Suchbegriff eingeben...

Inserire il termine di ricerca...

Enter search term...

Hermann Atz

Gegeneinander, Nebeneinander oder ­Miteinander

Wie haben sich 40 Jahre Autonomiestatut auf das
Zusammenleben der Volksgruppen in Südtirol ausgewirkt?

1. Einleitung

Zusammenleben

Südtirol ist es gewohnt, als Erfolgsmodell dargestellt zu werden: wirtschaftlich wohlhabend, gut verwaltet, mit einzigartiger Umwelt und als Vorbild für das friedliche Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen (vgl. Pasquali et al. 2002). Aus aller Welt kommen Delegationen, um das geltende Autonomiestatut als ideale Verbindung von Minderheitenschutz und Selbstverwaltung zu studieren, durch die ein schwieriger Konflikt ohne Verschiebung von Staatsgrenzen befriedet werden konnte. (Vieles spricht allerdings dafür, dass dieses Lösungsmodell nicht nur erfolgreich war, sondern auch einmalig ist, denn bis dato steht der Beweis aus, dass es sich auf Situationen im ehemaligen Jugoslawien oder in der Volksrepublik China übertragen lässt.) Weit weniger positiv fällt das Urteil von Personen aus, die – von außen kommend – eine gesellschaftliche Realität kennenlernen, wo es im Alltag zwar wenig Probleme gibt, ethnische Vorurteile aber durchaus spürbar sind und soziale Kontakte sich hauptsächlich auf die eigene Volksgruppe beschränken.

Als zentraler Begriff wird dabei häufig das friedliche Zusammenleben der Volksgruppen genannt, das in Südtirol gegeben sei. Doch was ist damit eigentlich gemeint: eine Koexistenz der verschiedenen Gruppen ohne ethnisch bedingte Gewaltakte oder eine weitgehende Integration der Gruppen als multiethnische Gesellschaft? Man könnte auch im Sinne Johan Galtungs (2000) von negativem und positivem Frieden sprechen – negativ als schiere Abwesenheit von Gewalt, positiv als Zustand weitgehender Gerechtigkeit, in dem es auch keine strukturelle Unterdrückung gibt, sondern in der alle Mitglieder der (lokalen) Gesellschaft weitgehend mit den politischen und sozialen Gegebenheiten einverstanden sind.

Wenn wir also Bilanz darüber ziehen möchten, wie es um das Zusammenleben der Volksgruppen in Südtirol steht und wie dieses sich in den 40 Jahren seit Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts verändert hat, dann sind zunächst die grundlegenden Begriffe Volksgruppen und Zusammenleben zu klären. Vor allem ist zu präzisieren, woran sich die Qualität des Zusammenlebens erkennen lässt. Erst dann wird es möglich sein, einzelne Indikatoren zu betrachten und zu bewerten.

Volksgruppe, Sprachgruppe, Ethnie

Nirgends auf der Welt lassen sich heute noch größere Gesellschaften finden, die sprachlich-kulturell vollständig homogen sind. Vielmehr ist es ein Kenn­zeichen moderner Gesellschaften, dass sie sich aus Menschen mit verschiedener geogra­fischer Herkunft und/oder ethnischer bzw. religiöser Zugehörigkeit zusammen­setzen. Dennoch wird nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen von Volksgruppen bzw. ethnischen Gruppen oder – eigentlich nur in Südtirol – Sprachgruppen gesprochen. Wir wollen uns hier nicht auf die Erörterung feiner Bedeutungs­unterschiede einlassen, sondern verwenden im Folgenden – in Anlehnung an den pragmatischen Zugang Alexander Langers (1996) – primär den Begriff Volksgruppe.1

Die Existenz von Volksgruppen lässt sich als gesellschaftliches Konstrukt verstehen, das durch ein Wechselspiel aus Selbstwahrnehmung und Fremdzuschreibung gekennzeichnet ist: Ich fühle mich einer sozialen Gruppe aufgrund tatsächlicher oder unterstellter Ähnlichkeiten (Sprache, Herkunft, Körpermerkmale, Sitten, Ideale …) zugehörig und werde auch von anderen als Angehöriger dieser Gruppe erkannt und behandelt.2

Den Sinn solcher Gruppenidentitäten sieht die Sozialpsychologie darin, dass sie das Selbstwertgefühl einer Person stärken können (die eigene Gruppe wird meist als überlegen empfunden) und dass sie Sicherheit im Alltag bieten, indem es leichter fällt, ein unbekanntes Gegenüber einzuschätzen und sich entsprechend zu verhalten, sobald dessen soziale Identität feststeht. Damit jedoch von Volksgruppen gesprochen wird, braucht es in der Regel ein zweites Element, nämlich dass politische Akteure wie Parteien, Vereinigungen oder Einzelpersonen den Anspruch erheben, die Interessen einer solchen Gruppe zu vertreten, oder auch umgekehrt, die eigenen Leute gegen eine bestimmte andere Gruppe zu schützen. Erst dann kommt es zu einer Ethnisierung der Politik, die nicht nur kulturelle Anliegen und Auseinandersetzungen, sondern auch sozio-ökonomische Konflikte häufig als solche zwischen verschiedenen Volksgruppen behandelt (Vgl. Reiterer 2002).

Ethnisierung des politischen Systems

Südtirol stellt geradezu ein Paradebeispiel für einen Prozess der Ethnisierung der Politik dar. Dessen Wurzeln reichen zurück bis ins 19. Jahrhundert, als im alten Tirol, wie in vielen anderen Teilen der Habsburgermonarchie, nationalistische Auseinandersetzungen an Bedeutung gewannen. Die Italianisierungspolitik des Faschismus und die staatlich geförderte Zuwanderung aus anderen italienischen Regionen, die bis in die 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts anhielt, verschärften die Situation weiter. Als Reaktion darauf bildeten sich die Südtiroler Volkspartei und viele Organisationen im vorpolitischen Raum, um die Interessen der deutschen und ladinischen Volksgruppe zu verteidigen – vor allem gegen den Zentralstaat und die Nachbarprovinz Trient, die in der gemeinsamen Region den Ton angab, aber auch gegen die (damals) aus anderen Teilen Italiens bzw. aus Dalmatien und Istrien neu zugewanderten MitbürgerInnen, die dadurch erst zur italienischen Volksgruppe wurden.

Festgeschrieben wurde das Ganze in den beiden Autonomiestatuten, durch die den sprachlich-kulturellen Minderheiten ganz bestimmte Rechte eingeräumt werden. Allen voran ist der sogenannte Proporz in der öffentlichen Verwaltung und bei der Vergabe von Sozialwohnungen zu nennen. Doch auch die nach Unterrichtssprachen getrennten Schulen, die getrennte Kulturförderung und nicht zuletzt die individuelle namentliche Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung waren Bausteine eines politischen Systems, in dem die ethnische Konfliktlinie das entscheidende cleavage war.3 Dem Zweiten Autonomiestatut ist es auch zu verdanken, dass hierzulande zumeist von Sprachgruppen und nicht von Volksgruppen die Rede ist, was der andernorts übliche und wohl auch besser zutreffende Begriff wäre.

Heute gehen weitgehend getrennte politische Arenen mit einer ebenso getrennten Medienlandschaft Hand in Hand (vgl. Pallaver 2006). Italienischsprachige BürgerInnen werden hauptsächlich versorgt mit Informationen über italienischsprachige Parteien und deren politische Vertreter sowie über Themen, die Städte und Ortschaften mit einem starken Anteil an italienischsprachiger Bevölkerung betreffen. Die Medien ergreifen zum Teil auch offen Partei, wenn es um ethnische Konflikte mit Symbolcharakter geht, wie die faschistischen Denkmäler oder die Ortsnamengebung. Mutatis mutandis gilt dasselbe für die deutschsprachige Bevölkerung und ihre Information durch deutschsprachige Medien. (Es gibt zwar auch Zeitschriften und Rundfunksendungen in ladinischer Sprache, aber sie berichten zu punktuell und unvollständig, um eine eigene Öffentlichkeit zu kreieren.)

Makro- und Mikroebene

Eine ethnisch segmentierte Gesellschaft, wie jene Südtirols, fußt darauf, dass die Selbst- und Fremdzuschreibung von Volksgruppenzugehörigkeit auf verschiedenen Ebenen stattfindet, auf der Makroebene der Politik und großer sozialer Organisationen (z. B. Kirche, Gewerkschaften) ebenso wie auf der Mikroebene der individuellen Lebenszusammenhänge (z. B. Freundeskreis, Schule, Arbeitsplatz). Und nur durch das Zusammenwirken der beiden Ebenen verfestigt sich eine derartige Gesellschaftsstruktur.

Für eine sozialwissenschaftliche Betrachtung, wie sie hier versucht wird, bedeutet das eine große Herausforderung. Sie müsste einerseits die politischen Geschehnisse und Entwicklungen der letzten vier Jahrzehnte unter die Lupe nehmen: Was waren relevante Konflikte und volkstumspolitische Weichenstellungen? Welche Positionen nahmen zentrale politische Akteure ein? Wie verliefen die entsprechenden öffentlichen Diskurse? Andererseits hätte sie sich mit den Auswirkungen dieser Prozesse auf die Sozialstruktur zu befassen: Welche Folgen hatte die rechtliche und institutionelle Ausformung der Autonomie? Inwieweit trugen bestimmte Regelungen dazu bei, die gesellschaftlichen Subsysteme zu integrieren oder aufzuspalten? In welchem Umfang beeinflussten sie die konkrete Lebenslage der Menschen? Und schließlich sollte sie sich der Frage zuwenden, wie sich all dies in den Alltagserfahrungen und im Bewusstsein der BürgerInnen niedergeschlagen hat, und zwar differenziert nach sozialer Schicht und ethnischer Zugehörigkeit.

