritisiert, wonach die Gebräuchlichkeit von Namen von den Bezirksgemeinschaften zu überprüfen ist (eine Bestimmung, die auf Betreiben des Koalitionspartners PD ins Gesetz kam, denn der ursprüngliche Entwurf hatte diese Aufgabe den Gemeinden zugewiesen).

In der mehrfach erwähnten ASTAT-Studie des Jahres 2004 wurde auch zu diesem Thema die Meinung der Bevölkerung erhoben. Demnach wird die Frage in allen Volksgruppen nur von rund der Hälfte der Befragten als wichtig bezeichnet (in der deutschen Sprachgruppe liegt der entsprechende Anteil sogar unter 40 %), wobei aber 8 Prozent überhaupt keine Meinung haben. Deutliche Unterschiede im Meinungsbild ergeben sich jedoch, sobald danach gefragt wird, ob die Orts- und Flurnamen durchgängig zwei- beziehungsweise dreisprachig sein sollten. Diese Ansicht vertreten nämlich die überwiegende Anzahl von italienischsprachigen und der größere Teil der ladinischen Befragten, während sich in der deutschen Sprachgruppe nur eine Minderheit zu diesem Prinzip bekennt. Eine vergleichbare Um­frage von „Apollis“ im Auftrag von „ff“ – Südtiroler Illustrierte hatte im Jahr 1993 einen etwas höheren Anteil von Personen ergeben, die das Problem als wichtig bezeichneten, unter italienischsprachigen Befragten war es sogar eine klare Mehrheit (60 %). Deutlicher war damals auch die Forderung nach durchgehender Zweisprachigkeit in der Ortsnamensgebung ausgefallen; sie erzielte nicht nur unter Angehörigen der italienischen Sprachgruppe eine sehr hohe Zustimmungsquote (95 %), sondern wurde auch von der Mehrheit der deutschsprachigen Befragten geteilt (57 %). Dabei ist aber auf die unterschiedliche Formulierung der Frage zu achten (siehe Tabelle 5).

Tabelle 5: Meinungen der verschiedenen Sprachgruppen zur Toponomastik – 2004 und 1993 (Prozentanteil Zustimmung, Basis inkl. „weiß nicht“)

Jahr

Deutsch

Italienisch

Ladinisch

Insgesamt

Ist die Ortsnamensfrage ein wichtiges Thema (Problem) für Sie?

2004

37,8

48,8

54,8

40,9

1993

41,0

61,1

47,8

Müssten Ihrer Meinung nach alle Orts- und Flurnamen zweisprachig (dreisprachig) sein?

2004

35,0

75,5

60,0

44,9

Man sollte alle Ortsnamen zweisprachig lassen.7

1993

57,2

94,8

70,9

Sollten die Benennungen neuer Ortschaften zweisprachig (dreisprachig) sein?

2004

46,9

74,6

57,5

53,4

Quelle: ASTAT 2006, 200; apollis 1993

Symbolik und Stellvertreterfunktion des Kampfes um die Ortsnamen treten mit aller Deutlichkeit hervor, wenn man sich die Auseinandersetzungen der letzten Jahre um die alpinen Wegweiser vor Augen führt. Hierbei geht es darum, dass Freiwillige des deutschsprachigen Alpenvereins AVS Tausende von Wegweisern aufstellten, auf denen nur die deutschen Bezeichnungen von Bergen, Almen, Seen und so weiter, teilweise auch von Weilern, Dörfern und Städten aufscheinen. Dies führte zu einer richtigen Medienkampagne, die in gerichtliche Untersuchungen mündete – angeblich sind dafür öffentliche Geldmittel aufgewendet worden, dann läge eine Verletzung der Zweisprachigkeitspflicht vor – und in die sich auch die Zentralregierung einschaltete, was schließlich zum Einsatz einer Expertenkommission und zum sogenannten Durnwalder-Fitto-Abkommen führte.8 Die Heftigkeit der Auseinandersetzung zeigt auf, wie stark die Sorge vieler italienischsprachiger Südtiroler ist, man wolle ihnen das Heimatrecht verweigern.

