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Ulrich Ladurner

Vorwahlen als Nominierungsverfahren
in der Parteienlandschaft Südtirols

Rahmenbedingungen, Zielsetzungen und Analyse der Ergebnisse

1. Einleitung

In den letzten Jahren etablierten sich in Südtirol Vorwahlen als Instrument der Mitbestimmung immer stärker. Diese Entwicklung wird anhand einer kritischen Analyse untersucht, wobei Schwierigkeiten und die von den Parteien bezweckten Ziele aufgezeigt werden sollen.

Eingangs wird durch eine kurze theoretische Einleitung, mit Definitionsversuch, Vorwahltypunterscheidung und Beschreibung der Zielsetzungen an dieses aus Amerika importierte partizipativ-unmittelbar demokratische Instrument herangeführt. Anschließend wird die italienische Problematik der legislativen Verankerung der Rahmenbedingungen von fakultativen Vorwahlen als Hilfsmittel für private Vorwahlen sowie das Regionalwahlgesetz der Toskana, dessen Prinzipien auch für Südtirol von Interesse sein können, beschrieben.

Im Hauptteil dieser Arbeit sind die Erfahrungen der Südtiroler Parteien, insbesondere der Südtiroler Volkspartei (SVP), beschrieben. Obwohl die ursprünglichen Zielsetzungen der Erfinder1 der Vorwahlen, dem Progressive Reform Movement, die demokratisch-hegemoniale Stellung der SVP als ethnische catch-all-party eigentlich gefährden würden, entschied diese sich trotzdem, Vorwahlen zu organisieren. Ihr gelang es geschlossene Vorwahlmodelle erfolgreich als politisches Instrument, welches von programmatischen und inhaltlichen Krisen abzulenken vermag, anzuwenden.

In Italien unternahm der Partito Democratico (PD) im Sinne des dinamismo locale auf subnationaler Ebene die ersten Vorwahlversuche. Daraus schließende Erfolge bei den allgemeinen Wahlen führten 2005 zu nationalen Vorwahlen für die Nominierung des Ministerpräsidentschaftskandidaten des Mitte-links–Bündnisses. Als die SVP für die Kandidatennominierung der EU-Wahlen geschlossene Vorwahlen abhielt, etablierte sich dieses Nominierungsverfahren auch in Südtirol, sodass 2013 für die Landtags- und Parlamentswahlen vier Südtiroler Parteien Vorwahlen abhielten: SVP, PD, Grüne-Verdi-Vërc (Grüne) und Movimento 5 Stelle (M5S). Die Erfahrungen dieser vier Parteien werden kritisch anhand der Wahlordnungen analysiert und nach ihrem Erfolg beurteilt.

Zudem werden folgende Hauptargumente der theoretischen Zielsetzungen von Vorwahlen an den Südtiroler Erfahrungen, insbesondere der SVP, geprüft, wodurch deren Motivation und politische Strategie verifiziert werden sollen:

Erhöhung der Wählerbindung,

Erweiterung und Gleichstellung des Kandidatenfeldes,

Einbindung des gesamten Wahlkörpers, einschließlich politischer Minderheiten und der Zivilgesellschaft,

Öffnung des Kandidatennominierungsprozesses,

Verringerung des Einflusses der Parteieliten bei der Listenerstellung und mehr Transparenz (Plasser 1992, 11; Marra 1995, 87).

2. Vorwahlen als theoretisches Vertretungskonzept

Die ersten Erfahrungen mit diesem partizipativen Nominierungsprozess gehen in das Amerika des 17. Jahrhunderts zurück. In ihrer heutigen Form als modernes Vertretungskonzept, gibt es die primaries jedoch erst seit knapp 100 Jahren. Die Erfinder der modernen Vorwahlen wollten mit deren Etablierung eine Öffnung des Kandidatennominierungsprozesses erreichen und dadurch den Einfluss der Partei­eliten vermindern (Magiera 1971, 45). Das demokratische System sollte nicht von bürokratischen Strukturen wie Parteien beherrscht werden, da diese nach egozentrischen Spielregeln agieren und somit der Wählerwille verzerrt würde (Melchionda 2005, 17). Primaries sollten das optimale Allheilmittel sein, um neue gesellschaftliche Fragen zu bewältigen. Obligatorische Vorwahlen sollten die Quasi-Einparteiensysteme der Südstaaten aufbrechen, partizipationsfördernd sein sowie exklusive Funktionärszirkel mit politischen self starters austauschen (Plasser 1992).

Heute sind Vorwahlen weltweit und seit einigen Jahren auch in Südtirol bedeutend. Jedoch kann nicht jede von Parteien breit angelegte Personalentscheidung als Vorwahl per definitionem bezeichnet werden. Vorwahlen sind Wahlverfahren zur Auswahl von Kandidaten für darauffolgende allgemeine Wahlen, an denen unter bestimmten Voraussetzungen derselbe Wahlkörper teilnehmen kann. Als Vorwahlen bezeichnet man demzufolge Abstimmungen über eine Kandidatenfindung, an welcher alle Interessierten, die akzeptieren, sich in Registrierungslisten eintragen zu lassen und ihre Absicht der Ausübung des aktiven Wahlrechts kundtun, teilnehmen können. Nicht jede parteiinterne Abstimmung gilt als Vorwahl, denn Vorwahlen sind grundsätzlich frei, offen und öffentlich ausgelegt. Alle in Südtirol abgehaltenen Vorwahlen sind private, von Parteien und nicht öffentlich organisierte Vorwahlen. Öffentliche Vorwahlen, welche durch die öffentliche Verwaltung organisiert und reglementiert werden, finden in Europa nur in der Region Toskana statt, welche hierfür ein eigenes Vorwahlgesetz erlassen hat. Weiters wird neben der Unterscheidung von kollegialen oder monokratischen, Partei- beziehungsweise Koalitionsvorwahlen aufgrund der Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht zwischen offenen und geschlossenen Vorwahlen unterschieden. Geschlossene Vorwahlen, wie jene der SVP, setzen eine Parteimitgliedschaft voraus. Offene Vorwahlen hingegen stehen dem gesamten Wahlkörper der allgemeinen Wahlen offen. Die Vorwahlen des PD und der Grünen werden hingegen als halbgeschlossene (Teilnahme parteiunabhängiger Wähler mittels Registrierung) beziehungsweise halboffene Vorwahlen bezeichnet (Übereinstimmungsbekundung mit dem Wahlprogramm) (Fusaro 2006, 44).

Um zu verstehen, warum Parteien eine ihrer wichtigsten Aufgaben, die Nominierung von Kandidaten für politische Wahlen, an einen mehr oder weniger offenen und oft autonom entscheidenden Wahlkörper delegieren, ist es wichtig, die Zielsetzungen von Vorwahlen zu kennen. Solche sind die Auswahl der geeignetsten Kandidaten, die Gleichstellung derselben hinsichtlich Wahlkampfbedingungen und Wahlkampfvoraussetzungen, die Mobilisierung des Wahlkörpers zu einem Konsens, die Verringerung des Einflusses der Parteistrukturen durch höhere Parti­zipa­tion und die Einbindung von Interessenvertretungen sowie Öffnung zu einem transparenteren Entscheidungsprozess (Marra 1995). Abseits dieser theoretischen Aufarbeitung sind im effektiven Entscheidungsprozess jedoch oft die in Aussicht gestellte Lösung eines Problems oder der etwaig beabsichtigte Zweck, die angestrebte Wahlbeteiligung, die allgemeine politische Situation oder etwa der Einfluss bestimmter Parteiströmungen, ausschlaggebend. Die spätere Auswahl der Kandidaten fußt häufig auf der Basis von Umfragewerten, welche nicht immer zutreffend sein müssen und oft nicht unter allen potentiellen Kandidaten durchgeführt werden. Es bleibt ein Mittelweg zwischen Vertrauen in Umfragen, Einfluss des Parteiapparates und Öffnung hin zur Gesellschaft zu suchen. Zum Beispiel könnte eine Office-seeking- oder Voter-seeking-Partei mit Sicherheit offene und möglichst unkontrollierte Vorwahlen abhalten, da sie eine durch eine möglichst breite und somit für die allgemeinen Wahlen repräsentative Wählerbasis auserkorene Kandidatenfindung sucht. Eine etablierte Partei mit starker Parteistruktur hingegen muss parteiinterne Entscheidungswege respektieren und entsprechend Parteigremien und -mitglieder einbinden (Florida 2009, 17).

