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Ferdinand Karlhofer

Die Tiroler Landtagswahl 2008

Zeitenwende oder Zwischenspiel?

1. Einleitung

Die Tiroler Volkspartei ist traditionell die mit Abstand stärkste Partei im Land. Das mag der Grund für die – irrige – Annahme gewesen sein, die Tiroler seien im Vergleich zu anderen österreichischen Bundesländern besonders „treue“ Wähler. Es bedurfte einer ausführlichen historischen Untersuchung mit Wählerstromanalysen aller Wahlgänge seit 1945, um das Bild zurechtzurücken (Hofinger et al. 2004). Wahr ist, dass die ÖVP immer unangefochten weit vorne lag; ebenso wahr ist aber auch, dass zwischen den Parteien immer wieder massive Austauschprozesse der Wähler stattgefunden haben und aufgestaute Unzufriedenheit sich in Wahlenthaltung oder einem Ansteigen ungültiger Stimmen entladen hat.

Den größten Einbruch verzeichnete die Tiroler VP nach dem Abtreten Eduard Wallnöfers, der 1984 noch mehr als zwei Drittel der Mandate (25 von 36) erzielt hatte; 1989, unter seinem Nachfolger Alois Partl, sank die Partei abrupt von 65 auf 49 Prozent der Stimmen ab (Tab. 1). Fortan ging es der VP, nachdem die FPÖ deutlich zugelegt hatte und die Grünen sich als neue Partei mit drei bis fünf ­Mandaten stabilisiert hatten, vor allem darum, die knappe absolute Mandatsmehrheit zu halten. 1999 ging die „Absolute“ unter Wendelin Weingartner verloren, Herwig van Staa holte sie 2003 wieder zurück. Dass zugleich die Wahlbeteiligung von zuletzt über 80 auf nur mehr knapp über 60 Prozent abrutschte, war zu einem Gutteil der erstmals nicht mehr geltenden gesetzlichen Wahlpflicht zuzuschreiben, hatte darüber hinaus aber auch andere Gründe, die auf Bindungsverluste der VP und auch der anderen Parteien hindeuteten (Karlhofer/Seeber 2000; Hofinger­ et al. 2004).

Tabelle 1: Stimmenanteile und Mandate der im Landtag vertretenen Parteien, 1984–2008

Stimmenanteile und Mandate*

Betei­ligung

ungültige Stimmen

ÖVP

SPÖ

FPÖ

GRÜNE

FRITZ

1984

64,6 %

25

25,2 %

9

6,0 %

2

0,8 %

88,1 %

7,8 %

1989

48,7 %

19

22,8 %

9

15,6 %

5

8,3 %

3

90,9 %

5,1 %

1994

47,3 %

19

19,8 %

7

16,1 %

6

10,7 %

4

88,1 %

7,8 %

1999

47,2 %

18

21,8 %

8

19,6 %

7

8,0 %

3

80,6 %

7,4 %

2003

49,9 %

20

25,9 %

9

8,0 %

2

15,6 %

5

60,9 %

1,5 %

2008

40,5 %

16

15,5 %

5

12,4 %

4

10,7 %

4

18,4 %

7

65,8 %

1,7 %

*Ohne Parteien und Listen, die den Einzug in den Landtag verfehlten

Quelle: Amt der Tiroler Landesregierung

Die Landtagswahl vom 8. Juni 2008 markiert nun die zweite große Zäsur in der Tiroler Wahlgeschichte. Schlagartig hat sich die politische Landschaft verändert: Die VP hat fast 10 Prozentpunkte eingebüßt, ebenso die SP, die sogar vom zweiten auf den dritten Platz gerutscht ist. Stark verloren haben auch die Grünen, die wieder deutlich hinter die FP abgefallen sind. Ausschlaggebend für die erdrutschartigen Verschiebungen war das erstmalige Antreten einer Liste, deren Spitzenkandidat freilich alles andere als ein Unbekannter in der Tiroler Politik war: der erst kurz vor dem Wahltermin aus seiner Funktion ausgeschiedene ehemalige Arbeiterkammer-Präsident Fritz Dinkhauser mit seiner Liste Fritz, die auf Anhieb zweitstärkste Kraft im Land wurde.

Die Politik im Land hat sich mit dem Ergebnis dieser Wahl in mehrfacher Hinsicht verändert: Mit einer auf 40 Prozent geschrumpften VP und einer zur schwächsten Landesorganisation der österreichischen Sozialdemokratie abgerutschten SP haben sich die Koordinaten für die Zusammenarbeit in der Landesregierung verschoben. In weiterer Folge bleiben die Änderungen der Kräfteverhältnisse nicht ohne Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien im Landtag. Die zuletzt auf 7 Mandatare beschränkte Opposition ist auf 15 (von 36) angewachsen, was – jedenfalls von den quantitativen Voraussetzungen her – ein deutliches Mehr an parlamentarischer Kontrolle möglich macht. Ein Mehr an Kontrolle bedeutet wiederum auch ein Mehr an Öffentlichkeit und Transparenz und damit auch einen erhöhten Legitimationsbedarf für das Regierungshandeln.

In den folgenden Ausführungen wird der Blick zunächst auf die Schlüsselfigur in dieser Wahl gerichtet: den ehemaligen AK-Präsidenten, der bis zuletzt offen ließ, ob er nun mit eigener Liste antreten werde oder nicht. Die Vorgeschichte zeigt, dass er Ambitionen zur Kandidatur schon bei früheren Wahlgängen hatte, erst 2008 sich aber eine realistische Chance bot, in die Landespolitik zu wechseln. Im Weiteren werden, gestützt auf Stellungnahmen der Wahlkampfmanager der Parteien, Konzepte, Korrekturen und Verlauf des Wahlkampfs nachgezeichnet. Daran anschließend werden die (möglichen) Folgewirkungen der Wahl für die drei zentralen Pfeiler der Landespolitik beleuchtet: Parteien, Landtag, Regierung – wie stellen die Akteure sich auf die neuen Bedingungen ein? Abschließend wird das besondere Profil der Liste Fritz näher beleuchtet; obwohl erst kurze Zeit im Landtag vertreten (das allerdings als zweitstärkste Fraktion), lassen sich aus der bisherigen Entwicklung und (nicht zu übersehenden) Konsolidierungsproblemen Hinweise zur Erörterung der zentralen Frage beziehen: Hat die Liste Fritz eine Zeitenwende in der Tiroler Landespolitik eingeläutet oder ist sie ein aus einer aktuellen Krisensituation der ÖVP heraus entstandenes Gelegenheitsprodukt von möglicherweise kurzem Bestand? Für beide Perspektiven gibt es Anhaltspunkte; eine eindeutige Antwort kann es darauf nicht geben – wohl aber die Möglichkeit, die Chancen und Risiken dieser aktuell einzigen Regionalpartei Österreichs zu erörtern.1

2. 2008: Gelegenheit mit Vorgeschichte

Die traditionelle Stärke der ÖVP-Landesorganisation gründet sich auf ihren, in der Gründungsgeschichte angelegten und bis heute wirksamen, Charakter als flächendeckend präsente Sammelpartei mit einem dichten Netz von Vorfeldorganisationen. Im Parteienspektrum wird sie praktisch konkurrenzlos mit der um die Eckpunkte Landeseinheit, historisches Erbe und Betonung der Eigenständigkeit gegenüber Wien kreisenden Tiroler Identität verbunden.

Frappanterweise gründet sich die Stärke der Tiroler Volkspartei aber nicht auf ein durchgängig geschlossenes Erscheinungsbild. Im Gegenteil, innerparteiliche Spannungen, bereits in den späten 1940er-Jahren auszumachen, sind ein sporadisch immer wieder auftretendes Organisationsproblem für die Partei.