3.4. Wahrgenommene Benachteiligung als Sprachgruppe

Die Zuweisung von Ressourcen nach Sprachgruppe, die Verbindung individueller Rechte mit der Zugehörigkeitserklärung und vor allem Maßnahmen der posi­tiven Diskriminierung, wie es die Bevorzugung von deutschsprachigen oder ladi­nischen Bewerbern bei der Vergabe öffentlicher Stellen darstellt – eine Maßnahme, die notwendig war, um die Verteilung der öffentlich Bediensteten jener Sprachgruppen aufgrund der Volkszählungsergebnisse anzugleichen –, haben fast un­weigerlich zur Folge, dass ethnische Gruppen sich ganz oder in Teilbereichen benachteiligt fühlen. Analysiert man, wie sich die diesbezüglichen Meinungen im Zeitraum zwischen 1991 und 2004 entwickelt haben, so zeigt sich ein weitgehend gleichbleibendes Muster, allerdings mit Tendenz zu abnehmender Gewichtung des Problems (vgl. Atz 2012). In drei verschiedenen Untersuchungen, zu drei verschiedenen Zeitpunkten waren es immer die italienischsprachigen Befragten, die am häufigsten das Gefühl hatten, als Sprachgruppe benachteiligt zu werden. 78 Prozent von ihnen fühlten sich 1991 „allgemein benachteiligt“, im Jahr 2004 lag der entsprechende Anteil bei 69 Prozent (vgl. ASTAT 1991, 11; ASTAT 2006, 196–200). 1997 wurde nur nach spezifischen Bereichen gefragt, aber auch hier ist der Anteil jener, die keinerlei Nachteile durch die ethnische Zugehörigkeit verspüren, in der italienischen Sprachgruppe mit 34 Prozent am niedrigsten (vgl. Censis 1997, 67). Wenn nach verschiedenen Lebensbereichen gefragt wird, dann nennen Angehörige der italienischen Sprachgruppe an erster Stelle die Arbeitswelt beziehungsweise den Zugang zum Arbeitsmarkt, gefolgt von „Politik und Gesellschaft“ und Wohnungswesen. Auffällig ist dabei das Auseinanderklaffen der wahrgenommenen Benachteiligung im Bereich „Arbeit und Beruf“: 82,5 Prozent der deutschsprachigen, 74,0 Prozent der ladinischen, aber nur 26,9 Prozent der italienischsprachigen Befragten empfinden keinerlei Diskriminierung in diesem Bereich. Anders herum betrachtet: Drei von vier Angehörigen der italienischen Sprachgruppe fühlen sich in der Arbeitswelt zumindest gelegentlich benachteiligt (vgl. ASTAT 2006, 80).

3.5. Ethnische Identität als Indikator der Verwurzelung

Das Unbehagen der italienischen Volksgruppe in Südtirol wird immer wieder mit der fehlenden Verwurzelung in einer lokalen Heimat in Verbindung gebracht. Ein Indikator dafür ist die sogenannte ethnisch-regionale oder territoriale Identität. Danach gefragt, als was sie sich am meisten fühlen, bezeichnet sich ein sehr großer Teil der deutschsprachigen Befragten als „Südtiroler/in“ (86 %), Tiroler/in (2 %) oder „Deutsche/r“ (1 %), ebenso sehen sich die Angehörigen der ladinischen Volksgruppe zumeist als „Ladiner/in“ (73 %) oder „ladinischsprachige/r Südtiroler/in“ (11 %), aber auch einfach als „Südtiroler/in“ oder „Tiroler/in“ (zusammen 9 %). Viel weniger mit dem Gebiet der Provinz Bozen verbunden ist das Selbstverständnis bei italienischsprachigen Befragten, die sich nur zu einem Viertel als „ita­lie­nisch­sprachige/r Südtiroler/in“ (14 %) oder „Altoatesino/a“ (10 %) begreifen, sich mehrheitlich jedoch als „Italienier/in“ (53 %) beziehungsweise als „Europäer/in“, „Weltbürger/in“ oder anderes sehen (vgl. ASTAT 2006, 158–160).