2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

Die politischen Parteien sind unverzichtbare Institutionen eines demokratischen politischen Systems. Auch das italienische politische System wird maßgeblich von politischen Parteien geprägt (Gambino 2006). Schon 1948 stellte die verfassungsgebende Versammlung mit der Formulierung des Artikels 49 der Verfassung die maßgeblichen Weichen zur Teilhabe der Bürger durch Parteien. Parteien sollen die politische Willensbildung und Beteiligung der Bürger sichern, hierfür nehmen sie an Wahlen teil und versuchen gleichgelagerte Interessen zu konzentrieren und zu artikulieren, sodass ihnen eine wichtige Funktion als Bindeglied zwischen Staatsvolk und Volksvertretung (Parteienstaatlichkeit) zukommt (Riz 2003, 189). In Italien ist politische Willensbildung außerhalb der Parteienstrukturen nur begrenzt möglich, da nur ihnen, als im Sinne des Zivilgesetzbuches privatrechtlich nicht anerkannte Vereinigungen, eine Teilnahme am Wettbewerb um politische Mandate möglich ist (Fusaro 2006).

Inwieweit politischen Parteien durch gesetzliche Bestimmung die Abhaltung von Vorwahlen oder deren Ablauf vorgegeben werden kann, um bestimmte Mindeststandards an Transparenz, Chancengleichheit, Wahlwerbung oder Ähnlichem zu garantieren, bedarf einer kurzen Vertiefung. Vorweggenommen wird, dass es keinen Rechtsanspruch auf eine passive Kandidatur gibt.2 Zudem obliegt es dem Gesetzgeber, Regeln zur Erstellung der zu hinterlegenden Listen zu erlassen, um verfassungsrechtliche Prinzipien zu schützen,3 beispielsweise das Geschlechterverhältnis.4 Auch Carlo Fusaro interpretiert hieraus die generelle Möglichkeit legislativer Vorgaben zur Listenerstellung: „ai fini della promozione di principi e valori costituzionalmente riconosciuti e/o rilevanti, il legislatore può imporre modalità e vincoli relativi alla presentazione delle candidature a cariche elettive“ (Fusaro 2006, 52). Demnach ist eine gesetzliche Reglementierung von öffentlichen oder privaten Vorwahlen möglich.

In der verfassungsgebenden Versammlung gab es das Interesse, eine normative Institutionalisierung der Parteien vorzunehmen. Ziel war es, die Aufgaben und internen Abläufe der Parteien zu reglementieren und demokratiepolitische Garantien zu setzen. Doch diese und auch spätere Versuche, wie in den 80er-Jahren in der Commissione Bozzi, Vorwahlen zu normieren (Moschella 1995, 36; Anastasi 2009) oder Pierluigi Castagnettis Vorstoß zu obligatorischen Vorwahlen sowie der letzte Anlauf 2011 des PD,5 einen Teil der Parteienfinanzierung an die Abhaltung von Vorwahlen zu koppeln, scheiterten.

2.2 Regionalwahlgesetz der Toskana als Vorbild

Der Erkenntnis nach, dass Vorwahlen verfassungsrechtlich nicht obligatorisch vorgeschrieben werden können, sondern nur ein legislatives Rahmenwerk von Mindeststandards fakultativer Vorwahlen vorzugeben ist, erließ die Region Toskana das europaweit erste Vorwahlgesetz. 1999 erhielten die Regionen die legislative Zuständigkeit für ihre Wahlgesetze. Mit dem Regionalgesetz Nr. 70/2004 wurde in der Toskana somit der Versuch unternommen, Rahmenbedingungen für fakultative Vorwahlen zu erstellen. Dieses für Vorwahlen beispielhafte Wahlgesetz versucht den politischen Parteien Hilfestellungen zu geben und fördert somit die Abhaltung von Vorwahlen. Da manche der Argumente auch für ein neues Südtiroler Wahlgesetz Interesse finden könnten, werden die Eckpfeiler kurz beschrieben:

Jeder Wahllisteneinbringer, politische Parteien und Bündnisse, können unter Vorweis einer bestimmten Unterschriftenanzahl in zumindest sechs Wahlsprengeln Kandidaten für die Wahl zum Regionalrat mittels der für alle zeitgleich stattfin­denden Vorwahlabstimmungen ermitteln. Als Basismodell gelten offene Vorwahlen unter allen in den entsprechenden Wählerlisten eingetragenen Personen. Jedoch besteht auch die Möglichkeit, halboffene beziehungsweise halbgeschlossene Vorwahlen mittels von den Parteien erstellten Wählerlisten durchzuführen. Für die Ermittlung der an den Vorwahlen teilnehmenden Kandidaten obliegt es jeder Partei, parteiinterne Reglements zu beschließen. Da bei den allgemeinen Regionalwahlen zwischen Regionalkandidaten und Wahlsprengelkandidaten unterschieden wird, gibt es auch für die Vorwahlen eine derartige Unterscheidung. Regionalkandidaten sind die Spitzenvertreter der einzelnen Parteien, während die auf der Wahlliste der allgemeinen Wahlen nachgereihten Kandidaten aus den Wahlsprengelvorwahlen kommen. Jede Partei kann bei den Vorwahlen geschlechterparitätisch zwischen zwei und zehn Regionalkandidaten nominieren. Die Anzahl der Wahlsprengelkandidaten darf höchstens doppelt so hoch wie die hierfür vorgesehenen Listenplätze bei den allgemeinen Regionalwahlen sein. Bei den Wahlsprengelkandidaten muss eine Geschlechterquote von einem Drittel eingehalten werden. Die Kandidatenreihung ist geschlechteralternierend. Für die Vorwahlliste des Amtes des Präsidenten der Region sind zwei oder drei Kandidaten zulässig, welche nicht zugleich Regionalratskandidaten sein dürfen. Das Wahldatum für alle gleichzeitig stattfindenden Vorwahlen wird vom Präsidenten der Region zumindest zehn Sonntage vor den allgemeinen Wahlen festgesetzt. Innerhalb von zwanzig Tagen nach Festsetzung des Wahldatums müssen alle Vorwahlen abhaltenden Parteien und Wahlbündnisse dem Wahlamt der Region ihr Listenzeichen, die Kandidatenlisten, eine parteiinterne Verordnung, welche einen Verhaltenskodex und Wahlkampfeinschränkungen mit entsprechenden Sanktionen vorgibt, sowie einen Kriterienkatalog für Chancengleichheit der Geschlechter übermitteln und eine Kaution in Höhe von 5.000 Euro einzahlen.

Zur Bekanntmachung der Vorwahlen veranlasst der Präsident der Region entsprechende Veröffentlichungen in lokalen Zeitungen und anderen Medien. Den Gemeinden wird die operative Abhaltung und Organisation der Vorwahlen übertragen, wobei die Region die anfallenden Spesen übernimmt. Diese müssen auch eine den Wahlberechtigten entsprechende Anzahl von Wahllokalen, welche vorwiegend in öffentlichen Räumen sein sollten, zur Verfügung stellen sowie die Präsidenten und andere Mitarbeiter der Wahlsektionen ernennen. Unter Vorzeigen eines gültigen Personalausweises können alle Wahlberechtigten der allgemeinen Wahlen an den Vorwahlen teilnehmen. Ein Wahlkollegium, welches über die ordnungsgemäße Abhaltung und Organisation der Vorwahlen wacht, wird mit Zweidrittelmehrheit des Regionalrates eingesetzt. Zudem obliegt es dem Wahlkollegium für die Einhaltung der Wahlergebnisse zu sorgen und entsprechende Bekanntmachungen im Amtsblatt der Region zu veröffentlichen beziehungsweise über die Rückerstattung der Kau­tion zu verfügen (Florida 2006; Fusaro 2006).

Wenn dieses Gesetz auch auf Schwierigkeiten wie die Datenschutzbestimmungen oder die mangelnde par condicio stößt, könnte es trotzdem als Ausgangspunkt für andere Regionen oder autonome Provinzen dienen. Grundsätzlich sollten jedenfalls auch in Südtirol Rahmenbedingungen und Mindeststandards, sei es für ­offene als auch für geschlossene Vorwahlen, geschaffen werden, um eine ordnungsgemäße Abhaltung für alle Beteiligten zu garantieren.

3. Vorwahlen in Italien

Die ersten Vorwahlen Italiens wurden Ende des 20. Jahrhunderts auf lokaler Ebene erprobt. Diese Entwicklung von der subnationalen zur nationalen Ebene ist für Italien untypisch, da Entwicklungen dieser Art gewöhnlich zentralistisch waren. Hauptgrund dieses dinamismo locale waren die Wahlrechtsreformen für Gemeinden und Regionen. Durch die Einführung der Direktwahl der Bürgermeister und der Präsidenten der Regionen stieg der Einfluss des Wahlkörpers und die Parteien waren gefordert, starke Spitzenkandidaten zu nominieren, wofür Vorwahlen als geeignet erschienen.