Ein derartig umfassendes Arbeitsprogramm sprengt bei Weitem den Rahmen dieses Beitrags. Wir wollen uns daher auf die letztgenannte Ebene beschränken, jene der individuellen Lebensverhältnisse und Einstellungen. Die Gegebenheiten und Veränderungen auf dieser Mikroebene sollen im Folgenden anhand empirischer Daten, die auf einer Reihe von repräsentativen Umfragen beruhen, nachgezeichnet werden. Ausgehend von den Sprachkenntnissen als Voraussetzung interkultureller Begegnung untersuchen wir die tatsächlichen Kontakte zwischen den Sprachgruppen und die dabei verwendeten Sprachen. Sodann gehen wir der Wahrnehmung der ethnischen Frage als Problem oder gar Konflikt nach und beschreiben, wie sich dieses Problembewusstsein im Lauf der Zeit gewandelt hat bzw. wie die diesbezüglichen Erwartungen der Bevölkerung aussehen. Zudem beleuchten wir die Einstellungen zur kulturellen Vielfalt in Südtirol und die ethnische Identität von Angehörigen der verschiedenen Sprachgruppen. Abschließend soll dann versucht werden, den Einfluss des Zweiten Autonomiestatuts auf die dargestellten Entwicklungen zu bewerten und daraus Ansatzpunkte für dessen Weiterentwicklung abzuleiten.

2. Sprachkenntnisse, Sprachverwendung und soziale Kontakte

Gesellschaftliche Integration ist nur möglich, wenn die Menschen miteinander kommunizieren können und wollen. Das setzt einerseits Kontaktchancen, andererseits ausreichende Sprachkenntnisse voraus. Beides wird wiederum von den Einstellungen beeinflusst: Kontakte lassen sich bewusst suchen, und wer mit anderssprachigen Personen in Kontakt treten möchte, hat eine höhere Motivation, sich die entsprechenden sprachlichen und kommunikativen Kompetenzen anzueignen.

In Südtirol gibt es bekanntlich zwei (bzw. zweieinhalb) offizielle Landessprachen: Italienisch als Nationalsprache und Deutsch als gleichwertige Amtssprache bei öffentlichen Verwaltungen und Diensten innerhalb der Provinz Bozen. Eingeschränkt auf die Ortschaften des Gadertals und Grödens gilt auch das Ladinische als anerkannte Amtssprache, die im Umgang mit der Verwaltung verwendet werden kann. All dies sind Regelungen, die im Autonomiestatut festgelegt sind. Sie haben als unmittelbare Folge die Zwei- bzw. Dreisprachigkeitspflicht der öffentlich Bediensteten.

Nicht zuletzt aus diesem Grund, aber mindestens ebenso wegen der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung ausreichender Kompetenzen in allen Landessprachen, wird dem Erlernen der Zweitsprache in der Öffentlichkeit großes Augenmerk geschenkt: Wie es am besten geschehen soll und wie es um die Zweitsprachkenntnisse tatsächlich steht, ist regelmäßig Gegenstand (schul-)politischer und pädagogischer Debatten. Auch in den Augen der Bevölkerung steht die Bedeutung von Zweitsprachkenntnissen außer Diskussion: Im Jahr 2004 erklärten bei einer Umfrage des Landesinstituts für Statistik – ASTAT fast drei Viertel (72 Prozent), die Beherrschung der Zweitsprache sei sehr wichtig, ein weiteres Viertel (25 Prozent), sie sei ziemlich wichtig; nur 2 Prozent der Befragten wollten ihr geringe oder keine Wichtigkeit zumessen (Astat 2006, 196).

Obwohl es eine Reihe interessanter Analysen über die Chancen, Hindernisse und Tücken psychologischer, soziolinguistischer und politischer Natur in Bezug auf die Herausbildung einer wirklich mehrsprachigen und interkulturellen Gesellschaft in Südtirol gibt (vgl. etwa Baur/von Guggenberg/Larcher 1998, Baur 2000, Egger 2001, Baur/Larcher 2011), waren und sind verlässliche und umfassende empirische Daten zum tatsächlichen Stand der Zweisprachigkeit Mangelware. Häufig beschränken sich statistische Untersuchungen der Sprachkompetenz auf bestimmte Gruppen, z. B. Maturanten oder zweisprachige Familien, aber nicht auf die Gesamtbevölkerung.

Im Rahmen einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage wurde erstmals im Jahr 1986 nach Kenntnissen und Verwendung der Zweitsprache gefragt. Demnach meinten 91 Prozent der deutschsprachigen bzw. 62 Prozent der italienischsprachigen Befragten, die jeweilige Zweitsprache in gewissem Umfang zu beherrschen; Personen mit ladinischer Muttersprache hatten – laut eigener Angabe – zu 100 Prozent Deutsch-, zu 92 Prozent Italienischkenntnisse (Astat 1988, 139).4 Auf die Frage, ob sie Gespräche sowohl auf Deutsch als auch auf Italienisch führen könnten, antworteten weitere 10 Prozent der Italienischsprachigen bzw. knapp 3 Prozent der Deutschsprachigen mit Nein. Daraus folgt, dass 47 Prozent – also fast die Hälfte – der Personen mit Italienisch als Muttersprache damals keine Möglichkeit hatten, in der anderen Landessprache zu kommunizieren, bei den Personen deutscher Muttersprache traf dies dagegen nur auf 12 Prozent zu (Astat 1988, 146). Aber auch unter den übrigen Befragten gab die Mehrheit an, bei einem Gespräch in der Zweitsprache gewisse Schwierigkeiten zu haben. Lediglich ein Drittel (35 Prozent) der deutschen Sprachgruppe, 15 Prozent der italienischen und immerhin die Hälfte der ladinischen waren in der Selbsteinschätzung somit wirklich zweisprachig.

Im Jahr 1997 ergab eine Bevölkerungsumfrage zu ähnlichen Themen, dass sich rund die Hälfte (51 Prozent) der Befragten deutscher Muttersprache gegenüber einem Viertel (25 Prozent) der Befragten italienischer Muttersprache als zweisprachig einstuften (d. h. sich fähig fühlten, Gespräche in der anderen Landessprache problemlos zu führen). Umgekehrt erklärten 48 Prozent der Italienischsprachigen und 23 Prozent der Deutschsprachigen, keine oder höchstens minimale Zweitsprachkenntnisse zu besitzen (Censis 1997, 91). In beiden großen Sprachgruppen hängen die Zweitsprachkenntnisse stark vom Bildungsgrad ab: Je höher die formale Bildung, desto besser werden diese eingestuft (Censis 1997, 96). Ebenso weisen jüngere Befragte tendenziell bessere Zweitsprachkenntnisse auf als die älteren Generationen (Censis 1997, 94). Auf die Bedeutung der sprachlichen Umgebung verweist der Umstand, dass sich in den kleinsten Gemeinden der höchste Anteil an zweisprachigen Personen italienischer, in den größten Gemeinden der höchste Anteil an zweisprachigen Personen deutscher Muttersprache finden (Censis 1997, 92).

Bei einer weiteren Bevölkerungsumfrage, die 2004 durchgeführt wurde, erfolgte eine Differenzierung nach aktiver und passiver Beherrschung der Sprache sowohl im Mündlichen wie im Schriftlichen. Für die beiden großen Sprachgruppen ist das Ergebnis in der nachstehenden Tabelle zusammengefasst. Demnach fehlt je nach untersuchter Fertigkeit einem Anteil von 5 Prozent bis 10 Prozent der deutschen Sprachgruppe sowie von 25 Prozent bis 41 Prozent der italienischen Sprachgruppe jegliche Kompetenz in der Zweitsprache. Zu diesen kommt jeweils noch ungefähr ein Drittel, das nur zu einer sehr bescheidenen Kommunikation fähig ist. Auf die Sprachfertigkeiten der Ladiner wird hier aus Gründen der gebotenen Kürze nicht näher eingegangen, zumal sie in den allermeisten Fällen sowohl Deutsch als auch Italienisch auf hohem Niveau beherrschen.5

Tabelle 1: Schwierigkeiten der deutschen und der italienischen Sprachgruppe in der Zweitsprache – 2004

Sprach­gruppe

Hörverständnis

Sprechfertigkeit

Leseverständnis

Schriftliche ­Kenntnisse

Ich kann nichts verstehen

Ich verstehe einfache Sätze

Ich kann mich nicht aus­drücken

Ich kann mich in alltäglichen Situationen ausdrücken

Ich kann nichts verstehen

Ich verstehe einfache Informationen

Ich kann mich nicht aus­drücken

Ich kann kurze Notizen schreiben

Prozentanteil der Befragten

Deutsch

5,2

16,6

5,1

36,0

9,4

27,1

10,5

27,5

Italienisch

24,6

26,9

38,8

34,0

37,9

31,2

41,4

32,2

Quelle: Astat 2006, 152

Zu anspruchsvolleren Gesprächen in der jeweiligen Zweitsprache sind demnach 59 Prozent der Personen deutscher Muttersprache fähig – darunter rund ein Viertel aller Befragten, die sagen, sie könnten sich auf Italienisch spontan und flüssig ausdrücken. Bei Personen italienischer Muttersprache liegt der entsprechende Anteil bei gut einem Viertel (27 Prozent); ein knappes Zehntel meint sogar, sich auf Deutsch ohne Probleme unterhalten zu können (Astat 2006, 143f).

Es bestätigt sich, dass die Zweitsprachkenntnisse stark vom Alter und vom Bildungsgrad der Befragten abhängen: Personen unter 40 Jahren attestierten sich im Jahr 2004 mehr als doppelt so häufig ein gutes Leseverständnis in der Zweitsprache wie solche mit 60 Jahren und mehr. Der Einfluss des Bildungsgrads ist vor allem unter italienischsprachigen Personen sehr stark. Zudem tritt auch beim Leseverständnis die Kluft zwischen deutscher und italienischer Sprachgruppe sehr deutlich zutage (Astat 2006, 146).

