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Günther Pallaver

Südtirol: Vom ethnischen zum
territorialen cleavage*

1. Einleitung

Südtirol gilt unter den Minderheitengebieten in Europa als ein Musterbeispiel, wie ethnische Konflikte friedlich gelöst werden können.

Der ethnische Konflikt, der Südtirols Gesellschaft in der Vergangenheit in unterschiedlicher Intensität geprägt und in den 60er-Jahren zu Terroranschlägen geführt hatte, ist durch ein dissoziatives Konfliktlösungsmodell befriedet worden, das auf der Logik der ethnischen Trennung der in Südtirol lebenden Sprachgruppen (Deutsche, Italiener, Ladiner) aufbaut. Diese Trennung ist die Folge des ethnischen cleavage, das als cross cleavage alle anderen gesellschaftlichen Bruchlinien überlagert und als Faktor der gesellschaftlichen Ein- und Abgrenzung latent immer präsent ist.

Dieses in der Vergangenheit zentrale cleavage ist in den letzten Jahren etwas aufgeweicht worden. Der Logik der ethnischen Trennung wird immer öfters die Logik des gemeinsamen Territoriums gegenübergestellt.

Meine Hauptthese in diesem Aufsatz lautet, dass das neue territoriale cleavage in Südtirol das ethnische cleavage immer öfters überlagert. Denn trotz immer wiederkehrender ethnischer Spannungen identifizieren sich die Sprachgruppen in einem immer höheren Maße mit ihrem gemeinsamen Territorium. Das Territorium wird dadurch zum Bindeglied aller Sprachgruppen und könnte das ethnische cleavage langsam einfrieren, ohne dieses allerdings völlig zu überwinden. Diese neue territoriale „Wir“-Identifikation der verschiedenen Sprachgruppen wird allerdings durch die Ab- und Ausgrenzung gegenüber den „anderen“ gefördert. Die in der Landesverfassung Südtirols mit Sonderrechten ausgestatteten Sprachgruppen bilden eine neue territoriale Koalition gegen die „Externen“, die als unterschiedliche Akteure auftreten können (Staat, EU, Ausländer usw.).

Nach, erstens, einer theoretischen Annäherung, die sich auf die Fragestellung der Identität konzentriert, wird zweitens auf den Status quo der Südtiroler Autonomie und das auf der Trennung beruhende Nebeneinander der Sprachgruppen eingegangen. Bei, drittens, der Erörterung von Gründen, die zur stärkeren Identifikation mit dem Territorium geführt haben, werden drei Faktoren analysiert, die für solche Entwicklungsprozesse als konstitutiv gelten: i) die wirtschaftliche Lage der Region, ii) das Aufbrechen von ethnischen Konflikten und iii) die Stärke der regionalen Parteien (Beyme 2008, 39). Dieser Territorialisierungsprozess betrifft in erster Linie die italienische Sprachgruppe, die sich in der Vergangenheit nicht oder kaum mit dem Land identifiziert hat und der auf der anderen Seite von der deutschsprachigen Bevölkerung das Heimatrecht nicht zuerkannt wurde. Viertens wird die steigende Identifizierung der Bevölkerung mit dem Territorium untersucht. In einem Resümee werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst.

2. Territorium und Identität

Zu Fragen der Reterritorialisierung der Politik, des Revivals der Regionen und insgesamt substaatlicher Gebietskörperschaften gibt es verschiedene Erklärungsmuster, die kontrovers diskutiert werden. Eine erfolgreiche Regionalisierung, Föderalisierung oder insgesamt Dezentralisierung wird vielfach als Optimierung von substaatlicher Kompetenz angesehen, um Innovationsprozesse einzuleiten, voranzutreiben und zu steuern und um auf politischer und institutioneller Ebene selbst wieder Ausgangspunkt für Innovationen zu sein. Damit verbunden ist die Kooperation mit den lokalen Gebietskörperschaften und mit der Zivilgesellschaft sowie die Zusammenarbeit dieser subregionalen Akteure (Grasse 2005, 30).

Angesichts der vielfältigen Probleme, vor denen sich der Wohlfahrtsstaat in Angelegenheiten der Reproduktion und Regierbarkeit befindet, wird in der Institutionenpolitik als einer Form der Modernisierungspolitik ein wichtiger Lösungsansatz gesehen. Dadurch sollen die angehäuften Probleme, die durch den soziokulturellen und ökonomischen Strukturwandel hervorgerufen worden sind, bewältigt werden. Die institutionelle Reform der staatlichen Architektur und die dadurch angestrebte Modernisierung des Staatsapparates, aber auch die gleichzeitig stattfindende Neudefinierung des Verhältnisses zwischen öffentlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft sind Voraussetzungen für die immer breiter werdende Inklusion der Bürger bei den politischen und administrativen Entscheidungsfindungen (Arena 2006), um in den immer stärker ausdifferenzierten Gesellschaften zu effizienten und flexiblen Problemlösungen zu kommen.

Eine Konsequenz dieses Umbaus etwa im Sinne von Modernisierung, Erhöhung der Steuerungskapazitäten, Effizienzsteigerungen, Problem- und Konfliktlösungen, Wirtschaftsförderung, Wachstum und Zunahme politischer Partizipation ist der in Europa eingeleitete Prozess der Dezentralisierung, Regionalisierung und Föderalisierung (Keating 1998, Kröcher 2007). Dies hat auch zu einer Neuinterpretierung des Raums unter politischen Prämissen geführt.

Der Trend zur Valorisierung substaatlicher Einheiten hängt stark mit dem neuen Trend nach regionaler Identität zusammen. Identität wird von objektivistischen Ansätzen her als objektiv vorausgesetzt angesehen, ist aber letztlich eine soziale Konstruktion (Reiterer 2002, Beyme 2008, 34). Die Wiederentdeckung solch territorialer Identitäten hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Zum einen ist dieser Trend stark mit Prozessen der Entgrenzung und Globalisierung verbunden und der damit einhergehenden Ängste von Unübersichtlichkeit und Verlusten von (ökonomischen, kulturellen, sozialen usw.) Sicherheiten. Der regionale Raum wird den europäischen Zentralisierungstendenzen entgegengestellt, wird als neuer Zufluchtsort für Sicherheit und Geborgenheit gesehen. Wo die Bindungen in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Realitäten erodieren (Weltanschauungen, soziale Netzwerke, Wirtschaft usw.), wächst die Sehnsucht nach Absicherung der eigenen Identität, nach Gemeinschaft, Selbstbestimmung, Überschaubarkeit, Möglichkeiten der direkteren Partizipation (Grasse 2005, 54–55), aber auch nach direkter, hierarchieloser Kommunikation.

Identität, speziell kollektive Identität, hängt mit Inklusion und Exklusion zusammen, mit Regeln der Zugehörigkeit und Ausgeschlossenheit, mit der dichtomischen Konstruktion von „wir“ und die „anderen“ (Pallaver 2005). Diesen sozialen Prozessen unterliegen auch regionale Identitäten, die sehr oft von Logiken der ethnischen Trennung und der Homogenität der Einstellungen, Verhaltensweisen, Überzeugungen und Lebensstile ausgehen. Solche Logiken beruhen auf einem Prozess, dem sich die Individuen stellen können: Sie können sich angleichen bis hin zur Assimilierung, oder sie bleiben ausgeschlossen (Ipsen 1994). Außerdem sind diese Prozesse des Ein- und Ausschlusses auch immer mit der Gefahr des Ethnonationalismus verbunden. In diesem Zusammenhang geht es um das Recht auf Anerkennung der eigenen Identität(en) (Beyme 2008, 34–35).

Bei den Prozessen zur Konstruktion von regionalen Identitäten spielen die politisch-administrativen EntscheidungsträgerInnen eine wesentliche Rolle. Von diesen hängt nämlich ab, mit welchen Mitteln und Zielen sie den „Stammesverwandtschaftsglauben“ produzieren (Weber 1980, 234–244) und wie sie ihre identitätsstiftende Schleusenwärterfunktion handhaben, die nach innen hin offen oder geschlossen sein kann und die nach außen hin dafür verantwortlich ist, welche Wahrnehmung die „anderen“ – außerhalb des Territoriums – vom entsprechenden Territorium haben. Diese externen Wahrnehmungen (industrialisierte, touristische, freundliche, gefährliche usw. Region) haben wiederum Rückwirkungen und Einwirkungen auf die interne Wahrnehmung, die Akzeptanz und Identifizierung fördern oder erodieren kann. Und: je größer die Entscheidungskompetenzen einer Region sind, desto größer sind ihre Möglichkeiten für Initiierungs-, Steuerungs- und Identifikationsprozesse.