Bei den römischen Regionalratswahlen 1998 experimentierte Alleanza Nazionale (AN) als erste italienische Partei mit dem Instrument der Vorwahlen. AN organisierte damals Vorwahlen für die Kandidaten der Regionalratsabgeordneten, nicht aber für den Präsidenten der Region. Die Wahlkoalition Ulivo führte im selben Jahr zum ersten Mal, mit einer Wahlbeteiligung von 20.000 Wählern, Vorwahlen für ein monokratisches Organ, das Amt des Bürgermeisters von Bologna, durch. Interessanter waren die Vorwahlen des Mitte-links-Bündnisses vom Januar 2005 in Apulien. Der Koalitionspartner Partito della Rifondazione Comunista (PRC) war mit dem designierten Spitzenkandidaten der Koalition nicht einverstanden und drängte auf die Abhaltung von Vorwahlen. Rund 80.000 Wähler nahmen an diesen halboffenen Vorwahlen teil, aus welchen Nichi Vendola, der Kandidat der Kommunisten, knapp als Wahlsieger hervorging. Dabei gelang es dem PRC besser seine Anhänger zu mobilisieren, da sie einen punktuelleren und ideologischeren Wahlkampf führten. Bei den allgemeinen Wahlen konnte Nichi Vendolas Koalition einen enormen Stimmenzuwachs verzeichnen, was Wahlanalysen zufolge auf die Vorwahlen zurückzuführen war (Rossi/Gori 2008).

Nach diesen Anfängen kam es im Herbst 2005 zu den ersten Vorwahlen auf natio­naler Ebene. Das Bündnis Unione ermittelte ihren Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten per Vorwahlen. Nach dem Erfolg bei den allgemeinen Wahlen – Vorwahlsieger Romano Prodi wurde Ministerpräsident – hielt das Mitte-links-Bündnis immer wieder Vorwahlen ab.

Seither wurde eine Reihe von Vorwahlen durchgeführt, hierzu eine Übersicht zu einigen der wichtigsten Vorwahlen Italiens:

Tab. 1: Übersicht Vorwahlen in Italien

Datum

Ort

Partei/

Wahlbündnis

Wahl­beteiligung

Amt

Wahlsieger

11.2004

Kalabrien

Unione

Präsident der Region

Agazio Loiero

1.2005

Apulien

Unione

ca. 80.000

Präsident der Region

Nichi Vendola

2.2005

Toskana

Democratici di Sinistra

Regionalrat

10.2005

Unione

4.300.000

Ministerpräsident

Romano Prodi

12.2005

Sizilien

Unione

Präsident der Region

Rita Borselino

1.2006

Rom

Unione

Bürgermeister

Bruno Ferrante

2.2007

Genua

Unione

35.500

Bürgermeister

Marta Vincenzi

2.2007

Palermo

Unione

Bürgermeister

Leoluca Orlando

10.2007

Partito ­Democratico

3.550.000

Parteisekretär

Walter Veltroni

10.2007

Partito ­Democratico

3.550.000

Parteisekretäre der Regionen

12.2008

Bologna

Partito ­Democratico

25.000

Bürgermeister

Flavio Delbono

2.2009

Florenz

Partito ­Democratico

37.000

Bürgermeister

Matteo Renzi

10.2009

Partito ­Democratico

3.100.000

Parteisekretär

Pier Luigi Bersani

10.2009

Partito ­Democratico

3.100.000

Parteisekretäre der Regionen

1.2010

Apulien

Mitte-links-
Bündnis

200.000

Präsident der Region

Nichi Vendola

11.2010

Mailand

Mitte-links-
Bündnis

67.500

Bürgermeister

Giuliano Pisapia

1.2011

Bologna

Mitte-links-
Bündnis

28.000

Bürgermeister

Virginio Merola

1.2011

Neapel

Mitte-links-
Bündnis

16.500

Bürgermeister

Andrea

Cazzolino

2.2011

Turin

Mitte-links-
Bündnis

29.000

Bürgermeister

Piero Fassino

2.2012

Genua

Mitte-links-
Bündnis

25.000

Bürgermeister

Marco Doria

3.2012

Palermo

Mitte-links-
Bündnis

30.000

Bürgermeister

Fabrizio ­Ferrandelli

12.2012

Lombardei

Patto Civico per la Lombardia

150.000

Präsident der Region

Umberto Ambrosoli

12.2012

Italia. Bene Comune

3.110.000 (Stichwahl 2.800.000)

Ministerpräsident

Pier Luigi Bersani

12.2012

Partito ­Democratico und Sinistra Ecologia Libertà

Abgeordnetenkammer / Senat

4.2013

Rom

Roma. Bene Comune

100.000

Bürgermeister

Ignazio Marino

Quelle: eigene Auswertung, April 2013

4. Vorwahlen in Südtirol

Allmählich etablierte sich das Instrument der politischen Vorwahlen als Wahlnominierungsverfahren auch in der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol. In den letzten Jahren haben sich vor allem die SVP und der PD damit auseinandergesetzt. Für die Landtagswahlen 2013 organisierten auch die Grünen Vorwahlen, und der M5S hielt für die Ermittlung der Parlamentskandidaten Vorwahlen ab. Um den praktischen Erfolg der theoretischen Zielsetzungen von Vorwahlen untersuchen zu können, werden nun nachfolgend der Ablauf, die Wahlordnungen, die Ergebnisse und die Schwierigkeiten der wichtigsten Vorwahlen Südtirols beschrieben und analysiert.

4.1 Demokratische Partei

4.1.1 Vorwahlen sui generis für parteiinterne Ämter

Nach ersten gesamtstaatlichen Vorwahlerfahrungen, wie 2005 und 2007 für das Amt des nationalen Parteisekretärs, führte der Südtiroler PD im November 2009 zum ersten Mal landesweite Vorwahlen für das Amt des Landessekretärs durch. Obwohl vom PD auch auf gesamtstaatlicher Ebene als Vorwahlen (primarie) bezeichnet, können Nominierungen oder Ernennungen für parteiinterne Ämter durch die Parteimitglieder nicht als Vorwahlen im engen Sinn bezeichnet werden. Denn Vorwahlen sind ein Auswahlverfahren, wodurch Kandidaten nominiert werden, welche später zu allgemeinen Wahlen antreten. Also ist eine zeitliche Abfolge von Vorwahlen und darauffolgenden Hauptwahlen oder allgemeinen Wahlen Voraus­setzung, was für die Besetzung von Parteiämtern nicht zutrifft. Vorwahlen für Partei­funktionen sind somit Vorwahlen sui generis und entfallen der allgemeinen Definition. Dennoch, bei den Abstimmungen zur Ernennung des nationalen Parteivorsitzenden und des Landessekretärs beteiligten sich in den 15 Südtiroler Wahllokalen 5.786 Parteimitglieder und PD-Anhänger. Für das Amt des Landessekretärs wurde Antonio Frena ohne Gegenkandidatur mit 4.555 Stimmen bestätigt. Bei dieser halboffenen Vorwahl wurde für das aktive Wahlrecht entweder die Parteimitgliedschaft des PD oder die Unterzeichnung einer Sympathieerklärung verlangt. Teilnehmen durften über 16-jährige Staatsbürger, EU-Bürger mit Wohnsitz in der Provinz sowie Nicht-EU-Bürger mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung. Für die Finan­zierung der Vorwahlen wurde ein Unkostenbeitrag von zumindest zwei Euro eingehoben. Als Hürde für das passive Wahlrecht wurden Unterstützungserklärungen von einem Prozent der regionalen Parteimitglieder oder zehn Prozent der scheidenden Mitglieder des Hauptausschusses (Assemblea Provinciale) vorausgesetzt (PD 2009; Alto Adige 27.20.2009).

Trotz der Euphorie rund um die hohe Wahlbeteiligung waren mit der Wahl Antonio Frenas nicht alle Parteigranden glücklich. Parteiinterne Machtkämpfe um die endgültige Nachfolge von Christian Tommasini prägten die Vorwahlphase, und es wurde bemängelt, dass es keinen Gegenkandidaten gab. Viele ungültige und weiße Stimmen waren die Folge. Trotzdem waren diese Vorwahlen sui generis ein kleiner Erfolg. Obwohl die Konsensbildung unter Parteirichtungen beziehungsweise Koalitionspartnern als eines der erhofften Ziele von (Koalitions-)Vorwahlen gilt, konnten bei diesem Beispiel Meinungsverschiedenheiten nicht überwunden werden. Der Hauptgrund für diese Polemiken liegt in der Nichteinbindung der politischen Minderheiten. Die Nominierung eines eigenen Vorwahlkandidaten und die Unterzeichnung eines Gentlemen’s Agreement, welches die Vorwahlverlierer verpflichtet, das Wahlergebnis zu akzeptieren, hätten zur Lösung dieser Auseinandersetzung beitragen können.

4.1.2 Kandidatennominierung für das Amt des Ministerpräsidenten

Im November 2012 hielt das Wahlbündnis Italia. Bene Comune, bestehend aus dem PD, Sinistra Ecologia Libertà und dem Partito Socialista Italiano, Koalitionsvorwahlen zur Ermittlung des gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten ab. Im zweiten Wahlgang konnte sich der Parteisekretär des PD Pier Luigi Bersani mit etwas mehr als 60 Prozent der Stimmen gegen Matteo Renzi durchsetzen.