Obwohl die Fragen unterschiedlich gestellt wurden und deshalb keine direkten Vergleiche erlauben, scheint aus den genannten Daten eine merkliche Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Zweitsprache ablesbar. Allerdings ist der Anteil von Personen, die in der Wahl der Kommunikationssprache – aus eigener oder fremder Unfähigkeit – eingeschränkt sind, auch noch im Jahr 2004 recht hoch. Summiert über alle Sprachgruppen beläuft sich der Anteil dieser nicht oder nur bedingt Zweisprachigen auf knapp die Hälfte der Befragten. Nur innerhalb der anderen Hälfte der Bevölkerung Südtirols besteht für eine gleichwertige Verwendung beider großen Landessprachen somit die grundlegende Voraussetzung.

Wie steht es nun um die Praxis? Im Freundeskreis verwendeten 1991 laut einer Bevölkerungsumfrage des ASTAT fast genau die Hälfte der deutschsprachigen und etwas weniger der italienischsprachigen Personen auch die Zweitsprache, darunter jeweils nur ein gutes Zehntel aller Befragten häufig (Buson 1992, 109). Die andere Hälfte – in der italienischen Sprachgruppe etwas mehr – bedienten sich im Freundeskreis somit ausschließlich der Muttersprache, zum Teil weil sie die Zweitsprache gar nicht beherrschten (was vor allem auf ältere Angehörige der italienischen Sprachgruppe zutraf), zum größeren Teil aber trotz entsprechender Zweitsprachkenntnisse. Ähnlich ist das Bild mehr als ein Jahrzehnt danach: Im Jahr 2004 erklärten ein knappes Drittel der deutschsprachigen und nicht ganz ein Viertel der italienischsprachigen Befragten, in ihrem Privatleben täglich bzw. mehrmals pro Woche Gespräche in einer anderen als der Muttersprache zu führen. Fast ein Drittel der deutschen Sprachgruppe, aber über die Hälfte der italienischen tat dies dagegen selten bis nie (Astat 2006, 127).

Ganz anders ist die Situation am Arbeitsplatz (die natürlich nur Beschäftigte betrifft): Hier gaben im Jahr 1991 fast zwei Drittel der deutschsprachigen Befragten an, die Zweitsprache zu verwenden, ein Viertel sogar häufig. Und auch fast die Hälfte der italienischsprachigen Beschäftigten benutzte die Zweitsprache zumindest gelegentlich, darunter 30 Prozent häufig (Buson 1992, 108). Vergleichbar sind die Ergebnisse aus dem Jahr 2004: Dieser Umfrage zufolge kommunizieren gut zwei Drittel der deutschen und die Hälfte der italienischen Sprachgruppe am Arbeitsplatz regelmäßig in einer anderen als der Muttersprache, jeder zehnte Angehörige der deutschen und jeder vierte der italienischen tut dies dagegen selten bis nie (Astat 2006, 128). Mehrheitlich scheint die Kommunikation in der Zweitsprache allerdings Kunden und andere Außenstehende zu betreffen. Mit den unmittelbaren KollegInnen sprechen nämlich nur knapp 40 Prozent der deutschsprachigen Beschäftigten auch italienisch, umgekehrt sind es nur knapp 20 Prozent der Beschäftigten italienischer Muttersprache, die unter Kollegen auch deutsch (Hochsprache oder Dialekt) verwenden (Astat 2006, 73). Ein ähnliches Bild zeichnet eine empirische Studie zur Bedeutung von Sprachkompetenzen am Südtiroler Arbeitsmarkt. Demnach sind rund ein Drittel der untersuchten Betriebe in der internen Kommunikation rein einsprachig, während umgekehrt ein erheblicher Verbesserungsbedarf in Bezug auf die Beherrschung von Hochdeutsch und Italienisch festgestellt wird (Pörnbacher et al. 2009).

Die Frageformulierungen der verschiedenen Studien sind leider auch zu diesem Themenkreis nicht identisch, trotzdem soll der Vergleich gewagt werden: Im Gegensatz zu den Sprachkenntnissen, wo eine Verbesserung recht evident ist, weisen die Ergebnisse zur tatsächlichen Verwendung der Zweitsprache eher auf eine stabile Situation hin. Weder kann also bestätigt werden, dass sich die Sprachgruppen in Südtirol immer mehr in sich selbst zurückziehen, noch gibt es eine deutliche Dynamik in Richtung mehr Öffnung und Integration. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, wäre letztere eigentlich zu erwarten, denn bei allen Untersuchungen zeigt sich, dass die Jüngeren nicht nur bessere Sprachkenntnisse aufweisen, sondern diese auch häufiger einsetzen. Je mehr die jüngere Generation also den Platz der älteren einnimmt, desto stärker müsste demnach ihr Verhaltensmuster zur Norm werden.

Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang eine jedem in Südtirol Lebenden eigene, fast selbstverständliche Asymmetrie bei der Wahl der Kommunikationssprache: Italienischsprachige Personen benutzen im Umgang mit Anderssprachigen, von denen sie wissen, dass sie Italienisch können, nur selten deren Muttersprache (selbst wenn sie ihrer mächtig sind). Viele Deutschsprachige entscheiden sich in einer vergleichbaren Situation dagegen gewöhnlich für die Sprache des anderen, auch wenn ein erheblicher Teil der Befragten behauptet, die Kommunikationssprache situationsbezogen zu wählen. Wichtigster Grund für die Bevorzugung der eigenen Sprache ist das Gefühl, die andere Sprache schlecht zu beherrschen und sich daher in der Muttersprache sicherer zu fühlen. Dies bestätigt sich in der häufigsten Begründung für die Verwendung der Zweitsprache, nämlich sie besser zu können als der andere (Astat 2006, 131ff).

Wenden wir uns nunmehr dem Aspekt der sozialen Kontakte zwischen Angehörigen verschiedener Sprachgruppen zu, die – wie bereits erwähnt – zum Teil von objektiven Gegebenheiten bestimmt sind, zum Teil aber von den Menschen selbst gesucht oder gemieden werden können. Im Jahr 1991 erklärten über die Hälfte der italienischen, aber nur ein gutes Viertel der deutschen Befragten, in ihrer Freizeit häufig Kontakte zur jeweils anderen Sprachgruppe zu haben. Bei einem Zehntel der Italienischsprachigen bzw. einem Fünftel der Deutschsprachigen war dies dagegen nie der Fall. Jüngere Befragte hatten in ihrer Freizeit zwar häufiger Kontakte zu Angehörigen der anderen Sprachgruppe, doch waren die Unterschiede zwischen den Generationen eher gering (Buson 1992, 106f).

Im Jahr 2004 wurde nach Freunden gefragt, die anderen Sprachgruppen angehören. Vier von fünf italienischsprachigen bzw. drei von fünf deutschsprachigen Befragten gaben an, solche Freunde zu haben. Auch hier sind es vor allem jüngere und höher gebildete Personen, welche die Grenzen der eigenen Sprachgruppe überschreiten. Allerdings darf diese Tatsache nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Freundeskreis bei drei Viertel der Bevölkerung überwiegend (oder sogar ausschließlich) der gleichen Sprachgruppe angehört (Astat 2006, 123f). Das bestätigt sich auch für die junge Generation: Jeweils knapp drei von vier befragten Jugendlichen deutscher bzw. ladinischer Sprache erklärten 2009, dass die Freunde, mit denen sie sich regelmäßig treffen, alle der eigenen Sprachgruppe angehörten; bei der italienischen Sprachgruppe lag der vergleichbare Anteil unter der Hälfte (Astat 2010, 42). Recht ähnlich hatte sich die Situation auch fünf Jahre zuvor dargestellt (Astat 2004, 33).

Über die Kontakte am Arbeitsplatz gibt nur die Untersuchung des Jahres 1991 näher Auskunft. Demnach hatten italienischsprachige Beschäftigte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu einem sehr großen Anteil regelmäßige Kontakte zu Angehörigen der deutschen (oder ladinischen) Sprachgruppe, deutschsprachige Beschäftigte etwa zur Hälfte. Immerhin ein Sechstel der deutschsprachigen und 7 Prozent der italienischsprachigen Beschäftigten kamen beruflich nie mit den anderen Sprachgruppen in Berührung (Buson 1992, 105).

Gerade die Befunde zu den sozialen Kontakten sind auf dem Hintergrund sowohl der soziodemografischen Struktur des Landes als auch der sozialen Organisation zu lesen. Angehörige der deutschen Sprachgruppe leben zu einem erheblichen Teil in – vor allem kleinen – Gemeinden und Wohngebieten, wo sie keine italienischsprachigen Personen als NachbarInnen oder MitbürgerInnen haben und wo, wenn der Arbeitsplatz in der Nähe liegt, auch die Arbeitskollegen häufig nur der eigenen Sprachgruppe angehören (von ausländischen Arbeitskräften einmal abgesehen). Nur in den städtischen Gebieten und in einzelnen Ortschaften des Südtiroler Unterlandes oder an der Staatsgrenze ist dies anders. Denn genau dort konzentriert sich die italienischsprachige Bevölkerung. Die Ladiner wiederum sind stark auf die beiden ladinischen Talschaften Südtirols konzentriert, wo sie die große Bevölkerungsmehrheit darstellen. Daraus – und aus der Tatsache mit einem Anteil von knapp 30 Prozent der Wohnbevölkerung Minderheit im Land zu sein – folgt zwingend, dass es den Angehörigen der italienischen Sprachgruppe leichter fällt, in Kontakt mit deutsch- oder ladinischsprachigen Personen zu treten als umgekehrt.

Mindestens ebenso schwerwiegend dürfte die ethnische Segregation der Südtiroler Gesellschaft sein: das Schulsystem, das Vereinswesen, die politischen Verhältnisse (Vgl. Pallaver 2010, 381–384).

