Markus Goller
Die Vertretung der
italienischen Sprachgruppe in den
Südtiroler Gemeinden 1952–2010
1. Einleitung
Die Beteiligung aller drei Sprachgruppen des Landes am politischen Entscheidungsprozess ist eine wichtige Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben in Südtirol. Um diese Beteiligung zu ermöglichen, bedarf es einer angemessenen Präsenz aller drei Sprachgruppen in den politischen Vertretungskörperschaften. Südtirols politisches System entspricht der Logik des Konkordanzmodells, das unter seinen Grundsätzen auch den Proporz enthält, den Stellenproporz genauso wie den politischen Proporz in der Landesregierung und in den Gemeindeausschüssen.
Während sich die numerische Vertretung der drei Sprachgruppen im Landtag in den vergangenen Jahrzehnten nur in geringem Ausmaß verändert hat, hat es in den 116 Gemeinden große Veränderungen gegeben. Die Vertretung der italienischen Sprachgruppe ist in sehr vielen Gemeinden zurückgegangen und die Anzahl der Gemeinden ohne italienische/n VertreterIn ist stark angestiegen. Die Vertretung der deutschen Sprachgruppe wurde hingegen in den meisten Gemeinden gestärkt.
In diesem Beitrag soll diese Entwicklung näher untersucht und dabei die Frage gestellt werden, warum es zu diesem Rückgang gekommen ist bzw. welche Entwicklung für kommende Gemeinderatswahlen zu erwarten ist.
2. Methodologische Hinweise
Das Ziel dieses Beitrages ist es, die Entwicklung der italienischen Vertretung in den Südtiroler Gemeinden in den Jahren 1952–2010 festzustellen. Zu diesem Zweck wurden die Gemeinderatswahlen der Jahre 1952, 1974, 1995 und 2010 untersucht. Im Zuge der Vorbereitung dieses Beitrages wurden zusätzlich auch die Ergebnisse der Jahre 1956 und 1990 herangezogen, auf welche an manchen Stellen verwiesen wird, allerdings werden sie nicht im Detail präsentiert. Die ausgewählten Wahlgänge entsprechen politischen Zäsuren. 1952 konnten die Südtiroler BürgerInnen erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Gemeindevertretung wieder demokratisch wählen. 1972 trat das Zweite Autonomiestatut in Kraft, 1992 erfolgte die Streitbeilegungserklärung vor der UNO und 2010 erfolgten die zeitlich letzten Gemeinderatswahlen. Parallel zu den politischen Zäsuren erfolgt dadurch mehr oder weniger eine Stichprobe im 20-Jahres-Rhythmus.
Die Ergebnisse sämtlicher Wahlgänge wurden den entsprechenden Ausgaben der Tageszeitung „Dolomiten“ entnommen.1
Die Wahlergebnisse werden dabei folgendermaßen untersucht: Als Indikator dient die Anzahl der GemeinderätInnen und BürgermeisterInnen, welche auf italienischen Listen gewählt wurden. Dieser Vorgehensweise liegt die Annahme zugrunde, dass auf italienischen Listen italienischsprachige KandidatInnen und auf deutschen und ladinischen Listen deutsch- und ladinischsprachige KandidatInnen zu den Wahlen angetreten sind. Das entspricht dem ethnischen cleavage im Südtiroler Parteiensystem.
Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass ohne größeren Aufwand die Entwicklung der Vertretung der italienischen Sprachgruppe in den Gemeinden dargestellt werden kann. Allerdings hat diese Messmethode auch zwei Nachteile. Der erste besteht darin, dass es bei Gemeinderatswahlen auch immer wieder deutsch- und ladinischsprachige KandidatInnen auf italienischen Listen und umgekehrt gegeben hat, wobei die Anzahl dieser sehr gering ist. Der zweite Nachteil besteht darin, dass die MandatarInnen interethnischer Listen weder der einen noch der anderen Sprachgruppe zugeordnet werden können, sondern in einer eigenen Kategorie geführt werden müssen. Der Anteil dieser GemeinderätInnen war aber bei keinem der untersuchten Wahlgänge höher als 3,6 Prozent aller gewählten MandatarInnen. Diese beiden Nachteile sollten bei der Analyse der hier vorgestellten Zahlen stets berücksichtigt werden. Diese methodische Vorgangsweise wurde deshalb notwendig, weil in Ermangelung von Daten eine ethnische Zuordnung jedes einzelnen Gemeinderatsmitgliedes nicht möglich war.
Ziel des hier verwendeten Ansatzes ist es eine Trendentwicklung aufzuzeigen. Hierfür werden bei jedem der untersuchten Wahlgänge vier Punkte näher betrachtet: die Anzahl der VertreterInnen italienischer Listen im Verhältnis zur Gesamtanzahl an GemeinderätInnen in der gesamten Provinz, in den Städten (Bozen, Meran, Leifers, Brixen, Bruneck und Sterzing), in den Bezirken (Vinschgau, Burggrafenamt, Bozen und Umgebung2, Überetsch-Unterland, Eisacktal, Wipptal und Pustertal) und die Anzahl der italienischen BürgermeisterInnen.
3. Rechtlicher Rahmen
Bis Mitte der 1990er-Jahre wurden die BürgermeisterInnen in Italien indirekt, durch die Mitglieder des Gemeinderates, gewählt. Dieser Wahlmodus führte zu einer Schwächung der Rolle des/der BürgermeisterIn und zu zahlreichen politischen Krisen auf kommunaler Ebene. In Südtirol war dies aufgrund der prädominanten Position der Südtiroler Volkspartei (SVP) in der Mehrzahl der Gemeinden nicht der Fall (vgl. Obexer 2011, 168–173).
Mit dem Gesetz Nr. 81 vom 25. März 1993 wurde die Bürgermeisterdirektwahl in Italien eingeführt, welche die Position der BürgermeisterInnen stärken und die Macht der Parteien in den Gemeinden verringern sollte. Mit dem Regionalgesetz Nr. 3 vom 30. November 1994 wurde die Bürgermeisterdirektwahl auch in der Region Trentino-Südtirol eingeführt, wobei nicht alle Bestimmungen des staatlichen Gesetzes (z. B. der Mehrheitsbonus für die siegreiche Liste) übernommen wurden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch das Regionalgesetz Nr. 7 vom 22. Dezember 2004, mit dem die Regeln für die Direktwahl der BürgermeisterInnen leicht abgeändert wurden. Im Dekret des Präsidenten der Region Trentino-Südtirol vom 1. Februar 2005 Nr.1/L wurden sämtliche Bestimmungen zur Wahl der Gemeindeorgane zusammengefasst (vgl. Obexer 2011, 168–169). Bei den Gemeinderatswahlen des Jahres 1995 wurden die BürgermeisterInnen erstmals direkt von der Bevölkerung gewählt.