In den Neunzigerjahren erreichten die innerparteilichen Spannungen einen neuen Höhepunkt, speziell im Vorfeld der Landtagswahl 1999, als Exponenten des AAB und auch des Wirtschaftsbundes die Möglichkeit einer eigenständigen Kandidatur, gegebenenfalls mit gekoppelten Listen, in den Raum stellten.2 „Wer als ÖVP-Parteimitglied Wahlen gewinnen will“, kommentierte die Tiroler Tageszeitung, „der muss sich die ÖVP als Gegner suchen.“3 In der Tat ist der politische Wettbewerb in Tirol in vieler Hinsicht – immer noch – eine innerparteiliche Angelegenheit der Volkspartei.

Die Kandidatur der Liste Fritz bei der Landtagswahl 2008 fügt sich in diese Traditionslinie ein: Auch in diesem Fall spielten sowohl bündische Ansprüche als auch persönlichen Differenzen und Ambitionen eine Rolle. Soweit es die Bünde angeht, war es mit dem Abgang Weingartners der AAB, der – erstmals in der Landesgeschichte – eine reelle Chance sah, den Landeshauptmann zu stellen. Zwar war der AAB-Obmann (Platter) bei der Wahl des Parteiobmanns 2002 dem vom Bauernbund unterstützten Kandidaten (van Staa) unterlegen, doch gelang es ihm, sich – wenn auch nicht völlig konkurrenzfrei, da sowohl aus den Reihen seines eigenen Bundes als auch von anderen Bünden immer wieder weitere Namen ins Spiel gebracht wurden – als „logischer“ Nachfolger in Stellung zu bringen.

Soweit es die Persönlichkeit des Listenführers von Fritz (Dinkhauser) betrifft, so hatte dieser das Image des „Parteirebellen“ bereits in den Neunzigerjahren. Die Dissonanzen mit dem amtierenden Parteichef und Landeshauptmann beschränkten sich also nicht auf die Person van Staa, sondern auch schon auf dessen Vorgänger (Weingartner), dem er „das Herz für die Menschen“ absprach.4 Als einer der Gründe wurde immer wieder die 1992 im Parteistatut verankerte Bestimmung (§ 51 Abs. 4), wonach Kammerpräsidenten taxativ die Ausübung eines Landtags-, Bundesrats- oder Nationalratsmandats untersagt ist, genannt. Vom AK-Präsidenten, der sein Amt ein Jahr davor übernommen hatte, wurde die Unvereinbarkeitsregel als ausschließlich gegen ihn gerichtete „Lex Dinkhauser“ interpretiert: „Das hat man damals nur gemacht, damit ich nicht auf einem ÖVP-Mandat in den Landtag komme.“5 Für eine flexible Handhabung der Bestimmung verwendete sich neben anderen auch van Staa im Vorfeld der Landtagswahl 1999: „Der AK-Präsident ist zwar parteiintern in vielen Fällen ein Unbequemer, aber er genießt in der Bevölkerung hohe Akzeptanz.“ Dinkhauser seinerseits ließ wissen: „Wenn ich gerufen werde, dann bin ich auch bereit, politisch mitzuarbeiten.“6

1997 beschäftigte das Gerücht, es formiere sich für die bevorstehende Landtagswahl eine Plattform „Tirol 2000“, die Medien: Genannt wurden Dinkhauser, van Staa und Steixner – die alle drei dementierten. Ein vierter in diesem Zusammenhang genannter Exponent (Mader) dementierte weniger strikt und deutete an, wenn die ÖVP „die Arbeitnehmer auf der Strecke“ lasse, dann müsse man „sich wehren“, und es müsse „dazu kommen, dass man sich innerhalb der Partei verselbständigt“.7 Im Jahr darauf versuchte von Wien aus Richard Lugner Dinkhauser für eine zur Tiroler Landtagswahl antretende Liste (die dann allerdings nicht zustande kam) zu gewinnen, erhielt aber eine Absage – mit dem Zusatz, das sei allenfalls ein „Worst-case-Szenario“.8

Mehrmals stand seitens Dinkhausers auch nach der Ablöse Weingartners als Landeshauptmann durch van Staa die Gründung einer eigenen Partei im Raum, im Sommer 2002 die Bildung einer Tiroler Partei, gegen Jahresende 2002 erstmals auch ein mögliches Antreten auf Bundesebene.9 Beides war nur für kurze Zeit Thema, auf Landesebene wurden die Dissonanzen durch Konzessionen des Landeshauptmanns an die AK Tirol (u.a. Beteiligung des Landes am AK-Projekt Zukunftszentrum) ausgeräumt. Das Wiedererlangen der absoluten Mandatsmehrheit für die ÖVP bei der Landtagswahl 2003 trug ein Weiteres zum Verstummen der innerparteilichen Kritik bei.

Lässt man die über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahrzehnten immer wieder aufkeimenden und abebbenden Kontroversen Revue passieren, so lassen sich die Ereignisse des Jahres 2008 am besten mit dem Begriff Gelegenheitsstrukturen fassen. Für wahlpolitische Erfolge braucht es zwei Zutaten: einen Gegner, den man herausfordert, und ein Thema, das die Köpfe der Leute beschäftigt. Bei der Landtagswahl im Juni war beides da: ein Amtsinhaber mit angeschlagenem Image10 und die allgemeine Empörung über die Agrargemeinschaften. Mit der bereits im Juli 2007 geäußerten Ankündigung, mit einer Bürgerbewegung der „erstarrten und reformunwilligen ÖVP“ die Mehrheit in Tirol sichern zu wollen,11 fand Dinkhauser breite Resonanz auch bei den überregionalen Medien, von denen die bevorstehende Wahl bald schon nicht mehr als Wettbewerb zwischen Parteien, sondern­ als ÖVP-internes Duell der beiden Kontrahenten interpretiert wurde.12 Gestützt­ auf eine geschickte Wahlwerbung, schaffte der Parteirebell aus dem Stand 18 Prozent und stellt mit seiner Liste nun die zweitstärkste Kraft im Landtag (ausführlich dazu Seeber 2009).

Die Zeitspanne von Juli 2007 bis wenige Monate vor dem Termin der Landtagswahl im Juni 2008 war von Versuchen der Parteileitung geprägt, Dinkhauser von seinem Plan abzubringen. Sowohl van Staa als auch Platter, Letzterer in seiner Eigenschaft als AAB-Vorsitzender auf die „Geschlossenheit“ des Bundes verweisend, suchten das Gespräch, um ihn „wieder ins Boot zu holen“ (Platter).13 Dinkhausers Angebot, er würde von einer eigenen Liste Abstand nehmen, sollte van Staa zugunsten Platters auf ein Wiederantreten verzichten,14 war aber so kurz vor dem Wahlgang nur taktisch zu interpretieren und daher für Letzteren keine realistische Option. Die Gelegenheit zur Ablöse des amtierenden Landeshauptmanns bot sich erst unmittelbar nach der Wahl, aus der dieser – obzwar er das zentrale Wahlziel (mehr als 40 Prozent der Stimmen) knapp erreicht hatte – angeschlagen hervorging. Jetzt erst kamen auch Absprachen zwischen den Bünden über die weitere Vorgangsweise ins Spiel. Es wäre ein eigenes zeitgeschichtliches Kapitel wert, die Parallelen der in keinem der Fälle gänzlich freiwilligen Rücktritte der auf Eduard Wallnöfer folgenden Landeshauptleute, von Partl über Weingartner bis hin zu van Staa, näher zu beleuchten – eine Fragestellung, die an dieser Stelle aber nicht weiter verfolgt werden kann.