Aus Gründen der politischen Geschichte, des Kampfes um die Rechte und den Schutz der sprachlichen Minderheiten, aber auch durch das Aufeinandertreffen einer autochthonen Bevölkerung mit ZuwandererInnen aus den verschiedenen Regionen Italiens, gibt es bekanntlich sprachlich – und damit de facto auch ethnisch – getrennte Schulen und andere Bildungseinrichtungen (z. B. Musikschulen). Ebenso trifft dies auf einen großen Teil der Freizeitvereine, kulturellen Initiativen, Jugendzentren und -dienste, Berufsorganisationen, zum Teil sogar auf Gewerkschaften bis hin zu Pflegeheimen (zumindest als Forderung) und religiösen Angeboten zu. Diese Trennung – polemisch manchmal als Mauer (Vgl. Gianelli 1987) oder gar Apartheid-System diffamiert – reduziert die Begegnungsmöglichkeiten zwischen Angehörigen der verschiedenen Sprachgruppen natürlich erheblich. Sie zwingt dazu, den Kontakt in vielen Fällen aktiv zu suchen, wenn er gewünscht wird, weil man rein zufällig kaum Gelegenheiten findet.

Fazit

Bei aller Lückenhaftigkeit und mangelnder Vergleichbarkeit lassen sich aus dem Dargelegten folgende Schlüsse ziehen. Obwohl die Wichtigkeit von Zweitsprachkenntnissen unbestritten ist, und zwar nicht nur objektiv, sondern in den Augen aller Bevölkerungsgruppen, hapert es an der wirklichen Kompetenz. Auch die aktuellsten Daten ergeben, dass nur etwa die Hälfte der SüdtirolerInnen relativ problemlos in beiden großen Landessprachen Gespräche führen kann – Ähnliches gilt für die anderen Formen der Sprachbeherrschung. Fortschritte hat es dabei zweifellos gegeben: Jüngere weisen deutlich bessere Zweitsprachkenntnisse auf als Ältere. Im Zeitvergleich ist der Anteil an Personen gestiegen, die sich in beiden Landessprachen gut verständigen können. Aber vor allem innerhalb der italienischen Sprachgruppe sind Personen mit guten Deutschkenntnissen immer noch klar in der Minderheit.

Das trägt dazu bei, dass in der Begegnung zwischen Personen deutscher (bzw. ladinischer) und italienischer Muttersprache vorzugsweise Italienisch verwendet wird, was nicht nur ein kulturelles Ungleichgewicht schafft, sondern die Kommunikationsfähigkeit unter Umständen – nämlich dann, wenn auch der deutschsprachige Partner mangelhafte Zweitsprachkenntnisse hat – überhaupt darunter leidet. Die Regelungen des Autonomiestatuts bezüglich der Zweisprachigkeit haben für alle, die in den öffentlichen Dienst streben, die Notwendigkeit geschaffen, sich gute Kenntnisse der anderen Landessprache anzueignen. Sie haben dadurch sicher ein Signal und ein nicht zu unterschätzendes extrinsisches Motiv zum Sprachenlernen gesetzt. Andererseits haben dieselben Regelungen es Personen deutscher Muttersprache ermöglicht, sich nur mehr in der eigenen Muttersprache an öffentliche Stellen zu wenden, wodurch der Zwang zu einer amtstauglichen Beherrschung des Italienischen entfallen ist.

Kontakte zwischen Personen verschiedener Muttersprache gibt es zwar regelmäßig, aber bei Weitem nicht so häufig wie zwischen Personen, die alle derselben Sprachgruppe angehören. Interethnische Kontakte finden am ehesten am Arbeitsplatz statt, wo es sich meistens um Kunden, Lieferanten oder Geschäftspartner handelt, seltener um Arbeitskollegen, die anderen Sprachgruppen angehören. Sie betreffen jedoch auch das Privatleben und den Freundeskreis. Eine Mehrheit der SüdtirolerInnen pflegt freundschaftliche Beziehungen über die ethnischen Grenzen hinweg, aber sie stellen dann doch eher die Ausnahme als die Regel im Bekanntenkreis dar. Und, was besonders wichtig erscheint, scheint sich die Situation diesbezüglich auch kaum zu verändern. Weder ist eine Tendenz zu stärkerer Desintegration der Gesellschaft festzustellen noch ein spürbares Zusammenwachsen. Das lässt sich auch an den Ehen und Partnerschaften zwischen Personen verschiedener Muttersprachen ablesen. Offiziell wurde der Anteil von sogenannten gemischtsprachigen Ehen – also solchen zwischen Ehegatten, die sich verschiedenen Sprachgruppen zugehörig erklären – zwar zuletzt im Rahmen der Volkszählung 1981 erfasst: Dort betrug er 9 Prozent aller Kernfamilien (Astat 1986, 86). Doch belegt die Tatsache, dass im Jahr 2004 der Anteil an Personen, die mit ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin in der Zweitsprache kommunizieren, bei beiden Geschlechtern und allen Altersgruppen unter 10 Prozent lag, dass es hier keinen nennenswerten Anstieg gegeben hat (Astat 2006, 113).

Vielleicht nicht das Autonomiestatut selbst, doch die Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die es förderte, so könnte man schließen, haben zwar das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache (für jüngere Italiener) zur Notwendigkeit gemacht, doch sie setzten keine Dynamik zu einer verstärkten Integration zwischen den Sprachgruppen in Gang. Auf der anderen Seite haben dieselben Rahmenbedingungen die Bedeutung von Italienischkenntnissen für deutschsprachige Personen, wenn nicht für den beruflichen Erfolg, so doch im Alltag eher reduziert.

3. Problembewusstsein und wahrgenommene Qualität des ­Zusammenlebens

Sprachkenntnisse und ihre Anwendung stellen einen objektiven Indikator für die Möglichkeit eines kulturellen Austauschs und damit eines intensiven Zusammenlebens dar. Ebenso wichtig erscheint aber die subjektive Wahrnehmung der Qualität dieses Zusammenlebens: ob es als Problem oder als weitgehend konfliktfrei empfunden wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Wahrnehmung sowohl auf der eigenen lebensweltlichen Erfahrung der Menschen als auch auf der Darstellung in den Medien beruht.

Als erstes sei der Frage nachgegangen, welche Dringlichkeit dem Thema Zusammenleben der Sprachgruppen als Aufgabe der Lokalpolitik zugemessen wird. Im Jahr 1986 wurde es in einer Liste von 13 Problembereichen am zweithäufigsten – allerdings mit deutlichem Abstand hinter Arbeitsplätze für die Jugend – genannt (Astat 1988, 131). Ein gutes Jahrzehnt später rutschte die ethnische Frage – bezogen auf dieselbe Themenliste – an die fünfte Stelle. Während Arbeitsplätze für die Jugend immer noch das bei Weitem meistgenannte Anliegen darstellte, hatten so­zia­le Fragen (Gesundheitsfürsorge, Altenbetreuung, Sozialer Wohnbau) offenbar an Brisanz gewonnen und ökologische Themen (Umweltschutz) ihre Dringlichkeit beibehalten (Haller 2000, 91). Der Schutz der sprachlichen Minderheiten, der bereits 1986 kaum als Problem empfunden worden war, nahm 1997 mit nur 7 Prozent an Nennungen die absolut letzte Position in der Reihe dringlicher Probleme ein. Somit hat das Autonomiestatut seine Kernaufgabe offenbar in hohem Maß erfüllt. Max Haller bewertet diese Veränderungen in seinen abschließenden Bemerkungen zum „Social Survey 1997“ dahingehend, dass „die Bevölkerung Südtirols der Meinung ist, dass die wichtigste historische Konfliktlinie des Landes, jene zwischen der deutschen und der italienischen Sprachgruppe, heute vieles an Schärfe verloren hat“ (Haller 2000, 90). Gleichzeitig verweist er auf Minderheitenprobleme und ethnische Konflikte neuer Art, nämlich das Gefühl der ladinischen Volksgruppe, gegenüber der deutschen benachteiligt und als Minderheit zu wenig geschützt zu sein (Haller 2000, 92).

Auch in einer vergleichbaren Liste, die ebenfalls 1997 repräsentativ abgefragt wurde, scheinen die Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen den Sprachgruppen erst an vierter Stelle auf, nur wenig hinter Wohnungsnot und Jugendprobleme und fast gleichauf mit Einwanderung aus außereuropäischen Ländern und Umweltbelastung (Censis 1997, 3–8). Alle drei Untersuchungen stimmen jedoch darin überein, dass das Zusammenleben der Sprachgruppen vor allem von Angehörigen der italienischen Volksgruppe als Problem erlebt wurde (und wird), und zwar in zwei- bis dreimal so starkem Ausmaß wie in der deutschen und ladinischen Volksgruppe (letztere wurde nur 1997 getrennt analysiert). Laut Censis nahm es 1997 bei den italienschsprachigen Befragten sogar die erste Stelle in der Reihenfolge der Dringlichkeit von Problemen ein, die einer Lösung bedürften. Damals wurde zudem festgestellt, dass sich dieses Problembewusstsein mit zunehmendem Alter abschwächt.

Im Jahr 2006 lautete die entsprechende Frage Unter welchen Problemen hat Südtirol Ihrer Meinung nach zu leiden?, und es standen insgesamt 19 Themen zur Auswahl, darunter auch Trennung der Sprachgruppen. Weniger als die Hälfte der Befragten (45 Prozent) hielten die ethnische Frage damals für ein Problem, unter dem Südtirol zu leiden hätte. Damit nahm dieses Thema nur die 14. Stelle in der Dringlichkeit ein. Als am gravierendsten wurden übrigens zu hohe Lebenshaltungskosten und wiederum Wohnungsnot/Wohnungspreise, also wirtschaftlich-soziale Themen betrachtet, dann folgten mit Verkehr und Luftverschmutzung/Lärmbelastung Umweltfragen. Erneut war die Sensibilität unter Befragten italienischer Sprache mehr als doppelt so hoch wie unter solchen deutscher Muttersprache (Astat 2007, 93–97).