Die Gemeinderäte werden nach den Regeln des Verhältniswahlrechts mit Vorzugsstimmen gewählt. Je nach Größe einer Gemeinde weisen die Gemeinderäte 15 (in Gemeinden mit weniger als 3.000 EinwohnerInnen) bis 50 Mitglieder (ab 100.000 EinwohnerInnen und in Provinzhauptstädten) auf (Obexer 2011, 169–170). Am 23. Januar 2013 hat der Regionalrat eine Verkleinerung der Gemeinderäte genehmigt. Diese werden in Zukunft aus zwölf (in Gemeinden mit weniger als 1.000 EinwohnerInnen) bis 45 Mitgliedern (in Gemeinden mit mehr als 100.000 EinwohnerInnen und in Provinzhauptstädten) bestehen (Dolomiten 2013).
Die Direktwahl der BürgermeisterInnen erfolgt in Gemeinden mit weniger als 15.000 Einwohnern nach den Regeln des relativen Mehrheitswahlrechtes, das heißt, jene/r KandidatIn mit den meisten Stimmen ist gewählt. Alle BürgermeisterkandidatInnen sind mit einer Liste verbunden, allerdings erhalten die WählerInnen zwei Stimmzettel (eine für die Wahl des/der BürgermeisterIn und eine für die Wahl des Gemeinderates) und haben somit die Möglichkeit ihre Stimme zu teilen (splitten). In Gemeinden mit mehr als 15.000 EinwohnerInnen gilt bei der Bürgermeisterwahl das absolute Mehrheitswahlrecht, das heißt, es ist jene/r KandidatIn gewählt, der/die mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält. Sollte dies keinem/r der KandidatInnen gelingen, kommt es zu einer Stichwahl in einem zweiten Wahlgang. Eine „Teilung“ (Splitting) der Stimmen für die Wahl des/der BürgermeisterIn und des Gemeinderates ist nicht möglich, da die WählerInnen einen Stimmzettel erhalten, auf dem sie den/die BürgermeisterkandidatIn und die mit ihm verbundene Liste für den Gemeinderat wählen (vgl. Obexer 2011, 170–172).
Darüberhinaus wurde 1994 eine Mandatsbeschränkung für BürgermeisterInnen auf drei aufeinander folgende Amtsperioden eingeführt. Diese Bestimmung gilt für alle Amtsperioden, die auf Wahlen folgen, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgehalten wurden. Aus diesem Grund wirkten sich diese Bestimmungen erstmals bei den Gemeinderatswahlen 2010 aus (vgl. Obexer 2011, 170).
Der Gemeindeausschuss wird auf Vorschlag des/der BürgermeisterIn vom Gemeinderat gewählt, der/die VizebürgermeisterIn wird vom Bürgermeister aus den Mitgliedern des Gemeindeausschusses ausgewählt. In Gemeinden mit mehr als 13.000 EinwohnerInnen muss der/die VizebürgermeisterIn der am stärksten vertretenen Sprachgruppe angehören, wobei jene Sprachgruppe ausgeschlossen ist, welcher der/die BürgermeisterIn angehört. Von besonderem Interesse für diesen Beitrag ist der Umstand, dass eine Sprachgruppe im Gemeindeausschuss vertreten sein muss, sofern mindestens zwei VertreterInnen dieser Sprachgruppe in den Gemeinderat gewählt wurden (vgl. Obexer 2011, 170). Aus diesem Grund wird in der folgenden Analyse der einzelnen Wahlgänge auch jeweils untersucht, in wie vielen Gemeinden mehr als zwei VertreterInnen einer italienischen Liste in den Gemeinderat gewählt wurden.
4. Untersuchung der Gemeinderatswahlen 1952, 1974, 1995 und 2010
4.1 Die Gemeinderatswahlen 1952
Am 25. Mai 1952 wurden erstmals nach dreißig Jahren in 103 Südtiroler Gemeinden3 die Mitglieder der Gemeinderäte neu gewählt. In Bozen waren bereits im Jahr 1948 Gemeinderatswahlen abgehalten worden, am 12. Dezember 1952 wurde der Gemeinderat neu gewählt. Die Ergebnisse des letzteren Wahlganges wurden in Tabelle 1 mitberücksichtigt.
Tabelle 1: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1952
GemeinderätInnen auf deut./lad. Listen |
1385 |
80,3 % |
GemeinderätInnen auf it. Listen |
314 |
18,2 % |
GemeinderätInnen auf lokalen Listen (nicht zuordenbar) |
26 |
1,5 % |
Summe |
1725 |
100 % |
Quelle: Dolomiten 1952, eigene Auswertung
Insgesamt gehörten 80,3 Prozent der gewählten GemeinderätInnen einer deutschen oder ladinischen Liste an, 18,2 Prozent einer italienischen Liste. Alle anderen GemeinderätInnen wurden auf sogenannten lokalen Listen gewählt, die keiner der beiden Kategorien zugeordnet werden können. VertreterInnen italienischer Listen wurden in 82 Gemeinden gewählt, dies entspricht 79 Prozent aller Gemeinden. In 58 Gemeinden wurden zwei oder mehr VertreterInnen der italienischen Sprachgruppe in den Gemeinderat gewählt. Die Democrazia Cristiana (DC) stellte mit 214 von insgesamt 314 Mandaten die Mehrheit der italienischen GemeinderätInnen, der Partito Socialista Italiano (PSI) stellte 51 GemeinderätInnen. Die übrigen VertreterInnen italienischer Listen wurden vom Partito Socialista Democratico Italiano (PSDI – 5), dem Movimento Sociale Italiano (MSI – 13), dem Partito Comunista Italiano (PCI – 8), dem Partito Nazionale Monarchico (PNM – 2) und lokalen italienischen Listen (21) gestellt. Der geringe Anteil an GemeinderätInnen, welche auf lokalen unabhängigen Listen gewählt wurden, vermittelt den Eindruck, dass sich sowohl die italienischen gesamtstaatlichen Parteien als auch die SVP auf den Wahlgang sehr gut vorbereitet und bereits wenige Jahre nach Kriegsende eine kapillare Parteienorganisation aufgebaut haben, welche bis in die kleinen Landgemeinden hineinreichte.