Die Herausbildung, Festigung und Vertiefung einer territorialen Identität hängt weiters vom Faktor „Zeit“ und vom Faktor „Dichte“ ab. Der Faktor Zeit bedeutet, dass Identitätsprozesse einem ständigen Wandlungsprozess unterworfen sind und dass die Konstruktion von Identität eine aktive Konstruktion, eine diskursiv vermittelte politische Deutung der eigenen Geschichte ist (De Lauretis 1991). Die Aneignung von Vergangenheit erfolgt über eine bewusste Rekonstruktion eben dieser Vergangenheit, die als gemeinsame Identifikationsplattform dient. Die politischen Akteure spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Bedeutung.

Neben dem Faktor Zeit weist der Faktor „Dichte“ auf die Intensität und Konsistenz der Beziehungsstrukturen innerhalb einer Gesellschaft in einem bestimmten Raum hin. Karl W. Deutsch hatte auf eine Reihe von Strukturelementen hingewiesen, die eine regionale Integration wesentlich bestimmten. Solche Transaktionen sollten konsistent, vereinbar, schnell und bedeutsam sein. Je umfangreicher diese internen Transaktionen sind, umso eher verdichteten diese die Integration eines Territoriums. Genauso wie gemeinsame Erfahrungen in der Vergangenheit integrativ wirken können, genauso kann es zu einer Verdichtung von Transaktionen kommen, wenn damit ein gesellschaftlicher Lohn verbunden ist. Der in Aussicht gestellte Lohn kann umso leichter erreicht werden, wenn, so Deutsch, weitere Voraussetzungen vorliegen, wie die Vereinbarkeit von Grundwerten, die Voraussehbarkeit des Verhaltens, der Bestand gewisser, nicht abgerissener Verbindungsglieder der sozialen Kommunikation, die Bereitschaft zur Ausweitung der Eliten sowie die Mobilität der Menschen (Deutsch 1972, 101–109). Von Beyme spricht in diesem Zusammenhang von drei Elementen, die die regionale Identität über die Zeit fördern können: die wirtschaftliche Lage der Region, das Aufbrechen von Konflikten und die Stärke der regionalen Parteien, die das regionale Bewusstsein fördern (Beyme 2008, 39).

In all diesen Prozessen der Verdichtung, der Konstruktion und Dekonstruktion von territorialen Identitäten, des Ein- und des Ausschlusses spielen die politischen Akteure eine ganz wesentliche Rolle. Allein die in den letzten Jahren steigende Anzahl von regionalen Parteien kann als Indikator dafür angesehen werden (Hough/Jeffery 2004, 49; De Winter/Gómez-Reino/Lynch 2006, Tronconi 2009). Deren Erstarken hängt zum Teil mit dem neuen Aufbrechen des alten Zentrum-Peripherie-Konflikts zusammen (Lipset/Rokkan 1967), aber auch mit der schwindenden Integrationskraft der etablierten nationalen Parteien (Perspektive von „oben“) wie auch mit Gefühlen der „inneren Kolonialisierung“ (Hechter 1975) (Perspektive von „unten“). Die Erosion der großen politischen Subkulturen hat die großen Ideologien des 19. Jahrhunderts vielfach mit dem Territorium als identitären Bezugspunkt ersetzt (Pallaver 2007, 130–133). Ilvo Diamanti spricht in diesem Zusammenhang von drei Dimensionen des Territoriums: i) als Ort der Präsenz, Partizipation, Organisation und Aktion der Parteien (politics), ii) als Sitz der lokalen Verwaltung und Regierung sowie als Exerzierfeld für den politischen Aufbau lokaler Leader (policy) und iii) im Sinne der symbolischen Nutzung des Territoriums als Bezugspunkt der Identität (polity) (Diamanti 2003, 15–17).

3. Südtirols dissoziatives Konfliktlösungsmodell und die Trennung
der Sprachgruppen

Südtirol, das nach dem Ende der Habsburgermonarchie 1918 von Italien annektiert wurde, ist neben der Provinz Trient und den Regionen Aosta, Sizilien, Sardinien und Friaul-Julisch Venetien eine mit einer weitreichenden Sonderautonomie ausgestattete Provinz, deren Kompetenzen finanziell großzügig abgedeckt werden. Südtirols Autonomie, die auf dem 1946 zwischen Österreich und Italien abgeschlossenen Gruber-Degasperi-Vertrag beruht, ist innerstaatlich durch die Verfassung und international völkerrechtlich abgesichert. Der wegen der Nicht-Durchführung des Gruber-Degasperi-Vertrages seit 1960 bei der UNO anhängige Streit zwischen den beiden Vertragspartnern, der in den 60er-Jahren auch von Bombenanschlägen begleitet wurde, fand nach Verabschiedung eines Zweiten Autonomiestatuts (1972) mit der Streitbeilegungserklärung in New York 1992 sein offizielles Ende.

Bei Südtirols Autonomie handelt es sich um eine Verbindung zwischen personaler und territorialer Autonomie. Die personale Autonomie drückt sich in einem umfassenden Minderheitenschutz für die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung aus, die territoriale Autonomie drückt sich in der beachtlichen politischen und Verwaltungskompetenz des Landes aus, an der alle Sprachgruppen beteiligt sind.

Tabelle 1: Bevölkerungsentwicklung in Südtirol 1900–2001 nach Sprachgruppen (%)

Jahr

Italienischsprachig

Deutschsprachig

Ladinisch

1900

4,0

88,8

4,0

1910

2,9

89,0

3,8

1921

10,6

75,9

3,9

1961

34,3

62,2

3,4

1971

33,3

62,9

3,7

1981

28,7

64,9

4,1

1991

27,6

67,9

4,2

2001

26,4

69,1

4,3

Quelle: Astat 2008a, 118–119

Die zwischen den Sprachgruppen im Lande schwelenden nationalen Konflikte wurden durch ein politisches System entschärft, das der consociational democracy nach Arend Lijphart (1977) entspricht. Dieses Modell geht von der Zusammenarbeit der verschiedenen Sprachgruppen aus, die durch das Vetorecht der Minderheiten und durch einen Elitenkonsens gekennzeichnet ist. Es reduziert den politischen Wettbewerb und das Mehrheitsprinzip und betont stärker die Kooperation (Lehmbruch 1967; Lijphart 1977). Die Verteilung der Macht wird in Südtirol durch die Wahlen und durch den ethnischen Proporz geregelt, mit dem die Aufteilung öffentlicher Stellen und der öffentlichen Ressourcen nach der Stärke der Sprachgruppen erfolgt.

Dem Konkordanzmodell auf der Ebene der Eliten steht die ethnische Trennung der Zivilgesellschaft in der Logik des dissoziativen Konfliktlösungsmodells gegenüber.

Die Trennung der Südtiroler Gesellschaft entlang ethnischer Abgrenzungen durchzieht das gesamte politisch-administrative System mit seinen verästelten Subsystemen. Parteien und Verbände sind im Wesentlichen nach dieser Logik der ethnischen Trennung organisiert. Es gibt ein ethnisch getrenntes Schul- und Bildungssystem. Dies gilt (mit Ausnahmen) für Kultureinrichtungen (z. B. Bibliotheken, Musikkapellen, Chöre, Theater) genauso wie für soziale Einrichtungen (z. B. Volkswohnbauten, Rettungsorganisationen). Dies gilt auch für das Mediensystem, das ethnisch getrennt organisiert ist und ethnisch getrennt berichtet.

Diese ethnische Trennung setzt sich im Wesentlichen im Alltag fort, wo es unter den Sprachgruppen im Vergleich zu den vorhandenen Möglichkeiten relativ geringe Kontakte gibt. Aus einer Jugendstudie vom Jahre 2004 geht hervor, dass 69,7 % der Südtiroler Jugendlichen alle ihre Freunde aus der eigenen Sprachgruppe haben. Die deutschsprachigen Jugendlichen bleiben am ehesten unter sich. Insgesamt pflegen nicht ganz ein Viertel der deutschsprachigen, aber mehr als zwei Drittel der italienisch- und ladinischsprachigen Jugendlichen Kontake zu anderen Sprachgruppen. Dieses Verhalten hängt stark vom Bildungsgrad und von der Wohnsitzgemeinde ab (Astat 2004, 32–33).

Auch die Identifizierung mit dem Land als „Heimat“ weist eine ethnische Bruchlinie auf. Während die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung das Territorium im Sinne ihrer angestammten Heimat als Besitz begreifen, war die Identifizierung der Italiener mit dem Land seit jeher äußerst fragil. Das hat vor allem mit der historischen Entwicklung zu tun. Die deutschsprachige Gemeinschaft, geprägt durch den jahrelangen Assimilierungsdruck von außen während der Zeit des Faschismus, tritt nach wie vor als relativ kompakte und einheitliche Sprachgruppe auf. Die Italiener Südtirols präsentierten sich hingegen seit jeher als fragmentierte Sprachgruppe.