An diesen Vorwahlen nahmen in Südtirol 6.557 Personen teil, davon wählten 2.980 Pier Luigi Bersani. Obwohl die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2009 um 12,6 Prozent höher lag, war diese in den 17 Wahlsitzen sehr unterschiedlich. Am meisten Anhänger beteiligten sich in Bozen, im gesamten Vinschgau waren es nur 17 Wähler (Alto Adige 26.11.2012). Alle Kandidaten mussten einen Verhaltenskodex und ein Gentlemen’s Agreement unterzeichnen sowie wöchentliche Berichte über ihre Wahlwerbung abliefern. Anders als bei den Vorwahlen 2009 durften diesmal keine Minderjährigen teilnehmen, ansonsten galten für das aktive Wahlrecht dieselben subjektiven Voraussetzungen wie 2009. Neben der Bezahlung eines Mindestbetrages von zwei Euro musste noch eine Erklärung (carta d’intenti) unterzeichnet sowie eine namentliche Registrierung abgelegt werden (PD 2012). Da kein Kandidat die 50-Prozent-Hürde erreichen konnte, fand im Dezember eine Stichwahl statt, bei der Bersani rund 60 Prozent der 6.093 Südtiroler Stimmen erhielt.

4.1.3 Kandidatennominierung für die Parlamentswahlen

Nach den erfolgreichen Vorwahlen für den Spitzenkandidaten des Mitte-links-Bündnisses fanden Ende Dezember 2012 Vorwahlen zur Ermittlung der Parlamentskandidaten von Italia. Bene Comune statt. Der PD organisierte für die Abgeordnetenkammer Vorwahlen. Bei einer niedrigen Wahlbeteiligung (1.312 Personen) war Luisa Gnecchi mit 711 Stimmen die Meistgewählte (Alto Adige 29.12.2012). Die Vorzugsstimmen mussten genderparitätisch vergeben werden. Außerdem wurde im Wahlreglement eine Unvereinbarkeit mit bezahlten politischen Mandaten, wie Mitglied des Europäischen Parlaments, Bürgermeister von Gemeinden mit über 5.000 Einwohnern, Präsident einer Provinz oder Region oder Regionalratsabgeordneter, festgeschrieben. Um auf die Kandidatenliste zu gelangen, mussten 500 Unterstützungserklärungen von Parteimitgliedern eingeholt werden (PD 2013). In Südtirol einigte man sich jedoch, dass nur 50 Unterstützungserklärungen in mindestens drei Ortskreisen ausreichten. Für die Senatswahlkreise wurden jedoch keine Vorwahlen abgehalten. Der Grund lag zum Ersten darin, dass eine aussichtsreiche Kandidatur eines PD-Kandidaten nur im Senatskreis Bozen/Unterland bestand – die Senatswahlkreise West und Ost wurden seit jeher von der SVP dominiert, und zum Zweiten, dass der Senatswahlkreis Bozen/Unterland äußerst umstritten und in einer historischen Bündnispolitik mit der SVP steht. Die beiden Parteien wollten meist einen Wahlerfolg des rechten Lagers, wie jenen 1996 von Adriana Pasquali (Movimento Sociale Italiano) verhindern. Da jedoch auch die SVP Vorwahlen abhielt, verliefen die Verhandlungen nur schleppend. Gemeinsame Vorwahlen standen außer Frage, außerdem hatte die SVP erst nach der Nominierungsphase des PD endgültig entschieden, dem Wahlbündnis Italia. Bene Comune beizutreten.

4.2 Grüne-Verdi-Vërc

Soziale Konflikte um Fragen zur Ökologie, des Umweltschutzes und zu den Grenzen der Wachstumsgesellschaft lassen in Europa zu Beginn der 1980er Grüne Bewegungen entstehen. Die Anhänger kamen vorwiegend aus Bürgerinitiativen, aus der Umgebung der Neuen Linken und der Neuen Sozialen Bewegungen. Die Ursprünge der Vorläuferbewegung der Grünen Südtirols fanden sich in Studentenbewegungen der 1970er und der 1978 gegründeten Liste Neue Linke/Nuova Sinistra, mit welcher Alexander Langer erstmals den Einzug in den Südtiroler Landtag schaffte. Langer war niemals Parteimitglied der Grünen, gilt jedoch als Vordenker und Integrationsfigur der Südtiroler ökosozialen Bewegung, welche seit 1983 mit zumindest zwei Abgeordneten im Landtag vertreten war. 1996 erfolgte in Südtirol mit der Verabschiedung eines Parteistatutes und der Wahl der Parteigremien die statutarische Gründung der Grünen (Pallaver 2007a). Die ursprünglich vorwiegend italienischsprachige Wählerschaft wurde allmählich von der deutschsprachigen ergänzt, sodass die Grünen ihren inter­ethni­schen Charakter zu schärfen versuchten und in Richtung der deutschsprachigen Bürgerlisten ihr autoritätskritisches Image aufpolierten (Gatterer 2009, 24, 174). Aus der ursprünglichen Einthemenbewegung wurde eine catch-all-party, welche versucht alle gesellschaftspolitisch wichtigen Themen zu besetzen (Atz 2007, 55).

Mit dem Ziel, sich zu öffnen und „eine vielfältige und ausgewogene Liste zu ermöglichen, die den Kriterien Geschlecht, Sprachgruppe, gesellschaftliche Schicht und Verteilung nach Bezirken entspricht“ (Grüne 2013, 1), konnten sich die Kräfte um die Landessprecherin Brigitte Foppa im Grünen Rat durchsetzen, sodass die Grünen beschlossen, Vorwahlen zur Ermittlung des Listenkopfes für die Landtagswahlen 2013 abzuhalten. Dabei einigte man sich, die ersten sechs Listenplätze durch Vorwahlen bestimmen zu lassen. Der siebte und achte der insgesamt 35 Listenplätze ging an den Koalitionspartner Sinistra Ecologia e Libertà. Das aktive Wahlrecht dieser Vorwahlen wurde allen in die Wählerlisten der Südtiroler Gemeinden eingetragenen Personen sowie allen Personen mit Wohnsitz in Südtirol gewährt. Wobei hier ausdrücklich auf die vierjährige Ansässigkeit, welche das Autonomiestatut für das aktive Wahlrecht bei allgemeinen Wahlen vorsieht, verzichtet wurde. Zudem wurde das Mindestalter auf 16 Jahre herabgesetzt. Die Grünen setzten sich eine Wahlbeteiligung von mindestens 500 Personen zum Ziel, das Dreifache der Parteimitgliederanzahl. Für die Ausübung des aktiven Wahlrechts musste eine Unterstützungserklärung für die allgemeinen Wahlen unterzeichnet werden. Darum sind die Vorwahlen der Grünen unter die halboffenen Vertretungskonzepte einzuordnen, auch wenn die Grünen ihre Vorwahlen wiederholt als offene Vorwahlen bezeichneten. Als Voraussetzungen für eine Kandidatur galten die Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung und das passive Wahlrecht für die allgemeinen Wahlen. Zudem musste jeder Kandidat von 20 Personen für eine Kandidatur vorgeschlagen werden. Die Stimmabgabe konnte entweder nach einer Registrierung in den eigens eingerichteten Wahlsitzen erfolgen, mittels Online- oder Briefwahl. Das Onlineportal stand für zwei Wochen, die Wahllokale standen für zwei Tage offen. Die Wähler mussten genderparitätisch bis zu vier Vorzugsstimmen vergeben.

Insgesamt unterzeichneten 1.854 Personen die Erklärung „Für eine gerechte Zukunft“ für die Teilnahme an den Vorwahlen, die Wahlbeteiligung lag jedoch nur bei 1.564 Wählern. 38 Stimmen waren ungültig, 1.032 Mal wurde die Onlinewahl genutzt und 532 Personen suchten ein Wahllokal auf. Die sechs Meistgewählten waren Brigitte Foppa (692), Hans Heiss (553), Riccardo Dello Sbarba (503), Evelyn Gruber-Fischnaller (315), Patrizia Trincanato (307) und Tobias Planer (246). Im Ganzen wurden 4.691 Vorzugsstimmen, also durchschnittlich knapp drei vergeben. Dabei wurden 2.346 Vorzugsstimmen an die zehn Kandidatinnen und 2.345 Vorzugsstimmen an die 13 Kandidaten vergeben. Somit war das Ziel der Einbindung beider Geschlechter erreicht worden. Im Großraum Bozen war die höchste Wahlbeteiligung, jedoch gelang es nicht, die Kandidaten der Peripherie zu positionieren. Alle sechs Meistgewählten wohnen in Bozen oder sind Mandatsträger des Bozner Gemeinderats oder des Südtiroler Landtages (Grüne 2013a).