Tabelle 2: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1952 in den Städten
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen |
Prozent-Anteil der VertreterInnen | |
Bozen |
9 |
31 |
77,5 % |
Brixen |
18 |
12 |
40,0 % |
Bruneck |
14 |
6 |
30,0 % |
Leifers |
11 |
9 |
45,0 % |
Meran |
12 |
18 |
45,0 % |
Sterzing |
16 |
4 |
20,0 % |
Summe |
80 |
80 |
Quelle: Dolomiten 1952, eigene Auswertung; Dolomiten 1956, eigene Auswertung; Gemeinde Bozen o. J., 33
In den Städten4 Bozen, Brixen, Bruneck, Leifers5, Meran und Sterzing ergibt sich – bei gesamtheitlicher Betrachtung – ein exakt ausgeglichenes Verhältnis zwischen den beiden Sprachgruppen. Der Anteil der VertreterInnen italienischer Listen in den Gemeinderäten lag 1952 zwischen 20 Prozent in Sterzing und etwas mehr als 77 Prozent in Bozen. In Meran und Bozen – den beiden größten Gemeinden Südtirols – erreichten die italienischen Listen eine Mehrheit im Gemeinderat und stellten auch die Bürgermeister. Insgesamt wurden in sechs Gemeinden Kandidaten einer italienischen Liste zu Bürgermeistern gewählt: Bozen, Branzoll, Franzensfeste, Meran, Pfatten und Salurn (vgl. Südtiroler Gemeindenverband 2004, 139–159, eigene Auswertung).
Bei Betrachtung der Ergebnisse auf Bezirksebene (die Städte wurden miteinbezogen) zeigt sich ein relativ ausgeglichenes Bild. In fünf von sieben Bezirken liegt der Anteil der VertreterInnen italienischer Listen im landesweiten Durchschnitt von 18 Prozent oder nur gering darüber beziehungsweise darunter. Im Bezirk Überetsch-Unterland lag der Anteil deutlich über dem Durchschnitt, hier stellten VertreterInnen italienischer Listen 27,8 Prozent aller GemeinderätInnen, im Bezirk Vinschgau indes nur 6,5 Prozent. Bei Betrachtung der Ergebnisse auf Bezirksebene ist die breite Streuung der italienischen Stimmen auffallend. Die Gemeinden, in denen kein/e VertreterIn einer italienischen Liste gewählt wurde, sind quer über das ganze Land verbreitet, in keinem Bezirk gibt es eine Mehrheit jener Gemeinden ohne italienische/n VertreterIn. In Bozen und Umgebung wurde in fünf von 13 Gemeinden (rund 38 Prozent) kein/e VertreterIn einer italienischen Liste in den Gemeinderat gewählt, im Bezirk Wipptal gehörte in allen Gemeinden zumindest ein Gemeinderatsmitglied einer italienischen Liste an.
Tabelle 3: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1952 nach Bezirken
GemeinderätInnen auf deut./lad. Listen |
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen auf lokalen Listen (nicht zuordenbar) |
Summe |
Prozent-Anteil der VertreterInnen italienischer Listen im jeweiligen Bezirk | |
Burggrafenamt |
307 |
69 |
4 |
380 |
18,2 % |
Bozen und Umgebung |
194 |
54 |
2 |
250 |
21,6 % |
Eisacktal |
151 |
34 |
0 |
185 |
18,4 % |
Pustertal |
320 |
57 |
3 |
380 |
15,0 % |
Überetsch-Unterland |
167 |
68 |
10 |
245 |
27,8 % |
Vinschgau |
171 |
12 |
2 |
185 |
6,5 % |
Wipptal |
75 |
20 |
5 |
100 |
20,0 % |
Summe |
1385 |
314 |
26 |
1725 |
Quelle: Dolomiten 1952, eigene Auswertung
Bevor auf die Wahlergebnisse des Jahres 1974 eingegangen wird, sei hier kurz auf jene des Jahres 1956 verwiesen (die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen in Bozen 1957 miteinbezogen): Der Anteil der VertreterInnen italienischer Listen ist in diesem Jahr im Vergleich zum Jahr 1952 um 2 Prozentpunkte auf 16 Prozent gesunken und die Anzahl der Gemeinden mit italienischem/r VertreterIn ist auf 77 gesunken. In den urbanen Räumen ist der Anteil der italienischen GemeinderätInnen um 1 Prozentpunkt angestiegen (auf 51 %), in den Bezirken Pustertal und Burggrafenamt ist dieser um 4 bzw. 5 Prozentpunkte gesunken (vgl. Dolomiten 1956, eigene Auswertung). In der Gemeinde Leifers wurde im selben Jahr ein italienischer Bürgermeister gewählt, wodurch sich die Anzahl der italienischen Bürgermeister von sechs auf sieben erhöhte (vgl. Südtiroler Gemeindenverband 2004, 146, eigene Auswertung; Gemeinde Bozen o. J., 33). Insgesamt lassen die Ergebnisse des Jahres 1956 auf eine Abwanderung der italienischen Bevölkerung aus den Landgemeinden in die urbanen Räume schließen.
4.2 Die Gemeinderatswahlen 1974
Am 17. November 1974 wurden erstmals nach dem Inkrafttreten des „Pakets“ Gemeinderatswahlen abgehalten, wobei in 114 Gemeinden6 des Landes ein neuer Gemeinderat gewählt wurde.
Tabelle 4: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1974
GemeinderätInnen auf deut./lad. Listen |
1680 |
87,3 % |
GemeinderätInnen auf it. Listen |
243 |
12,6 % |
GemeinderätInnen auf gemischtsprachigen Listen |
2 |
0,1 % |
Summe |
1925 |
100,0 % |
Quelle: Dolomiten 1974, eigene Auswertung
Die Ergebnisse zeigen einen Rückgang der VertreterInnen italienischer Listen um 5,6 Prozentpunkte im Vergleich zu den Ergebnissen des Jahres 1952. 1974 gehörten 243 (von insgesamt 1.925 GemeinderätInnen) einer italienischen Liste an, dies entspricht einem Anteil von 12,6 Prozent. VertreterInnen deutscher und ladinischer Listen stellten 87,3 Prozent aller MandatarInnen. Auch die Anzahl der Gemeinden, in denen VertreterInnen italienischer Listen gewählt wurden, ist von 82 (1952) auf 52 gesunken, dies entspricht 45,6 Prozent aller Gemeinden. In 35 Gemeinden (30,7 %) wurden zwei oder mehr VertreterInnen einer italienischen Liste in den Gemeinderat gewählt. Die italienischen GemeinderätInnen wurden beinahe zur Gänze auf Listen gewählt, die sich als lokale Ableger einer gesamtstaatlichen Partei präsentierten. Die DC stellte mit 121 Mandataren knapp die Hälfte aller italienischen GemeinderätInnen, dahinter folgten die VertreterInnen von PSI (51), PCI (27), PSDI (15), MSI (12), dem Partito Liberale Italiano (PLI – 5) und dem Partito Repubblicano Italiano (PRI – 4). Acht italienische GemeinderätInnen wurden auf lokalen Listen gewählt, die keiner gesamtstaatlichen Partei zugeordnet werden können. Zwei Mandatare in der Gemeinde Auer wurden auf einer interethnischen Liste gewählt.