Ein ganz ähnliches Selbstverständnis findet sich in der jungen Generation: Jugend­liche deutscher und ladinischer Sprache fühlen sich am stärksten mit ihrer Gemeinde, ihrer Talschaft oder allgemein mit Südtirol verbunden (zusammen über 80 %), Jugendliche italienischer Sprache nennen dagegen mehrheitlich (Nord-)Italien, während sich nur – oder auch immerhin – ein gutes Drittel von ihnen primär mit der Heimatgemeinde oder dem Land („Alto Adige“) identifiziert (vgl. ASTAT 2000, 93).

4. Fakten und Meinungen im Vergleich – eine abschließende ­Bewertung

Was also ist dran am Ungemach oder Unbehagen der italienischen Volksgruppe in Südtirol? Als Erstes drängt sich der Eindruck auf, dass das Phänomen genauso sozial erzeugt wird wie die Existenz der ethnischen Gruppen selbst. Es handelt sich um eine Art unvermeidliche Begleitmusik dieser Art von sozialer Organisation, denn ohne wirkliche oder vermeintliche Benachteiligung würde es keinen Grund geben, den Zusammenhalt der jeweiligen Volksgruppe zu fordern oder für bestimmte Rechte und Ressourcen einzutreten, die ihr zustünden.

Genauso klar ist jedoch festzuhalten, dass das Unbehagen vieler italienischsprachiger Bürgerinnen und Bürger in Südtirol einen harten Kern hat, der kaum geleugnet werden kann:

Anteilsmäßig und absolut hat die italienische Sprachgruppe an Gewicht verloren, ihr Anteil an den öffentlich Bediensteten und an den Zuweisungen von Sozialwohnungen war rückläufig – wenngleich oder besser weil dabei der Proporz ein­gehalten wurde. Zudem stimmt es, dass die Repräsentanz italienischsprachiger Vertreter in der Landesregierung schwach ist, wenn man sie am Stimmenanteil der betreffenden Parteien misst. Und noch deutlicher ist die mangelnde Präsenz von Personen italienischer Muttersprache an der Spitze von Gesellschaften, die das Land Südtirol kontrolliert. Eine wirtschaftliche Schlechterstellung ist dagegen nicht nachweisbar, obwohl zentrale Beschäftigungsfelder für italienischsprachige Personen besonders stark von einem krisenhaften Strukturwandel betroffen waren (etwa die Schwerindustrie). Probleme sozial-kultureller Art, wie die größeren Schwierigkeiten beim Erlernen der Zweitsprache, sind ebenfalls eine Tatsache, auch wenn kaum jemand dafür verantwortlich gemacht werden kann.

Subjektiv fühlt die italienischsprachige Bevölkerung Südtirols all die genannten Nachteile, ist aber dennoch mehrheitlich davon überzeugt, dass die Autonomie auch für sie Vorteile bringt. Gleichzeitig sieht sie in deren konkreter Umsetzung eine Hauptquelle ihres Ungemachs (Barrieren des Sprachenlernens, Kritik an zu rigider Anwendung von Proporz und Zweisprachigkeitspflicht, Infragestellung zweisprachiger Ortsnamen, politische Marginalisierung). Und die Schuld dafür wird viel eher bei den „anderen“ gesucht, als bei sich selbst, also bei den sprachlichen Minderheiten und bei der Politik der Südtiroler Volkspartei. Manches weist darauf hin, dass diese Vorurteile nicht ganz unbegründet sind, eine zweite Ursache dürfte aber darin zu suchen sein, dass die ehemals privilegierte Stellung der italienischen Sprachgruppe verloren gegangen ist (vgl. Pristinger 1978). Leider sind die Befunde zur subjektiven Wahrnehmung nicht aktuell, sondern bräuchten eine neuerliche Überprüfung. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass viele Vorurteile weiterbestehen, auch wenn es Hinweise auf ihre allmähliche Abschwächung gibt.