Zur Herausbildung einer stabilen italienischen Sprachgruppe in Südtirol kam es im Wesentlichen erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der staatlich gesteuerten Ansiedlung nach der Annexion Südtirols an Italien und einer wirtschaftlich motivierten Einwanderung. Beide Einwanderungsprozesse führten Italiener aus unterschiedlichen Regionen Italiens ins Land, ohne gemeinsamen Dialekt, ohne verwandtschaftliche Bindungen, ohne gemeinsame Essgewohnheiten (Gatterer 1981, 22).

Die Einwanderung (1910: 4 %; 1961: 34,3 % Italiener) blieb vor allem auf die Städte beschränkt. Ab den späten 40er-Jahren folgte eine weitere Einwanderungswelle aus den adriatischen Küstengebieten, aus denen Jugoslawien die ItalienerInnen auswies. Die verschiedenen Einwanderungswellen aus unterschiedlichen Gebieten führte dazu, dass die ItalienerInnen Südtirols sozial und hinsichtlich ihrer Herkunftsregionen zersplittert waren. Soziodemografisch waren die ItalienerInnen überproportional in der Bürokratie beschäftigt, in der Industrie und im Handel. 1951 waren von 115.000 ItalienerInnen in Südtirol rund 91.000 außerhalb des Landes geboren (Pallaver 2007a, 662).

Eines der wenigen Kohäsionselemente für die ItalienerInnen in Südtirol fußte auf dem Bewusstsein, in einem fremden Gebiet einer anderen Gruppe gegenüberzustehen. Als Ersatz für die fehlenden territorialen Bindungen dienten die gemeinsame nationale Zugehörigkeit und die Identifikation mit dem italienischen Staat, der als nationaler und sozialer Schutzpatron angesehen wurde. Viele ItalienerInnen sahen sich mit einer Art nationalen Mission beauftragt, wogegen die meisten deutschsprachigen Südtiroler die Italiener als Eindringlinge und Kolonialisten ablehnten.

Bis zur Verabschiedung des Zweiten Autonomiestatuts (1972) galten die ItalienerInnen im Lande als die dominante Sprachgruppe. Danach kam es zu einem tiefen Einschnitt in der psychologischen Befindlichkeit der ItalienerInnen. Bis 1972 waren die beiden Provinzen Trient und Bozen in der gemeinsamen Region Trentino-Südtirol mit einer italienischen Mehrheit vereint. Mit dem neuen Autonomiestatut wurde die Region ausgehöhlt, während die eigentlichen Träger der Autonomie die beiden autonomen Provinzen Südtirol und Trentino wurden. Dadurch wurden in Südtirol die ItalienerInnen zur dominierten Minderheit, die Deutschen zur dominanten Mehrheit. Außerdem verloren die ItalienerInnen mit dem neuen Statut eine Reihe von Privilegien, da der für den Staatsdienst eingeführte ethnische Proporz, also die Besetzung der öffentlichen Stellen auf der Grundlage der numerischen Stärke der einzelnen Sprachgruppen sowie die damit verbundene Pflicht zur Zweisprachigkeit, den traditionellen und privilegierten Zugang der ItalienerInnen zu diesen Stellen versperrte.

Zur gleichen Zeit setzte die Krise der Industrie ein, in der in erster Linie italienische Arbeitskräfte beschäftigt waren. Plötzlich fühlten sich viele ItalienerInnen als Minderheit im eigenen Staat, der nicht mehr schützend seine Hand über sie hielt.

Dies hatte innerhalb einer kurzen Zeit eine relativ hohe Abwanderung zur Folge. 1961 lag der Anteil der ItalienerInnen bei 33,3 %, 1981 bei 28,7 %, 2001 lag er bei 26,4 %, während im gleichen Zeitraum der Anteil der deutschsprachigen SüdtirolerInnen von 62,2 % (1961) auf 69,1 % (2001) stieg. Die LadinerInnen liegen laut letzter Volkszählung von 2001 bei 4,3 %.

Beim Versuch der Italiener, dieses Unbehagen zu überwinden, wurden zwei Richtungen eingeschlagen. Ein Teil strebt nach stärkerer Kooperation mit der deutschsprachigen Bevölkerung und somit nach Integration, ein anderer Teil kehrte zum Nationalismus zurück.

4. Faktoren zur Förderung der Territorialisierung

Nach Beyme fördern drei Faktoren die Identifizierung mit dem Territorium: i) die wirtschaftliche Lage der Region, ii) das Aufbrechen von (ethnischen) Konflikten und iii) die Stärke der regionalen Parteien (Beyme 2008, 39). Andere, externe Faktoren, wie Entwicklungsprozesse, die zu einem Revival des Regionalismus geführt haben, werden hier nur am Rande mit behandelt.

4.1. Die wirtschaftliche Lage Südtirols

Südtirol blieb nach dem Zweiten Weltkrieg für lange Zeit ein Auswanderungsland, da der wirtschaftliche Transformationsprozess von der Landwirtschaft hin zum tertiären Sektor vor allem die deutschsprachige Bevölkerung traf, die im eigenen Land kaum Arbeitsmöglichkeiten fand.

Seit Verabschiedung des Zweiten Autonomiestatuts (1972) und dem damit verbundenen Ausbau der Autonomie wird Südtirol nicht nur in Sachen Minderheitenschutz immer wieder als „Modell“ präsentiert, sondern auch was seinen wirtschaftlichen Erfolg (Pasquali et al. 2002) wie auch die Lebensqualität insgesamt betrifft. Seit Jahren gilt Südtirol unter den Provinzen Italiens als jene mit der höchsten Lebensqualität. 1995 lag Südtirol in dieser Hinsicht auf dem ersten Platz, 2008 auf dem dritten, 2009 auf dem zweiten Platz. Über all die Jahre lag Bozen im Spitzentrio. Das Ranking der angesehenen italienischen Wirtschaftszeitung „il Sole 24 Ore“ beruht auf 36 Indikatoren wie etwa Arbeit und Wirtschaft, Dienstleistungen und Umwelt, Bevölkerungsentwicklung, öffentliche Sicherheit, Freizeit (il Sole 24 Ore 2008, 2009).

Unter den Indikatoren stechen unter anderem jene zu Wirtschaft und Arbeit hervor. Die Erwerbstätigkeit der Südtiroler Bevölkerung nach Wirtschaftsbereichen im Jahre 2007 sieht 6,9 % in der Landwirtschaft beschäftigt, 23,1 % im produzierenden Gewerbe und 70,0 % im Dienstleistungssektor (Astat 2008a, 208). Von den knapp 395.800 Personen im erwerbstätigen Alter beteiligten sich im Jahr 2006 insgesamt 233.700 am Erwerbsleben. 162.100 waren Nicht-Erwerbspersonen (vorwiegend Rentner, Hausfrauen, Studenten). Die Erwerbsquote (Anteil der Erwerbspersonen an der Wohnbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren) belief sich 2006 auf 71,5 % und hat sich in den letzten Jahren auf diesem Niveau eingependelt (Männer: 81,3 %, Frauen 61,4 %). Damit liegt die Erwerbsquote Südtirols im europäischen Durchschnitt (Astat 2008, 17–20). Die allgemeine Berufszufriedenheit lag 1997 in Südtirol höher als im italienischen Durchschnitt. Voll und ganz zufrieden waren 20 % (Italien: 16 %), sehr zufrieden 33 % (Italien: 19 %) (Astat 1997, 51).

Die Arbeitslosigkeit lag 1995 in Italien bei 11 %, in Südtirol bei 2 %. 2008 lagen diese Daten für Italien bei 6,1 %, in Südtirol bei 2,6 % (Astat 2008, 211); im ersten Trimester 2009 lag die Arbeitslosigkeit in Südtirol trotz Wirtschaftskrise knapp unter drei Prozent, in Italien bei 7,8 % (WIFO 2009). Die Beschäftigungsentwicklung war zwischen Mai und Oktober 2009 insgesamt sogar positiv (+0,1 %) (Arbeitsmarkt 2009).

Südtirols Wirtschaftswachstumsraten lagen in den letzten Jahren immer über jenen Gesamtitaliens. Südtirols Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag 2006 mit 32.868 Euro an der Spitze aller Regionen Italiens. Südtirol befindet sich im Spitzenfeld der 20 reichsten Regionen der Europäischen Union (Benedikter 2008, 4). Beim Nettoeinkommen der Familien nach Regionen lag Südtirol mit 27.082 Euro an erster Stelle unter allen Regionen Italiens (italienischer Durchschnitt: 22.460 Euro) (Perini 2009).