3. Der Wahlkampf: Konzepte – Korrekturen – Verlauf15

Bei einem Wahlkampf handelt es sich um eine lange vorbereitete, im Ablauf dann aber sehr kurze Phase verdichteter politischer Kommunikation unter Mobilisierung personeller und in stark steigendem Maße medialer, was zugleich heißt finanzieller Ressourcen. Es gibt zwar ein festes und auch parteienübergreifendes Repertoire von Strategien, zugleich folgt die Anwendung aber keinem gleichbleibenden Muster, sondern variiert von Wahlkampf zu Wahlkampf. „Jeder Wahlkampf ist anders“, wird in der vergleichenden Forschung vermerkt (Holtz-Bacha 2006, 18). Das Ausnahmejahr 2008 stellte die Wahlkampfteams vor allem der Regierungspartner ÖVP und SPÖ vor zwei große Herausforderungen: Da war zum einen die schlechte Performance der Bundesregierung, zum anderen die bis knapp vor der Wahl nicht gänzlich geklärte Frage, ob Dinkhauser antreten würde oder nicht. Beidem wurde durch die Vorverlegung des ursprünglich für Herbst vorgesehenen Wahltermins auf den Juni zu begegnen versucht.

Unabhängig davon waren Vorbereitungen für die Wahl schon im Jahr davor getroffen worden:

Die ÖVP startete im Frühjahr 2007 einen breit angelegten Programmprozess „Zukunft Tirol“, dessen Ergebnisse im März 2008 auf einem „Zukunftskongress“ präsentiert wurden. Wie auch in früheren Wahlgängen setzte die Partei in ihrer Werbung auf einen Positiv-Wahlkampf, allerdings nicht durchgängig: die Plakate zeigten in einer ersten Welle schöne Landschaftsbilder; in einer zweiten Welle kamen Themenschwerpunkte – Familien, Arbeit und Wirtschaft, Generationen – dazu; in der dritten Welle sah die Partei sich dann aber gezwungen, dem von der Liste Fritz ausgehenden wachsenden Druck entgegenzuarbeiten: „Es galt für uns, Stabilität und Berechenbarkeit zu vermitteln im Gegensatz zur Chaos-Koali­tion von Rot-Grün-Dinkhauser“ (Hauptgeschäftsführer Johannes Rauch – ÖVP).

Die SPÖ hatte mit der Planung ihrer Werbelinie im Sommer 2007 begonnen. Im Herbst begab sich Spitzenkandidat Gschwentner auf Rad- und Wandertage in allen Bezirken. Der Termin für die Vorverlegung der Wahl wurde von der SPÖ mitgetragen: „Der Hintergedanke dabei, durch die Vorverlegung der Wahl Fritz Dinkhauser am falschen Fuß zu erwischen und von einer Kandidatur abzuhalten, ist leider nicht aufgegangen“ (Landesgeschäftsführer Meinhard Eiter – SPÖ). Im Bestreben, der sich immer stärker abzeichnenden, von den Medien stark forcierten duellhaften Auseinandersetzung zwischen van Staa als Amtsinhaber und Dinkhauser als Herausforderer – was unvermeidlich alle Aufmerksamkeit auf diese beiden lenkte – etwas entgegenzusetzen, suchte die SPÖ nach einem originellen Plakatsujet mit möglichst hohem Aufmerksamkeitsgrad: Unter dem Motto „Den Menschen dienen, aber flott“ wurde der Spitzenkandidat auf dem Motorrad durchs Land eilend gezeigt. Das Sujet fand nur wenig Akzeptanz, „auch die eigenen FunktionärInnen begannen an der Kampagne zu zweifeln. Doch zu diesem Zeitpunkt war es für eine Korrektur der Kampagne wohl schon zu spät“ (Eiter – SPÖ).

Überrascht vom Antreten der neuen Liste wurden auch die Grünen: Ausgehend von den Ergebnissen einer (kostenintensiven) repräsentativen Umfrage über das Image der Grünen in Tirol, plante die im Frühjahr 2007 eingerichtete Strategiegruppe, die Partei und den Spitzenkandidaten in der Auseinandersetzung mit den Regierungsparteien primär als „Gegenpol zu Landeshauptmann Herwig van Staa“ zu positionieren, während die SPÖ „rechts liegen gelassen“ werden sollte. „Die Idee der Kampagne ähnelte […] jener von 2003 stark, wieder ging es darum, den Urnengang zu einer Richtungswahl zwischen Schwarz und Grün zu machen.“ Das Kalkül „Frühjahr 2008 – alles startklar für das Match Willi vs. van Staa“ ging am Ende aber nicht auf, „[die] mediale Dynamik des Zweikampfs van Staa gegen Dinkhauser war letztlich […] stärker“ (Kampagnenleiterin Iris Teyml und Pressesprecher Paul Aigner – Die Grünen).

Die FPÖ führte – abgesehen davon, dass sie seit dem Austritt ihrer beiden Mandatare gar nicht mehr im Landtag vertreten war – ihren Wahlkampf mit auffallend wenig Beachtung durch die anderen Parteien. Mit ihrer entlang dem politischen Grundkurs der Bundespartei ausgerichteten Werbelinie, sich als „soziale Heimatpartei“ mit „Vorrang der Einheimischen vor Zuwanderern (Asylwerbern)“ und Ablehnung von „Parallelgesellschaften, die sich zum Beispiel an den Plänen für Minarette in Telfs zeigen“ (Parteiobmann Gerald Hauser – FPÖ) zu positionieren, blieb sie insoweit ohne Konkurrenz, als keine der anderen Parteien auf xenophobe Ressentiments setzte. Wahrgenommen wurde allerdings auch seitens der FPÖ, dass das neu antretende Bürgerforum durchaus auch ihr Wählerpotenzial ansprach und auch „die Information, dass es sich dabei um einen ÖVP-Ableger handelt“ (Hauser), wenig zog.

Die von allen Parteien befürchtete Überlagerung des Parteienwettbewerbs durch das „Duell“ Dinkhauser vs. van Staa wurde schon bald nach der definitiven Bekanntgabe der Kandidatur des Parteirebellen Realität und spiegelte sich unüber­sehbar in der medialen Berichterstattung. Laut Medienpräsenzanalyse für die letzten Wochen vor dem Wahltag entfielen auf die beiden Kontrahenten zusammen fast 70 Prozent aller Nennungen (1.259 von 1.858) in den wichtigsten Printmedien und elektronischen Medien – die Spitzenkandidaten der übrigen Parteien rückten demgegenüber fast völlig in den Hintergrund (Abb. 1). Parallel dazu näherte sich auch das durch Umfragen erhobene Meinungsbild in der Öffentlichkeit dem Ergebnis der Wahl am 8. Juni an (Abb. 2).

Abbildung 1: Präsenz der Spitzenkandidaten in der Berichterstattung
zum Tiroler Landtagswahlkampf 2008

Quelle: MediaWatch, Inhaltsanalyse Tiroler Landtagswahlkampf 2008.

Abbildung 2: Umfrageergebnisse („Sonntagsfrage“) ab Jänner 2008

Quellen: Tiroler Woche, VP Tirol, IMAD – Übersicht von Christian Traweger, Vortrag im Fakultätskolloquium der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie, Universität Innsbruck, 10.06.2008, zit. n. Seeber 2009, 28.

Obwohl objektiv gesehen eine Abspaltung von der ÖVP (fünf der sieben FRITZ-Abgeordneten waren bzw. sind Funktionäre des AAB), war abzusehen, dass die Liste keinesfalls nur unzufriedene Wähler dieser einen Partei ansprechen würde. Die Wählerstromanalyse für die Landtagswahl 2008 in Gegenüberstellung zur Wahl von 2003 macht sichtbar, dass die Liste Fritz quer durch die Parteienlandschaft Stimmen abgezogen hat (Tab. 2). In absoluten Zahlen erhielt die Liste Fritz die meisten Stimmen (30.000) von ehemaligen Nichtwählern, 9.000 von der SPÖ, 8.000 von den Grünen, 3.000 von der FPÖ und eine überraschend geringe Zahl – nämlich lediglich 7.000 – von der ÖVP.16

Tabelle 2: Wählerwanderungen von der Landtagswahl 2003 zur Landtagswahl 2008
in Tirol (in Prozent)

Anteile Wähler
aus 2003

ÖVP
’08

SPÖ
’08

Grüne
’08

FPÖ
’08

FRITZ
’08

Sonstige
’08

Nichtw.
’08

Summe ’03

ÖVP

68

4

3

4

5

1

15

100

SPÖ

11

50

1

6

11

1

19

100

Grüne

9

2

49

2

17

2

18

100

FPÖ

8

4

0

65

13

0

9

100

Sonstige

0

0

0

0

0

100

0

100

Nichtwähler

3

0

2

5

14

1

74

100

Beispiel: Von den ÖVP-WählerInnen 2003 haben 68 % wieder die ÖVP gewählt, 4 % die SPÖ, 3 % die Grünen, etc.; Behalteraten aus 2003 fett markiert.