Tabelle 5: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1974 in den Städten
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen |
Prozent-Anteil | |
Bozen |
13 |
37 |
74,0 % |
Brixen |
19 |
11 |
36,7 % |
Bruneck |
24 |
6 |
20,0 % |
Leifers |
10 |
20 |
66,7 % |
Meran |
18 |
22 |
55,0 % |
Sterzing |
15 |
5 |
25,0 % |
Summe |
99 |
101 |
Quelle: Dolomiten 1974, eigene Auswertung
In den Städten hat es – bei gesamtheitlicher Betrachtung – im Vergleich zu den Ergebnissen der Jahre 1952 und 1956 kaum Veränderungen gegeben, 1974 stellten die VertreterInnen italienischer Listen 50,5 Prozent aller GemeinderätInnen in den Städten. Hierbei gilt es anzumerken, dass die Gemeinderäte von Bozen, Meran, Leifers und Bruneck im Vergleich zu den Jahren 1952 und 1956 jeweils um zehn Mitglieder aufgestockt wurden. In Leifers ist der Anteil der italienischen GemeinderätInnen um 21 und in Meran um 10 Prozentpunkte angestiegen, während in Bruneck deren Anteil um 10 Prozentpunkte gesunken ist. In den anderen Städten ist es nur zu geringfügigen Veränderungen gekommen. Vertreter italienischer Listen wurden in den Gemeinden Bozen, Meran und Leifers zu Bürgermeistern gewählt. Auffallend ist, dass italienische Bürgerlisten (oder sonstige lokale Listen) in diesem Jahr keine/n einzige/n GemeinderätIn in den Städten stellten.
Tabelle 6: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1974 nach Bezirken
GemeinderätInnen auf deut./lad. Listen |
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen auf gemischtsprachigen Listen |
Summe |
Prozent-Anteil der VertreterInnen italienischer Listen im jeweiligen Bezirk | |
Burggrafenamt |
391 |
44 |
0 |
435 |
10,1 % |
Bozen und Umgebung |
220 |
50 |
0 |
270 |
18,5 % |
Eisacktal |
197 |
18 |
0 |
215 |
8,4 % |
Pustertal |
382 |
23 |
0 |
405 |
5,7 % |
Überetsch-Unterland |
203 |
80 |
2 |
285 |
28,1 % |
Vinschgau |
208 |
7 |
0 |
215 |
3,3 % |
Wipptal |
79 |
21 |
0 |
100 |
21,0 % |
Summe |
1680 |
243 |
2 |
1925 |
Quelle: Dolomiten 1974, eigene Auswertung
Die Ergebnisse in den einzelnen Bezirken zeigen eine Fortsetzung jenes Trends, der bereits 1956 begonnen hat. Die Anzahl der VertreterInnen italienischer Listen ist in den Bezirken Burggrafenamt, Pustertal, Eisacktal und Bozen und Umgebung um 3 bis 10 Prozentpunkte gesunken. Im Bezirk Vinschgau, wo der Anteil der ItalienerInnen bereits 1952 sehr gering war, ist es zu einem Rückgang von 3 Prozentpunkten gekommen, während in den Bezirken Wipptal und Überetsch-Unterland deren Anteil leicht angestiegen ist. Der Hauptgrund für diesen Prozess dürfte eine zunehmende Konzentration der italienischen Stimmen in einer sinkenden Anzahl von Gemeinden sein. Der Anteil der italienischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung Südtirols hat sich in diesen Jahren nur leicht verändert: 1961 lag er bei 34,3 Prozent, 1971 bei 33,3 Prozent (vgl. Astat 2011, 19). Es hat somit einen leichten Rückgang gegeben, der sich in den 1970er-Jahren fortsetzen sollte. Die Abwanderung von Italienern aus den Landgemeinden in die Städte ist auch daran erkennbar, dass 1974 in gleich vier Bezirken jene Gemeinden in der Mehrheit waren, die keine/n VertreterIn einer italienischen Liste im Gemeinderat aufwiesen: Es waren dies die Bezirke Pustertal (18 von 25 Gemeinden ohne italienische/n VertreterIn), Burggrafenamt (18 von 26 Gemeinden), Bozen und Umgebung (8 von 14 Gemeinden) und Eisacktal (7 von 13 Gemeinden).
4.3 Die Gemeinderatswahlen 1995
Am 4. Juni 1995 wurde in allen 116 Südtiroler Gemeinden ein neuer Gemeinderat gewählt. Erstmals erfolgte auch die Wahl der BürgermeisterInnen in direkter Form.
Tabelle 7: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1995
GemeinderätInnen auf deut./lad. Listen |
1773 |
89,8 % |
GemeinderätInnen auf it. Listen |
151 |
7,6 % |
GemeinderätInnen auf gemischtsprachigen Listen |
51 |
2,6 % |
Summe |
1975 |
100,0 % |
Quelle: Dolomiten 1995, eigene Auswertung
Die Ergebnisse zeigen, dass sich in den Jahren 1974 bis 1995 die Vertretung der ItalienerInnen in den Gemeinderäten weiter verringert hat. In genanntem Zeitraum ist der Anteil der VertreterInnen italienischer Listen um weitere 5 Prozentpunkte auf 7,6 Prozent gesunken. Insgesamt wurden 151 VertreterInnen italienischer Listen in die Südtiroler Gemeinderäte gewählt. Weitere 51 GemeinderätInnen (2,6 %) wurden auf interethnischen Bürgerlisten und grünen bzw. grünalternativen Listen gewählt. Die Anzahl der Gemeinden mit mindestens einem italienischen/r VertreterIn lag 1995 bei 31 (26,8 % aller Gemeinden). 22 Gemeinderäte (19 % aller Gemeinden) wiesen zwei oder mehr italienische Mitglieder auf und verfügten somit automatisch über eine italienische Vertretung im Gemeindeausschuss. Zwar wurden auch einige italienische GemeinderätInnen über interethnische Listen gewählt, allerdings zeigen die Ergebnisse, dass interethnische Listen meist nur in den Gemeinden vertreten waren, in denen es bereits eine starke italienische Vertretung im Gemeinderat gab.7
1995 gehörten 66 italienische GemeinderätInnen lokalen italienischen Listen an, die unabhängig von gesamtstaatlichen Parteien kandidierten. 30 GemeinderätInnen wurden auf den Listen der „Popolari“ (PPI) gewählt, 45 auf den Listen von Forza Italia, Alleanza Nazionale bzw. dem Polo del Buongoverno (in manchen Gemeinden kandidierten sie gemeinsam, in anderen getrennt voneinander). Die übrigen GemeinderätInnen wurden von den Linksdemokraten (6), Rifondazione Communista (2) und der Lega Nord (2) gestellt. Italienische Bürgerlisten konnten somit 1995 den größten Teil der italienischen Stimmen auf sich vereinen.