Die öffentlichen Ausgaben belaufen sich in der Provinz Bozen mit Sonderstatut auf fast 50 Prozent des BIP, während sie in den Regionen Norditaliens mit Normalstatut zwischen 34 und 38 % liegen. Südtirols Wirtschaft stützt sich zur Hälfte auf die öffentlichen Ausgaben, die den Konsum genauso wie die Investitionen anregen. Die Abgabenquote, somit die Steuern und Pflichtsozialversicherungsbeiträge, bezogen auf das BIP, liegt mit 36,3 % über 4 % unter dem gesamtstaatlichen Wert, aber auch deutlich unter jener Österreichs, Deutschlands und der EU insgesamt.

Dank Autonomiestatut und damit verbundener Staatsgesetze kann Südtirol 90 % der Staatssteuern im Land einbehalten und erhält zusätzliche Direkttransfers vom Staat.1 Dieser große Zufluss an öffentlichen Mitteln, wobei ein Teil der Dienstleistungen nach wie vor der Staat erbringt (z. B. Justiz, öffentliche Sicherheit, Bezahlung des staatlichen Personals etc.), regt die Nachfrage der öffentlichen Körperschaften im Land auf allen Ebenen an und dadurch auch die lokale Wirtschaft. Die reichhaltige Ausstattung mit öffentlichen Mitteln garantiert einen hohen Beschäftigungsgrad. Ein hohes öffentliches Investitionsniveau, das zuletzt bei rund 20 % lag, stützt das Wachstum, stabilisiert Konjunkturschwankungen und verhindert größere Krisen in der Beschäftigung.

Die gute Beschäftigungslage und das Wirtschaftswachstum garantieren wiederum höhere Steuereinnahmen, die zu 90 % in den Landeshaushalt fließen, über den wiederum die Wirtschaftspolitik des Landes gesteuert wird. Im Standortwettbewerb unter den Regionen kann Südtirol sowohl mit den Ausgaben (hohes Subventionsniveau, bessere Sozialleistungen, effiziente Infrastrukturen) als auch mit geringeren Landes- und Gemeindesteuern aufwarten, da eine ausreichende Ausstattung mit finanziellen Mitteln vorliegt. Die öffentliche Körperschaft Land Südtirol kann somit nicht nur ihre Kompetenzen finanziell abdecken, sondern ist als größter Unternehmer der Provinz auch der größte Wirtschaftsmotor (Benedikter 2008, 5).

Auch wenn der bevorstehende Steuerföderalismus in Italien das derzeitige Finanzsystem Südtirols nicht unangetastet lassen wird, das Südtirol zu einem Nettoempfänger öffentlicher Finanzen macht,2 weisen alle Indikatoren darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage Südtirols nicht dramatische Einbrüche erleben wird.

Die prosperierende wirtschaftliche Lage und die kaum vorhandene Arbeitslosigkeit haben dazu beigetragen, dass es unter der Bevölkerung Südtirols zu einer starken Identifikation mit dem Land und seinen öffentlichen Institutionen gekommen ist. Im Vergleich mit anderen Regionen Italiens schneiden Südtirols Wirtschaftsindikatoren fast überall besser ab, sodass alle Sprachgruppen von dieser Politik profitieren, aber auch sich selbst als Akteure dieser wirtschaftlichen Prosperität betrachten und sich damit mit dem Land, in Abgrenzung zu anderen Regionen, stark identifizieren.

Obgleich zu Beginn lange bekämpft, wird heute der ethnische Proporz im öffentlichen Dienst, verbunden mit dem obligatorischen Zweisprachigkeitsnachweis, auch von der italienischsprachigen Bevölkerung akzeptiert, weil er einen Wettbewerbsvorteil für die einheimische Bevölkerung gegenüber der Konkurrenz aus dem restlichen Italien bedeutet. Während sich nämlich bei der Beurteilung des Proporzes große Unterschiede zwischen Deutschen (und Ladinern) und Italienern feststellen lassen, gibt es bei der Einschätzung über die Begünstigung der einheimischen Bevölkerung eine überraschende Übereinstimmung. Die LadinerInnen sind zu 84,1 % dieser Auffassung, die ItalienerInnen zu 74,4 % und die Deutschen zu 71,1 % (Astat 2006, 187).

4.2. Das Aufbrechen bzw. das Abklingen von ethnischen Konflikten

Südtirol war über Jahrzehnte ein Konfliktherd mitten in Europa. 1960 wurde der Streit zwischen Italien und Österreich (als Schutzmacht Südtirols) bei der UNO anhängig gemacht. Ende der 50er-Jahre, besonders aber ab 1961 eskalierte der Konflikt und es kam zu Bombenattentaten (Peterlini 2006, Fasser 2009). Der Konflikt wurde durch Verhandlungen zwischen Bozen, Rom und Wien allmählich entschärft und mit Verabschiedung des Zweiten Autonomiestatuts (1972) eine Lösung gefunden, die auf einem Grundkonsens aller Verhandlungspartner beruhte. Erst nach Verabschiedung aller Durchführungsbestimmungen zum neuen Autonomiestatut wurde der Streit 1992 vor der UNO auch formell beigelegt (Di Michele/Palermo/Pallaver 2005).

Ethnische Konflikte hat es dennoch immer wieder gegeben, nur haben sie im Laufe der Jahre kontinuierlich abgenommen. Einzelne Eskalationen, wie etwa die Attentate der 80er-Jahre oder die Spannungen des Jahres 2008, als die Forderung nach Selbstbestimmung wieder laut wurde, wurden immer wieder durch die Verhandlungsdemokratie abgefangen. Dabei steht die mediale Konstruktion von ethnischen Konflikten sehr oft im Widerspruch zur sozialen Realität (Pallaver 2006).

Eine Reihe von empirischen Daten weisen nach, dass sich die soziale Distanz zwischen den Sprachgruppen immer mehr verringert. Schon eine der ersten repräsentativen Umfragen aus dem Jahre 1986 (Astat 1988) hat nachgewiesen, dass Meinungen, Werte und Lebensformen in Südtirol unter den Sprachgruppen keine gravierenden Unterschiede aufweisen und dass die Spannungslinien weniger zwischen der deutsch- und der italienischsprachigen Bevölkerung verlaufen, sondern stärker zwischen Stadt und Land (Pallaver 1997, 105).

Bei der Frage über die Aufgaben der Südtiroler Politik nannten vor 20 Jahren 74,6 % die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Jugend, gefolgt von Maßnahmen für das Zusammenleben der Sprachgruppen mit 42,5 % (Astat 1988, 131). Aber während bei der Frage der Arbeitsplätze für die Jugend die Meinung der Bevölkerung, unabhängig von der Sprachgruppenzugehörigkeit, in etwa gleich war, divergierten die Meinungen beim Zusammenleben ziemlich stark. Fast 70 % der italienischsprachigen Bevölkerung zählten dieses Problem zu den vordringlichsten, aber nur 43 % der deutschsprachigen Stadtbevölkerung und gar nur 26 % der deutschsprachigen Landbevölkerung (ebda, 133).

In einer 2004 durchgeführten Umfrage (Astat 2006) über das Zusammenleben der Sprachgruppen können interessante Vergleiche mit einer Umfrage aus dem Jahre 1991 angestellt werden.

Tabelle 2: Wie empfinden Sie das heutige Zusammenleben der drei Volksgruppen in Südtirol aus sozio-politischer Sicht? (Angaben in Prozent)

Jahr

1991

2004

Ein sehr großes Problem

4,8

2,6

Ein ziemlich großes Problem

33,2

8,5

Ein weniger großes Problem

53,5

60,0

Kein Problem

8,2

23,1

Weiß nicht

0,4

5,7

Quelle: Astat 2006, 179

Fast ein Viertel der Befragten (23,1 %) erklärte, dass das Zusammenleben kein Problem mehr darstelle, 1991 waren es nur 8,2 % gewesen. 60 % waren der Meinung, dass das Problem weniger groß ist als früher, 1991 waren es 53,5 %. Nur noch 11,1 % sahen im Zusammenleben ein sehr großes bzw. ziemlich großes Problem. 1991 betrug dieser Prozentsatz 38 %.

Das Zusammenleben wurde 2004 insgesamt als positiv beschrieben, nur 2,1 % hielten es für ungenügend, 0,3 % für schlecht. Die positive Einschätzung (sehr gut, gut, zufriedenstellend) erreichte 87,1 %. ItalienerInnen (79,3 %) und Deutsche (89,6 %) unterschieden sich in der positiven Bewertung der Lage weit weniger als in früheren Umfragen. Stärker waren die Unterschiede bei der negativen Bewertung. Von den ItalienerInnen gaben 17,2 % ein negatives Urteil, hingegen nur 7,1 % der Deutschen. Am positivsten wurde das Zusammenleben von den LadinerInnen beurteilt (Astat 2006, 181).