Auch der Jugend wurde 2004 und 2009 eine ähnliche, wenn auch nur zum Teil vergleichbare Liste von 16 Themen vorgelegt, deren Dringlichkeit für Südtirol bewertet werden sollte. Die Trennung der Sprachgruppen landete dabei mit einer Zustimmungsrate von 44 Prozent bzw. 43 Prozent an neunter Stelle, deutlich abgeschlagen hinter einer Reihe von vorwiegend sozialen (Sucht, Einwanderung, Armut) und ökologischen (Verbauung der Landschaft, Verkehr, Luftverschmutzung) Problemen (Astat 2010, 105). Zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten ist somit kein signifikanter Rückgang in der Problemwahrnehmung festzustellen (im Gegensatz etwa zu den Themen Verkehr und Luftverschmutzung). Eine Untergliederung nach Sprache wurde leider nicht ausgewiesen. Insgesamt bestätigt sich die relative Nachrangigkeit der ethnischen Frage jedoch auch in der Wahrnehmung der jungen SüdtirolerInnen.

Mehrmals waren auch die Intensität des Problems bzw. die Konfliktstärke Gegenstand demoskopischer Untersuchungen. 1991 waren 38 Prozent der Befragten der Meinung, das Zusammenleben der Sprachgruppen sei ein sehr großes (5 Prozent) oder großes (33 Prozent) Problem (Astat 1991, 7). Im Jahr 2004 sahen darin nur mehr 3 Prozent ein sehr großes und 8 Prozent ein großes Problem – allerdings sind die Antworten nicht ganz vergleichbar, da die Antwortmöglichkeit eher gering (1991) durch ein weniger großes Problem im Vergleich zu früher (2004) ersetzt wurde (Astat 2006, 179).

Die Intensität des Konflikts zwischen der deutschen und italienischen Sprachgruppe wurde 1991 von 8 Prozent der Befragten als sehr stark, von 30 Prozent als eher stark eingestuft (Astat 1991, 7). Im Jahr 1997 sprachen ebenfalls 8 Prozent von einem sehr starken, 26 Prozent von einem eher starken Konflikt, in Summe also etwas weniger (Haller 2000, 75f). Wiederum ein Jahrzehnt später wurde ein Mittelwert von 2,4 auf der Skala von 1 (Es gibt keine Konflikte) bis 4 (Es gibt sehr starke Konflikte) festgestellt, was bedeutet, dass nicht ganz die Hälfte der Befragten die Beziehungen zwischen den Sprachgruppen als konfliktgeladen einstuften (Astat 2007, 99). Sowohl 1997 als auch 2006 stand der ethnische Konflikt in einer Reihe mit sieben bzw. acht anderen Konflikttypen. Und in beiden Umfragen nahm er in der wahrgenommenen Konfliktintensität nur die sechste Stelle ein. Im Vergleich dazu wurde das Verhältnis zwischen (farbigen)6 EinwandererInnen und Einheimischen jeweils als stärkster Konflikt eingestuft.

Eine weitere Facette der Problemwahrnehmung liefert die direkte Frage nach der Qualität des Zusammenlebens der verschiedenen Volksgruppen in Südtirol. Im Jahr 1997 wurde diese von jeweils einem guten Drittel der Befragten als sehr gut oder gut (zusammen 35 Prozent) bzw. als zufriedenstellend (36 Prozent) bezeichnet, während der Rest (28 Prozent) es als unzureichend oder schlecht einstufte (Censis 1997,18f). Ein deutlich positiveres Urteil ergab sich 2004: 44 Prozent der Befragten bewerteten das Zusammenleben als sehr gut oder gut, 43 Prozent als zufriedenstellend und nur 9 Prozent als mangelhaft, ungenügend oder schlecht; 4 Prozent äußerten keine Meinung (Astat 2006, 180). Beide Untersuchungen stellten Unterschiede in der Bewertung zwischen Personen deutscher und italienischer Muttersprache fest, und zwar in Richtung einer kritischeren Bewertung vonseiten der ItalienerInnen. Doch während dieser Unterschied in der Censis-Studie gravierend war (56 Prozent der italienischen, 17 Prozent der deutschen Befragten gaben ein negatives Urteil ab), hielt es sich in der sieben Jahre danach durchgeführten ASTAT-Studie in Grenzen (17 Prozent negative Bewertungen auf italienischer, 7 Prozent auf deutscher Seite).

Am häufigsten – und am besten vergleichbar – wurde danach gefragt, wie die Entwicklungstendenz des Zusammenlebens wahrgenommen wird. Die entsprechenden Formulierungen (mit kleinen Variationen) lauteten: Hat sich Ihrer Meinung nach das Zusammenleben zwischen den Volksgruppen in Südtirol im Vergleich zur allgemeinen Lage vor fünf Jahren verbessert, verschlechtert oder ist es unverändert geblieben? und Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Lage in Bezug auf das Zusammenleben der Volksgruppen in den kommenden fünf Jahren verändern: Wird es sich verbessern, verschlechtern oder unverändert bleiben?

Tabelle 2: Wie hat sich das Zusammenleben der Volksgruppen gegenüber der ­allgemeinen Lage vor fünf Jahren verändert?

Erhebungs­jahr

verbessert

unverändert

verschlechtert

weiß nicht

Insgesamt

Prozentanteil der Befragten

1991

46,0

38,1

9,7

6,2

100

1997 (Astat)

41

47

12

100

1997 (Censis)

22,4

50,7

10,7

16,2

100

2004

32,4

52,2

2,8

12,6

100

2006

23,8

54,4

15,9

5,9

100

Quelle: Astat, verschiedene Jahre; Censis 1997

Rückblickend kann ein wachsender Anteil der Befragten – in den Nullerjahren jeweils mehr als die Hälfte – keine Veränderungen im Zusammenleben der Volksgruppen erkennen. Diese Zunahme ist im Beobachtungszeitraum von 15 Jahren zulasten jener Gruppe gegangen, die eine Verbesserung festzustellen glaubt: Ihr Anteil ist – laut Astat – von 46 Prozent im Jahr 1991 auf 24 Prozent im Jahr 2006 gefallen. Von einer Verschlechterung sprechen – mit Ausnahme des Ausreißers im Jahr 2004 – jeweils 10 Prozent bis 16 Prozent der Befragten; der Rest hat keine Meinung.

Auch bei den Erwartungen in Bezug auf die künftige Entwicklung dominiert durchwegs die Meinung, alles werde gleich bleiben. Doch ein Anteil zwischen 38 Prozent und 24 Prozent (mit leicht sinkender Tendenz) glaubt an Verbesserungen. Die Zahl der Pessimisten deckt sich jeweils fast mit jener im Rückblick.

Sowohl in der Rück- als auch in der Vorschau überwiegt also eine positive Sicht der Entwicklung des Zusammenlebens. Unterstrichen wird diese Einschätzung durch den Umstand, dass die wahrgenommen und erwarteten Veränderungen bei keinem anderen von fünf gesellschaftlichen Problembereichen (die anderen waren Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Umweltverschmutzung und Verkehrssituation) so optimistisch ausfielen wie gerade beim Zusammenleben der Sprachgruppen (Astat 1991, 6; Haller 2000, 65f; Astat 2007, 97).

Die Unterschiede nach Sprachgruppen weisen dabei in eine unterschiedliche Richtung: Zum Teil nehmen Befragte italienischer Sprache häufiger Verbesserungen im Zusammenleben wahr oder erwarten sich eine entsprechende Entwicklung, zum Teil haben deutschsprachige Befragte eine positivere Sicht der vergangenen oder künftigen Entwicklung.

Tabelle 3: Wie wird sich das Zusammenleben der Volksgruppen in den kommenden fünf Jahren voraussichtlich verändern?

Erhebungs­jahr

verbessern

unverändert bleiben

ver­schlechtern

weiß nicht

Insgesamt

Prozentanteil der Befragten

1991

37,9

44,7

8,9

8,5

100

1997

36

53

11

100

2004

35,2

35,8

6

23

100

2006

23,8

54,4

15,9

5,9

100

Quelle: Astat, verschiedene Jahre

Die Kehrseite von Minderheitenschutz und Volksgruppenpolitik ist offenbar ein weitverbreitetes Gefühl, als Sprachgruppe benachteiligt zu sein. Analysiert man, wie sich die diesbezüglichen Meinungen im Zeitraum zwischen 1991 und 2004 entwickelt haben, so zeigt sich ein weitgehend gleichbleibendes Muster, allerdings mit Tendenz zu abnehmender Gewichtung des Problems. In drei verschiedenen Untersuchungen, zu drei verschiedenen Zeitpunkten waren es immer die italienischsprachigen Befragten, die am häufigsten das Gefühl hatten, als Sprachgruppe benachteiligt zu werden. 78 Prozent von ihnen fühlten sich 1991 allgemein benachteiligt, im Jahr 2004 lag der entsprechende Anteil bei 69 Prozent (Astat 1991, 11; Astat 2006, 196f). Ein merklicher Rückgang der gefühlten Benachteiligung ist auch bei der ladinischen Sprachgruppe (1991: 47 Prozent, 2004: 33 Prozent) und bei der deutschen Sprachgruppe (1991: 38 Prozent, 2004: 20 Prozent) festzustellen. 1997 wurde nur nach spezifischen Bereichen gefragt, aber auch hier zeigt sich dieselbe Reihenfolge: 34 Prozent in der italienischen, 43 Prozent in der ladinischen, aber 63 Prozent in der deutschen Sprachgruppe sagen ausdrücklich, keinerlei Nachteile durch die ethnische Zugehörigkeit zu verspüren (Censis 1997, 67). Wenn nach verschiedenen Lebensbereichen gefragt wird, dann nennen Angehörige der italienischen Sprachgruppe an erster Stelle die Arbeitswelt bzw. den Zugang zum Arbeitsmarkt, gefolgt von Politik und Gesellschaft und Wohnungswesen (wobei sich die Reihenfolge der beiden Bereiche zwischen 1991 und 2004 umgekehrt hat, was auf eine relativ erfolgreiche Wohnbaupolitik schließen lässt). LadinerInnen fühlen sich am stärksten auf politischer Ebene und bei Behörden benachteiligt, Angehörige der deutschen Sprachgruppe klagen gleichfalls am häufigsten über Benachteiligung bei Behörden.