Tabelle 8: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1995 in den Städten
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen |
Prozent-Anteil der VertreterInnen italienischer Listen in der jeweiligen Stadt | |
Bozen |
13 |
37 |
0 |
74,0 % |
Brixen |
17 |
8 |
5 |
26,7 % |
Bruneck |
23 |
4 |
3 |
13,3 % |
Leifers |
7 |
18 |
5 |
60,0 % |
Meran |
15 |
22 |
3 |
55,0 % |
Sterzing |
14 |
2 |
4 |
10,0 % |
Summe |
89 |
91 |
20 |
Quelle: Dolomiten 1995, eigene Auswertung
Die Wahlergebnisse in den Städten zeigen eine starke Präsenz von KandidatenInnen interethnischer Listen. Sie haben in den sechs Städten insgesamt 20 Sitze erhalten, was 10 Prozent aller Gemeinderatsmandate entspricht. Die italienischen und die deutsch- und ladinischsprachigen Listen haben jeweils 5 Prozentpunkte verloren, weshalb insgesamt von einer Beibehaltung des Gleichgewichts zwischen den Sprachgruppen ausgegangen werden kann. In den Städten Brixen, Bruneck, Leifers und Sterzing hat sich der Anteil der VertreterInnen italienischer Listen um 6 bis 15 Prozentpunkte verringert, allerdings sind in allen drei Gemeinden nun auch VertreterInnen interethnischer Listen vertreten. In den Gemeinden Bozen und Meran ist die Anzahl der VertreterInnen italienischer Listen stabil geblieben.
1995 stellten italienische Listen in Bozen und Leifers den Bürgermeister, in Meran gehörte dieser der deutschen Sprachgruppe an, obgleich im Gemeinderat eine deutliche italienische Mehrheit bestand (vgl. Südtiroler Gemeindenverband 2004, 147, eigene Auswertung). Der Übergang des Bürgermeistersessels an die deutsche Sprachgruppe ist aber weniger auf die Einführung der Bürgermeisterdirektwahl zurückzuführen (auch 1990 war in Meran ein deutscher Bürgermeister gewählt worden), sondern auf Unstimmigkeiten innerhalb der italienischen Parteien. Insgesamt verringerte sich die Anzahl der italienischen Bürgermeister auf vier, da neben der Gemeinde Meran auch in den Gemeinden Franzensfeste und Branzoll ein deutscher Kandidat zum Bürgermeister gewählt wurde (vgl. Südtiroler Gemeindenverband 2004, 139–159). In Franzensfeste veränderten sich – im Gegensatz zu Meran – auch die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat, wo nun VertreterInnen deutschsprachiger Listen die Mehrheit innehatten. In der Gemeinde Branzoll stellte eine interethnische Bürgerliste den Bürgermeister, welcher der deutschen Sprachgruppe angehörte.
Tabelle 9: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1995 nach Bezirken
GemeinderätInnen auf deut./lad. Listen |
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen auf gemischtsprachigen Listen |
Summe |
Prozent-Anteil der VertreterInnen italienischer Listen im jeweiligen Bezirk | |
Burggrafenamt |
403 |
29 |
3 |
435 |
6,7 % |
Bozen und Umgebung |
221 |
42 |
7 |
270 |
15,6 % |
Eisacktal |
199 |
11 |
5 |
215 |
5,1 % |
Pustertal |
418 |
6 |
6 |
430 |
1,4 % |
Überetsch-Unterland |
242 |
48 |
25 |
315 |
15,2 % |
Vinschgau |
207 |
2 |
1 |
210 |
1,0 % |
Wipptal |
83 |
13 |
4 |
100 |
13,0 % |
Summe |
1773 |
151 |
51 |
1975 |
Quelle: Dolomiten 1995, eigene Auswertung
Die Ergebnisse in Tabelle 9 zeigen eine Verringerung der VertreterInnen italienischer Listen in allen Bezirken. Die Rückgänge lagen zwischen 2,3 (Vinschgau) und 13,1 Prozentpunkten (Überetsch-Unterland) im Vergleich zum Jahr 1974. In den Bezirken Burggrafenamt, Bozen und Umgebung, Eisacktal und Pustertal verringerte sich der Anteil von VertreterInnen italienischer Listen um 3 bis 4 und im Wipptal um 8 Prozentpunkte. Im Bezirk Pustertal und im Bezirk Eisacktal ist die Anzahl der Gemeinden mit mindestens einem/r VertreterIn einer italienischen Liste auf drei gesunken, im Bezirk Vinschgau wurden nur mehr in zwei Gemeinden VertreterInnen italienischer Listen in den Gemeinderat gewählt. Auch in den anderen Bezirken war diese Zahl sinkend. Diese Entwicklung ist teilweise durch den sinkenden Anteil der italienischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung zu erklären. 1981 ist dieser auf 28,7 Prozent gesunken, 1991 lag dieser Wert bei 26,5 Prozent (vgl. Astat 2011, 19). Zudem hat sich der Prozess der Konzentration italienischer Wählerstimmen in den Städten und dem südlichen Landesteil fortgesetzt.
4.4 Die Gemeinderatswahlen 2010
Am 16. Mai 2010 wurden in 111 Südtiroler Gemeinden8 die bisher letzten Gemeinderatswahlen abgehalten. Dabei wirkte sich erstmals die 1994 eingeführte Mandatsbeschränkung aus, von der 54 BürgermeisterInnen betroffen waren (vgl. Obexer 2011, 180–182).
Tabelle 10: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 2010
GemeinderätInnen auf deut./lad. Listen |
1734 |
89,2 % |
GemeinderätInnen auf it. Listen |
141 |
7,2 % |
GemeinderätInnen auf gemischtsprachigen Listen |
70 |
3,6 % |
Summe |
1945 |
100,0 % |
Quelle: Dolomiten 2010, eigene Auswertung
Die Ergebnisse in Tabelle 10 zeigen keine großen Veränderungen im Vergleich zum Jahr 1995. Der Anteil der GemeinderätInnen, die auf italienischen Listen gewählt wurden, ist zwar um 0,4 Prozentpunkte gesunken, allerdings ist dieser Rückgang im Vergleich zu den Veränderungen bei den Wahlen der Jahre 1974 und 1995 relativ gering. Auch der Anteil der VertreterInnen deutscher und ladinischer Listen ist leicht rückläufig (um 0,6 Prozentpunkte), jener der VertreterInnen interethnischer Listen ist hingegen um einen Prozentpunkt angestiegen. 2010 wurden insgesamt 70 VertreterInnen interethnischer Listen (zu diesen zählen interethnische Bürgerlisten und die Listen der Grünen/Verdi/Vërc) in die Gemeinderäte gewählt, dies entspricht 3,6 Prozent aller GemeinderätInnen.
