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Monika Hauser, die Trägerin des Alternativen Nobelpreises, wurde von der Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft zur Politischen Person des Jahres 2008 erkoren. Im Bild Monika Hauser (zweite von links) mit den anderen Preisträgerinnen bei der Verleihung in Stockholm am 8. Dezember 2008.

© Cornelia Suhan/medica mondiale

Stephani Streloke

Monika Hauser: Im Einsatz für ­kriegstraumatisierte Frauen

Die aus Südtirol stammende Gynäkologin und
Alternative Nobelpreisträgerin unterstützt mit ihrer Organisation ­medica mondiale Frauen in aller Welt

Seit 16 Jahren unterstützt Monika Hauser Frauen in Kriegs- und Krisengebieten. Was ihr Lebenswerk werden sollte, begann mit einem kleinen Projekt für kriegsvergewaltigte Frauen in Zentralbosnien. Inzwischen ist die Gynäkologin mit ihrer Organisation medica mondiale in vielen Regionen der Welt im Einsatz und setzt sich dort für Frauen ein, die sexualisierte Gewalt überlebt haben. Aber ihre Wurzeln vergisst die Südtirolerin nicht: Obwohl sie seit Jahren im Raum Köln lebt und arbeitet, besitzt sie noch immer die italienische Staatsbürgerschaft und besucht regelmäßig ihre Familie und ihren großen Unterstützerkreis in Südtirol.

Es war im Herbst 1992, als Monika Hauser im deutschen Magazin „Stern“ einen Bericht las, der ihr Leben für immer verändern sollte. Der Stern berichtete über Massenvergewaltigungen im Bosnienkrieg. Die Herangehensweise des Berichtes empörte sie: Es schien ihr, dass die Frauen mit ihrem Leid rücksichtslos zur Schau gestellt und ein zweites Mal missbraucht wurden, diesmal für mediale Zwecke. Monika Hauser beschloss, ins Kriegsgebiet nach Zentralbosnien zu fahren und zu schauen, wie man die Frauen dort unterstützen könnte. Vor Ort sah sie, dass niemand sich der Frauen annahm, dass es weder medizinische noch psychologische Hilfe für sie gab. So entschied sie sich, selbst zu handeln – gegen alle Widerstände. „Ein Frauenprojekt in Bosnien – haben Sie noch alle Tassen im Schrank?“, sagte ein deutscher Diplomat im Dezember 1992, und es war eine typische Reaktion auf ihre Pläne. In der kroatischen Hauptstadt Zagreb fand sie jedoch eine lokale Frauenorganisation, die ein Frauenzentrum in Bosnien für machbar und dringend notwendig hielt und die ihr logistische Unterstützung anbot. Und was ebenso wichtig war: Es regnete unerwartet Geld. Das Geld kam durch das Fernsehmagazin „Mona Lisa“ (ZDF) herein. Die verantwortliche Redakteurin Maria von Welser reiste mit Monika Hauser ins Kriegsgebiet und zeigte den erschütterten Fernsehzuschauern, was mitten in Europa geschah. Rund 250.000 Deutsche Mark flossen auf das Spendenkonto. Geld genug, um das Wagnis zu beginnen: Ein gynäkologischer Stuhl, Anästhesiegeräte und andere medizinische Ausrüstung sowie eine Büroausstattung wurden angeschafft und auf einem Lastwagen auf abenteuerlichen Wegen nach Bosnien geschafft. Am 4. April 1993 gründete Monika Hauser das Therapiezentrum Medica Zenica. In einem Vorort der zerbombten Industriestadt Zenica in Zentralbosnien mietete sie ein Haus an und richtete Wohnräume und eine gynäkologische Notfallpraxis ein. Außerdem kamen Psychologinnen aus Deutschland, die den traumatisierten Frauen eine psychosoziale Erstversorgung boten und lokale Fachkräfte in den Grundlagen der Traumaarbeit schulten. Viele der Frauen lebten in einem Schockzustand und wurden von Ängsten und Albträumen gequält. Nun konnten sie das erste Mal mit geschulten Psychologinnen über das Erlebte reden, und manche von ihnen fingen tatsächlich jetzt erst wieder zu sprechen an.

Geboren wurde Monika Hauser am 24. Mai 1959 in Thal im schweizerischen Kanton Sankt Gallen. Ihre Eltern jedoch stammen aus Südtirol, wo sie heute wieder leben. Oft besuchte Monika Hauser in ihrer Kindheit und Jugend ihre Großmutter in Südtirol, die ihr von eigenen Gewalterfahrungen erzählte. Auch andere meist ältere Frauen berichteten ihr davon, oft sprachen sie mit ihr zum ersten und letzten Mal über diese traumatisierenden Ereignisse.