Fazit

Das Zusammenleben der Volksgruppen in Südtirol wird vom Großteil der Bevölkerung als kein allzu großes Problem empfunden. Im Vergleich zu den jeweils drängenden wirtschaftlichen und sozialen Fragen tritt es eher in den Hintergrund. Dieser Befund beschreibt jedoch in erster Linie die Sicht von Angehörigen der deutschen oder ladinischen Volksgruppe. Unter italienischsprachigen BürgerInnen wird das Zusammenleben offenbar immer noch stärker als Problem wahrgenommen, zumindest ist es dort die am häufigsten genannte Thematik, der sich die Landespolitik verstärkt zuwenden sollte.

Insgesamt lässt sich eine leicht positive Tendenz erkennen. Sowohl rückblickend als auch vorausschauend glaubt ein größerer Teil der BürgerInnen eher an Verbesserungen als an Verschlechterungen der Qualität des Zusammenlebens, obwohl die Sicht einer weitgehend unveränderten Lage vorherrscht. Dass sich diese Tendenz abgeschwächt hat, kann auch daran liegen, dass es tatsächlich Veränderungen zum Positiven gegeben hat, durch die der Spielraum nach oben notgedrungen enger wird. Andererseits ist nicht zu leugnen, dass auch 40 Jahre Gültigkeit des Zweiten Autonomiestatuts keine vollständige Lösung der ethnischen Frage gebracht haben, denn sonst dürfte niemand mehr von einem Problem sprechen.

Deutlich wird das beispielsweise an der Einschätzung, ob der ethnische Proporz – eine der Säulen des Autonomiestatuts – zum friedlichen Zusammenleben beiträgt. Sowohl 1991 als auch 2004 war eine deutliche Mehrheit von Befragten der Meinung, dass dies der Fall sei. Allerdings kam diese Mehrheit nur durch das Votum der deutsch- und ladinischsprachigen Personen zustande, während Befragte italienischer Sprache bei beiden Untersuchungen mehrheitlich der gegenteiligen Meinung waren. Noch stärker tritt die Kluft zwischen den Volksgruppen zutage, wenn es darum geht, wie zeitgemäß dieser Proporz, genauer gesagt seine starre Anwendung sei: 80 Prozent der italienischsprachigen Befragten bejahen die Aussage Die starre Anwendung des Proporzes ist in einem Europa ‚ohne Grenzen‘ überholt, 68 Prozent der deutsch- und 66 Prozent der ladinischsprachigen Befragten lehnen sie dagegen ab (Astat 2006, 181–187).7

So gesehen spricht einiges dafür, dass das Autonomiestatut zunächst zwar entspannend auf den ethnischen Konflikt gewirkt hat, in der Folge aber dazu beiträgt, dass dieser perpetuiert wird.

4. Einstellungen zur Mehrsprachigkeit, kulturellen Vielfalt und zur ethnischen Identität

Die Kompetenzen in der jeweiligen Zweitsprache, die Art und Häufigkeit ihrer Verwendung und die Vorschläge, wie die Sprachkenntnisse am besten zu fördern wären, sind auf dem Hintergrund von allgemeinen Werthaltungen zu sehen. Ist die Beherrschung der Zweitsprache nur ein Mittel zum Zweck, eine Notwendigkeit, mit der man sich abfinden muss, oder stellt die Nähe zu anderen Kulturkreisen vielmehr einen Reichtum, einen Wert an sich dar?

Dieser Frage wurde erstmals 1991 nachgegangen, eine Wiederholung im Jahr 2004 brachte interessante Veränderungen zum Vorschein: Hatten 1991 erst ein gutes Drittel (36 Prozent) der Befragten die ethnische Vielfalt als kulturelle Bereicherung bezeichnet, so waren es 2004 deutlich mehr als die Hälfte (56 Prozent), also um 20 Prozentpunkte mehr. Diese enorme Zunahme geht jedoch einzig auf Angehörige der deutschen und ladinischen Sprachgruppe zurück, denn italienischsprachige Befragte zeigten nur geringe Unterschiede in ihrem Antwortverhalten gegenüber dem Jahr 1991. Bei letzteren verringerte sich der Anteil offener Ablehnungen (ohne ethnische Vielfalt ginge es allen besser) zugunsten jener Gruppe, die sich den Fakten beugt, ohne sie besonders zu begrüßen (eine Tatsache, mit der man zurechtkommen muss). Auf deutscher Seite reduzierte sich der Anteil der Fatalisten – die 1991 noch die Mehrheit gebildet hatten – fast auf das in der italienischen Sprachgruppe erreichte Ausmaß, während die positive Bewertung der kulturellen Vielfalt deutlich zulegte, nämlich auf 60 Prozent. Ähnliche Verschiebungen sind auch bei der ladinischen Sprachgruppe festzustellen, die sich allerdings schon 1991 am offensten gegenüber der kulturellen Vielfalt geäußert hatte und diese Haltung 2004 in noch stärkerem Ausmaß zeigte (80 Prozent).

Neben der ethnischen Zugehörigkeit hängt die Bewertung der kulturellen Vielfalt – wie zu erwarten – auch von Bildungsgrad und Alter ab, und zwar dahingehend, dass sie umso mehr als Bereicherung empfunden wird, je höher die formale Bildung ist und je jünger die Befragten sind (Astat 2006, 192).

Tabelle 4: Was halten Sie von der Tatsache, dass es in Südtirol mehrere Volks- und Sprachgruppen gibt? – 2004 und Veränderung gegenüber 1991

Sprachgruppe

Deutsch

Italienisch

Ladinisch

Insgesamt

Spaltenprozent

Es ist ein kultureller Reichtum, der auf jeden Fall geschätzt und bewahrt werden muss

59,6

+27,2

38,2
– 1,1

79,6
+14,5

55,5
+19,5

Es könnte unter bestimmten Bedingungen ein kultureller Reichtum sein

15,7
– 2,0

29,0
– 3,8

11,4
– 1,0

18,9
– 3,7

Es ist eine Tatsache, mit der man zurechtkommen muss

21,9
– 19,3

17,7
+8,4

9,0
– 5,2

20,2
– 9,5

Ohne ethnische Vielfalt ginge es allen besser

2,8
– 5,9

15,0
– 3,6


– 8,4

5,4
– 6,3

Quelle: Astat 2006, 190–193

Auffällig an den ethnischen Unterschieden in der Bewertung der kulturellen Vielfalt ist unter anderem die Tatsache, dass Angehörige der italienischen Sprachgruppe darin viel häufiger ein Potenzial sehen, das es erst zu valorisieren gilt (könnte unter bestimmten Bedingungen ein Reichtum sein). Eine dieser Bedingungen wird offenbar in der – tatsächlichen oder empfundenen – Verschlossenheit der anderen Sprachgruppen gesehen. 1997 beklagte nämlich ein Drittel (32 Prozent) der Befragten italienischer Sprache eine Benachteiligung durch „das verschlossene Verhalten der anderen Sprachgruppen“8, während es auf deutscher Seite nur 7 Prozent, auf ladinischer niemand war, der diesen Faktor für relevant hielt (Censis 1997, 69). Noch häufiger wird von Angehörigen der italienischen Sprachgruppe – und ebenfalls fast nur von dieser – mangelndes Sprachverständnis als Benachteiligungsfaktor angeführt (42 Prozent).

Im Rahmen der Jugendstudien 2004 und 2009 sollten die Befragten angeben, was ihnen an Südtirol besonders gefalle. Unter den sieben bzw. acht Eigenheiten, die als möglicher Kristallisationspunkt regionaler Identifikation angeboten wurden, waren die Möglichkeit des Zusammenlebens verschiedener Sprachgruppen sowie Südtirols Autonomie angeführt. Jeweils knapp ein Drittel der befragten Jugendlichen entschied sich dabei (auch) für die ethnische Vielfalt, was jedoch jeweils die vorletzte Stelle in der Liste der genannten Eigenheiten bedeutet, an deren Spitze Landschaft, Sportmöglichkeiten und Küche bzw. der wirtschaftliche Wohlstand stehen; nur geringfügig besser schneidet die Autonomie ab (Astat 2010, 104). Am wenigsten ausgeprägt ist die Wertschätzung der Multiethnizität dabei in der größten Sprachgruppe, der deutschen (ein Drittel der Befragten), während Jugendliche italienischer und ladinischer Sprache in dieser Hinsicht einen um zehn Prozentpunkte höheren Anteil aufweisen (Astat 2004, 42). Zudem ist zwischen den Jahren 2004 und 2009 ein Rückgang in der Wertschätzung ethnischer Vielfalt um sieben Prozentpunkte zu verzeichnen.

Wenn sich mehrere Volksgruppen einen Lebensraum teilen, dann sei ethnische Identität nur durch ein gedeihliches Zusammenleben – das weder ausschließt noch assimiliert – zu wahren, postuliert Alexander Langer (1996) in seinen Thesen zum Zusammenleben. Er lehnt damit die Politik des Je klarer wir trennen, desto besser verstehen wir uns9 ebenso ab, wie jene einer forcierten Integration. Eine positive Werthaltung zur ethnischen Vielfalt entspricht dieser Sicht, setzt aber andererseits ein klares Bewusstsein der eigenen ethnischen Identität voraus. Dieses scheint in Südtirol nach wie vor gegeben: 2004 erklärten bei einer Untersuchung des Landesinstituts für Statistik fast 98 Prozent aller Befragten, sich einer der drei in Südtirol anerkannten Sprachgruppen zugehörig zu fühlen. In städtischen Wohngebieten waren es rund 94 Prozent, in ländlichen über 99 Prozent, unter jüngeren Personen etwas weniger als unter älteren (Astat 2006, 160). Somit liegt der Prozentsatz von Personen ohne eindeutige ethnische Identität weit unter dem vermuteten Anteil von Gemischtsprachigen, also von Personen mit Eltern verschiedener Muttersprache (siehe oben).