Die Anzahl der Gemeinden, in denen VertreterInnen italienischer Listen gewählt wurden, ist auf 27 gesunken, dies entspricht 24,3 Prozent aller Gemeinden. In 21 Gemeinden (18,9 % aller Gemeinden) wurden zwei oder mehr VertreterInnen italienischer Listen in den Gemeinderat gewählt und somit ist in diesen Gemeinden eine italienische Vertretung in den Gemeindeausschüssen garantiert.
Wiederum erhielten italienische Bürgerlisten und andere unabhängige italienische Listen mit 52 von insgesamt 141 Mandaten einen großen Anteil der italienischen Stimmen. Daneben wurden 39 VertreterInnen des Partito Democratico (PD) und 35 des Popolo della Libertà (PDL) in die Gemeinderäte gewählt. Die restlichen italienischen Mandate entfielen auf die Lega Nord (8) und die Unione dei Democratici Cristiani e di Centro (UDC – 7). Die Bürgerlisten haben sich somit nicht nur auf deutscher, sondern auch auf italienischer Seite als starke Kraft in den Gemeinderäten etabliert.
Tabelle 11: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 2010 in den Städten
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen |
GemeinderätInnen |
Prozent-Anteil der VertreterInnen italienischer Listen in der jeweiligen Stadt | |
Bozen |
10 |
37 |
3 |
74,0 % |
Brixen |
19 |
7 |
4 |
23,3 % |
Bruneck |
23 |
4 |
3 |
13,3 % |
Leifers |
7 |
19 |
4 |
63,3 % |
Meran |
17 |
17 |
6 |
42,5 % |
Sterzing |
15 |
1 |
4 |
5,0 % |
Summe |
91 |
85 |
24 |
Quelle: Dolomiten 2010, eigene Auswertung
In den Städten ist – bei gesamtheitlicher Betrachtung – der Anteil der VertreterInnen italienischer Listen relativ stabil geblieben, 2010 lag er bei 42,5 Prozent, das sind 3 Prozentpunkte weniger als im Jahr 1995. Insgesamt hat sich das Gleichgewicht, welches die Ergebnisse in den urbanen Räumen bei vergangenen Gemeinderatswahlen gekennzeichnet hat, leicht zugunsten der deutschen Sprachgruppe verschoben, deren Vertreter aktuell 45,5 Prozent aller GemeinderätInnen stellen. Im Vergleich zur Entwicklung in den Bezirken sind die Verluste der italienischen Listen aber geringer. VertreterInnen interethnischer Listen stellen aktuell 12 Prozent aller GemeinderätInnen in den Städten. In Meran ist die Anzahl der VertreterInnen italienischer Listen zwar stark gesunken (von 55 % auf 42,5 %), allerdings hat sich der Anteil der VertreterInnen interethnischer Listen auf 15 Prozent erhöht. Auch in Sterzing und Brixen ist der Anteil italienischer GemeinderätInnen gesunken (um 5 bzw. 3,5 Prozentpunkte), in der Gemeinde Leifers hingegen um 3 Prozentpunkte angestiegen.
Die Anzahl der italienischen BürgermeisterInnen ist indes wieder auf sechs angestiegen. Neben den Städten Bozen und Leifers und den Gemeinden Branzoll, Pfatten und Salurn, in denen eine italienische Mehrheit besteht, wurde 2010 auch in der Gemeinde Toblach mit Guido Bocher ein Italiener zum Bürgermeister gewählt. Dies ist umso überraschender, da erstmals in einer Gemeinde mit einer klaren deutschen Mehrheit – der Anteil der italienischen Bevölkerung in Toblach liegt bei 15,6 Prozent (vgl. Astat 2012, 10) – ein Italiener zum Bürgermeister gewählt wurde. Umgekehrt war dies zuvor in Branzoll geschehen, wo mit Georg Mamming und Alessandro Bertinazzo bereits zweimal Angehörige der deutschen Sprachgruppe das Amt des Bürgermeisters innehatten, obgleich sich 62 Prozent der Bevölkerung Branzolls im Jahr 2011 der italienischen Sprache zugehörig erklärt haben (vgl. Astat 2012, 10).
Tabelle 12: Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 2010 nach Bezirken
GemeinderätInnen auf deut./lad. Listen |
GemeinderätInnen auf it. Listen |
GemeinderätInnen auf gemischtsprachigen Listen |
Summe |
Prozent-Anteil der VertreterInnen italienischer Listen im jeweiligen Bezirk | |
Burggrafenamt |
394 |
22 |
14 |
430 |
5,1 % |
Bozen und Umgebung |
238 |
39 |
3 |
280 |
13,9 % |
Eisacktal |
187 |
9 |
9 |
205 |
4,4 % |
Pustertal |
402 |
4 |
14 |
420 |
1,0 % |
Überetsch-Unterland |
240 |
60 |
25 |
325 |
18,5 % |
Vinschgau |
199 |
0 |
1 |
200 |
0,0 % |
Wipptal |
74 |
7 |
4 |
85 |
8,2 % |
Summe |
1734 |
141 |
70 |
1945 |
Quelle: Dolomiten 2010, eigene Auswertung
Die Wahlergebnisse nach Bezirken deuten auf eine weitere Konzentration der italienischen MandatarInnen in den Städten hin. In sämtlichen Bezirken – mit Ausnahme des Bezirks Überetsch-Unterland, wo der Anteil der italienischen MandatarInnen um rund 3 Prozentpunkte angestiegen ist – ist deren Anzahl rückläufig. Die Verringerung liegt zwischen 0,4 Prozentpunkten im Pustertal und 5 Prozentpunkten im Burggrafenamt. Kein Gemeinderat im Vinschgau weist aktuell eine/n VertreterIn einer italienischen Liste auf. Im Bezirk Bozen und Umgebung sind derzeit nur mehr in den Gemeinden Bozen und Karneid VertreterInnen einer italienischen Liste im Gemeinderat vertreten. Im Pustertal sind dies drei Gemeinden (Bruneck, Innichen und Toblach), im Burggrafenamt vier (Algund, Burgstall, Meran und Nals). Mit Ausnahme des Bezirks Überetsch-Unterland sind nun in allen Bezirken jene Gemeinden ohne eine/n VertreterIn einer italienischen Liste in der Überzahl. Die Anzahl der VertreterInnen interethnischer Listen ist in fast allen Bezirken angestiegen, wobei hier im Überetsch-Unterland mit einem Anteil von 7,7 Prozent der höchste Wert erreicht wurde, dahinter folgen die Bezirke Wipptal (4,7 %), Eisacktal (4,4 %), Pustertal (3,3 %), Burggrafenamt (3,3 %), Bozen und Umgebung (1,1 %) und Vinschgau (0,5 %).