Quelle: SORA (www.sora.at)

4. Folgewirkungen der Wahl

Eine Wahl, bei der die führende Partei (VP) fast zehn Prozentpunkte an Stimmen einbüßt, die bisher zweitstärkste Partei (SP) von einer neu antretenden Liste (FRITZ) überholt wird und eine scheinbar sicher auf Rang drei stehende Partei (Grüne) sich auf Rang fünf (hinter der FP) wiederfindet – eine solche Wahl lässt sich am besten wohl mit der Metapher Verwerfungen fassen.17 Die Landtagswahl 2008 war keine „normale“ Wahl, sie markiert eine Zäsur in der Geschichte des Parteiensystems und der Politikkultur des Landes:

4.1. Kräftekonfiguration der Parteien

Die Folgewirkungen für das Stärkeverhältnis der Parteien sind beträchtlich. Betroffen ist besonders die SPÖ. Die traditionelle Schwäche der Tiroler Sozialdemokratie äußerte sich bei Landtagswahlen durchgängig darin, dass die Partei im langjährigen Durchschnitt rund 30 Prozentpunkte hinter der Volkspartei lag und damit im Bundesländervergleich immer zweitschwächste „zweite“ Partei (vor der SP Vorarlberg) war. Mit einem Stimmenanteil von 15,6 Prozent ist sie nun sogar hinter die SP Vorarlberg (16,9 Prozent) gerutscht und bildet damit das Schlusslicht unter den SP-Landesorganisationen. Organisatorisch bleibt die SPÖ in Tirol zwar – trotz geringeren Stimmenanteils bei der Landtagswahl – in der „Fläche“ weiterhin deutlich besser verankert als in Vorarlberg.18 Schon allein aber der Umstand, dass die Partei aus finanziellen Gründen die Funktion des Landesgeschäftsführers gestrichen hat, macht die tiefe Krise der Partei sichtbar.

Die FPÖ hat nicht nur 2008, sondern auch davor stark schwankende Ergebnisse erzielt. In mehreren Wahlgängen, etwa bei der EU-Wahl 1995, erwies sie sich als – in Stimmenanteilen ausgedrückt – ernst zu nehmende Herausforderung der ÖVP. Kontrastierend dazu stach die FPÖ wenig durch landespolitische Exponenten oder ein besonderes Eigenprofil hervor. Interne Konflikte, rebellierende Bezirksorganisationen, Uneinigkeit im Landtagsklub und ein mehrfacher Obmannwechsel innerhalb weniger Jahre verhinderten ein geschlossenes Erscheinungsbild nach außen und führten – ab 2000 zusätzlich verstärkt durch den Negativtrend für die Bundespartei – letztlich zum Absturz der Partei in der Wählergunst. Bei den Landtags- und Kommunalwahlen 2003 und 2004 musste die FPÖ empfindliche Einbrüche hinnehmen, im Landtag war sie nur mehr viertstärkste Partei. Die Konsolidierung der Partei mit neuem Obmann (Hauser) ab 2004 Jahre musste sogar ohne Präsenz im Landtag stattfinden, nachdem die beiden gewählten Mandatare aus der Partei ausgetreten waren. Organisatorisch war die Partei mit Stand 2003 in 110 Tiroler Gemeinden mit sogenannten Stützpunkten vertreten, mit anschließend rasch fallender Aktivität. Nach dem Wahlerfolg von 2008 ist eine Wiederannäherung an diesen Wert zu erwarten.

Die Tiroler Grünen waren bereits 1994 und dann ab 2003 wieder die erfolgreichste Grün-Partei auf Bundesländerebene. Auch in der Landeshauptstadt haben die Grünen schon seit den Achtzigerjahren stetig an Stimmen gewonnen, gingen aus der Gemeinderatswahl 2000 als zweitstärkste Partei hervor und gewannen auch 2006 hinzu, wurden diesmal aber von der SPÖ überholt. Die im Vergleich dazu schwache Verankerung in den Gemeinden wurde mit den Wahlen 2004 geringfügig abgemildert: Mit Stand 2008 sind die Grünen in 39 (gegenüber 30 im Jahr 2003) Gemeinden vertreten und liegen damit deutlich hinter ÖVP, SPÖ und auch FPÖ. Das Organisationsnetz der Partei weist damit gerade im kommunalen Bereich große Lücken auf – ein Defizit, das besonders in Phasen verstärkten Mobilisierungsbedarfs zum Handicap wird. Zwar liegen die Tiroler Grünen auch nach der Wahl 2008 im Spitzenfeld der Länder, stärkste Landesorganisation sind sie aber bei Weitem nicht mehr.

Die ÖVP hat mit der Landtagswahl 2008 ihren historischen Tiefstand erreicht. Hatte sie bis dahin zur Gruppe der überdurchschnittlich starken führenden Parteien auf Länderebene gezählt, so bildet sie nun mit 40,5 Prozent Stimmenanteil das Schlusslicht unter allen Bundesländern mit VP-Mehrheit. Eine andere Messgröße hat sich aber auffallend gering verändert: der Abstand zur zweitstärksten Partei. Im Langzeitverlauf 1945–2003 war Tirol mit durchschnittlich 30,7 Prozentpunkten immer an erster Stelle gelegen. Der Wert von 2003 (24,0) ist durch die Wahl 2008 nur geringfügig kleiner (22,2) geworden. Die VP ist also – trotz der hohen Verluste – weiterhin mit großem Abstand stärkste Partei im Land (Tab. 3).

Tabelle 3: Parteienwettbewerb in den Bundesländern – Abstand der jeweils stärksten zur zweitstärksten Partei (in % der gültigen Stimmen)

Wahljahr

stärkste Partei

zweitstärkste Partei

Abstand
aktuell

Abstand
(Ø 1945–2003

Tirol

2003

2008

49,9 (V)

40,5 (V)

25,9 (S)

18,3 (FRITZ)

24,0

22,2

30,7

Burgenland

2005

52,2 (S)

36,3 (V)

15,9

6,4

Kärnten

2005

42,4 (B)

38,4 (S)

4,0

15,4

Niederösterreich

2008

54,3 (V)

25,6 (S)

28,7

11,0

Oberösterreich

2003

43,4 (V)

38,3 (S)

5,1

10,6

Steiermark

2005

41,7 (S)

38,7 (V)

3,0

7,6

Salzburg

2004

45,4 (S)

37,9 (V)

7,5

8,9

Vorarlberg

2004

54,9 (V)

16,9 (S)

38,0

28,8

Wien

2005

49,1 (S)

18,8 (V)

30,3

22,6

Quelle: Hofinger et al. 2004, 317.