Bemerkenswert erscheint die große Rolle, die symbolische Themen spielen (Stichwort: Toponomastik, faschistische Denkmäler – auf die hier nicht eingegangen wurde). Darin zeigt sich, dass es beim Unbehagen vermutlich weniger um ökonomische Ressourcen oder konkrete Vorteile geht, sondern viel eher um das kostbare soziale Gut von Wertschätzung und Anerkennung. Wenn dieser Befund zutrifft, bietet sich ein guter Ansatzpunkt, um die Stimmung zu verbessern: Gesten von Großzügigkeit und Nichteinmischung vonseiten der dominierenden Kräfte in der deutschen und ladinischen Volksgruppe, etwa das freiwillige Überlassen bestimmter Führungspositionen oder die Anerkennung einer eigenen Geschichte der Italiener in Südtirol, könnten der italienischsprachigen Bevölkerung des Landes zeigen, dass ihre Anwesenheit nicht mehr als Gefahr, sondern als Bereicherung empfunden wird.

Eine Überwindung der gegenseitigen Vorurteile und Ängste gelingt am ehesten, wenn jede Gruppe versucht, sich auf die eigene Verantwortung zu konzentrieren und selbst den ersten Schritt zu machen, anstatt von der anderen Seite Öffnung und Entgegenkommen zu fordern. Hoffnung macht, dass es eine wachsende Zahl von „Freunden der Autonomie“ in der italienischen Volksgruppe zu geben scheint, die tatsächlich bereit sind, auch auf den eigenen Anteil am Ungemach zu schauen. Doch sollten diese Bemühungen auf Widerhall in der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung treffen; und sie sollten von den Massenmedien unterstützt werden, die bis heute den Konflikt oft mit Negativmeldungen anheizen und so eine (falsche bzw. überwindbare) Wirklichkeit des disagio konstruieren.

Anmerkungen

1 „Schwache Italiener sind gefährlich“, in: ff – Das Südtiroler Wochenmagazin Nr. 2/2013, 32–36

2 Artikel 89, Abs. 3 des Autonomiestatuts und DPR 752 vom 26. Juli 1976 (vgl. Bonell/Winkler 2011)

3 Die Begrenzung des Zugangs zu Sozialleistungen für zugewanderte Personen ist eine Maßnahme, die den Grundsätzen der EU widerspricht, sodass nicht klar ist, ob sie rechtlich aufrechtzuerhalten sein wird

4 Siehe „Blaulicht für Südtirol“ in: ff – Das Südtiroler Wochenmagazin 05/2013, 18–27; „SVP droht Absturz im Landtag“, in: Dolomiten, 7.2.2013, 13

5 Siehe z. B. eine im August 2012 in der Südtiroler Tageszeitung veröffentlichte Umfrage des Meinungs­forschungsinstituts Dr. Gruber und Partner „Miese Stimmung“, in: Die neue Südtiroler Tageszeitung, Nr. 160/2012, 9

6 Alle Angaben entstammen der Antwort von Landesrat Roberto Bizzo, (Landesrat für Innovation, Informatik, Arbeit, Genossenschaften, Finanzen und Haushalt), BZ, 26. 3. 2010, Zl. 14.07/190001 auf die Anfrage von Alessandro Urzì (FLI) 1036/2010. Siehe auch den Beitrag von Karl Gudauner in diesem Band.

7 Die genaue Frageformulierung lautete: „Wenn es jetzt nach Ihnen ginge, was sollte man mit den ita­lie­nischen Ortsnamen tun, die nicht schon vor dem Ersten Weltkrieg in Verwendung waren? Wählen Sie bitte unter den folgenden vier Vorschlägen: (1) alle abschaffen, (2) nur dort beibehalten, wo ein größerer Anteil der Bevölkerung italienischsprachig ist, (3) für alle Gemeinden und größeren Ortschaften beibehalten, nicht aber für Weiler, Flurnamen und ähnliches oder (4) man sollte alles zweisprachig lassen“. (apollis 1993)

8 „Schilderstreit zu Ende: Vereinbarung zwischen LH Durnwalder und Minister Fitto“, Mitteilung des Landespresseamts vom 22.9.2010, www.provinz.bz.it/lpa/285.asp?art=338500 (15.2.2013)

9 Über die Hauptergebnisse berichtet „Die Kraft des Faktischen“, in: ff – Südtiroler Illustrierte, 8/1993, 30–33

Literaturverzeichnis

Apollis (1993). Telefonische Mehrthemenbefragung im Auftrag von ff – Südtiroler Illustrierte (repräsentative Bevölkerungsumfrage, n = 464). Unveröffentlichter Abschlussbericht, Bozen.9

