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Reinhold Gärtner

Die Wahl zum EU-Parlament und zum ­Nationalrat in Tirol 20191

EU-Parliamentary Elections and Austria Parliamentary Elections 2019 in the Tyrol

Abstract The elections 2019 (Nationalrat) were overshadowed by the so-called Ibiza-Video, a clandestine recorded video from a meeting of FPÖ-representatives with supposed Russian party-sponsors. The effect of this video could be seen very clearly at the election: ÖVP could – both nationwide and in the Tyrol – celebrate an outstanding victory. And so did GRÜNE. FPÖ lost dramatically and SPÖ got its worst result in the Second Republic. In the Tyrol SPÖ could only get some disastrous 13 %.

1. EU-Wahl 2019

Am 26. Mai 2019 fand in Österreich die Wahl zum EU-Parlament statt. An sich eine Wahl ohne große Besonderheiten, wäre da nicht wenige Tage vor der Wahl, konkret am 17. Mai 2019 ein Video bekannt geworden, das die österreichische Politik noch nachhaltig beschäftigen sollte. In einer offenbar alkoholgeschwängerten Nacht im Sommer 2017 hatten der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und dessen FPÖ-Kollege Johann Gudenus in einer Finca auf Ibiza vor einer vermeintlichen Oligarchennichte aus Russland ihre Vorstellungen von Politik – inklusive Korruption, dubioser Parteienfinanzierung und vielem Fragwürdigem mehr – näher präzisiert. Dem Magazin Spiegel und der Süddeutschen Zeitung wurde dieses Video zugespielt und der Inhalt war dermaßen brisant und intolerabel, dass die österreichische Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ wenige Tage später die Segel streichen musste.

Die EU-Wahl fand kurz später statt, die unmittelbaren Auswirkungen dieses ­Videos waren demnach – im Vergleich zur späteren Nationalratswahl – noch relativ moderat. Österreichweit wurde die ÖVP mit 34,5 % deutlich stärkste Partei, die SPÖ lag mit 23,9 % nur knapp über ihrem bisher schlechtesten Ergebnis von 2009 (23,7 %), die Grünen – sie waren 2017 am Wiedereinzug in den Nationalrat gescheitert – konnten mit 14,1 % ihr Ergebnis von 2014 nahezu erreichen und die FPÖ verlor moderat (17,2 %; – 2,5 % im Vergleich zu 2014).

Das erstaunlichste an dieser Wahl war aber der Anstieg der Wahlbeteiligung: bei der ersten EU-Wahl in Österreich lag diese 1996 bei mehr als 66 %, in den folgenden Wahlgängen jeweils mehr oder weniger deutlich unter 50 % (zwischen 42 % und 49 %); im Jahr 2019 aber stieg die Wahlbeteiligung auf 59,8 %. Dieser durchaus erfreuliche Trend war auch in vielen anderen EU-Mitgliedsländern feststellbar.

In Tirol kam die ÖVP auf 42,6 %, ihr bis dahin bestes Ergebnis bei EU-Parlamentswahlen. Sie konnte damit im Vergleich zu 2014 ein Plus von 10,2 % erreichen; die SPÖ stagnierte weiter auf bescheidenem Niveau (15,5 %), die FPÖ verlor ähnlich wie auf Bundesebene (– 2,2 %) während die Grünen zweitstärkste Partei blieben (16,3 %) und die NEOS 8,8 % erreichten.

Einzige Tiroler Abgeordnete im EU-Parlament ist Barbara Taler. Sie schaffte den Einzug mit knapp 38.000 Vorzugsstimmen.

Erfreulich auch in Tirol der Anstieg der Wahlbeteiligung: waren es in den Jahren 1999 – 2014 jeweils zwischen 34 % und 36 % gewesen so gingen 2019 53,2 % der Wahlberechtigten zur Wahl. Die Wahlbeteiligung lag damit zwar neuerlich deutlich niedriger als bundesweit, dennoch stieg sie erstmals auf über 50 %. Lediglich 1996 war die Wahlbeteiligung mit 57 % höher gelegen.

2. Nationalratswahl 2019

Nach dem neuerlichen Scheitern einer ÖVP-FPÖ Regierung (zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik wurde einer Regierung das Misstrauen ausgesprochen) wurden für 29. September 2019 Nationalratswahlen angesetzt. Im Vorfeld war eine Expertenregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein (erstmals in Österreich eine Bundeskanzlerin) eingesetzt worden und speziell (aber nicht nur) für die FPÖ sollte dieser Wahlgang deutlich negative Folgen haben. Im Vorfeld der Wahl waren die Unstimmigkeiten zwischen dem mittlerweile abgesetzten ehemaligen Parteiobmann Strache und Teilen der FPÖ-Spitze immer deutlicher sichtbar geworden. Nicht nur das Ibiza-Video warf lange Schatten, auch Straches mehr oder weniger kreative Spesenabrechnungen und verschiedene (finanzielle) Privilegien bzw. Ungereimtheiten kamen ans Licht. Dementsprechend negativ sollte das Ergebnis für die FPÖ bundesweit ausfallen.