Fast 20 Jahre nach der ersten Umfrage 1986 hat sich auch die Wertigkeit der zu lösenden Probleme stark geändert. In einer Studie über Lebensformen und Werthaltungen in Südtirol (2006) lag das Problem der Lebenshaltungskosten mit 96,5 % an erster Stelle, das Problem des Zusammenlebens aber erst an 14. Stelle mit 45,5 % (Astat 2007, 95). Dennoch gab es auch hier ziemliche Unterschiede nach Sprachgruppen. 30,8 % der ItalienerInnen Südtirols sahen in der Trennung der Sprachgruppen ein großes Problem, 41,8 % ein ziemlich großes Problem. Von den deutschsprachigen SüdtirolerInnen sahen darin 8,5 % ein ziemlich großes und 24,7 % ein großes Problem. Auf die Frage, ob sich die Situation im Jahre 2006 im Vergleich zu vor fünf Jahren verändert habe, meinten 54,4 %, daran habe sich nichts geändert. Im Saldo liegen aber jene, die eine Verbesserung festgestellt haben, mit 23,8 % vor jenen, die mit 15,9 % eine Verschlechterung verzeichneten (Astat 2007, 97). Auch was die Konfliktintensität betrifft, lag das Problem des Zusammenlebens nicht mehr an den vordersten Plätzen. Unter den neun Problemfällen lag das Zusammenleben an 5. Stelle (Astat 2007, 97–99).

Aufschlussreich sind die Daten einer Jugendstudie aus dem Jahre 2004. Jugendliche (zwischen 12 und 25 Jahren) betrachten Südtirol als Land mit vielen Vorzügen. Das betrifft die Landschaft, die Sportmöglichkeiten, den wirtschaftlichen Wohlstand, die Küche, Südtirols Autonomie, das Zusammenleben der Sprachgruppen und die Tradition. Allein der Umstand, dass von den Jugendlichen als Vorzüge Südtirols die Autonomie und das Zusammenleben der Sprachgruppen genannt wurden, weist auf die positive Identifikation mit dem Territorium hin.

Während die ladinische Sprachgruppe bei fast allen genannten Vorzügen an der Spitze liegt, gibt es zwischen der deutschen und italienischen Sprachgruppe keine markanten Unterschiede, sieht man von der Küche ab (Deutsche: 45,4 %, Italiener: 26,8 %, Ladiner: 50,5 %). Südtirols Autonomie wird von 42,2 % der deutschsprachigen, von 39,2 % der italienischsprachigen und 58,6 % der ladinischsprachigen Jugendlichen als Vorzug angesehen, das Zusammenleben der Sprachgruppen von 33,3 % der deutsch-, 44,2 % der italienisch- und 43,3 % der ladinischsprachigen Jugendlichen (Astat 2004, 42).

Diesem positiven Trend zur Identifizierung mit dem Land und seiner Autonomie entspricht auch die Tendenz einer immer größer werdenden Anzahl von Personen aus allen Sprachgruppen, aber auch von Vereinigungen, die ethnische Trennung zu überwinden. Interethnische oder ethnisch indifferente Initiativen im Rahmen von sozialen, kulturellen oder wirtschaftlichen Projekten sind im Steigen begriffen. Institutionelle Öffnungen, die in einer Reihe von Sektoren zu einer intensiveren Zusammenarbeit unter den Sprachgruppen geführt haben, sind über den Druck der Zivilgesellschaft erfolgt. Eine Reihe von Umfragen in den letzten 15 Jahren belegen diese steigende Bejahung interethnischer Kooperation (Fondazione Censis 1997, Pallaver 2008, 321–324).

Ein Grund für die Verminderung der sozialen Distanz unter den Sprachgruppen hängt auch mit den Sprachkenntnissen der Bevölkerung zusammen. Bei allen Defiziten, die es in diesem Bereich nach wie vor gibt, haben jedenfalls die Zweitsprachkenntnisse innerhalb der jüngeren Generation zugenommen. Schon 1991 verstanden oder verwendeten 67 % der italienischsprachigen und 90 % der deutschsprachigen Bevölkerung die andere Landessprache, bei den Ladinern lag dieser Prozentsatz noch höher (Buson 1992, 102–105). Dieser Trend wird von einer Studie aus dem Jahre 2004 bestätigt. Die Mehrsprachigkeit wird insgesamt als Bereicherung und Wettbewerbsvorteil angesehen (Astat 2006, 194).3

4.3. (Ethno)Regionale Parteien und die Territorialisierung nationaler Parteien

Dem Ende der Ersten italienischen Republik entsprach auch das Ende des alten italienischen Parteiensystems. Schon lange davor hatte die Unfähigkeit des italienischen Staates, neue funktionale Formen der politischen Steuerung zu entwickeln und anzuwenden, zu einem Revival der italienischen Regionen geführt, deren Stellenwert über die seit Beginn der 90er-Jahre zur Anwendung gebrachten Verfassungsreformen hinausgeht. Insofern stellt die „Devolution“ nicht nur eine institutionelle Innovation dar, die sich an den neuen funktionalen Bedürfnissen des Staates orientierte und an der Notwendigkeit neuer Formen der institutionalisierten Mitbestimmung, sondern zugleich die Antwort auf neue Bedürfnisse, die sich innerhalb der Gesellschaft artikuliert hatten und von politischen Bewegungen aufgegriffen wurden. Diese Bedürfnisse „von unten“ hängen stark mit der Entdeckung/Wiederentdeckung, der Verteidigung und/oder Bestätigung der territorialen Identität zusammen.

Trotz erheblicher Erosionsprozesse wie des Niedergangs der Ideologien und des Rückgangs der politischen Bindungen, der Implosions- und Transformationsprozesse der italienischen Parteien sind die politischen Subkulturen mit ihren sozialen Werten (Crespi/Santambrogio 2001), wenngleich mutiert, in ihrer territorialen Umgrenzung aufrecht erhalten geblieben und zu allgemeinen Leitlinien herangewachsen (Caciagli 2003, 134–138).

Parallel mit dem Voranschreiten der subkulturellen Erosionsprozesse ist in gewissem Sinne Ideologie vielfach mit Identität ersetzt worden. Die territorialen Identitäten sind geblieben und gewachsen, die starken ideologischen Bindungen hingegen zurückgegangen. Es ist gerade diese „Ideologie des Territoriums“, die Ausgangspunkt für neue regionale Bewegungen ist. Diese bauen auf einer politischen Subkultur auf, in deren politischem Zentrum das regional umgrenzte Territorium als Antithese zum Nationalstaat steht. Das Territorium als physischer Raum erhält so eine entscheidende Bedeutung als primäre Quelle einer neuen Identität, verbunden mit anderen kulturellen Elementen wie etwa Sprache, Traditionen, Lebenshaltungen usw. Das Territorium drückt eine bestimmte ideologische Orientierung aus, bestimmte Werte, Lebenshaltungen und Lebensstile, ist Ausdruck von Regeln des zivilen Zusammenlebens.

Der Regionalismus transformiert Territorialität und Kultur in ein politisches Aktionsprogramm, (re)konstruiert regionale Identität durch eine spezifisch ausgeprägte Ideologie als einem Verschnitt von Traditionen, historischen Kontinuitäten, Mythen, Riten, Symbolen, Festen, Folklore usw. (Caciagli 2003, 145–146) und mündet immer öfters in der Bildung von regionalen Parteien, die über die alten ethnoregionalen Parteien hinausgehen. Diese Entwicklung hat auch auf Südtirols italienische Parteien Auswirkungen gehabt.

Wie das politische System sind auch Südtirols Parteien durch die ethnische Bruchlinie gekennzeichnet, die alle anderen cleavages überlagert. Längs dieser Bruchline haben sich seit jeher ethnische Parteien gebildet (Beyme 1982, De Winter/Türsan 1998, De Winter/Gómez-Reino-Lynch 2006, Tronconi 2009).

Die ethnische Loyalität ist in Südtirol tiefer verankert als andere Bindungen, sodass sich der politische Wettbewerb der Parteien zentral auf die eigene Sprachgruppe konzentriert. Dieser segmentierte Wettbewerb hat dazu geführt, dass es in Südtirol nicht eine einzige, gemeinsame Wahlarena gibt, sondern dass diese entlang der ethnischen Bruchlinien in drei politische Subarenen zerfällt. Die Parteien aus einer ethnischen Gruppe treten nicht in Wettbewerb zu Parteien der anderen ethnischen Gruppe (Pallaver 2004).

Ethnische Parteien haben sich seit jeher innerhalb der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit entwickelt, nicht innerhalb der italienischen Sprachgruppe, da sich diese nicht als ethnische Minderheit verstand. In der deutschen Wahlarena standen deutschsprachige ethnoregionale Parteien im Wettbewerb zueinander, in der italienischen Wahlarena gesamtstaatliche Parteien mit ihren regionalen Organisationsstrukturen.4 Diese gesamtstaatliche Logik hat sich ab den 90er-Jahren unter den italienischen Parteien geändert. Seit den letzten Landtagswahlen 2008 können die im Südtiroler Landtag vertretenen Parteien wie folgt eingeteilt werden (Pallaver 2009).