An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass sich 26 Prozent der Südtiroler Bevölkerung bei der Volkszählung im Jahr 2011 der italienischen Sprachgruppe zugehörig erklärt haben (vgl. Astat 2012, 4–5). Dieser Wert liegt nur geringfügig unter den Werten der Jahre 1991 und 2001.
5. Zusammenfassung
Die Vertretung der italienischen Sprachgruppe in den Südtiroler Gemeinden hat sich in den vergangenen sechs Jahrzehnten entschieden verändert. In Tabelle 13 werden die wichtigsten Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 1952 und 2010 miteinander verglichen. Dabei sind drei Ergebnisse festzuhalten:
1.) Die Anzahl der Gemeinden, in welchen VertreterInnen italienischer Listen in den Gemeinderat gewählt wurden, ist von 82 (im Jahr 1952) auf 27 (im Jahr 2010) gesunken. In vielen kleineren Landgemeinden gibt es heute keine italienische Vertretung mehr.
2.) In den Städten, wo die Mehrheit der italienischen Bevölkerung in Südtirol lebt, ist – bei gesamtheitlicher Betrachtung – die Anzahl der italienischen GemeinderätInnen stabil geblieben oder hat sich nur gering verändert. Auch in den Gemeinden, in denen eine italienische Mehrheit besteht (Bozen, Leifers, Branzoll, Pfatten, Salurn), ist die Anzahl der italienischen MandatarInnen im Wesentlichen unverändert geblieben.
3.) Italienische BürgermeisterInnen wurden – mit Ausnahme der Gemeinde Toblach im Jahr 2010 – bisher nur in Gemeinden mit italienischer Mehrheit gewählt. Aktuell stehen italienische BürgermeisterInnen an der Spitze von sechs Südtiroler Gemeinden, dies ist exakt dieselbe Anzahl wie im Jahr 1952, wobei es hier einige Veränderungen gegeben hat: In Franzensfeste und Meran stehen nun deutschsprachige BürgermeisterInnen der Gemeinde vor, in Leifers und Toblach dafür italienischsprachige.
Es gibt drei Hauptgründe für den Rückgang der VertreterInnen italienischer Listen in den Südtiroler Gemeinderäten: Der Anteil der italienischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung ist in den Jahren von 1961 bis 2011 um rund 8 Prozentpunkte gesunken. Des Weiteren hat sich die italienische Bevölkerung in den vergangenen sechs Jahrzehnten zunehmend in den Städten konzentriert, wodurch in vielen ländlichen Gemeinden der übrigen Bezirke der Anteil deutscher und ladinischsprachiger VertreterInnen in den Gemeinderäten angestiegen ist. Ein dritter Grund ist die steigende Anzahl von GemeinderätInnen, die über interethnische Listen gewählt werden (welche im Rahmen dieser Untersuchung keiner der beiden Sprachgruppen zugeordnet, sondern in einer eigenen Kategorie geführt wurden). Es ist davon auszugehen, dass auf diesen Listen auch italienische KandidatInnen gewählt wurden und dass die italienische Vertretung in einigen Gemeinden somit etwas höher ausfällt. Die Gesamtzahl der Gemeinderäte mit italienischer Vertretung dürfte sich dadurch aber nur geringfügig verändern, da interethnische Listen meist in jenen Gemeinderäten vertreten sind, wo es bereits eine starke italienische Vertretung gibt.
Abschließend stellt sich die Frage, ob sich der hier dargestellte Prozess fortsetzen wird, das heißt, ob sich die Anzahl der VertreterInnen italienischer Listen in den Südtiroler Gemeinden weiter verringern wird. Bei zukünftigen Gemeinderatswahlen wird es aus heutiger Sicht nur geringe Veränderungen geben. In manchen Bezirken ist die Anzahl der italienischen GemeinderätInnen bereits so niedrig, dass weitere Veränderungen nach unten nicht möglich sind. Darüber hinaus ist der Anteil der italienischen Bevölkerung in den vergangenen zwei Jahrzehnten stabil geblieben und die italienischen Wählerstimmen sind nun zu einem großen Anteil in den Städten und dem südlichen Landesteil konzentriert. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass es in Zukunft nur geringere Veränderungen geben dürfte.
Tabelle 13: Vergleich 1952–2010
1952 |
2010 | |||
Anzahl |
%-Anteil (an der Gesamtzahl an GemeinderätInnen) |
Anzahl |
%-Anteil (an der Gesamtzahl an GemeinderätInnen) | |
GemeinderätInnen auf it. Listen |
314 |
18,2 % |
141 |
7,2 % |
Anzahl |
%-Anteil (an der Gesamtzahl an Gemeinden) |
Anzahl |
%-Anteil (an der Gesamtzahl an Gemeinden) | |
Gemeinden mit mindestens einem/r VertreterIn einer it. Liste |
82 |
78,9 % |
27 |
24,3 % |
Anzahl |
%-Anteil (an der Gesamtzahl an GemeinderätInnen in den Städten) |
Anzahl |
%-Anteil (an der Gesamtzahl an GemeinderätInnen in den Städten) | |
Städte – GemeinderätInnen auf it. Listen |
80 |
50 % |
85 |
42,5 % |
Bezirke – GemeinderätInnen auf it. Listen |
Anzahl |
%-Anteil (an der Gesamtanzahl an GemeinderätInnen im jeweiligen Bezirk) |
Anzahl |
%-Anteil (an der Gesamtanzahl an GemeinderätInnen im jeweiligen Bezirk) |
Burggrafenamt |
69 |
18,2 % |
22 |
5,1 % |
Bozen und Umgebung |
54 |
21,6 % |
39 |
13,9 % |
Eisacktal |
34 |
18,4 % |
9 |
4,4 % |
Pustertal |
57 |
15,0 % |
4 |
1,0 % |
Überetsch-Unterland |
68 |
27,8 % |
60 |
18,5 % |
Vinschgau |
12 |
6,5 % |
0 |
0,0 % |
Wipptal |
20 |
20,0 % |
7 |
8,2 % |
Anzahl |
Gemeinden |
Anzahl |
Gemeinden | |
Italienische BürgermeisterInnen |
sechs |
Bozen, Branzoll, Franzensfeste, Meran, Pfatten, Salurn |
sechs |
Bozen, Branzoll, Leifers, Pfatten, Salurn, Toblach |
Quelle: Dolomiten 1952, eigene Auswertung; Dolomiten 2010, eigene Auswertung; Südtiroler Gemeindenverband 2004, eigene Auswertung
Anmerkungen
1 Anfragen um Bereitstellung von Daten zu den Gemeinderatswahlen beim entsprechenden Amt der Region Trentino-Südtirol blieben unbeantwortet. Daher musste auf Veröffentlichungen in der Tageszeitung „Dolomiten“ zurückgegriffen werden. Für ihre große Hilfe und Unterstützung bei der Beschaffung der Wahlergebnisse danke ich Frau Ester Turbiani von der Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann (Bozen).