4.2. Arbeitsweise der Regierung

Das Ergebnis der Landtagswahl 2008 hat Folgewirkungen auch für die Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ in der Landesregierung. Der (Wieder-)Verlust der absoluten Mandatsmehrheit der ÖVP hat auch – zumindest mit Blick auf die Rahmenbedingungen – eine Neuausrichtung des Verhältnisses der beiden Regierungspartner zur Folge. Die SPÖ Tirol war in ihrer Rolle als Regierungspartner von jeher defensiv und auf Konsens bedacht, besonders in der Zeit des Regierungsproporzes, welcher der SPÖ klar definierte Einflussmöglichkeiten und zugleich von der Mehrheitspartei gesteckte Grenzen vorgab. Selbst im Wahljahr 2008 wurde von SPÖ-Seite eingeräumt, dass „die SPÖ in Wahlbewegungen bei heimischen Medien nie wirklich gute Karten hat“, und das „von den Medien konstruierte Image des Ministrantendaseins der Roten in der Regierung“ beklagt (Eiter – SPÖ). Wie sehr die Mehrheitspartei den Rahmen setzt und steuert, manifestiert sich am deutlichsten in der Praxis, dass die Personalrekrutierung traditionell in den Händen des – von der ÖVP gestellten – Landeshauptmanns liegt, was es anderen Parteien nachgerade unmöglich macht, eine Hausmacht in der Landesverwaltung aufzubauen (Achrainer/Hofinger 1999, 61).19

1999 hatte die ÖVP erstmals seit 1945 ihre absolute Mandatsmehrheit eingebüßt. Erstmals kam auch – nach Abschaffung des Proporzsystems – die Mehrheitsregel für die Bildung der Landesregierung zur Anwendung. Die ÖVP war also gezwungen, eine Koalition einzugehen, und entschied sich für die SPÖ. 2003 gewann sie die absolute Mehrheit wieder zurück, sie hätte allein regieren können, entschied sich aber trotzdem für eine (übergroße) Koalition mit der SPÖ – was als Nebeneffekt eine massive Schwächung der Opposition im Landtag zur Folge hatte. Mit einer eigenen Klausel im Koalitionsvertrag sicherte sich die ÖVP allerdings die Option, bei Uneinigkeit mit dem Regierungspartner ihre absolute Mehrheit in Regierung und Landtag einzusetzen. Damit war deutlich: Die SPÖ war vor allem geduldeter, sehr viel weniger gleichberechtigter Partner in der Koalition.20

Mit dem Koalitionspakt 2008 knüpfte man wieder an den Modus von 1999 an, mit diesmal allerdings deutlich stärkerer Vetomöglichkeit für beide Seiten. Für die Zusammenarbeit in der Landesregierung wurde festgelegt: „Kommt keine Einigung zustande, kann der Antrag nicht zur Abstimmung gebracht werden.“ Und für den Ablauf im Landtag: „Der antragstellende Koalitionspartner darf im Falle einer Nichteinigung den Antrag nicht einbringen.“21 Inhaltlich sind sich die Pakte von 1999 und 2008 sehr ähnlich – es ist vor allem aber die Deutlichkeit der Formulierung, die erkennen lässt, dass die SPÖ nun zumindest grundsätzlich sehr viel weniger Juniorpartner ist als in der Vergangenheit.

5. Landtag: mehr Opposition – mehr Kontrolle

Der Tiroler Landtag ist, so wie in den anderen Bundesländern, zwar de jure, nicht aber in der Praxis der Gesetzgeber. Die in der Verfassung festgelegte Gewaltentrennung zwischen Regierung und Landtag kommt in der Praxis kaum zum Tragen. Faktischer Gesetzgeber ist die Regierung, von der – unter Heranziehung der Expertise der Administration – rund 90 Prozent aller Gesetzesinitiativen ausgehen. Der Landtag vollzieht in aller Regel die bereits im Vorfeld von den Regierungsparteien beschlossenen Entscheidungen nach (Pfeifhofer 2004, 63). Einem mehr die Autonomie gegenüber Regierung und Verwaltung akzentuierenden Selbstverständnis sind schon allein mit Blick auf die den Abgeordneten zur Verfügung stehende bescheidene Infrastruktur (Sachmittel, Personal) Grenzen gesetzt.

Naturgemäß ist die Opposition dabei zusätzlich benachteiligt und kann ihrer Aufgabe, Alternativen für die Regierungspolitik aufzuzeigen, oft nur in Ansätzen nachkommen. Vor allem die fehlende Verfügbarkeit von Mitarbeitern mit juristischer Ausbildung gilt allgemein als gravierender Mangel. Eine von Aigner durchgeführte Befragung unter den Klubobleuten der Landtage aller Bundesländer ergib­t, dass sie es weniger als Aufgabe des Landtags betrachten, Gesetze auszuarbeiten, als vielmehr die von der Regierung vorgelegten Vorhaben „abzusegnen“ – Ersteres wäre schon allein mangels eines eigenen legistischen Apparates kaum zu realisieren (Aigner 2006, 965). Landtagsabgeordnete sind in dieser Hinsicht wesentlich abhängiger als die Abgeordneten des Nationalrats, denen immerhin eigene parlamentarische Mitarbeiter zur Verfügung stehen.

Mit diesem bescheidenen Autonomieprofil des Landtags insgesamt gewinnt der Grundsatz der Kontrolle durch eine klar definierte Opposition eine besondere Bedeutung. Gerade in dieser Hinsicht ist bei der Mehrzahl der Landesverfassungen der Spielraum aber zusätzlich eingeschränkt. Nur drei der neun Bundesländer kennen überhaupt eine Trennung zwischen Regierung und Opposition: Vorarlberg, wo das Prinzip der Mehrheitsregel für die Regierungsbildung seit 1974 in der Landesverfassung verankert ist, sowie – seit Ende der Neunzigerjahre – Tirol und Salzburg.

In der Vergangenheit hatte gemäß Tiroler Landesordnung jede im Landtag vertretene Partei ab einer bestimmten Mandatsstärke (in Relation zur Zahl der zu vergebenden Regierungssitze) Anspruch auf Regierungsbeteiligung (Proporzsystem) gehabt. Im Extremfall hatte das zur Folge, dass es überhaupt keine Partei mit Oppositionsstatus gab. Die letzte nach dem Majorzsystem gebildete Regierung für die Periode 1994–1999 setzte sich aus sämtlichen im Landtag vertretenen Parteien zusammen.22

Angesichts dieses eklatanten „Oppositionsvakuums“ (Engl/Nick 1989, 105) waren die Erwartungen groß, als im Oktober 1998 die Tiroler Landesordnung novelliert wurde. Mit dem Ziel einer Belebung des parlamentarischen Prozesses durch klare Trennung zwischen Regierung und Opposition wurde mit der Novelle die freie Regierungsbildung auf der Grundlage der parlamentarischen Kräfteverhältnisse eingeführt. Der amtierende Landeshauptmann bezeichnete die Abkehr vom Regierungsproporz und die Umstellung auf das Majorzsystem als „größten Modernisierungsschub in der Tiroler Demokratie seit dem Zweiten Weltkrieg“.23

Nachdem die Volkspartei mit der Wahl 1999 knapp die absolute Mandatsmehrheit verfehlte, wurde erstmals in der Geschichte des Tiroler Landtags eine Koalitionsregierung gebildet. Die ÖVP entschied sich für die Zusammenarbeit mit der SPÖ als zweitstärkster Partei und konnte sich damit auf mehr als 70 Prozent der Mandate stützen (siehe oben Tab. 1).

Ungewöhnlich war die Fortsetzung der Koalition nach der Wahl 2003, zumal die VP nun wieder über die absolute Mehrheit verfügte und daher eine Alleinregierung als logische Folge daraus zu erwarten gewesen wäre. Die ÖVP konnte sich bei ihrer Entscheidung auf Umfragen berufen, denen zufolge das dem Mehrheitswunsch der Wähler (65 Prozent) entsprach – mit der allerdings wenig konsistenten Begründung, dass nicht alle Macht bei der ÖVP liegen dürfe24 – widersprüchlich insofern, als die Gestaltungsmöglichkeiten der ÖVP durch die bewusst minimal gehaltene Opposition sogar gestärkt wurden.