Abbildung 1: Ethnoregionale Parteien in Südtirol

Regionale Konzentration

Ja

Nein

Ethnizität

Ja

Südtiroler Volkspartei, Freiheitliche, Süd-Tiroler Freiheit, Union für Südtirol, Unitalia

Ethnizität

Nein

Grüne Verdi Vërc, Lega Nord

Popolo della Libertà, Partito Democratico/Demokratische Partei

Quelle: Pallaver 2009, 248

Die Südtiroler Volkspartei (SVP), die Freiheitlichen, die Süd-Tiroler Freiheit und die Union für Südtirol verstehen sich als deutschsprachige ethnische Parteien, weil sie den Anspruch erheben, die Interessen der deutsch- und ladinischsprachigen SüdtirolerInnen zu vertreten. In den Parteistatuten ist nicht vorgesehen, dass sie auch die Interessen der Italiener vertreten. Die SVP nimmt dabei eine demokratisch-hegemoniale Position ein, weil sie seit den ersten Landtagswahlen im Jahre 1948 immer die absolute Mehrheit der Mandate erzielt hat, seit damals immer den Landeshauptmann stellt, als einzige deutschsprachige Partei in der Landesregierung sitzt und alle relevanten Machtpositionen im Lande besetzt (Pallaver 2006).

Unitalia, eine Abspaltung des MSI, als 1995 die ehemalige neofaschistische Partei den Transformationsprozess in Alleanza Nazionale vollzog, ist ausschließlich auf Südtirol konzentriert und beansprucht, die spezifischen Interessen der Italiener als Minderheit zu vertreten. Aus diesen Gründen kann Unitalia als italienische ethnoregionale Partei angesehen werden.

Die Grünen/Verdi/Vërc sind in dieser organisatorischen Konfiguration territorial nur in Südtirol präsent. Sie sind nach den Statuten der staatlichen Grünen kein integrierter Teil der Gesamtpartei, sondern mit dieser nur konföderiert. Die Grünen beanspruchen nicht, die spezifischen Interessen einer einzigen ethnischen Gruppe zu vertreten, sondern aller in Südtirol lebenden Personen. Sie gelten deshalb als eine interethnische Partei.

In diese Kategorie fällt auch die Lega Nord, die als territoriale Partei des italienischen Nordens gilt und die besonderen Interessen des Nordens mit seinen autochthonen Bevölkerungen vertritt, womit im weitesten Sinne die Ethnizität mit ins Spiel kommt. Die Lega Nord vertritt in Südtirol nicht die spezifischen Interessen einer Sprachgruppe, sondern von ihrem Anspruch her lediglich die Interessen aller im Autonomiestatut geschützten Sprachgruppen, nicht hingehen die Migranten. Der Popolo della Libertà und der Partito Democratico/Demokratische Partei fallen hingegen unter die Kategorie der gesamtstaatlichen Parteien.

Trotz dieser nach außen hin scheinbar eindeutigen Zuordnungen haben sich in den letzten Jahren Änderungen innerhalb der Parteien, des Parteiensystems und im Wahlverhalten ergeben, die auf eine zunehmende Territorialisierung jener italienischen Parteien hinweisen, die in der Vergangenheit gesamtstaatlich aufgetreten sind.

Die Logik der ethnisch getrennten Wahlarenen versuchten bereits in den 50er-Jahren die Kommunistische, später auch die Sozialistische Partei aufzubrechen (Gatterer 2009). Beide Parteien verstanden sich als Klassenparteien, sodass die ethnischen Interessen den Klasseninteressen untergeordnet waren. Allerdings war es beiden Parteien nie gelungen, konsistente Anteile aus dem deutschsprachigen Wählersegment zu gewinnen. Deshalb gingen beide Parteien vor allem zu Beginn der 70er-Jahre dazu über, sogenannte „deutsche Sektionen“ einzurichten. Dies sollte bedeuten, dass sich die Mitglieder der beiden Parteien entlang ihrer ethnischen Zugehörigkeit organisierten und nur in den obersten, gemeinsamen Gremien wieder zusammenflossen. Damit verbunden gingen die Parteien auch dazu über, ihre Kommunikation nach außen durch eigene deutschsprachige Medien zu führen. Diese Projekte scheiterten allerdings nach nicht allzu langer Zeit. Dennoch erkämpften beide Parteien eine große Autonomie in ihrem politischen Handlungsspielraum, weil die Auseinandersetzung mit der Minderheitenfrage Antworten erforderte, die die gesamtstaatliche Partei nicht geben konnte.

Eine für die Parteien in Südtirol entscheidende Zäsur erfolgte mit der Implosion des italienischen Parteiensystems zu Beginn der 90er-Jahre. Besonders der Zusammenbruch der Democrazia Cristiana führte dazu, dass in Südtirol eigene, rein territoriale DC-Nachfolgeparteien entstanden, die bei den Landtagswahlen autonom kandidierten, bei Parlamentswahlen Wahlempfehlungen für gesamtstaatliche Parteien abgaben. Es kandidierten 1993: Partito Popolare Alto Adige und Unione di Centro Alto Adige; 1998: Popolari Alto Adige Domani; 2003: Unione Autonomista; 2008 kam eine gemeinsame Liste von Diaspora-Popolari als rein territoriale Partei mit dem Namen Progetto Alto Adige nicht mehr zustande (Atz/Pallaver 2009). Gerade 2008 hatte sich diese ausdrücklich als territoriale Partei der Italiener Südtirols bezeichnet, ohne Anknüpfungen zu gesamtstaatlichen Parteien (Progetto Alto Adige 2008).

Neben dieser Entwicklung hin zu rein territorialen Parteien lassen sich im Sinne der stärkeren Zentralität des Territoriums noch weitere Trends ablesen. Eine davon ist der Versuch der in Südtirol agierenden ethnischen Parteien, alle Sprachgruppen anzusprechen oder, und das betrifft in erster Linie italienische Parteien, sich als interethnisch zu präsentieren.

Die Begrifflichkeit Interethnizität weist bereits darauf hin, dass es sich um Parteien handelt, die in einem Territorium mit mehreren Sprachgruppen agieren. Im Gegensatz zu den ethnischen Parteien vertreten interethnische Parteien nicht die Interessen einer bestimmten ethnischen Gruppe, sondern die Interessen aller, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Während ethnische Parteien eine Unterscheidung von „wir“ und die „anderen“ machen und somit die anderen ausschließen, nehmen interethnische Parteien diese Unterscheidung nicht vor und schließen grundsätzlich alle ein. Auch im Falle von interethnischen Parteien haben wir es mit Parteien zu tun, die auf substaatlicher Ebene agieren und starke regionale Besonderheiten aufweisen, auch wenn es sich um gesamtstaatliche Parteien handelt.

Allerdings kann man unter den interethnischen Parteien längs der Achse „wir/die anderen“ Unterschiede feststellen. Es gibt Parteien, die den Anspruch erheben, die Interessen bestimmter, aber nicht aller ethnischen Minderheiten zu vertreten. So trat etwa die Lega Nord bei den Landtagswahlen 2008 mit dem Anspruch an, die Interessen der deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Bevölkerung Südtirols zu vertreten, nicht aber jene der neuen Zuwanderer (mit oder ohne italienischer Staatsbürgerschaft). Im Gegensatz dazu gehen die Grünen/Verdi/Vërc vom Anspruch aus, nicht nur die im Autonomiestatut genannten drei offiziellen Sprachgruppen zu vertreten, sondern alle, unabhängig von Ethnizität oder Konfession.

Interethnische Parteien haben als Zielgruppe alle ethnischen Gruppen in einer Region, ihre externe Wahrnehmung ist jene einer interethnischen Partei, ihre interne und externe Kommunikation erfolgt in allen Landessprachen, ihre Organisation ist interethnisch, also nicht nach Sprachgruppen getrennt, ihre Wähler kommen aus allen ethnischen Gruppen und ihr Gesellschaftsmodell ist nicht jenes der Separation der ethnischen Gruppen (dissoziatives Konfliktlösungsmodell), sondern die Integration der ethnischen Gruppen (assoziatives Konfliktlösungsmodell) (Pallaver 2009, 249–254).

Die klassische interethnische Partei in Südtirol sind die Grünen/Verdi/Vërc, die seit 1978 (wenn auch unter anderen Namen) im Landtag vertreten sind (Atz 2007). Andere Parteien erfüllen nur zum Teil die aufgestellten Kriterien einer interethnischen Partei, belegen aber damit, dass die Besonderheiten des Territoriums auch für sie eine zentrale Rolle spielen und sie sich diesen Besonderheiten anzupassen versuchen. Bei den gesamtstaatlichen italienischen Parteien beginnt dies mit der Aufstellung von KandidatInnen aus allen Sprachgruppen, der mehrsprachigen Wahlwerbung bis hin zum Ausbau von Organisationsstrukturen, die der Anwesenheit von verschiedenen Sprachgruppen auf dem Territorium Rechnung tragen. Der Partito Demokratico in Südtirol spricht bereits klar von „partito territoriale“.