Tab. 2: Vorwahlergebnis Landtagswahlen 2013

Nachname

Vorname

Online*

%

Wahlsitze

%*

Gesamt

%*

Platz

Foppa

Brigitte

474

46

218

41

692

44

1

Heiss

Hans

387

38

166

31

553

35

2

Dello Sbarba

Riccardo

318

31

185

35

503

32

3

Gruber-Fischnaller

Evelyn

242

23

73

14

315

20

4

Trincanato

Patrizia

180

17

127

24

307

20

5

Planer

Tobias „Tobe“

193

19

53

10

246

16

6

Atz

Sybille Friederike Antonia

142

14

70

13

212

14

7

Lorenzi

Marialaura

136

13

73

14

209

13

8

Fassa

Erika

122

12

55

10

177

11

9

Toffol

Franca

104

10

66

12

170

11

10

Daniel

Martin

109

11

31

6

140

9

11

Schuster

Klaus

58

6

77

14

135

9

12

Moar

Christoph

86

8

42

8

128

8

13

Liberto

Valentino

92

9

24

5

116

7

14

Egger

Klaus

87

8

22

4

109

7

15

Franceschini

Iris

70

7

39

7

109

7

16

Niederkofler

Hanspeter

62

6

38

7

100

6

17

Kripp

Gaudenz

78

8

15

3

93

6

18

Unterkircher

Andreas

46

4

39

7

85

5

19

Basili

Flavia

44

4

37

7

81

5

20

Rossi

Andrea

49

5

25

5

74

5

21

Steinmann

Richard

43

4

28

5

71

5

22

De Vuono

Giorgio

43

4

23

4

66

4

23

WählerInnen

1.032

532

1.564

Vorzugsstimmen

3.165

1.526

4.691

* Prozent der WählerInnen, welche der jeweiligen Person eine Vorzugsstimme gegeben haben.

Quelle: Grüne 2013a

4.3. Fünf-Sterne-Bewegung

Die Bewegung M5S um Beppe Grillo wurde 2009 gegründet. Die sich als Protestbewegung verstehende Liste erreichte bei den Parlamentswahlen 2013 italienweit ein Viertel der Sitze. An der Vorwahl, der sich insgesamt 1.400 Kandidaten stellten, beteiligten sich im November 2012 rund 95.000 Parteimitglieder mittels Online­abstimmung.

In Südtirol wurden nur zehn Kandidaten nominiert. Für die Abgeordnetenkammer wurde eine Vorwahl für die gesamte Region Trentino-Südtirol durchgeführt. Die Teilnehmer durften bis zu drei Vorzugsstimmen vergeben, allerdings wurden in Südtirol insgesamt nur 512 Vorzugsstimmen abgegeben. Die meistgewählten Kandidaten waren Teresa Fortini (49), Marco Casarin (28), Alessandro Borzaga (26), Mario D’Alterio (25), Andreas Perugini (24), Andrea Sbironi (24), Fabrizio Cunial (18), Diego Nicolini (16), Alberto Dell’Osbel (16) und Paul Köllensperger (15). Die Südtiroler Andrea Sbironi, Diego Nicolini, Alberto Dell’Osbel und Paul Köllensperger wurden auf hintere Listenplätze für die Abgeordnetenkammer gereiht. Für den Senatswahlkreis Bozen wurde Maria Teresa Fortini aufgestellt und für die Senatswahlkreise West und Ost Alessandro Borzaga beziehungsweise Marco Casarin. Bei den Parlamentswahlen erhielt Riccardo Fraccaro aus Trient das einzige Mandat (Alto Adige 17.1.2013; Alto Adige 12.8.2013).

Für die Landtagswahlen plante der M5S eine vorwahlähnliche Kandidatennominierung. Da jedoch die Kandidatensuche sehr mühsam verlief, beschloss man die Kandidaten in fünf Wahlversammlungen zu ermitteln und bei einer Mitgliederversammlung die Reihenfolge der Listenplätze zu bestimmen (Pitro 2013). Wenn auch vom M5S als Vorwahlen bezeichnet, ist eine solche Mitgliederabstimmung bei einer einzigen Wahlversammlung keine Vorwahl per definitionem. Nicht nur, dass der Wahlkörper geschlossen war (18 Monate Parteimitgliedschaft als Voraussetzung), vor allem erfolgte die Stimmabgabe nicht in Wahllokalen, sondern in einer Mitgliedervollversammlung. Zudem beteiligten sich nur rund 60 Parteimitglieder an dieser Wahlversammlung, was nicht mit dem Wahlkörper der allgemeinen Wahlen zu vergleichen ist. Trotzdem wurde im Juli 2013 der spätere Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger mit 28 Stimmen zum Listenführer gewählt. Später kam es zu einem Eklat, da der ursprünglich zweitgereihte Andreas Perugini wegen Kontroversen mit anderen Landtagskandidaten aus der Liste ausgeschlossen wurde (Redazione/gadilu 2013).

4.4. Südtiroler Volkspartei

Die SVP wurde 1945 als Sammelpartei der deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler gegründet. Sie versteht sich somit als parteipolitische Vertretung der deutschen und ladinischen Minderheit in Südtirol und kann den (ethno-) regionalen Parteien zugeordnet werden. Statutarisch erhebt sie den Anspruch als Sammelpartei „alle sozialen Schichten“ zu vertreten, was durch die verschiedenen parteiinternen Richtungen wie Arbeitnehmer, Wirtschaft oder Landwirtschaftsausschuss erreicht werden soll. Dieser Zielsetzung konnte die SVP weitgehend nachkommen, da es ihr gelungen ist, diese unterschiedlichen Interessengruppen, welche normalerweise von modernen europäischen Parteien nur einzeln vertreten werden, zu integrieren. So arbeiten liberale, christdemokratische, konservative und sozialdemokratische Kräfte in einer Partei zusammen. Durch diese Besonderheiten nahm die SVP als ethnische catch-all-party über Jahrzehnte eine demokratisch-hegemoniale Stellung ein. Die SVP hatte seit 1948 und bis zu den Landtagswahlen 2013 immer die absolute Mehrheit an Landtagsmandaten. Auch auf kommunaler Ebene kann die SVP in den meisten der 116 Gemeinden den direktgewählten Bürgermeister sowie die absolute Mehrheit in den Gemeindeverwaltungen stellen (Pallaver 2007b). Diese hegemoniale Stellung ging mit den Landtagswahlen 2013 verloren.

In der Landesversammlung vom März 2009 wurde entschieden, die Möglichkeit zur Abhaltung von Vorwahlen im Parteistatut zu verankern und diese grundsätzlich als Nominierungsverfahren vor Hauptwahlen ohne Vorzugsstimmenvergabe durchzuführen. Da das Abhalten von Vorwahlen allmählich auch für den Südtiroler PD zur Tradition wurde, wollte die SVP als Sammelpartei mit ihren rund 50.000 Mitgliedern als zweite Partei dieses Nominierungsverfahren für sich nutzen. Dabei war es von Anfang an klar, dass Vorwahlen nur unter den Mitgliedern durchgeführt werden sollten. Die SVP beabsichtigt damit vor allem die Parteimitglieder in den Nominierungsprozess einzubinden, was bei offenen Vorwahlen per definitionem nicht möglich ist. Durch die Vorwahlen erhofft sich die SVP auch eine stärkere Wählerbindung, um die zuletzt steigende Wechselwählerquote zu verringern. Zudem binden Vorwahlen alle Richtungen und Interessenvertretungen der Sammelpartei ein. Gerade bei den Parlamentswahlen, wo wenige politische Mandate vergeben werden, war dies oft schwierig. Parteiinterne Auseinandersetzungen werden somit von den Parteimitgliedern gelöst. Zudem konnten dadurch verschiedene Verbände, Interessenvertretungen oder Organisationen bereits lange vor den allgemeinen Wahlen für eine Unterstützung gewonnen werden.

4.4.1 Kandidatennominierung für die Gemeinderatswahlen

Die Erstellung der Kandidatenliste durch die lokalen Parteigremien gewährleistet, dass alle Parteirichtungen eingebunden werden. Durch die Anwendung des statutarisch festgeschriebenen sogenannten Drittelwahlsystems (Höchstanzahl der Vorzugsstimmen bis zu einem Drittel der zu Wählenden) können auch Minderheiten ihre Kandidaten auf die Liste setzen, was im Nominierungsverfahren den Sammelparteicharakter garantieren soll. Seit der Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters 1995 versucht die SVP für dieses Amt einen Kandidatenpluralismus zu gewährleisten. In den sogenannten ethnisch sensiblen Gemeinden, bei welchen die Wahl eines SVP-Bürgermeisters nicht sicher ist, soll ein einziger Kandidat aufgestellt werden, wobei zuvor eine Auswahl durch Abstimmung in den Ortsausschüssen gewährleistet sein muss. In den anderen Gemeinden, in denen das Bürgermeistermandat nicht gefährdet scheint, ist eine Mehrfachnominierung für die Gemeinderatswahlen zu bevorzugen (Pallaver 2005).