Mit der Bildung der übergroßen Koalition stellten die Regierungsparteien damit 29 von 36 Mandaten. Die Entfaltung einer wirksamen Kontrolltätigkeit durch die Opposition war damit nur in Ansätzen möglich, zumal die Minderheitenrechte im Tiroler Landtag, verglichen mit anderen Bundesländern, alles andere als großzügig ausgebaut sind (ausführlich dazu Pfeifhofer 2004, 63–70). Beispielsweise erfordert die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Zustimmung von zumindest zehn Mandataren. Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Den – demokratiepolitisch sinnvollen – Wechsel vom Konkordanz- zum Konkurrenzmodell hatte Tirol mit der Verfassungsänderung 1998 formal vollzogen, in der Praxis lebte der Proporzgedanke aber für zwei Perioden, besonders in der letzten der beiden, weiter fort. Tirol legte damit so wie auch Vorarlberg und Salzburg eine ausgeprägte Neigung an den Tag, auch unter den Bedingungen des Majorzsystems starke Mehrheiten zu bilden und damit die Opposition zu schwächen.

Mit Blick auf die Praxis der vergangenen zehn Jahre kann der „Modernisierungsschub in der Tiroler Demokratie“ (Weingartner) sich erst nach der Landtagswahl 2008 entfalten, weniger weil das Konkurrenzprinzip sich nun auch in den Köpfen der Akteure verankert hätte, als vielmehr dem Umstand geschuldet, dass eine übergroße Mehrheit nun – abgesehen von Varianten mit Einbezug einer dritten Partei25 – in der laufenden Periode rechnerisch nicht möglich ist. Die Wahl 2008 stellt damit in der Tat eine bemerkenswerte Zäsur in der politischen Geschichte Tirols dar: Hatte das Land bis dahin zu den Ländern mit geringstem Oppositionsanteil gezählt, so liegt es nun – sieht man vom Sonderfall Wien ab26 – mit einem Anteil von rund 42 Prozent an der Spitze, mit großem Abstand gefolgt von Vorarlberg. Salzburg liegt mit nur knapp 14 Prozent Opposition in etwa gleichauf mit den übrigen Bundesländern, in denen allen für die Regierungsbildung weiterhin die Proporzregel gilt (Tab. 4).

Tabelle 4: Stärkeverhältnisse der Parteien im Landtag – Tirol im Bundesländervergleich

Sitze

Regierung

Opposition

Anteil
Regierung

Anteil
Opposition

Tirol (1999)

Tirol (2003)

Tirol (2008)

36

36

36

26

29

21

10

7

15

72,2

80,6

58,3

27,8

19,4

41,7

Wien

100

55

45

55,0

45,0

Vorarlberg

36

26

10

72,2

27,8

Salzburg

36

31

5

86,1

13,9

Steiermark

56

49

7

87,5

12,5

Burgenland

36

32

4

88,9

11,1

Kärnten

36

33

3

91,7

8,3

Niederösterreich

56

52

4

92,9

7,1

Oberösterreich

56

52

4

92,9

7,1

Quelle: Websites der Landtage, eigene Berechnungen (Stand Dezember 2008).

6. Perspektiven: Zeitenwende oder Zwischenpiel?

Wäre die Liste Fritz zur Wahl 2008 nicht angetreten, würde sich der Tiroler Landtag aus den gleichen vier Parteien zusammensetzen, die auch davor vertreten waren. Und vermutlich, jedenfalls deuteten die Umfragen des Jahres 2007 in diese Richtung, hätten sich auch die Stimmenanteile der Parteien nicht wesentlich von der Wahl 2003 unterschieden. Einigermaßen sicher war, dass die ÖVP die absolute Mehrheit mehr oder weniger knapp verfehlen und die FPÖ sich von ihrem historischen Tief wieder erholen würde. Am Ende war es allein die Liste Fritz, deren Kandidatur das Wahlergebnis völlig anders als erwartet ausfallen ließ. Wenn wir uns also abschließend der Frage „Zeitenwende oder Zwischenspiel?“ zuwenden – steht der 8. Juni 2008 für eine nachhaltige Veränderung, oder pendelt sich alles nach einer gewissen Zeit wieder auf den Status quo ante ein –, so müssen wir jene Gruppe in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken, deren Kandidatur für das von allem Bisherigen abweichende Wahlergebnis verantwortlich war: die Liste Fritz. Im engeren Sinn geht es um die Frage, ob und auf welche Weise diese Liste in der Lage ist, sich auf Dauer als politische Kraft zu etablieren.

Das Organisationsprofil der Liste Fritz27 lässt sich in Anbetracht der kurzen Geschichte der Partei – sie wurde erst knapp vor der Landtagswahl nach dem Parteiengesetz registriert – nur skizzenhaft und vorläufig erfassen. Soweit es die im Parteiprogramm aufgelisteten Grundsätze und Ziele betrifft, erscheint die Einordnung der Partei auf einer Links-rechts-Skala prima vista wenig problematisch: Die unter dem Schlagwort „Gerechtigkeit“ zusammengefassten Programmpunkte beziehen sich – abseits des im Wahlkampf dominanten Reizthemas Agrargemeinschaften – auf sozialpolitische Aspekte sowie den Ausbau politischer Partizipation. Mit dieser typologisch in der Tendenz der Kernaussagen links einzuordnenden Programmatik war die inhaltliche Überschneidung besonders groß mit dem AAB (christlich-soziale Bezüge) sowie mit SPÖ und Grünen – eine Einschätzung, die in den Analysen der Wahlkampfmanager von SPÖ und Grünen und auch der Liste Fritz selbst bestätigt wird (Teyml/Aigner- Grüne, Ernst – Liste Fritz). Eindeutig heterogen ist dagegen die Herkunft der sieben Abgeordneten des Klubs, von denen im Übrigen sechs über politische Praxis in anderen Zusammenhängen verfügen: Dinkhauser (u.a. langjähriger AK-Präsident und AAB-Funktionär), Klubobmann Ernst (ehemaliger Landtagsabgeordneter – Grüne), Schnitzer (Bürgermeister – SPÖ), Gurgiser (Vorsitzender Transitforum Austria, Vorstandsmitglied AK-Tirol – AAB), Kapferer (Vizebürgermeister – ÖVP/AAB), Haselwanter-Schneider (Kammerrätin AK Tirol – AAB), Brugger (Rechtsanwalt).

Soweit es die organisatorischen Strukturen betrifft, verfügt die Liste Fritz mit Stand Jänner 2009 über keine Verankerung auf Bezirks- und Gemeindeebene. Anders als die anderen Parteien konnte sich die Liste im Wahlkampf nicht auf einen Parteiapparat stützen. Maßgeblich für den Erfolg war vielmehr, abgesehen von der zentralen Rolle des medial stark präsenten Spitzenkandidaten, die regionale Zugkraft einzelner Kandidaten (so etwa Kapferer im Stubaital und Gurgiser im Bezirk Schwaz) und in besonderem Maße auch das von Dinkhauser in seiner Zeit als AK-Präsident über viele Jahre aufgebaute Netzwerk unter Betriebsräten – mit dem Wechsel an der AK-Spitze wird Letzteres bei der Landtagswahl 2013 nicht mehr zu nutzen sein.

Der nachholende Aufbau regionaler und kommunaler Präsenz war im Zusammenhang mit den Gemeinderatswahlen 2010 vorgesehen, mit der Zielvorgabe, in rund 100 Gemeinden zu kandidieren.