Die ÖVP konnte mit 37,5 % einen fulminanten Wahlsieg feiern, der Abstand zur zweitplatzierten SPÖ, die lediglich 21,2 % erreichte, betrug immerhin mehr als 16 %. Die SPÖ sah sich mit diesen 21,2 % mit ihrem mit Abstand schlechtesten Wahlergebnis in der mittlerweile 75-jährigen Geschichte der Zweiten Republik konfrontiert. Die FPÖ stürzte von 26 % im Jahr 2017 auf 16,2 % ab, die Grünen feierten einen fulminanten Wiedereinzug in den Nationalrat (2017 waren sie mit 3,8 % an der 4 % Hürde gescheitert, diesmal erreichten sie mit 13,9 % ihr zweitbestes Ergebnis bei Nationalratswahlen). Die NEOS konnten neuerlich in den Nationalrat einziehen (8,1 %), während die Liste JETZT (2017 unter dem damaligen Namen Liste Pilz mit 4,4 % im Nationalrat) den Wiedereinzug deutlich verfehlten (1,9 %).

Der Erdrutschsieg der ÖVP fand auch in Tirol seinen Niederschlag. Die ÖVP erreichte 45,8 % (ein Plus von 7,4 % im Vergleich zu 2017); die SPÖ lag mit 13 % um 7,3 % hinter ihrem Ergebnis von 2017, die FPÖ verlor mehr als 10 % und fand sich bei 14,7 % wieder, während die Grünen mit ebenfalls 14,7 % um mehr als 10 % dazu­gewinnen konnten und mit 80 Stimmen Vorsprung auf die FPÖ den zweiten Platz belegten. Die Wahlbeteiligung lag in Tirol mit 71,9 % etwas niedriger als im Bundesdurchschnitt (75,6 %). Auch dieser Trend – niedrigere Wahlbeteiligung in Tirol im Vergleich zur bundesweiten Wahlbeteiligung – ist seit vielen Jahren bemerkbar.

Vergleicht man die Tiroler Ergebnisse der Nationalratswahlen von 1999 mit jenen von 2019, so fällt auf, dass die ÖVP in diesen zwanzig Jahren von 32,9 % auf 45,8 % zulegen konnte; die SPÖ sank von 23,1 % auf 13 %, die FPÖ von 28 % auf 14,7 % und die Grünen steigerten sich von 9,7 % auf 14,7 %. Dazwischen gab es allerdings große Schwankungen – ÖVP 2002 mit 51,9 %, 2008 mit 31,1 %; die FPÖ mit dem Tiefststand 2002 (10 %); die SPÖ mit relativ konstanten Rückgängen und die Grünen mit dem mageren Ergebnis von 4,5 % im Jahr 2017 und dem Höchststand von 14,7 % im Jahr 2019.

In den fünf Regionalwahlkreisen Tirols war das Ergebnis teilweise unterschiedlich zum landesweiten Trend. Im Regionalwahlkreis Innsbruck erreichten die Grünen 25,1 % (+ 17,1 % im Vergleich zu 2017) und lagen damit nur knapp hinter der ÖVP, die mit 28,7 % vergleichsweise wenig zulegen konnte (+ 2 %). Einmal mehr zeigte sich Innsbruck (wie österreichweit andere urbane Zentren) als Hochburg der Grünen. Innsbruck ist auch die einzige österreichische Landeshauptstadt in der ein Vertreter der Grünen Bürgermeister ist (Georg Willi). In Graz erhielten die Grünen bei dieser Wahl sogar 27 % der Stimmen.

Im Regionalwahlkreis Unterland (politische Bezirke Kufstein und Kitzbühel) kamen die Grünen hinter ÖVP, SPÖ und FPÖ nur auf Platz vier, ähnlich im Regionalwahlkreis Osttirol (Bezirk Lienz) und im Regionalwahlkreis Oberland (politische Bezirke Imst, Landeck und Reutte). Im Regionalwahlkreis Innsbruck-Land (politische Bezirke Innsbruck Land und Schwaz) konnte die FPÖ zwar den zweiten Platz belegen, auch hier war das Ergebnis mit – 10,8 % aber doch sehr deutlich.

Über die Regionalwahlkreislisten konnten die ÖVP-Abgeordneten Hermann Gahr, Josef Hechenberger, Rebecca Kirchbaumer und Elisabeth Pfurtscheller in den Natio­nalrat einziehen, über die Landesliste Franz Hörl und Alexandra Tanda für die ÖVP; Barbara Neßler und Hermann Weratschnig für die Grünen; Gerald Hauser und Peter Wurm für die FPÖ sowie Selma Yildirim (SPÖ) und Josef Margreiter (NEOS).