Ascoliano, Augusto (2000). Wanderungen und demographische Entwicklung in Südtirol. Jüngste Entwicklungen und aktuelle Tendenzen 1960-1997, Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Schriftenreihe Nr. 76), Bozen

ASTAT (1991a). ASTAT-Bevölkerungsumfrage 1991. Erste Ergebnisse, Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Informationen 27/1991), Bozen

ASTAT (1991b). Demografisches Jahrbuch 1991 (Band 1), Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Landesinstitut für Statistik, Bozen

ASTAT (1997). Demografisches Handbuch 1995, Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Landesinstitut für Statistik, Bozen

ASTAT (2000). Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Haushalte in Südtirol 1998-1999. Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Schriftenreihe Nr. 81), Bozen

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Abstracts

Cos’è il disagio del gruppo etnico italiano in Alto Adige?

Il “disagio degli italiani” è divenuto da decenni una delle espressioni più usate o anche un argomento di scontro utilizzato da determinate forze politiche. Il significato del termine oscilla tra un sentimento puramente soggettivo ed un dato ampiamente obiettivo. Questo contributo cerca di sottoporre a verifica l’asserito disagio da due punti di vista: da un lato sulla base di dati statistici in merito a concreti rapporti, dall’altro sulla base di sondaggi d’opinione che riportano lo stato d’animo soggettivo delle persone interessate. Obiettivamente si riscontra una solida base composta da dati di fatto: la proporzionale etnica, l’obbligo di bilinguismo nell’impiego pubblico, la marginalizzazione politica. Soggettivamente la maggioranza dei cittadini di lingua italiana è convinta che l’autonomia porti dei vantaggi anche agli italiani, ma essi sono anche convinti di essere svantaggiati in diversi settori: nello studio della seconda lingua, nell’instaurare contatti sociali, nell’accesso al mondo del lavoro, nel settore “politica e società”… In ogni caso, la responsabilità per il disagio viene attribuita più agli altri che a se stessi.

Ći n’él pa dl „disagio“ dl grup etnich talian te Südtirol?

„Il disagio degli italiani“ – é bele dan da dezenns deventè n dit proverbial o inće n moto de batalia de certes forzes politiches. Le significat bandorëia danter na sensaziun daldöt sogetiva y na condiziun ogetiva valgamia slariada fora. Chësc contribut prô de ejaminé da döes perts chësc problem che vëgn afermè: da öna na pert cun dać statistics söles condiziuns reales, dal’atra pert cun inrescides d’opiniun, che respidlëia la minunga sogetiva dles porsones interessades. Da la odëi obietivamënter esìstel bëgn n nojel dür de fać, che po gnì interpretà sciöche desvantaje sozial por la popolaziun taliana: le proporz etnich, l’oblianza de avëi le bilinguism ti posć de laûr publics, la marginalisaziun politica. A livel sogetif é la maiù pert di zitadins de lingaz talian dla convinziun che l’autonomia ti portes inće a d’ëi vantaji, mo ch’ai é indere desvantajà te de plü situaziuns: da imparè le secundo lingaz, da ciafè contać tla sozieté, da rové pormez al marćé dl laûr, tl setur „politica y sozieté“, … La gauja dl problem vëgn a vigni moda chirida plütosc pro i atri, co pro sè instësc.

What lies behind the disagio (discontent) of the Italian ethnic group in South Tyrol?

“The discontent of the Italians” has been a catchphrase for decades – even a battle cry for certain political forces. The meaning varies between a purely subjective feeling and a broad objective fact. This paper uses a two-pronged approach to examine the asserted hardship: one approach is to utilise statistical data regarding actual conditions and the other is to review polls that reflect the subjective opinions of those affected. From the objective point of view, there is a kernel of hard facts that can be interpreted as a social disadvantage for the Italian-speaking population: proportional representation according to ethnicity, compulsory bilingualism in the public service and political marginalisation. On the subjective side, most Italian-speaking citizens are convinced that autonomy generally affords them advantages but that they are at a disadvantage in several areas: the learning of a second language, the establishing of social contacts, access to the labour market, and in the general realm of politics and society … Blame for the hardship, at any rate, is sooner sought in others than in oneself.