Dieser Trend innerhalb der nationalen italienischen Parteien betrifft in erster Linie die Parteien des Zentrums sowie jene Parteien, die sich links davon positionieren. Das betrifft nicht die Parteien des Mitte-rechts-Lagers (namentlich des PdL), die eine starke zentralistische, Rom-orientierte Politik betreiben.

Auf der Angebotsseite gab es 2008 bei den Landtagswahlen mehr interethnischen Wettbewerb als jemals zuvor. Die Frage ist, ob dies auch zu einer stärkeren Durchlässigkeit der jeweiligen ethnischen Wahlarenen geführt hat. Untersuchungen gehen davon aus, dass rund zehn Prozent der italienischsprachigen Wähler deutschsprachige Parteien gewählt haben, wo hingegen nur rund zwei Prozent der deutschsprachigen Wähler für italienische Parteien gestimmt haben (Atz 2009, 228–232). Es handelt sich hier um relativ geringe Prozentsätze, dennoch sind diese seit einigen Jahren im Steigen begriffen.

Außerdem ist der Wählerkonsens für jene nationalen Parteien, die eine antiautonomistische und somit eine zentralistische Position vertreten, seit den Landtagswahlen von 1993 ständig zurückgegangen und liegt heute bei rund zehn Prozent (Pallaver 2009, 258–259). Auch das ist ein weiterer, relevanter Indikator für die territo­riale Orientierung der Wähler und der von ihnen gewählten italienischen Parteien. Die italienischen, antiautonomistischen Parteien gehören alle dem Mitte-rechts-Lager an und befinden sich seit jeher in der Opposition. Die italienischen, autonomistischen Parteien oder jedenfalls jene, die die Autonomie befürworten, diese aber reformieren wollen, gehören dem Mitte-links-Lager an und sind in der Landesregierung vertreten. Das hat dazu geführt, dass die italienischen Regierungsparteien gemeinsam mit der deutschen Regierungspartei SVP immer wieder die Interessen der Autonomie Südtirols gegen den italienischen Staat vertreten und sich für gemeinsame Interessen in Brüssel einsetzen. Diese gemeinsamen politischen Regierungsprogramme zugunsten der Autonomie haben im Laufe der Jahre dazu geführt, dass die Identifizierung mit dem Territorium immer stärker geworden ist und als Folge davon schrittweise zur Territorialisierung dieser Parteien geführt hat.

5. Steigende Identifizierung mit dem Territorium

Die Indikatoren, von denen wir ausgegangen sind – Wirtschaft, Abnahme der ethnischen Spannungen, Politik der Parteien –, weisen auf eine Verdichtung der Beziehungen unter den Sprachgruppen hin. Das hat dazu geführt, dass die Identifizierung mit dem Territorium und somit mit der Sonderautonomie im Laufe der Jahre zugenommen hat.

In einer Untersuchung über „Identität und Mobilität der drei Sprachgruppen in Südtirol“ aus dem Jahre 1997 geht hervor, dass die Bevölkerung Südtirols ein hohes Vertrauen in die lokalen Institutionen aufweist. Das Land Südtirol genießt dabei das höchste Vertrauen (41,3 %), gefolgt von der Wohnsitzgemeinde (39,1 %), auch wenn es ethnische Unterschiede gibt. Was die Provinz betrifft, so liegen die LadinerInnen an erster Stelle (52 %), gefolgt von den Deutschen (43,2 %) und den ItalienerInnen (35,5 %). In dieser „ethnischen“ Reihenordnung befindet sich auch das Vertrauen in die Wohnsitzgemeinde (47,2 %, 43,0 % und 30,0 %) (Fondazione Censis 1997, 13).

In einer Studie über „Lebensformen und Werthaltungen in Südtirol“ (Astat 2007) wurde nach dem Grad des Vertrauens in verschiedene Institutionen gefragt (Skala von 1: kein Vertrauen, bis 4: sehr viel Vertrauen). Daraus ergibt sich, dass die Bevölkerung (knapp 75 %) das höchste Vertrauen in die Gemeinde (2,84) und in die Provinz (2,83) hat. Erst an achter Stelle liegt der italienische Staat (2,11). Allerdings sind hier die Daten nicht nach Sprachgruppen aufgeschlüsselt.

Das Vertrauen ist seit damals sogar noch gestiegen. In einer Umfrage über die „Zufriedenheit der BürgerInnen mit den öffentlichen Diensten“ (Astat info 2009) stellt die Bevölkerung Südtirols der Landesverwaltung ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. Rund 95 % der BürgerInnen sind mit der Verwaltungstätigkeit des Landes ziemlich bis sehr zufrieden. Fast gleich gut bewertet wird auch die Verwaltung der Gemeinden (90,2 %). Mehr als ein Drittel (34,4 %) beurteilt hingegen die Staatsverwaltung negativ. Diese Bewertungen spiegeln im Grunde das Vertrauen wider, welches die BürgerInnen den verschiedenen Institutionen entgegenbringen. Das größte Vertrauen erhält die Landesverwaltung (92,7 %), gefolgt von der Wohnsitzgemeinde der Befragten (89,3 %). Es folgen die Autonome Region Trentino-Süd­tirol (85,0 %) und die Europäische Union (61,9 %). Dem italienischen Staat vertraut nur etwas mehr als ein Drittel (36,3 %).

Die einzelnen Dienstleistungen des Landes werden im Durchschnitt mit über 90 % positiv bewertet, wie die Sozialdienste, die Rundfunkanstalt Südtirol, die Müll- und Wasserversorgung, das lokale Transportwesen, die Schule im Allgemeinen usw.

Über die Frage der Identität, territorialer und sprachlicher Zugehörigkeit besteht in Südtirol ein permanenter Diskurs. Auf die Frage: „Als was fühlen Sie sich“ gaben die Befragten 2004 folgende Antworten:

Tabelle 3: In Südtirol ist oft von territorialer und ethnischer Zugehörigkeit die Rede.
Als was fühlen Sie sich?

LadinerIn

2,9

TirolerIn

2,0

SüdtirolerIn

62,7

Italienischsprachige/r SüdtirolerIn

4,4

Ladinischsprachige/r SüdtirolerIn

0,7

Altoatesina/Altoatesino

2,7

ItalienerIn

12,1

Deutsche/r

0,8

EuropäerIn

4,8

WeltbürgerIn

2,9

Anderes

4,0

Davon deutschsprachige/r ItalienerIn

1,4

Quelle: Astat 2006, 157

85,6 % der Deutschsprachigen erklären, sich als Südtiroler zu fühlen. Die Heimatverbundenheit steigt um zusätzliche 5,6 %, wenn man die Antworten Tiroler, italienisch- und ladinischsprachiger Südtiroler und Altoatesino dazuzählt.

52,5 % der ItalienerInnen in Südtirol fühlen sich als ItalienerInnen, 14,4 % fühlt sich als italienischsprachige SüdtirolerInnen, zehn Prozent als Altoatesini. Zählt man auch noch die Kategorien SüdtirolerInnen und TirolerInnen hinzu, steigt die territoriale Identifizierung auf 27,4 % der Italiener (Astat 2006, 158–159). Diese Daten belegen, dass die deutschsprachigen SüdtirolerInnen nach wie vor sehr kompakt auftreten, während die ItalienerInnen in Südtirol diese Einheitlichkeit als ItalienerInnen im nationalstaatlichen Sinne wie in der Vergangenheit nicht mehr aufweisen und unterschiedliche territoriale und ethnische Zugehörigkeitsgefühle aufweisen. Insgesamt ist aber ein steigender Trend hin zur Identifizierung mit dem Territorium feststellbar.

6. Resümee

Wir sind von der These ausgegangen, dass das neue, gegenüber Externen konstruierte territoriale cleavage in Südtirol das ethnische cleavage schrittweise zurückdrängt und dass die Re-Territorialisierung eng mit regionaler Identität zusammenhängt, deren Entwicklung von der wirtschaftlichen Lage der Region abhängt, von den in einer solchen Region vorhandenen (ethnischen) Konflikten und von der Stärke der regionalen Parteien.