Bei einem Kibbuzaufenthalt lernte Monika Hauser als Siebzehnjährige jüdische Überlebende deutscher Konzentrationslager kennen. Mit jeder Erzählung, jeder erinnerten Gewalterfahrung wuchs ihre Empörung über so viel erlittenes Unrecht. Und sie wollte helfen. So war es nicht verwunderlich, dass sie in Innsbruck ein Medizinstudium begann. Als Ärztin im Praktikum arbeitete sie 1985 mehrere Monate in Schlanders in Südtirol. Nachdem sie in Bologna ihr Staatsexamen abgeschlossen hatte, absolvierte sie ihre Facharztausbildung im Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Ausbildung führte sie nach Deutschland, wo sie vier Jahre lang als Assistenzärztin einer Essener Klinik arbeitete. Hier musste sie erleben, wie das Klinikpersonal oft wenig mitfühlend, desinteressiert oder auch hilflos auf die seelischen Nöte von Frauen reagierte, die gerade einen Schwangerschaftsabbruch, eine Fehlgeburt oder eine Totgeburt durchlebt hatten. Diese Frauen wollte die junge Assistenzärztin Hauser unterstützen, und so baute sie zusammen mit einer Psychologin Selbsthilfegruppen für die Patientinnen auf. Durch ihren beharrlichen Einsatz und viel Überzeugungsarbeit erreichte sie, dass auch das Klinikpersonal sensibler mit den Patientinnen umging.

Monika Hauser wusste also bereits, worauf es ankam, als sie im zentralbosnischen Zenica das erste Frauentherapiezentrum aufbaute. Und sie wusste auch, dass sie vor Ort auf Bedenken und Widerstände stoßen würde. So traf sie sich immer wieder mit Bürgermeistern, den örtlichen Militärs und mit anderen Verantwortlichen, um sie von der Notwendigkeit zu überzeugen: Die kriegsvergewaltigten Frauen brauchten Hilfe, und das sofort. Nicht immer bekamen sie die nötige Unterstützung, aber medica mondiale ließ sich als UNHCR-Partnerorganisation registrieren, und so war wenigstens die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Benzin für die Autos und ein Notstromaggregat gesichert. Das erste Haus von Medica Zenica war bald überfüllt, schnell mussten zwei weitere Häuser gefunden werden. Damit die örtliche Bevölkerung das Projekt akzeptierte, war der Kindergarten, den Medica Zenica eröffnete, für alle Kinder offen. So entstand Kontakt zwischen den Menschen aus Zenica und den Frauen aus dem Therapiezentrum, die inzwischen aus ganz Bos­nien kamen – durch Mundpropaganda hatten sie erfahren, dass es zumindest einen Ort gab, der ihnen inmitten des Krieges Zuflucht bot.

Ende 1993 kehrte Monika Hauser nach Deutschland zurück. Von den Tagesthemen, der Hauptnachrichtensendung der Rundfunkanstalt ARD, wurde sie zur „Frau des Jahres 1993“ ernannt. Das brachte viel öffentliche Aufmerksamkeit mit sich. Plötzlich wurde viel gesprochen über das Thema „Kriegsvergewaltigung“, was bis dahin weltweit ein großes Tabu war. Denn obwohl in allen Kriegen Frauen und Mädchen vergewaltigt werden, spricht kaum jemand darüber. Monika Hauser sieht es als eine der wichtigsten Aufgabe von medica mondiale an, dass dieses kollektive Verschweigen gebrochen wird und dass die Täter zur Verantwortung gezogen und bestraft werden.