Diese Entscheidungen unterliegen keiner zentralen Weisungsgebundenheit und erfolgen in voller Autonomie der Ortsgruppen. Da auch im Parteistatut keine Vorgaben über die Abhaltung von Vorwahlen als Nominierungsverfahren für die kommunale Ebene festgeschrieben sind, bestimmen die Ortsausschüsse auch über den Vorwahltyp. Ob offene, geschlossene, halboffene oder halbgeschlossene Vorwahlen mit entweder offenen oder geschlossenen Kandidatenlisten abgehalten werden, entscheiden allein die Ortsausschüsse. Die Listenerstellung selbst kann jedoch von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlichen Regeln unterliegen, welche man als lokales parteiinternes „Gewohnheitsrecht“ bezeichnen könnte. So sind beispielsweise in manchen Gemeinden gewisse Listenplätze Kandidaten aus bestimmten Ortsteilen wie Bergweilern oder Fraktionen vorbehalten, sodass die Kandidatenlisten einen territorialen Spiegel der Wählerschaft bilden.

Bei den Gemeinderatswahlen 2005 und 2010 wurden die Vorwahlen für das Amt des Bürgermeisters immer wichtiger, besonders 2010, als die gesetzliche Mandatsbeschränkung von 15 Jahren für das Bürgermeisteramt zum ersten Mal zur Anwendung kam und 51 Bürgermeistern eine Wiederkandidatur untersagt war. 2005 wurden in rund der Hälfte der Südtiroler Gemeinden Vorwahlen abgehalten. Dabei wurden nur in Ausnahmefällen offene Vorwahlen durchgeführt (Pallaver 2005, 461). 2010 führte die SVP zum ersten Mal zeitgleich, landesweit und flächendeckend organisierte Vorwahlen für die Gemeinderatswahlen durch. 212 von 292 Ortsausschüssen entschieden, ihre Zuständigkeit bei der Listenerstellung an die Mitglieder beziehungsweise den gesamten Wahlkörper der allgemeinen Wahlen zu delegieren, sodass in 91 von 111 Gemeinden Vorwahlen durchgeführt wurden (in fünf Gemeinden fanden vorgezogene Gemeinderatswahlen statt). Im Bezirk Vinschgau organisierten alle 43 Ortsgruppen Vorwahlen. In Bozen waren es 15 von 20 Gemeinden, im Burggrafenamt 17 von 25, im Unterland neun von zwölf, im Eisacktal zwölf von 14, im Wipptal drei von fünf und im Pustertal 22 von 24 Gemeinden (SVP 2010a).

„An den Vorwahlen durften sich in den meisten Gemeinden bzw. Fraktionen nicht nur SVP-Mitglieder, sondern alle wahlberechtigten Bürger/innen beteiligen.“ (SVP 2010b). Dies war im Unterschied zu 2005 neu, denn fünf Jahre zuvor waren offene Vorwahlen noch die Ausnahme. Allerdings wird diese Entwicklung dadurch relativiert, dass es keine statutarische Verpflichtung der Ortsausschüsse gibt, die Wahlergebnisse zu beachten. Neben nachvollziehbaren Korrekturen, da beispielsweise eine Richtung oder ein Ortsteil unterrepräsentiert ist, wurden auch Vorwahlverlierer auf die Wahllisten gesetzt.

Die Wahlbeteiligung der verschiedenen kommunalen Vorwahlen reichte von 14 bis 95 Prozent. In den meisten Gemeinden konnte jedoch eine Wahlbeteiligung zwischen 30 und 40 Prozent erreicht werden. Nur in wenigen Gemeinden durften 16- bis 18-Jährige mitbestimmen. In vielen Gemeinden wurden nur für das Bürgermeisteramt Vorwahlen durchgeführt, in anderen nur für die Gemeinderatskandidaten und in einigen für beide Listen. In anderen Gemeinden wiederum entschied der Ortsausschuss sogenannte Vorschlagswahlen durchzuführen. Bei solchen, meist offenen Vorschlagswahlen, können die Teilnehmer Namen für das Amt des Bürgermeisters oder den Gemeinderat abgeben und somit Vorschläge unterbreiten. Die politischen Funktionäre des Ortsausschusses suchen dann das Gespräch mit den Meistgenannten und versuchen so neue Kandidaten für die Liste zu gewinnen. Solche Vorschlagswahlen wurden meist offen abgehalten, sodass alle in die Wählerliste der Gemeinden eingetragenen Bürger daran teilnehmen konnten.

4.4.2 Kandidatennominierung für die europäischen Parlamentswahlen

Die Reihung der Kandidaten für das Europäische Parlament wurde seit Jahrzehnten in den sieben Bezirksausschusssitzungen mit den Stimmrechten der Ortsgruppen vorgenommen. Doch bereits vor der statutarischen Verankerung der fakultativen Vorwahlen entschied sich die SVP Vorwahlen zur Ermittlung des Spitzenkandidaten für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 durchzuführen. Nach eingehender Diskussion und Überzeugung der Skeptiker beschloss der Parteiausschuss im Februar sein Nominierungsrecht an die Parteimitglieder zu übertragen und verzichtete darauf, Kandidaten namhaft zu machen beziehungsweise von der bis dahin praktizierten Vorgehensweise der Nominierung über die Stimmrechte der Ortsausschüsse abzusehen. So beschloss der Parteiausschuss eine Wahlordnung, welche die ersten landesweit angelegten Vorwahlen der SVP regelte. Eine Nominierung der an den Vorwahlen teilnehmenden Kandidaten konnte innerhalb Februar von den SVP-Ortsausschüssen, dem ladinischen Verbindungsausschuss, den Bezirksleitungen und den Landesgremien der Organisationen und beratenden Organe erfolgen. Die vorgeschlagenen Kandidaten mussten sich den Bezirksausschüssen präsentieren und einer Abstimmung unterziehen, bei welcher die sieben Bezirke nach Stimmrechten der rund 290 Ortsausschüsse ihre präferierten Kandidaten nominieren konnten. Dabei wurde festgesetzt, dass nur die sechs meistgewählten Kandidaten an den Vorwahlen teilnehmen dürfen. Eine weitere Voraussetzung war die Unterzeichnung der Annahmeerklärung sowie einer Verpflichtungserklärung. In der Verpflichtungserklärung mussten alle Kandidaten auf bezahlte Wahlwerbung verzichten. Interessant war, dass die Kandidaten diese Regelung nicht nur selbst einhalten mussten, sondern auch dafür Sorge zu tragen hatten, dass Organisationen oder Verbände, welche sie bei den Vorwahlen unterstützten, sich an diese Vorgaben hielten. Bei Nichteinhaltung hatte das Schiedsgericht zu entscheiden und konnte eine Geldstrafe bis zu 30.000 Euro oder den Ausschluss von den Vorwahlen verhängen (SVP 2009a).

Die so ermittelten Kandidaten stellten sich der Vorwahl, welche von den rund 290 Ortsgruppen organisiert wurde. Die Wahl konnte mit Stimmzettel in über 300 Wahllokalen vorgenommen werden. Die Reihung der Kandidaten auf dem Vorwahlstimmzettel erfolgte durch die Ortsausschüsse per Delegiertenstimmrecht. Diese ersten landesweit angesetzten Vorwahlen waren, wie auch alle nachfolgenden, geschlossene, private und nicht öffentlich organisierte Vorwahlen. Diese hatten eine Eigenart, da innerhalb der Familie mit schriftlicher Vollmacht das aktive Wahlrecht delegiert werden konnte. Dadurch wurde nicht nur das persönliche Wahlrecht umgangen, sondern es wurden auch in organisierter Form Bevollmächtigungen gesammelt, sodass später von dieser Möglichkeit abgesehen wurde (SVP 2009b).

Von ursprünglich acht Kandidaten stellten sich nur sechs den Abstimmungen durch die Ortsausschüsse in den Bezirken. Dabei konnte Christoph Perathoner mit insgesamt 766 Stimmen vor Herbert Dorfmann (570) die meisten Stimmrechte auf sich vereinen und führte somit die Liste der Vorwahlen an. Im zweiten, entscheidenden Schritt beteiligten sich 45,36 Prozent der rund 56.000 Mitglieder an den Vorwahlen und entschieden sich mehrheitlich, im Gegensatz zu den Delegierten der Bezirksausschüsse, für Herbert Dorfmann. Dieser erhielt in den 309 Wahllokalen insgesamt 10.791 Stimmen, während sich lediglich 9.416 Mitglieder für Perathoner entschieden (SVP 2009c). Ezio Marra beschreibt die Unterbindung von Machtspielen und Einfluss der Parteiapparate als möglichen Erfolg von Vorwahlen: „ridurre l’influenza degli apparati di partito“ (Marra 1995, 87). In der Tat kann der Druck auf die Delegierten der Bezirksausschüsse sehr hoch sein, müssen sie nicht nur den Auftrag des Ortsausschusses, sondern auch ihrer Parteirichtung sowie ihres Bezirkes und nicht zuletzt ihre persönliche Präferenz beachten. Auch lassen sich rund 3.000 Parteifunktionäre leichter in Stimmung bringen als die gesamten Mitglieder. Vielleicht ist dieser Unterschied im Ergebnis der Nominierungsphase und der Vorwahlen darauf zurückzuführen, dass Christoph Perathoner die Parteifunktionäre besser für sich mobilisieren konnte und bei den Vorwahlen Herbert Dorfmann als Kandidat der Landwirtschaft auf die massive Unterstützung durch den Bauernbund zurückgreifen konnte. Jedenfalls war die Meinung der Funktionäre different zu jener der gesamten Mitglieder (vgl. Atz/Pallaver 2010).