Wenn es neben der sprachlichen auch um die regionale Identität geht, dann bezeichnet sich ein sehr großer Teil der deutschen Sprachgruppe als Südtiroler/in (86 Prozent), Tiroler/in (2 Prozent) oder Deutsche/r (1 Prozent). Ebenso fühlen sich die Angehörigen der ladinischen Sprachgruppe zumeist als Ladiner/in (73 Prozent) oder ladinischsprachige/r Südtiroler/in (11 Prozent), aber auch einfach als Südtiroler/in oder Tiroler/in (zusammen 9 Prozent). Weniger eindeutig ist das Selbstverständnis bei den Angehörigen der italienischen Sprachgruppe, die sich zwar mehrheitlich als Italienier/in (53 Prozent) oder italienischsprachige/r Südtiroler/in (14 Prozent) oder Altoatesino/a (10 Prozent) begreifen, aber etwa jede/r fünfte Befragte weicht auf ein Selbstverständnis als Europäer/in, Weltbüger/in oder anderes aus (Astat 2006, 158f). Ein ganz ähnliches Selbstverständnis findet sich in der jungen Generation: Jugendliche deutscher und ladinischer Sprache fühlen sich am stärksten mit ihrer Gemeinde, ihrer Talschaft oder allgemein mit Südtirol verbunden (zusammen über 80 Prozent), Jugendliche italienischer Sprache nennen dagegen mehrheitlich (Nord-)Italien, während sich nur ein gutes Drittel von ihnen primär mit der Heimatgemeinde oder dem Land (Alto Adige) identifiziert (Astat 2000, 93).

Fazit

Die kulturelle Vielfalt, das Zusammenleben mehrerer Volksgruppen in einer Region wird vom Großteil der Südtiroler Bevölkerung als – tatsächliche oder potenzielle – Bereicherung wahrgenommen. Diese Sichtweise hat innerhalb der deutschen und ladinischen Sprachgruppe merklich an Zustimmung gewonnen, während sie bei Angehörigen der italienischen Sprachgruppe stagniert. Offenbar sind deren Sprachdefizite, das Gefühl, von den anderen ausgeschlossen zu werden, und die verbreitete Überzeugung, in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen (z. B. Arbeit, Politik und Gesellschaft, Wohnungswesen) als ethnische Gruppe benachteiligt zu werden, für diese eher skeptische Haltung (mit)verantwortlich. Obwohl es den Anschein hat, dass die Autonomie zunehmend auch von der italienischen Sprachgruppe als Vorteil angesehen wird und die ethnische Identifikation allmählich von einer territorialen abgelöst oder wenigstens durch sie ergänzt wird (vgl. Pallaver 2010), sind es verschiedene Instrumente des Minderheitenschutzes (insbesondere der Proporz im öffentlichen Dienst, die Zweisprachigkeit der Verwaltung und die sprachlich getrennten Schulen), welche einer bedingungslosen Zustimmung zum status quo im Weg stehen.

5. Autonomie, Minderheitenschutz und Zusammenleben – Resümee

Kehren wir also zur Ausgangsfrage zurück: Hat sich die gegenseitige Wahrnehmung von Angehörigen verschiedener Volksgruppen in Südtirol und die Qualität des Umgangs miteinander in den letzten 40 Jahren verändert, womöglich verbessert? Und wenn ja, in welchem Maß ist diese Veränderung dem Autonomiestatut und seiner Umsetzung zuzuschreiben?

Zunächst sei auf eine gefährliche Verkürzung hingewiesen: Autonomie und Minderheitenschutz sind nicht dasselbe. Das im Jahr 1972 in Kraft getretene Zweite Autonomiestatut für die Region Trentino-Südtirol und ihre beiden Autonomen Provinzen beinhaltet zwar zentrale Instrumente zum Schutz der sprachlichen Minderheiten, legt aber vor allem eine Reihe von Entscheidungs- und Verwaltungsbefugnissen in die Hand der lokalen Parlamente und Regierungen. Natürlich geschieht dies mit dem Ziel, die deutsche und ladinische Volksgruppe kulturell zu schützen, es wertet sie aber vor allem politisch auf und ermöglicht eine partielle Selbstverwaltung. Der Preis dieser Verschränkung von Minderheitenschutz und Autonomie liegt darin, dass die Angehörigen der nationalen Mehrheitskultur zur italienischen Volks- bzw. Sprachgruppe werden, die nunmehr ebenfalls Minderheitenstatus beansprucht und die deutsche Volksgruppe als dominierende Mehrheit (Pristinger 1978) empfindet. Genau darin ist die Wurzel des verbreiteten Benachteiligungsgefühls aufseiten der italienischsprachigen Bevölkerung Südtirols zu sehen.

Das Bemühen dieser Arbeit war es, Entwicklungen und Auswirkungen des Autonomiestatuts in einer speziellen Optik nachzuzeichnen, nämlich im Spiegel verschiedener demoskopischer Untersuchungen, die im Zeitraum 1986 bis 2006 durchgeführt worden sind. Dabei zeigten sich sowohl Veränderungen in Richtung einer Entspannung des Verhältnisses zwischen den Volksgruppen als auch ein Fortbestehen von Barrieren und Vorurteilen: Während die Kompetenz in der jeweiligen Zweitsprache offenbar zugenommen hat, sind soziale Kontakte zwischen Angehörigen verschiedener Volksgruppen nach wie vor selten und leiden darunter, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung nicht oder kaum in der Zweitsprache kommunizieren kann. Parallel dazu hat sich die Wahrnehmung der ethnischen Konflikte deutlich abgeschwächt. Allerdings besteht eine starke Asymmetrie zwischen den Volksgruppen fort: Es sind vor allem Personen italienischer Muttersprache, die im Zusammenleben ein Problem sehen, sich ethnisch benachteiligt fühlen und bestimmte Regelungen des Autonomiestatuts als überholt werten. Deshalb nimmt es nicht wunder, dass die italienischsprachige Bevölkerung Südtirols – obwohl durchschnittlich besser gebildet und traditionell eher weltoffen – die kulturelle Vielfalt heutzutage nur bedingt bzw. potenziell als Reichtum ansieht, während auf deutscher und ladinischer Seite ein starker Wandel hin zu einer positiven Bewertung des Zusammenlebens verschiedener Volksgruppen in Südtirol festzustellen ist.

Das große Verdienst des Zweiten Autonomiestatuts besteht zweifellos darin, dass es grundlegende Forderungen der sprachlichen Minderheiten in Südtirol erfüllt und damit der ethnisch motivierten Gewalt den Boden unter den Füßen entzogen hat. Auf wirtschaftlichem Gebiet wurden große Erfolge erzielt, die ohne eine solche Befriedung nicht möglich gewesen wären, auch wenn sie nicht ausschließlich auf die gute Selbstverwaltung und die Geldflüsse aus Rom zurückführbar sein mögen (vgl. den Beitrag von M. Larch in diesem Band). Andererseits erstaunt es, dass trotz hohem Wohlstand, rekordverdächtig niedriger Arbeitslosigkeit und großzügiger Wohnbauförderung Teile der Bevölkerung das Gefühl haben, aus ethnischen Gründen benachteiligt zu sein. Und ebenso muss es nachdenklich stimmen, wenn die Zweitsprachkenntnisse trotz großer Anstrengungen im Bereich von Schule und Erwachsenenbildung noch immer zu wünschen übrig lassen. Im Spannungsverhältnis zwischen notwendiger Trennung der Volksgruppen zum Schutz der kulturellen Eigenart und wünschenswerter Integration als Voraussetzung für die Herausbildung einer gemeinsamen multiethnischen regionalen Identität haben die Regelungen des Autonomiestatuts offenbar mehr in Richtung der Trennung gewirkt. So wertvoll es war, dass das Zweite Autonomiestatut anfänglich entspannend auf den ethnischen Konflikt in Südtirol gewirkt hat, so wenig sollte man die Augen davor verschließen, dass es nunmehr dazu beiträgt, diesen zu perpetuieren. Das Zusammenleben der Sprachgruppen kann nur dann einen Quantensprung machen, die ethnische Identität einer territorialen Platz machen, wenn die Politik den Mut findet, einige alte Zöpfe abzuschneiden und bestimmte Besitzstände aufzugeben, um so das Gemeinsame vor das Trennende rücken zu lassen.

Anmerkungen

1 „Die Ausdrücke ‚Volksgruppe‘ und ‚ethnisch‘ sollen hier – ohne Anspruch auf wissenschaftliche Präzision – als die heute üblichsten Benennungen für Gemeinschaften oder Gemeinschaftsempfinden verwendet werden, die mit Nation, Sprache, Religion, Kultur und dgl. zu tun haben und somit eine gemeinsame Zugehörigkeit, ein kollektives ‚Wir‘ begründen, das sich unter Umständen bis zum Ethnozentrismus steigern kann.“ (Langer 1996, 131)

2 Tajfel (1982, 102) definiert soziale Identität als den Teil eines Selbstkonzeptes eines Individuums, „der sich aus seinem Wissen um seine Mitgliedschaft in sozialen Gruppen und aus dem Wert und der emotionalen Bedeutung ableitet, mit der diese Mitgliedschaft besetzt ist“.

3 Der Begriff cleavage stammt von Lipset/Rokkan (1967); zu seiner Anwendung auf das politische System Südtirols vgl. Atz 2007 und Pallaver 2010.

4 Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam die sogenannte ASTAT-Bevölkerungsumfrage 1991 (Buson 1992, 104).

5 Zurückzuführen sind die guten Sprachkenntnisse der LadinerInnen nicht zuletzt auf das sogenannte paritätische Modell an den Schulen der ladinischen Ortschaften, wo der Unterricht bestimmter Fächer durchwegs in deutscher, anderer Fächer dagegen in italienischer Sprache stattfindet, während das Ladinische nur in wenigen Wochenstunden gepflegt wird.