In Köln richtete sie 1994 ein Büro ein. Hier war jetzt der Sitz der Organisation mit zehn Mitarbeiterinnen. In Köln wurden Spenden verwaltet, nötiges Material besorgt, Psychologinnen und andere Fachkräfte trafen sich hier, um ihren Einsatz vor Ort vorzubereiten. Monika Hauser konzentrierte sich immer mehr auf Öffentlichkeitsarbeit: Sie trat bei Podiumsdiskussionen auf, hielt Reden, berichtete von der Lage der Frauen in Bosnien. Und stellte fest, dass immer mehr Frauen auf sie zukamen, ältere Frauen, die ihre Arbeit sehr lobten und sagten: Ich hätte auch so gerne gesprochen, aber ich konnte es nicht. Es waren allesamt Frauen, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von alliierten Soldaten vergewaltigt wurden und die diese furchtbaren Erfahrungen seit über 50 Jahren allein mit sich herumtrugen. Nicht zuletzt diese Begegnungen waren es, die Monika Hauser dazu bewogen, sich immer mehr auch politisch zu engagieren. Zehn Jahre später, im Jahr 2005, entwickelte sie zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen das Projekt „Zeit zu sprechen“, um auf die Frauen aufmerksam zu machen, die während des Zweiten Weltkrieges und danach vergewaltigt worden waren. Mit einer ähnlichen Kampagne ruft die Organisation 2008 zur Unterstützung aktuell betroffener Frauen auf: „Im Einsatz“ heißt sie. Eine Gruppe von Schaufensterpuppen, die T-Shirts mit der Aufschrift „Kriegsbeute“ tragen, wird in Fußgängerzonen und auf öffentlichen Plätzen aufgestellt. Sie provozieren die Vorbeigehenden, machen sie neugierig, und immer wieder treten Passantinnen an Monika Hauser und ihre Mitstreiterinnen heran, die ihnen vom eigenen Schicksal erzählen.

Parallel zur Arbeit für medica mondiale setzte Monika Hauser Anfang der Neunzigerjahre ihre Fachärztinnenausbildung in Köln fort. Ständig war sie überarbeitet, und so kam es 1995 zu einem gesundheitlichen Zusammenbruch. Monika Hauser musste sich entscheiden: Wollte sie als Ärztin arbeiten, oder wollte sie auch weiterhin politisch und aufklärerisch tätig sein? Sie entschied sich schließlich für medica mondiale. 1998 kündigte sie ihre Arbeitsstelle in einer Kölner Klinik. Um diese Zeit zeichnete sich auch bereits der Krieg im Kosovo ab. Auch dort waren Frauen, die dringend Hilfe benötigten. So suchte sich Monika Hauser verlässliche Fachfrauen vor Ort und gründete in der Kleinstadt Gjakova im Kosovo und in der albanischen Hauptstadt Tirana zwei weitere Zentren für weibliche Kriegsopfer.

Die Arbeit war mit vielen Reisen und häufiger Abwesenheit von zu Hause verbunden. Dort wartete jetzt jemand auf sie: 1996 hatte Monika Hauser ihren Sohn Luca geboren. Der wurde und wird in Zeiten ihrer Abwesenheit von seinem Vater, dem WDR-Tontechniker Klaus-Peter Klauner, betreut, mit dem Monika Hauser verheiratet ist. Ohne ihn, so sagt Monika Hauser, hätte sie den Belastungen der letzten Jahre schwerlich standgehalten.

Denn medica mondiale war inzwischen in Fachkreisen gut bekannt, und so fragten Fachfrauen aus aller Welt an, ob medica mondiale ihnen nicht in den Krisengebieten im eigenen Land helfen könne, Unterstützung und Hilfe für traumatisierte und kriegsvergewaltigte Frauen und Mädchen zu organisieren. Das erste Projekt außerhalb Europas gründete medica mondiale im Jahr 2001 in Afghanistan, wo nach jahrzehntelangem Krieg und dem anschließenden Sturz der Taliban ein Großteil der weiblichen Bevölkerung traumatisiert ist. Monika Hauser rief das Projekt „Doctorane Omid“ (Ärztinnen der Hoffnung) ins Leben: In Deutschland praktizierende Exil-Afghaninnen schulten in mehrwöchigen Einsätzen das Klinikpersonal vor Ort im Umgang mit Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden waren. Ein weiterer Arbeitsbereich kam bald hinzu: die juristische Begleitung weiblicher Strafgefangener. In Afghanistan ist der Beruf des Rechtsanwaltes noch weitgehend unbekannt. Viele Frauen und Mädchen werden aufgrund moralischer Delikte ins Gefängnis geworfen und haben teilweise erst nach Jahren unschuldiger Inhaftierung eine Chance auf Freilassung. Es sind Frauen, die vor ihren gewalttätigen Ehemännern geflohen sind, Mädchen, die sich einer Zwangsverheiratung widersetzten, Frauen, die vergewaltigt wurden und nun scheinbar untragbar für ihre Familien sind, oder ganz einfach Frauen, die ihren Ehemännern und Familien lästig wurden und mit erfundenen Anschuldigungen wie versuchtem Ehebruch ins Gefängnis abgeschoben wurden.

Erfolgreiche Menschenrechtsarbeit leisteten Monika Hauser und medica mondiale zuvor bereits für die Frauen in Bosnien und Herzegowina. Zusammen mit anderen Frauenorganisationen erreichten sie es, dass die kriegsvergewaltigten Frauen dort eine Invalidenrente erhalten. Der Einsatz verschiedener Frauenorganisationen, darunter auch medica mondiale, führte dazu, dass sexualisierte Kriegsgewalt vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als Menschenrechtsverletzung und Kriegsverbrechen angeklagt und verhandelt wird.