Insgesamt brachte die Nationalratswahl 2019 in Tirol im Vergleich zum bundesweiten Ergebnis wenige Überraschungen. Die ÖVP war der strahlende Sieger, die Grünen feierten eine triumphale Rückkehr, die FPÖ konnte das Desaster rund um die Vorgänge des Jahres 2019 nicht mehr verbergen und die NEOS blieben weitgehend stabil, Die SPÖ allerdings musste beginnen, sich ernsthafte Sorgen um ihre Präsenz in Tirol zu machen. Hatten bei der Wahl 2017 noch mehr als 85.000 WählerInnen der SPÖ ihre Stimme gegeben, so waren es 2019 nur mehr 50.393. Der kurze Aufschwung, den die SPÖ im Jahr 2017 erlebt hatte, war nicht nur zum Stillstand gekommen, die SPÖ sah sich mit dem bislang deutlich schlechtesten Ergebnis in der Geschichte der Zweite Republik konfrontiert.

Für die Bildung einer neuen Bundesregierung gab es nach der Wal 2019 zwar theoretisch mehrere Möglichkeiten, nach dem Fiasko von SPÖ und FPÖ war aber absehbar, dass es zu einer ÖVP-Grüne Koalition kommen werde. In dieser Regierung ist Tirol mit Bundesministerin Margarete Schramböck (Digitalisierung und Wirtschaftsstandort) vertreten, die auch schon in der ÖVP-FPÖ Regierung (2017 – 2019) Wirtschaftsministerin gewesen war. Inwieweit die Kritik, die Grünen hätten sich mit ihren Positionen nicht und die ÖVP habe ihre wesentlichen Standpunkte (v.a. eine rigide Migrationspolitik) widerstandslos durchsetzen können, berechtigt sind, wird sich erst nach einiger Zeit Regierungsarbeit beurteilen lassen können.

Tab. 1: Österreich – Wahl zum EU-Parlament; prozentuelle Verteilung

1996

1999

2004

2009

2014

2019

ÖVP

29,7

30,1

32,7

30,0

27,0

34,5

SPÖ

29,2

31,7

33,3

23,7

24,1

23,9

FPÖ

27,5

23,4

6,3

12,7

19,7

17,2

GRÜNE

6,8

9,3

12,9

9,9

14,5

14,1

NEOS

n.k.

n.k.

n.k.

n.k.

8,1

8,4

Tab. 2: Tirol – Wahl zum EU-Parlament; prozentuelle Verteilung

1999

2004

2009

2014

2019

ÖVP

37,4

40,9

36,6

32,4

42,6

SPÖ

21,7

19,3

13,3

16,7

15,5

FPÖ

22,1

5,1

11,6

17,4

15,2

GRÜNE

13,0

17,5

12,3

17,5

16,3

NEOS

n.k.

n.k.

n.k.

9,6

8,8

Tab. 3: Entwicklung der Wahlbeteiligung bei Wahlen zum EU-Parlament

Österreich

Tirol

1996

67,7 %

57,5 %

1999

49,4 %

35,4 %

2004

42,2 %

34,0 %

2009

46,0 %

36,1 %

2014

45,4 %

35,4 %

2019

59,8 %

53,2 %

Tab. 4: Österreich Nationalratswahl – prozentuelle Verteilung

1999

2002

2006

2008

2013

2017

2019

ÖVP

26,9

42,3

34,3

26,0

24,0

31,5

37,5

SPÖ

33,2

36,5

35,3

29,3

26,8

26,9

21,2

FPÖ

26,9

10,0

11,0

17,5

20,5

26,0

16,2

GRÜNE

7,4

9,5

11,0

10,4

12,4

3,8

13,9

NEOS

n.k

n.k

n.k

n.k

5,0

5,3

8,1

Tab. 5: Tirol Nationalratswahl – prozentuelle Verteilung

1999

2002

2006

2008

2013

2017

2019

ÖVP

32,9

51,9

43,8

31,1

32,3

38,4

45,8

SPÖ

23,1

24,5

23,2

18,0

18,3

20,8

13,0

FPÖ

28,0

10,0

10,8

17,0

19,4

24,9

14,7

GRÜNE

9,7

11,6

13,0

11,1

15,2

4,5

14,7

NEOS

n.k.

n.k.

n.k.

n.k.

4,9

5,7

8,9

Tab. 6: Entwicklung der Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen

Österreich

Tirol

NR 1999

80,5 %

77,9 %

NR 2002

84,2 %

82,8 %

NR 2006

78,5 %

72,8 %

NR 2008

78,9 %

70,6 %

NR 2013

74,9 %

67,0 %

NR 2017

80,0 %

76,4 %

NR 2019

75,6 %

71,8 %