6 Das Adjektiv farbig bzw. di colore wurde nur 1997 verwendet (Haller 2000, 76).

7 Haller (2000, 79) kommt zu einem sehr ähnlichen Ergebnis, nur dass dort auch eine leichte Mehrheit der Befragten italienischer Sprache der Aussage zustimmt, der Proporz trage zum friedlichen Zusammenleben bei.

8 Frageformulierung im italienischen Original: „La Sua appartenenza ad un determinato gruppo linguistico piuttosto che ad un altro di quelli presenti in Alto Adige, ritiene che Le comporti una qualche forma di disagio relazionale […] legata all’atteggiamento di chiusura di altri gruppi etnici?“

9 Ein Ausspruch, den der ehemalige Landesrat für Kultur Anton Zelger während einer Landtagsdebatte 1984 von sich gegeben hat.

Literaturverzeichnis

Astat (1986). Statistisches Jahrbuch für Südtirol 1985. Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik, Bozen

Astat (1988). Sozialer Survey 1986. Meinungen, Werte und Lebensformen in Südtirol. Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage, Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Schriftenreihe Nr. 20), Bozen

Astat (1991). ASTAT-Bevölkerungsumfrage 1991. Erste Ergebnisse, Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Informationen 27/1991), Bozen

Astat (2000). Jugendstudie 1999. Werthaltungen, Lebensformen und Lebensentwürfe der Südtiroler Jugend. Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Schriftenreihe Nr. 78), Bozen

Astat (2006). Südtiroler Sprachbarometer 2004. Sprachgebrauch und Sprachidentität in Südtirol. Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Schriftenreihe Nr. 114), Bozen

Astat (2007). Lebensformen und Werthaltungen in Südtirol 2006. Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Schriftenreihe Nr. 123), Bozen

Astat (2010). Jugendstudie 2009. Werthaltungen, Lebensformen und Lebensentwürfe der Südtiroler Jugend. Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Schriftenreihe Nr. 161), Bozen

Atz, Hermann (1992). Südtirol: Können wir dem Frieden zwischen den Sprachgruppen trauen? Ergebnisse der ASTAT-Bevölkerungsumfrage 1991, in: Atz, Hermann / Buson, Ornella (Hg.). Interethnische Beziehungen. Leben in einer mehrsprachigen Gesellschaft, Bozen: Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik, 83–100

Atz, Hermann (2007). Die Grünen Südtirols. Profil und Wählerbasis, Innsbruck–Wien–Bozen: Studienverlag

Baur, Siegfried/von Guggenberg, Irma/Larcher, Dietmar (1998). Zwischen Herkunft und Zukunft. Südtirol im Spannungsfeld zwischen ethnischer und postnationaler Gesellschaftsstruktur, Meran: alpha beta

Baur, Siegfried (2000). Die Tücken der Nähe. Kommunikation und Kooperation in Mehrheits-/Minderheitssituationen, Meran: alpha beta

Baur, Siegfried/Larcher, Dietmar (2011). Fit für Europa. Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit in Südtirol, Meran: alpha beta

Buson, Ornella (1992). Bilinguismo, relazioni interetniche e formazione: risultati dell’indagine ASTAT 1991, in: Atz, Hermann/Buson, Ornella (Hg.). Interethnische Beziehungen. Leben in einer mehrsprachigen Gesellschaft, Bozen: Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik, 101–117

Censis – Centro Studi Investimenti Sociali (1997). Identità e mobilità dei tre gruppi linguistici in Alto Adige – Rapporto finale (Endbericht des Forschungsprojektes an den Auftraggeber), Roma

Egger, Kurt (2001). Sprachlandschaft im Wandel. Südtirol auf dem Weg zur Mehrsprachigkeit; soziolinguistische und psycholinguistische Aspekte von Ein- und Mehrsprachigkeit, Bozen: Athesia

Galtung, Johan (2000). Die Zukunft der Menschenrechte. Vision: Verständigung zwischen den Kulturen, Frankfurt am Main: Campus

Gianelli, Dario (1987). Il muro di Bolzano, Trento: Manfrini

Haller, Max (2000). Social Survey 1997. Arbeitswerte und sozial-wirtschaftlicher Wandel in Südtirol, Bozen: Autonome Provinz Bozen–Südtirol, Landesinstitut für Statistik (ASTAT-Schriftenreihe Nr. 72)

Langer, Alexander (1996). Zehn Punkte für das Zusammenleben, in: Langer, Alexander/Kammerer, Peter (Hg.). Die Mehrheit der Minderheiten, Berlin: Klaus Wagenbach, 131–142

Lipset, Seymour M./Rokkan, Stein (Hg.) (1967). Party Systems and Voter Alignments: Cross National Perspectives, New York/London

Pallaver, Günther (Hg.) (2006). Die ethnisch halbierte Wirklichkeit. Medien, Öffentlichkeit und politische Legitimation in ethnisch fragmentierten Gesellschaften. Theoretische Überlegungen und Fallbeispiele aus Südtirol, Innsbruck/Wien/Bozen: Studienverlag

Pallaver, Günther (2010). Südtirol: Vom ethnischen zum territorialen cleavage, in: Pallaver, Günther (Hg.). Politika10 – Jahrbuch für Politik, Bozen: Raetia, 377–405

Pasquali, Giorgio u.a. (2002). Erfolgsfaktoren einer Region: das „Modell Südtirol”, Bozen: Europäische Akademie

Pörnbacher, Helmuth u.a. (2009). Sprachkompetenzen am Südtiroler Arbeitsmarkt, Meran: alpha beta

Pristinger, Flavia (1978). La minoranza dominate nel Sudtirolo. Divisione etnica del lavoro e processi di modernizzazione dall’annessione agli anni settanta, Bologna/Padova

Reiterer, Albert F. (2002). Postmoderne Ethnizität und globale Hegemonie, Frankfurt am Main: Peter Lang

Tajfel, Henri (1982). Gruppenkonflikt und Vorurteil, Bern u.a.: Hans Huber.

Tajfel, Henri/Turner, John C. (1986). The social identity theory of intergroup behaviour, in: Worchel, Stephen/Austin, William G. (Hg.). Psychology of intergroup relations, Chicago, IL: Nelson-Hall, 7–24

Abstracts

Quali sono state le ripercussioni di 40 anni dello Statuto d’Autonomia sulla convivenza del gruppi etnici in Alto Adige?

La domanda riguardo alla convivenza dei gruppi etnici in Alto Adige presuppone la chiara comprensione di concetti fondamentali come “Gruppo etnico” e “convivenza”. Il contributo parte da un presupposto socio-psicologico e concentra la propria attenzione su rapporti ed atteggiamenti individuali. Sulla base di diverse rilevazioni, effettuate tra la popolazione nel periodo compreso tra il 1986 ed il 2006, vengono presi in considerazione lo sviluppo delle conoscenze della seconda lingua ed i contatti sociali: mentre la competenza linguistica evidentemente è aumen­tata, i contatti sociali tra persone appartenenti a gruppi etnici diversi sono rari come nel passato. Parallelamente è sensibilmente diminuita la percezione dei conflitti etnici. Continua ad esservi comunque una forte asimmetria tra i gruppi etnici: sono soprattutto le persone di madrelingua italiana che vedono la convivenza come un problema, si sentono svantaggiate e giudicano superate determinate regole dello Statuto di Autonomia. Queste ed altre osservazioni portano alla conclusione che lo Statuto d’Autonomia inizialmente ha consentito di ridurre il conflitto etnico in Alto Adige, ma oggi contribuisce a perpetuarlo.

Co à pa mudé 40 agn de Statut d’autonomia la conviënza di grups etnics?

La domanda, sciöche ara se sta cun la conviënza di grups etnics te Südtirol, mët danfora la comprenjiun tlera de dui conzeć fondamentai: „grups etnics“ y „conviënza“. Chësc articul pëia ia da na basa sozio-psicologica y se conzentrëia sön n’analisa de situaziuns de vita y de minunghes personales. Sön la basa de de plü inrescides danter la popolaziun, fates danter le 1986 y le 2006, i van do al svilup dles competënzes tl secundo lingaz y di contać soziai. Deperpo che la competënza linguistica é miorada cotan, é i contać soziai danter mëmbri de grups etnics desvalis tres ćiamò radi. Tl medemo tëmp s’àl indeblì cotan la perzeziun di conflić etnics. Impò réstel ćiamò na gran assimetria danter i grups etnics: al é dantadöt porsones de lingaz dla uma talian che vëiga n problem tla conviënza, che se sënt dejavantajades etnicamënter y arata che cer’ regolamënć dl Statut d’autonomia sides oramai sorpassà. Chësta y d’atres osservaziuns porta ala contlujiun, che le Statut d’autonomia à tl pröm daidé tó demez tenjiuns dal conflit etnich te Südtirol, mo che śëgn contribuëscel ma plü da le mantignì inant.

How Did 40 Years of Autonomy Affect the Way Ethnic Groups Coexist in South Tyrol?

In order to understand how ethnic groups coexist in South Tyrol, we need to clarify what the terms “ethnic group” and “coexist” really mean. This article takes a socio-psychological approach, shedding light on individual circumstances and personal attitudes. The author investigates the development of language skills and social contact using a number of different surveys conducted between 1986 and 2006 as a basis. While bilingualism seems to be increasingly common, social contact between members of the various ethnic groups remains infrequent. Still, subjective awareness of conflict between ethnic groups has been levelling off considerably. What remains is a strong feeling of imbalance. It is mostly native Italian speakers who tend to view the situation as problematic: many feel discriminated against and view certain aspects of the Statute of Autonomy as being outdated. When put together with other observations, this leads to the conclusion that the Statute of Autonomy initially helped relax ethnic tensions and conflicts in South Tyrol but is now contributing to them more and more.