Aber nicht nur politische Menschenrechtsarbeit, auch medizinische und psychosoziale Versorgung für Frauen, die Opfer von sexualisierter Gewalt wurden, gehört weiterhin zu den Schwerpunkten der Arbeit von Monika Hauser. So unterstützte medica mondiale lokale Organisationen unter anderem im Irak, in Indonesien und in Mexiko und startete eine groß angelegte Kooperation mit einer Organisation in der Demokratischen Republik Kongo. Das vorerst letzte große eigene Projekt startete 2006 im kleinen Dörfchen Fishtown im Südosten Liberias. Schätzungen gehen davon aus, dass in Liberia während des Bürgerkrieges zwei von drei Frauen vergewaltigt wurden. medica mondiale hat zusammen mit den Frauen ein Haus mit Tagungsräumen und Notunterkünften aufgebaut. Das Frauenzentrum verändert das Leben der Frauen vor Ort: Selbst die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, die sich stark für die Rechte der Frauen in ihrem Land einsetzt, hat das Projekt schon besucht.

Was mit dem großen Mut und der Tatkraft einer einzelnen Frau begann, hat sich inzwischen zu einer international handelnden Organisation mit 30 Mitarbeiterinnen in Köln und rund 180 lokalen Mitarbeiterinnen in den Projekten entwickelt. Für ihre Arbeit wurden Monika Hauser zahlreiche Auszeichnungen verliehen, unter anderem „Frau des Jahres“ 1993 (ARD-Tagesthemen), Gustav-Heinemann-Bürgerpreis 1994, Deutscher Fundraising-Preis 2004, Rotary-Preis Trentino-Südtirol 2006 und als Höhepunkt der Right Livelihood Award (Alternativer Nobelpreis) 2008.

Literaturverzeichnisverzeichnis

Louis, Chantal (2008): Monika Hauser – nicht aufhören anzufangen. Eine Ärztin im Einsatz für kriegstraumatisierte Frauen. Zürich: rüffer & rub

www.medicamondiale.org

www.im-einsatz.org/

Abstracts

Monika Hauser: al fianco delle donne vittime di traumi di guerra

Da 16 anni Monika Hauser è impegnata a favore delle donne in zone di guerra e di crisi. Ciò che sarebbe diventata l’opera di una vita è iniziata con un piccolo progetto a favore di donne violentate in guerra nella Bosnia centrale. Attualmente la ginecologa, con la sua organizzazione medica mondiale, lavora in diverse regioni del mondo a sostegno delle donne sopravvissute alla violenza sessuale. Ma la sudtirolese non ha dimenticato le sue radici: nonostante da anni viva e lavori nella zona di Colonia, è tuttora cittadina italiana e visita regolarmente la sua famiglia e la grande cerchia di sostenitori e sostenitrici in Sudtirolo. Per i suoi meriti nel 2008 a Monika Hauser è stato conferito il Premio Nobel alternativo.

Monika Hauser: Al sorvisc de ëres traumatisades dala vera

Da 16 agn incà dëida Monika Hauser ëres te raiuns de vera y de crisa. C´i che dô deventè l’opera de süa vita à metü man cun n pice proiet por ëres violentades te vera tla Bosnia zentrala. Intratan é la ginecologa ingajada cun süa organisaziun „medica mondiale“ te tröpes perts dl monn y dailò se dàra da fà por ëres che à suravit la violënza sessuala. Mo de sües raîsc ne se desmëntia la südtiroleja nia: Scemìa che ara vir y laora bele da agn dlungia Köln, àra tres c´iamò la zitadinanza taliana y vijitëia regolarmënter süa familia y so gran cërtl de sostëgn te Südtirol. Por sü miric´ à Monika Hauser ciafè dl 2008 le Premio Nobel alternatif.

Monika Hauser:
Commitment for women traumatized by war

For 16 years Monika Hauser has supported women in war and conflict areas. What later became her lifework had started off as a small project for women raped in the course of the war in central Bosnia. Now the gynecologist is working in many regions of the world with her organization medica mondiale and supports women there who have suffered sexual violence. But the South Tyrolean does not forget her roots: Although she has lived and worked many years in the Cologne area she still has Italian citizenship and visits her family and her huge circle of supporters regularly in South Tyrol. Her work earned Monika Hauser the alternative Nobel Prize in 2008.