2 Der Bezirk Bozen und Umgebung entspricht dem Gebiet der Bezirksgemeinschaft Salten-Schlern und der Gemeinde Bozen.
3 In den folgenden Gemeinden wurden erst später Wahlen abgehalten: Andrian, Feldthurns, Hafling, Kurtinig, Margreid, Prad am Stilfser Joch, Prettau, Rasen-Antholz, Rodeneck, St. Martin in Passeier, St. Pankraz, Stilfs und Wengen.
4 Die Stadt Glurns wurde aufgrund ihrer geringen Einwohnerzahl hier nicht berücksichtigt.
5 Leifers hat das Stadtrecht im Jahr 1985 erhalten. Um einen vollständigen Vergleich über alle Wahlgänge zu gewährleisten, werden die Wahlergebnisse der Jahre 1952 und 1974 in Leifers auch berücksichtigt.
6 In den Gemeinden Margreid und Prettau wurde nicht gewählt.
7 Eine der wenigen Ausnahmen bildet hier die Gemeinde Toblach, wo 1995 sämtliche italienischen GemeinderätInnen über eine interethnische Bürgerliste gewählt wurden.
8 In den Gemeinden Abtei, Brenner, Feldthurns, Mals und Plaus wurde 2010 nicht gewählt.
Literaturverzeichnis
ASTAT (2011). 2011 Südtirol in Zahlen. www.provinz.bz.it/astat/de/256.asp?news_action=4&news_article_id=381825 (30.1.2013)
ASTAT (2012). ASTAT info, Nr. 38, Juni 2012, Volkszählung 2001. Berechnung des Bestandes der drei Sprachgruppen in der Provinz Bozen-Südtirol. www.provinz.bz.it/astat/de/bevoelkerung/458.asp?
aktuelles_action=4&aktuelles_article_id=396330 (30.1.2013)
Dolomiten (1952). Verteilung der Gemeinderatssitze in Südtirol, in: Dolomiten, 28.5.1952, 3
Dolomiten (1956). Verteilung der Gemeinderatssitze in Südtirol, in: Dolomiten, 29.5.1956, 6
Dolomiten (1974). So wählten Südtirols Gemeinden, in: Dolomiten, 19.11.1974, 2–3
Dolomiten (1990). Gemeinderatswahlen 1990, in: Dolomiten, 8.5.1990, 12–15
Dolomiten (1995). Gemeinderatswahlen 1995, in: Dolomiten, 6.6.1995, 17–24
Dolomiten (2010). Gemeinderatswahlen 2010, in: Dolomiten, 18.5.2010, 30–42
Dolomiten (2013). Gemeindegesetz im Kasten, in: Dolomiten, 24.1.2013, 13
Gemeinde Bozen, Amt für Statistik und Zeiten der Stadt (o. J.). Bürgermeister und Gemeindeausschüsse 1948–2010 www.gemeinde.bozen.it/UploadDocs/410_Buergermeister_und_Gemeindeausschuesse.pdf (5.2.2013)
Obexer, Andreas (2011). Gemeinderatswahlen 2010. Vorwahlen, Mandatsbeschränkung und Zunahme der politischen Vielfalt, in: Pallaver, Günther (Hg.). Politika 11. Jahrbuch für Politik, Bozen: Edition Raetia, 167–187
Südtiroler Gemeindenverband (Hg.) (2004). Festschrift. 50 Jahre Südtiroler Gemeindenverband 1954–2004, Bozen: Gemeindenverband
Abstracts
La rappresentanza del gruppo linguistico italiano nei comuni altoatesini nel periodo 1952-2010
Negli ultimi sessant’anni il numero dei rappresentanti di lingua italiana nei comuni altoatesini si è ridotto in maniera molto significativa. Mentre nel 1952 (anno di avvio di questa ricerca) nei consigli comunali erano stati eletti rappresentanti di liste italiane nell’80 per cento circa dei comuni altoatesini, nel 2010 questo fatto si presentava solamente nel 25 per cento dei casi. Il calo della rappresentanza del gruppo linguistico italiano è stato particolarmente consistente nelle zone rurali, mentre nelle aree urbane la rappresentanza italiana è rimasta relativamente stabile. Le principali ragioni di questo andamento sono rappresentate dalla riduzione della percentuale del gruppo linguistico italiano rispetto alla popolazione complessiva dell’Alto Adige e dalla crescente concentrazione dell’elettorato di lingua italiana nelle città. Inoltre, negli ultimi vent’anni, nei consigli comunali altoatesini sono stati votati in maniera più significativa rappresentanti di liste interetniche.
La rapresentanza dl grup linguistich talian ti comuns de Südtirol dal 1952 al 2010
Ti comuns de Südtirol é le numer di rapresentanć talians jü zoruch dër dassënn ti ultimi sessant’agn. Sce pro les lîtes comunales dl 1952 (ann da chël che chësta inrescida pëia ia) êl gnü lité rapresentanć de listes talianes te zirca l’80 % di comuns de Südtirol, é chësc tl 2010 ma plü sozedü tl 25 porcënt di caji. Le regrès dla rapresentanza dl grup linguistich talian é stè particolarmënter sterch tles valades y ti raiuns plü dales perts fora, deperpo che la rapresentanza taliana é restada valgamia stabila tles citês. Les rajuns prinzipales de chësc svilup é le desmendrimënt dla perzentuala dl grup linguistich talian en confrunt ala popolaziun complessiva de Südtirol y la conzentraziun tres majera dl eletorat talian tles citês. Implü él ti ultimi vint agn gnü lité ti consëis de comun de Südtirol de plü rapresentanć de listes interetniches.
Representation of the Italian language group in South Tyrol’s municipalities from 1952 to 2010
In the past sixty years, the number of Italian representatives in South Tyrolean municipalities has declined considerably. In 1952 (the first year reviewed in this study) around 80 per cent of all South Tyrolean municipalities had local council representatives who were on the list of an Italian party; by 2010 the number had fallen to less than 25 per cent. The decline was particularly striking in rural areas while representation of the Italian language group has remained relatively stable in urban areas. The main reasons for this development are the reduction of the Italian language group within the total population of South Tyrol and the increasing concentration of Italian votes into cities. In addition, more representatives of inter-ethnic parties were elected to South Tyrol’s municipal councils over the past twenty years.