Neben den externen Faktoren wie dem Erosionsprozess der Ideologien und deren Ersatz durch Werte des Territoriums oder der Debatte rund um die Föderalisierung Italiens genauso wie des Revivals der Regionen im Zuge des europäischen Einigungsprozesses haben diese drei internen Faktoren dazu geführt, dass bestimmte nationale italienische Parteien in Südtirol einen schrittweisen Transformationsprozess hin zu territorialen Logiken vornehmen. Dies betrifft im Wesentlichen jene italienischen Parteien, die sich in der politischen Mitte und links davon positionieren. Konkret vertritt der Partito Democratico nicht nur die Interessen der italienischen Sprachgruppe in der Landesregierung, sondern gemeinsam mit der SVP auch die gesamten Interessen der Autonomie und somit des Territoriums gegenüber Rom und Brüssel. Außerdem hat der PD die Partei politisch und organisatorisch stark den Realitäten Südtirols angepasst. Dabei gibt es Tendenzen, sich zu einer interethnischen Partei zu entwickeln. Das gilt auch für die anderen Parteien dieses politischen Lagers.

Im Gegensatz dazu vertreten die Mitte-rechts-Parteien, die seit jeher in der Opposition sind, stärker Anti-Autonomie-Positionen und somit stärker die Positionen des Staates, nicht der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol und somit des Terri­toriums, in dem sie politisch agieren. In den letzten 15 Jahren ist aber der Konsens diesen Parteien gegenüber gesunken. Eine erste Schlussfolgerung ist somit, dass im Fall Südtirol Regierungsparteien weit stärker einen Territorialisierungsprozess vorgenommen haben als Oppositionsparteien.

Die Herzeige-Autonomie Südtirols, verbunden mit wirtschaftlicher Prosperität, die allen Sprachgruppen im Lande zugute kommt, hat letztlich dazu geführt, dass dieser Erfolg von vielen ItalienerInnen im Sinne von Karl Deutsch als Lohn für den Einsatz im gemeinsamen Aufbau des Landes angesehen wird. Dieser Lohn im Sinne von Stimmengewinnen drückt sich auch gegenüber jenen Parteien aus, die an der aktiven Gestaltung des Landes teilnehmen und für eine Politik der Integration stehen. Der PD hat trotz der schwierigen Situation der Gesamtpartei bei den Parlamentswahlen und Landtagswahlen 2008 an Konsens dazugewonnen. Der PdL hat Stimmen verloren.

Die ethnischen Konflikte haben trotz immer wieder aufflackernder Spannungen unter den Sprachgruppen in den vergangenen Jahren abgenommen, die soziale Distanz unter den Sprachgruppen ebenfalls. Auch das ist ein kräftiger Hinweis dafür, dass sich die Bevölkerung, insbesondere die ItalienerInnen, mit dem Territorium in den letzten Jahren verstärkt identifizieren.

7,3 % der Wohnbevölkerung Südtirols sind ausländische Staatsbürger, Ende 2008 waren es insgesamt mehr als 35.000. Deren Anzahl ist seit 1990 stark im Steigen begriffen. Zu den anfänglichen rund 5.000 AusländerInnen kamen mehr als 30.000 Personen hinzu, und von diesen die meisten nach 2000 (Astat info 2009a). Der Ausländeranteil in Südtirol liegt damit über dem gesamtstaatlichen Durchschnitt von 5,8 %, jedoch unter jenem der norditalienischen Regionen und über dem EU-Durchschnitt von 6,2 % (ebda).

Der Versuch nationalistischer Parteien aus beiden Sprachlagern, die zugleich in der Opposition sind, mit einer ausländerfeindlichen Politik eine sprachübergreifende Ausländer-raus-Koalition zu bilden, ist bislang auf keinen fruchtbaren Boden gefallen.

Resümierend kann festgestellt werden, dass das ethnische cleavage in Südtirol nach wie vor dominant ist, an Bindekraft aber etwas verliert, während das territo­riale cleavage an Bindekraft etwas dazugewinnt.

Anmerkungen

* Paper präsentiert bei der 5th ECPR General Conference, 10–12 September 2009, Potsdam, Deutschland. Die in der Zwischenzeit eingetretenen Änderungen sind im Text berücksichtigt worden.

1 Am 30. November 2009 kam es zu einer neuen Finanzregelung zwischen Land und Staat. Auf der Sollseite gehen künftig die staatlichen Zahlungen des Ersatzbetrags für die Mehrwertsteuer auf Importe, der jährlich zu verhandelnde veränderliche Anteil sowie die Beteiligung an den Fonds der sogenannten Sektorengesetze verloren. Auf der Habenseite findet sich dagegen das Prinzip „neun Zehntel auf alles“. Das Land wird künftig neun von zehn in Südtirol an Steuern erwirtschafteten Euro erhalten, und zwar auf ausnahmslos alle Steuern. Dazu kommen noch einige weitere Beteiligungen (Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer auf Importe, Versicherungssteuer, Steuern auf Spielautomaten, auf Körperschaftsgewinne sowie auf Finanzprodukte und auf den Beitrag für den Gesundheitsdienst im Rahmen der Autoversicherungsprämien. Für weitere Details siehe Landespresseamt (2009).

2 Die auch vom Land Südtirol vertretene Meinung, Südtirol sei ein Nettoempfänger unter den Regionen und Autonomen Provinzen Italiens, wurde durch eine Studie der Bozner Handelskammer 2009 revidiert. Danach sei Südtirol ein Nettozahler. Vgl. Handelskammer Bozen, Pressemitteilung (2009). Südtirol ist Nettozahler (13.10.2010).

3 Neuere Studien weisen allerdings auf eine Reihe von Problemen der Mehrsprachigkeit hin. So etwa eine Studie unter der Bevölkerung Bozens. Danach sollen nur 30 Prozent der italienischsprachigen Jugendlichen sich in der deutschen Sprache verständigen können. Vgl. Fazzi (2010).

4 Eine eigene ladinische Wahlarena entwickelt sich erst in den 90er Jahren.

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Abstracts

Alto Adige: dal cleavage etnico
a quello territoriale

Il contributo parte dall’assunto che in Alto Adige il nuovo cleavage territoriale, sviluppatosi sulla base di fattori esterni, stia progressivamente respingendo il cleavage etnico e che la riterritorializzazione sia strettamente connessa all’identità provinciale, il cui sviluppo dipende dalla situazione economica della provincia, dai conflitti (etnici) presenti e dalla forza dei partiti provinciali.

È inoltre evidente che in Alto Adige i partiti nazionali, soprattutto di centro-sinistra, stanno seguendo un processo di trasformazione graduale verso logiche territoriali. Il modello di autonomia “Alto Adige”, e la sua ricchezza econo­mica, che giova a tutti i gruppi linguistici della provincia, fanno sì che questo successo sia visto da molti italiani come un premio per essersi impegnati a costruire insieme la provincia. I conflitti etnici e la distanza sociale tra i gruppi linguistici, nonostante il continuo riaccendersi di tensioni, sono diminuiti negli ultimi anni. Concludendo si può affermare che il cleavage etnico è ancora predominante in Alto Adige, sebbene abbia perso un po’di coesione, a differenza del cleavage territoriale che ne ha acquisita.

Südtirol: Dal cleavage etnich a chël teritorial

Chësc contribut pëia ia dala tesa che le cleavage teritorial che s’â svilupé sön la basa de fać esterns, sbürles man man sön na pert le cleavage etnich y che la despartiziun teritoriala sides liada dër dassënn ala identité provinziala, che depënn por ći che reverda so svilup dala situaziun economica dla provinzia, dai conflić (etnics) presënć y dala forza di partis provinziai. Implü él tler che i partis nazionai te Südtirol, dantadöt chi de zënter-man ciampa, ti va do a n prozès de trasformaziun graduala tla direziun de logiches teritoriales. Le model de autonomia de Südtirol y süa richëza economica, che ti öga a düć trëi i grups linguistics dla provinzia fej a na manira che chësc suzès vëgnes odü da tröc talians sciöche n pest por s’avëi porvè da fà sö deboriada la provinzia. I conflić etnics y la destanza soziala danter i grups, scebëgn che al s’impëies tres indô sö les tenjiuns, é jüs indô ti ultims agn. Por stlüje jö pon dì che le cleavage etnich é ćiamò predominënt te Südtirol, inće sce al à pordü n pü de coejiun, a desfarënzia dl cleavage teritorial che nen davagna.

South Tyrol: From an Ethnic Cleavage
to a Territorial One

This paper assumes that the new territorial cleavage in South Tyrol, based on the exclusion of foreigners, is gradually pushing back the ethnic cleavage, and that reterritorialization is closely linked to provincial identity, the development of which depends upon the province’s economic situation, existing (ethnic) conflicts, and the strength of the provincial parties.

It is also clear that the national parties in South Tyrol, especially those on the centre left, are following a process of gradual transformation towards territorial logic. The model of South Tyrolean autonomy and its economic wealth, which benefits all language groups in the province, ensure that many Italians see this success as a reward for having contributed to building the province together. Ethnic conflicts and social distance between linguistic groups have decreased in recent years despite the continued resurgence of tensions. In conclusion, we can say that ethnic cleavage is still predominant in South Tyrol although it has lost a bit of cohesion, unlike territorial cleavage–which has grown.