Im Jänner 2009 überraschte der Parteigründer dann mit der Ansage, die Partei werde nicht nur auf die ursprünglich beabsichtigte Kandidatur bei den vier Landtagswahlen 2009 (Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Vorarlberg) sowie auch bei der EU-Wahl 2009 verzichten – beides nach dem erfolglosen Ausflug in die Bundespolitik28 ohnedies wenig realistisch, sondern auch bei den Tiroler Gemeinderatswahlen 2010 nicht antreten.29

In das österreichische Parteienspektrum ist die Liste Fritz in Anbetracht ihres spezifischen Profils nicht leicht einzuordnen. Mit Blick auf den parteipolitischen Hintergrund ihres Gründers handelt es sich zunächst um eine Abspaltung von der Tiroler Volkspartei, schon der Vorgang der Listenerstellung ließ dann aber erkennen, dass nicht nur Unzufriedene aus den Reihen der VP, sondern auch aus anderen Parteien angesprochen werden sollten. Der im Landtag vertretene Klub hat damit patchworkartige Züge, und tatsächlich zeigt die Partei bereits ein halbes Jahr nach ihrem Einzug in den Landtag ein auffallend geringes Maß an Geschlossenheit.30

Hinsichtlich der Reichweite der Partei gibt es historisch nur wenige Ver­gleichs­fälle: Nur dreimal in der Geschichte der Zweiten Republik war eine nicht bun­desweit kandidierende Partei in einem Landtag vertreten (1945 Kärnten, 1954 Nieder­österreich, 1969 Wien – vgl. Fallend 2006a, 1036). Das 2005 von der FPÖ abgespaltene BZÖ war angesichts der Schwäche der Partei außerhalb des Bundeslands Kärnten bis 2008 faktisch als Regionalpartei einzustufen; mit mehr als zehn Prozent Stimmenanteil ist sie, ungeachtet ihres Schwerpunkts im Kernland Kärnten, nun aber wieder eine Partei mit bundesweiter Präsenz. Damit ist die Kongruenz des in Nationalrat und Landtagen vertretenen Parteienspektrums wieder hergestellt. Einzig die Liste Fritz bleibt nach erfolglosem Ausflug in die Bundespolitik auf ihre Präsenz im Tiroler Landtag beschränkt und ist damit bis auf Weiteres Österreichs einzige Regionalpartei. In dieser Rolle ist es ihr gelungen, den amtierenden Landeshauptmann zum Rücktritt zu veranlassen und den Wechsel an der Spitze der ÖVP herbeizuführen. Zugleich kann die Liste Fritz alles andere als konsolidiert eingestuft werden, mehr noch, die fehlende Verankerung in der „Fläche“, ohne jegliche Basisstrukturen in den Gemeinden und Bezirken – und vor allem ohne erkennbare Aufbauarbeit in dieser Hinsicht –, beschränkt die Existenz der Partei auf den Klub im Landtag. Das macht ihn unvermeidlich organisatorisch fragil – und nicht zuletzt auch anfällig für Versuche der ÖVP, einzelne Abgeordnete in die Partei zurückzuholen. Möglicherweise sogar noch vor Ende der laufenden Legislaturperiode31

Anmerkungen

1 In Teilen stütze ich mich bei den folgenden Ausführungen auf meinen Beitrag für das Jahrbuch 2009 „Politik in Tirol“ (Karlhofer/Pallaver 2009) sowie auf die für ebendiesen Band verfassten Anaysen von Pig et al. und Seeber.

2 Lackner, Heidi, „ÖVP: Parteirebellen gegen Landeshauptmann Weingartner“, Format 1/1998, 59.

3 Sprenger, Michael, „Wahlhelfer ÖVP. Parteiwiderstand als Mittel zum Erfolg“, Tiroler Tageszeitung, 11.04.2000.

4 Ebd.

5 Zitat in: Schramek, Markus, „Rein und raus: Präsidenten in den Landtag“, Tiroler Tageszeitung, 03.03.2005.

6 Beide Zitate in: Nindler, Peter/Sprenger, Michael „Die Last der besten Köpfe“, Tiroler Tageszeitung, 24.10.1998. Nicht ohne Pikanterie – da in gewisser Weise die nachträgliche Bestätigung, dass die Unvereinbarkeitsregel im Parteistatut letztlich doch eine Art Lex Dinkhauser war – ist die Ankündigung des neuen ÖVP-Obmanns Platter, den Landtag wieder für die Kammerpräsidenten zu öffnen (Tiroler Tageszeitung, 27.01.2009).

7 Kadi, Manfred, „Düstere Vision von Tirols AAB-Chef: ‚Vielleicht verselbständigen wir uns‘“, Kurier, 06.08.1997.

8 Lackner, Heidi, „ÖVP: Parteirebellen gegen Landeshauptmann Weingartner“, Format 1/1998, S. 59.

9 Schramek, Markus, „Dinkhauser und LH auf Kuschelkurs“, Tiroler Tageszeitung, 28.11.2002.

10 Auch seitens der Volkspartei selbst wurde als Problem wahrgenommen, „dass sich das Bild unseres Spitzenkandidaten und Landeshauptmannes Herwig van Staa in der Öffentlichkeit sehr stark verändert hat. Vom positiven ‚Macher‘-Image als Bürgermeister von Innsbruck […] wandelte sich die öffent­liche Meinung hin zu einer negativen Betrachtung, wurde er als ‚beratungsresistent‘ und ‚Selber­macher‘ dargestellt und wahrgenommen“ (Hauptgeschäftsführer Johannes Rauch – ÖVP).

11 Zitiert in: Nindler, Peter, „Erdbeben in Tirol“, Neue Vorarlberger Tageszeitung, 04.07.2007.

12 Bock, Patrick/Sommerauer, Andrea, „Alle tappten in ‚Dinkhauser-Falle‘. Der Wahlkampf wird vom ­Duell van Staa gegen Dinkhauser dominiert. Alle anderen Kandidaten stehen im Hintergrund“, Kurier, 20.05.2008.

13 APA-Basisdienst, „Van Staa will mit Dinkhauser wegen geplanter Bürgerliste reden“, 11.09.2007.

14 Radio Tirol – Abendinformation, „Dinkhauser verzichtet auf eigene Liste bei Antreten Platters“, 19.12.2007.

15 Wie sie ihre Wahlkampflinie anlegen, darüber geben Parteien und ihre Berater aus nachvollziehbaren Gründen vor und während eines Wahlkampfes keine Auskunft, und auch danach halten sie sich meist bedeckt. Für das in Tirol zu Jahresbeginn 2009 erschienene politische Jahrbuch (Karlhofer/Pallaver 2009) erklärten sich die Wahlkampfleiter aller fünf heute im Landtag vertretenen Parteien bereit, einen Beitrag zum Verlauf des Wahlkampfes aus ihrer Innensicht heraus zu verfassen. In Summe ergeben die Berichte eine in dieser Art ungewöhnliche und originelle Zusammenschau mit nicht alltäglichen Ein­blicken in die Hintergrundarbeit wahlkämpfender Parteien. Bei den hier wiedergegebenen Zitaten handelt es sich um Auszüge; die vollständigen Berichte finden sich in Karlhofer/Pallaver (2009, 65–94).

16 SORA, Wählerstromanalyse Landtagswahl Tirol 2008 (www.sora.at).

17 „Die Entstehung von Verwerfungen“, belehrt uns Wikipedia, „geht in der Regel mit Erdbeben einher und ist häufig an alt angelegte Schwächezonen gebunden.“

18 Die SPÖ hat in Tirol 141 Ortsgruppen und stellte bist zur Landtagswahl 2008 in 23 von 279 Gemeinden (8 Prozent), darunter drei Bezirkshauptstädte, den Bürgermeister, in Vorarlberg lediglich in 2 kleineren von 96 Gemeinden (2 Prozent). Nach dem Wechsel des Bürgermeisters von Imst in die Landesregierung 2008 verfehlte der von der SPÖ für die Nachbesetzung nominierte Kandidat die notwendige Mehrheit der Stimmen im Gemeinderat; damit sank die Zahl von 23 auf 22. Mit dem sicheren Parteiausschluss des Bürgermeisters von Ehrwald, der auf der Liste Fritz kandidierte und nun Abgeordneter im Landtag ist, sinkt die Zahl auf 21.