4.4.3 Kandidatennominierung für die italienischen Parlamentswahlen

Nachdem alle Versuche, das geltende italienische Wahlgesetz zu reformieren, gescheitert waren und wiederum keine Vorzugsstimmen vergeben werden konnten, entschied der Parteiausschuss Ende 2012 Vorwahlen gemäß der Wahlordnung vom Oktober 2010 durchzuführen. Somit waren im Januar 2013 über 50.000 Parteimitglieder aufgerufen an den geschlossenen, privaten Vorwahlen zur Ermittlung der Kandidaten für die Senatswahlkreise Ost und West sowie für die Abgeordnetenkammer teilzunehmen (SVP 2012a). Nachdem die SVP auf Staatsebene ein Listenbündnis mit dem PD und auf regionaler Ebene mit dem Partito Autonomista Trentino Tirolese (PATT) eingegangen war, einigte man sich mit dem PD, gemeinsam Francesco Palermo für den Senatswahlkreis Bozen/Unterland ins Rennen zu schicken, sodass nur für die Kandidatennominierungen der Abgeordnetenkammer und der Senatswahlkreise Ost und West Vorwahlen abgehalten wurden. Aufgrund der Vorverlegung des Wahltermins musste die gesamte Nominierungsphase abgeändert werden (SVP 2012b). Von einer Nominierung durch die Delegierten der Ortsausschüsse, ähnlich wie für die EU-Vorwahlen, musste abgesehen werden. Es wurde beschlossen, dass eine Kandidatur nur die Unterzeichnung der Annahmeerklärung voraussetzt. Diesmal konnte die Stimmabgabe nach den Erfahrungen der Vorwahlen zum Europäischen Parlament 2009 nicht delegiert werden und hatte persönlich zu erfolgen (SVP 2012c).

40,61 Prozent der in den 301 Wahllokalen wahlberechtigten 50.668 Parteimitglieder beteiligten sich an den Vorwahlen. Im Senatswahlkreis Ost, Eisacktal, Pustertal und Wipptal, entschied Hans Berger mit 65,82 Prozent der 9.788 abgegebenen Stimmen das Rennen gegen Michael Gostner für sich. Im Senatswahlkreis West, Burggrafenamt, Vinschgau und in einigen Gemeinden des Bezirkes Bozen Land erhielt der amtierende Parlamentarier Karl Zeller 79,82 Prozent und sein Gegenkandidat Klaus Runer 20,18 Prozent der insgesamt 7.116 Stimmen. Bei der Nominierung für die Abgeordnetenkammer war Albrecht Plangger mit 26,50 Prozent der Meistgewählte, gefolgt von Renate Gebhard (25,45 %), Daniel Alfreider (17,79 %), Manfred Schullian (17,46 %) und Klaus Ladinser (12,79 %). Von den insgesamt 20.581 Wählern wählten am meisten Wahlberechtigte im Bezirk Vinschgau (57,23 Prozent). Die niedrigste Wahlbeteiligung war im Bezirk Burggrafenamt mit 33,68 Prozent. Im Unterland gingen 46,81 Prozent an die Urnen, in den restlichen Bezirken jeweils zwischen 36 und 42 Prozent. Alle Kandidaten, bis auf den Letztgewählten Klaus Ladinser, erhielten in ihrem Heimatbezirk am meisten Stimmen (SVP 2013a).

Tab. 3: Vorwahlergebnis Abgeordnetenkammer 2013

Kammer

Daniel Alfreider

Renate Gebhard

Klaus Ladinser

Albrecht Plangger

Manfred Schullian

Weiße

Ungültig

Insgesamt

Bezirk

BG

113

3,88 %

626

21,55 %

369

12,66 %

1.604

55,04 %

200

6,86 %

62

2,06 %

32

1,06 %

3.008

33,68 %

Bezirk

BX

223

7,63 %

2.091

71,56 %

299

10,23 %

174

5,95 %

135

4,62 %

81

2,68 %

15

0,50 %

3.018

39,99 %

Bezirk

BZ

520

10,90 %

880

18,45 %

1.203

25,23 %

339

7,11 %

1.827

38,31 %

45

0,93 %

43

0,89 %

4.857

41,63 %

Bezirk

PT

2.061

62,43 %

731

17,55 %

435

10,44 %

219

5,26 %

180

4,32 %

143

3,29

37

0,85 %

4.346

37,00 %

Bezirk

UL

32

2,29 %

130

9,29 %

92

6,57 %

42

3,00 %

1.104

78,86 %

4

0,26 %

5

0,35 %

1.409

46,81 %

Bezirk

VG

18

0,59 %

139

4,56 %

39

1,28 %

2.832

92,88 %

21

0,69 %

21

0,68 %

21

0,68 %

3.091

57,23 %

Bezirk

WT

60

7,26 %

502

60,70 %

128

15,48 %

103

12,45 %

34

4,11 %

12

1,41 %

13

1,53 %

852

35,74 %

Gesamt

3.567

17,79 %

5.101

25,45 %

2.565

12,79 %

5.313

26,50 %

3.501

17,46 %

368

1,79 %

166

0,81 %

20.581

40,61 %

Basiswahl 6. Januar 2013 (BG = Burggrafenamt, BX = Brixen, BZ = Bozen, PT = Pustertal, UL = Unterland, VG = Vinschgau, WT = Wipptal)

Quelle: SVP 2013a

Mit einem Wahlergebnis von 24,2 Prozent auf regionaler Ebene schafften bei den Parlamentswahlen schließlich mit Albrecht Plangger, Renate Gebhard, Daniel Alfreider, Mauro Ottobre (PATT) und Manfred Schullian fünf Abgeordnete des Listenbündnisses den Einzug in die Kammer. In den römischen Senat wurden Karl Zeller, Hans Berger, Francesco Palermo (PD/SVP) und Franco Panizza (PATT) gewählt, wobei die beiden letzten nicht auf der Liste, sondern im Wahlbündnis mit der SVP standen. Dieser Wahlerfolg zeigt, dass sich die SVP aus ihrem Umfragetief Ende 2012, welches von Skandalen um die Energiepolitik gekennzeichnet war, erholen konnte, da die Vorwahl von Schwierigkeiten des politischen Alltags ablenken konnte und zu einem positiven agenda setting führte.

4.4.4 Kandidatennominierung für die Landtagswahlen

Vor der Statutenänderung 2012 gab ein obligatorisches komplexes Prozedere unter Einbindung aller Funktionärsebenen die Kandidatenlistenerstellung für die Landtagswahlen vor. So mussten die rund 130 Mitglieder des Parteiausschusses, welcher zur Gewährleistung der Vertretung aller Richtungen und Interessengruppen zum Großteil aus Rechtsmitgliedern wie Senioren-, Jugend-, Frauen-, Wirtschafts- oder Arbeitnehmervertretern und nur zum kleineren Teil aus gewählten Mitgliedern besteht, mit einfacher Mehrheit die endgültige Kandidatenliste genehmigen. Dabei wurden bis zu 35 Kandidaten nominiert und eine entsprechende Listenreihung vorgenommen. Zwei Drittel dieser Listenplätze wurden von den Ortsausschüssen vorgeschlagen und in den sieben Bezirksausschüssen mit den Stimmrechten der Ortsausschüsse nominiert. Jeder Bezirk konnte dabei höchstens so viele Kandidaten nominieren, wie er bei den vorhergehenden Landtagswahlen im Verhältnis zu den anderen Bezirken Listenstimmen erhalten hatte. Diese Abstimmungen nach Stimmrechten in den Bezirksausschüssen waren in der Vergangenheit oft sehr umkämpft. Besonders in den größeren Bezirken führte die Anwendung des Drittelwahlsystems zu harten Auseinandersetzungen. Da in den größeren Bezirken mehrere Listenplätze vergeben werden, führt das Drittelwahlsystem nämlich dazu, dass mehr als eine Vorzugsstimme vergeben werden kann. Da jedoch dem favorisierten Kandidaten pro Stimmrecht der Ortsgruppen nur eine Vorzugsstimme gegeben werden kann, entstand ein regelrechter Handel um die Zweitstimme der Stimmrechte. Diese Zweitstimme wird bei solchen Abstimmungen einem anderen Kandidaten zugesagt und dessen Unterstützer retournieren im Gegenzug ihre Zweitstimme dem eigenen Kandidaten. Da die Stimmvergabe in den Ortsauschüssen unter Anwesenheit der verschiedenen Richtungsvertreter erfolgte, kam es des Öfteren zu harten Auseinandersetzungen. Dies ging sogar soweit, dass jedem Ortsausschussmitglied mehrere Empfehlungen unterbreitet wurden, um bestimmten Kandidaten einen möglichst hohen Anteil der Erst- und Zweitstimmen zukommen zu lassen. Neben dieser Vergabe von zwei Dritteln der Listenplätze obliegt es der Jungen Generation (JG) durch Vorwahlen ihre zwei Kandidaten zu ermitteln sowie dem ladinischen Verbindungsauschuss in gemeinsamer Sitzung aller ladinischen Ortsausschüsse einen eigenen Kandidaten zu ernennen, welche vom Parteiausschuss bindend auf die Kandidatenliste zu setzen sind. Für die übrigen Listenplätze gibt es eine Sonderregelung. Diese Listenplätze sind in der Vergangenheit oft dazu benutzt worden, um bestimmten Kandidaten unmittelbare Konkurrenten vorzusetzen. Zudem waren diese Listenplätze oft das Auffangbecken für Kandidaten, welche eine Nominierung über die Bezirksausschüsse nicht geschafft haben. Diese restlichen Kandidaten wurden meist nicht von ihren Bezirken bei den Landtagswahlen unterstützt, da sie als Konkur­renz zu den eigentlichen gewählten Bezirkskandidaten gesehen wurden. So versuchten oft Parteiausschussmitglieder eines bestimmten Bezirkes Kandidaten anderer Bezirke zu nominieren, um den dortigen Bezirkskandidaten direkte Konkurrenten vorzusetzen und so deren Bezirksstimmenpotenzial zu teilen, um den eigenen Bezirkskandidaten einen indirekten Vorteil zu verschaffen.