19 Nach wie vor reklamiert die ÖVP die Personalagenden für sich. Daran ändert auch nichts, dass van Staa und auch sein Nachfolger Platter dazu übergegangen sind, diesen Bereich an eine Vertrauensperson ihrer Partei (Hosp resp. Switak) zu delegieren. Grundsätzlich weicht Tirol aber nicht von den Gepflogen­heiten anderer Länder ab, in denen ebenfalls ein Mitglied der stärksten Fraktion, in der Regel der Landeshauptmann selbst, die Personalabteilung leitet (vgl. Fallend 2006, 982).

20 „Gemeinsames Programm für Tirol“ (www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/regierung/downloads/ – letzter Abruf 30.11.2008).

21 „Programm für Tirol 2008 bis 2013“ (www.spoe-tirol.at/index.php?pid=3526). Anmerkung: Der vollständige Text findet sich nur auf der Website der SPÖ-Tirol; im Download auf www.tirol.gv.at sind Vereinbarungen zur Arbeitsweise der Koalition nicht enthalten.

22 Proporz, das sei hier angemerkt, schließt eine Koalitionsbildung innerhalb des Regierungskollegiums nicht aus. Vereinbarungen dieser Art werden vorzugsweise in Ländern getroffen, in denen keine der Parteien über die absolute Mandatsmehrheit verfügt. Abgesehen von der Festlegung auf Arbeitsziele wird mit diesen Absprachen auch die Ressortzuteilung festgelegt, naheliegenderweise zum Nachteil der nicht daran beteiligten Parteien. Fallweise freie Mehrheitsbildungen bei wechselnden Themen, wie sie der Logik der Konkordanzdemokratie (etwa nach Schweizer Muster) entsprechen würden, kommen überaus selten vor.

23 Landeshauptmann Weingartner, zitiert in: APA-Basisdienst, 03.10.1998.

24 Laut IMAD-Umfrage sprachen sich nur 28 Prozent für eine VP-Alleinregierung aus, hingegen 65 Prozent für eine Koalition ÖVP/SPÖ (zit. n. Tiroler Tageszeitung, 20.10.2003).

25 Die einzig realistische Variante ÖVP/SPÖ/Grüne wurde nur kurz diskutiert, von den Grünen wurde sie von vornherein abgelehnt (ORF-Tirol, 16.06.2008); ebenso lehnten die Grünen eine Koalition FRITZ/FPÖ/Grüne ab.

26 Wien liegt mit 45 Prozent zwar vor Tirol, allerdings gilt hier das Proporzsystem: Es sind alle drei Oppositionsparteien in der Regierung vertreten – mit Stadträten ohne Portefeuille.

27 Der volle Name der im April 2008 gegründeten Partei lautet „Liste Fritz Dinkhauser – Bürgerforum Tirol­“; die für die Nationalratswahl im Juli 2008 gegründete Partei trägt den Namen „Bürgerforum Öster­reich – Liste Fritz Dinkhauser“. Sie ist damit die einzige nach dem Namen ihres Gründers benannte Partei – eine mit Blick auf den gerade in Tirol extrem personalisiert geführten Wahlkampf (Dinkhauser als Herausforderer van Staas) nachvollziehbare Entscheidung. Mit fortschreitender Kon­solidierung der Partei ist zu erwarten, dass der Parteiname im Land auf „Bürgerforum Tirol“ gekürzt wird.

28 Den Schwung der Landtagswahl für die Nationalratswahl im Oktober zu nützen, gelang nicht; die Partei erzielte zwar 8,7 Prozent in Tirol, bundesweit aber nur 1,8 Prozent.

29 APA-Basisdienst, „Dinkhauser will außerhalb Tirols nicht mehr antreten“, 28.01.2009.

30 Das gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen Parteigründer Fritz Dinkhauser und dem ebenfalls ein Mandat im Klub bekleidenden Obmann des Transitforums Fritz Gurgiser.

31 So etwa Landeshauptmann Platter über Gurgiser, der, abweichend von seinem Klub, bei der Ab­stimmung über das Budget mit Ja gestimmt hatte: „Ich schätze Fritz Gurgiser als Sachpolitiker […] Wir binden Gurgiser in allen Verkehrsfragen ein […] es wäre ja unklug, es nicht auszunutzen, wenn sich jemand­ so lange mit einer Materie auseinandergesetzt hat“ (Interview, Tiroler Tageszeitung, 27.01.2009).

Literaturverzeichnis

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Abstracts

Le elezioni regionali 2008 in Tirolo

Il risultato delle elezioni regionali 2008 ha lasciato alcuni segni nel paesaggio politico tirolese, con profondi cambiamenti nel sistema dei partiti. A loro volta, tali cambiamenti hanno ripercussioni sui rapporti tra i partiti nel consiglio regionale: il rafforzamento dei partiti di opposizione, infatti, influisce sul lavoro di governo, in quanto un’opposizione più forte comporta un aumento del controllo. Come risultato di questo sviluppo, per l’elettorato la politica regionale diventerà potenzialmente più dinamica, più conflittuale e più trasparente.

Il contributo prende l’avvio da uno sguardo sommario sulle specificità delle strutture politiche tirolesi, che per un lungo periodo sono state percepite come immutabili, anche se alcuni cambiamenti si erano annunciati già dopo le elezioni regionali precedenti. Nella seconda parte vengono discusse le conseguenze delle elezioni 2008 per i tre pilastri della politica regionale: i partiti, il consiglio regionale e il governo. L’articolo conclude chiedendosi se queste elezioni hanno avuto un effetto a lungo termine, se hanno aperto una nuova era per la cultura politica del Tirolo­ o se si è trattato solo di un periodo di brevi cambiamenti nei rapporti di forza tra i partiti.

Les lîtes regionales 2008 te Tirol

Le resultat dles lîtes regionales 2008 lascia indô pedies tla contrada politica de Tirol: Ares à por pröm condüt a refodanzes amples tl sistem di partis; por secundo ne romagn les mudaziuns nia zënza conseguënzes söles relaziuns danter i partis tl Consëi Provinzial; chësc à indô, por terzo, conseguënzes söla manira da laurè dl govern, deache n raforzamënt dl’oposiziun ô dì n maiù control dles aziuns dl govern.

L’articul pëia ia cun na odlada söles mudaziuns dles particolaritês dles strotöres aparëntamënter tan resistëntes dla politica provinziala de Tirol. Chëstes mudaziuns se profilâ bele dan les ultimes lîtes regionales. Suzessivamënter vëgnel stlarì les conseguënzes dla lîta por i trëi pilastri zentrai dla politica provinziala: i partis, le Consëi provinzial, le govern. Por stlü jö interessëia spo la domanda: Por c´i dorada müda pa les lîtes dl 2008 la politica te Tirol – sëgnera na mudaziun di tëmps por la politica culturala de Tirol o se tràtera ma de na perioda de mudaziuns provisores ti raporc´ de forza danter i partis?

The 2008 Election in Tyrol

The outcome of the 2008 election has left its marks in Tyrol’s political landscape, causing far-reaching changes in the party system and affecting not only party relations in the state parliament but also – due to vigorous political control by a significantly strengthened opposition – the state government’s mode of operation. As a result, provincial politics has (potentially) become more dynamic, more conflictual, and more transparent to the electorate.

This contribution starts with a glance at the structural properties of Tyrolean politics which, for a long time, had been perceived to be resilient, although changes had been noticed in previous elections. After this, the repercussions of the 2008 election for parties, parliament and government are discussed. The article concludes discussing the pros and cons of the question: Will the changes caused by the recent election have a long-term effect? Did 2008 herald the start of a new era in Tyrol, or will the new party’s electoral success soon turn out to be singular and short-lived?