Um solches Taktieren zu beenden, wurde 2012 auf der Landesversammlung dieser Paragraph des Parteistatuts dahingehend abgeändert, dass die Restplätze vom Parteiobmann und den Spitzenkandidaten in einem Blockvorschlag dem Parteiausschuss zur Abstimmung vorgebracht werden, welcher diesen mit Zweidrittelmehrheit genehmigen muss.

Die ersten Vorwahlen für Landtagswahlen hielt die SVP 2008 im Bezirk Vinsch­gau ab. 51,84 Prozent der 6.199 über 15-jährigen SVP-Mitglieder gingen an die Urnen (Der Vinschger 2008). Nach diesem kleinen Erfolg wurde 2012 die Möglichkeit von fakultativen, geschlossenen, privat organisierten Bezirksvorwahlen im Parteistatut aufgenommen: „Die Kandidaten/innen des Bezirks können auch mittels Vorwahlen unter den Mitgliedern laut § 131 Absatz 1 ermittelt werden“ (SVP 2012d). Im März 2013 wurden Richtlinien für die Basiswahlen erlassen. Dabei wurde festgehalten, dass alle Bezirksvorwahlen am selben Tag stattfinden sollten, was die Organisation und Kommunikation erleichtern sollte. Die Vorzugsstimmenvergabe erfolgte nach dem Drittelwahlsystem. Zudem soll laut Landesgesetz die Geschlechterquote von einem Drittel eingehalten werden. Wenn das Vorwahlergebnis davon abweicht, schafft das letzte Drittel der vom Parteiobmann und dem Spitzenkandidaten zu vergebenden Listenplätze Abhilfe. Mehrfachkandidaturen wurden ausgeschlossen, davon ausgenommen sind Jugendkandidaten, welche eigene Jugendvorwahlen durchführen. Bezahlte Wahlwerbung wurde wiederum untersagt und die Unterzeichnung einer Annahmeerklärung nach den Prinzipien der Fairness und Korrektheit vorausgesetzt (SVP 2013b).

Insgesamt stellten sich 29 Kandidaten, acht Frauen und 21 Männer, den Basiswahlen der Bezirke Unterland, Eisacktal, Pustertal und Bozen. Im Unterland erhielt der favorisierte Oswald Schiefer 1.083 Stimmen der wahlberechtigten 3.208 SVP-Mitglieder und Werner Dissertori 383 Stimmen. Im Bezirk Eisacktal nominierten 4.134 von 7.674 Mitgliedern Magdalena Amhof mit 1.069 Stimmen, Philipp Achammer mit 1.028 Stimmen und Peter Gasser mit 885 Stimmen. Im Pustertal nahmen 5.302 von 11.913 Parteimitgliedern teil. Gewählt wurden Christian Tschurtschenthaler mit 1.067 Stimmen, Martha Stocker (876), Albert Wurzer (842) und Maria Hochgruber Kuenzer (685). Bei einer Wahlbeteiligung von 54,63 Prozent der 12.129 Parteimitglieder wurden im Bezirk Bozen Dieter Steger (1.904), Albin Kofler (1.713), Thomas Widmann (1.589), Franz Locher (1.268), Otto von Dellemann (1.032), Walburga Kössler Thaler (990) und Helmuth Renzler (950) für die Kandidatenliste bestimmt. Die Bezirke Burggrafenamt, Wipptal und Vinschgau bestimmten ihre Kandidaten ohne Vorwahlen.

Tab. 4: Vorwahlergebnis Landtagswahlen 2013 Unterland

Werner Dissertori

Oswald Schiefer

weiße und ungültige Stimmen

Stimmen gesamt

Wahlbeteiligung

383

26,13 %

1.083

73,87 %

42

18

1.526

47,58 %

Quelle: SVP 2013c

Tab. 5: Vorwahlergebnis Landtagswahlen 2013 Eisacktal

Philipp Achammer

Magdalena Amhof

Peter Gasser

Werner Kuss­tatscher

Helga Lantschner Fischnaller

Robert Messner

weiße und ungültige Stimmen

Stimmen gesamt

Wahl­beteiligung

1.028

26,27%

1.069

27,32%

885

22,62%

531

13,57%

204

5,21%

196

5,01%

129

92

4.134

53,72%

Quelle: SVP 2013c

Tab. 6: Vorwahlergebnis Landtagswahlen 2013 Pustertal

Waltraud Deeg

Luise Eppacher

Maria ­Hochgruber

Manfred Huber

Hans
Christian ­
Oberarzbacher

Kurt Ploner

Alexander Robert Steger

Martha Stocker

Christian Tschur­tschen­thaler

Albert Wurzer

weiße und ungültige Stimmen

Stimmen gesamt

Wahl­beteiligung

508

10,03%

189

3,73%

685

13,52%

114

2,25%

366

7,22%

260

5,13%

150

2,96%

876

17,29%

1.076

21,24%

842

16,62%

130

106

5.302

44,44%

Quelle: SVP 2013c

Tab. 7: Vorwahlergebnis Landtagswahlen 2013 Bozen

Otto
von Dellemann

Sylvia
Hofer

Albin
Kofler

Walburga
Kössler Thaler

Franz
Locher

Thomas
Oberrauch

Elmar
Pichler Rolle

Helmuth
Renzler

Dieter
Steger

Luis
Walcher

Thomas
Widmann

weiße und ungül­tige Stimmen

Stimmen gesamt

Wahl­beteiligung

1.032

8,75%

663

5,62%

1.713

14,53%

990

8,40%

1.268

10,75%

137

1,16%

818

6,94%

959

8,06%

1.904

16,15%

726

6,16%

1.589

13,48%

284

55

12.129

54,63%

Quelle: SVP 2013c

4.4.5 Kandidatennominierung der Jungen Generation

Die SVP-Jugendorganisation JG war in der Legislaturperiode 2008–2013 nicht direkt im Landtag vertreten. Ihr gelang es jedoch bereits 2012 zwei durch Vorwahlen ermittelte fixe Listenplätze im Parteistatut festzuschreiben. Entsprechend früh wurde die Strategie zur Ermittlung der jungen Landtagskandidaten festgelegt. Ziel war es, möglichst starke Kandidaten mit breiter Akzeptanz zu finden. Zudem wollte die JG möglichst viele junge Menschen auf ihre Arbeit aufmerksam machen und somit schon für die Landtagswahlen werben.

4.691 der unter 30-jährigen Mitglieder konnten an der geschlossenen kombinierten Online- und Briefvorwahl teilnehmen. Die Wahlordnung lehnt sich an die anderen SVP-Vorwahlordnungen an: Nominierung per Stimmrechte durch die Orts­jugendausschüsse über die Bezirke, Annahmeerklärung und Einschränkungen in der Wahlwerbung (SVP 2013d). 864 Jugendmitglieder bestimmten Philipp Acham­mer (427 Stimmen) und Hans Christian Oberarzbacher (237 Stimmen) zu den beiden Jugendkandidaten für die Landtagswahlen (SVP 2013e).

4.4.6 Kandidatennominierung für den Landeshauptmann

Im Autonomiestatut findet die Kreationsfunktion des Landtages keine genaue Regelung, ebenso wenig im Landeswahlgesetz Nr. 51/2013: „Die Landeshauptfrau/der Landeshauptmann wird vom Landtag aus seiner Mitte in geheimer Wahl und mit absoluter Mehrheit der Abgeordneten gewählt. Für die Wahl der Landeshauptfrau/des Landeshauptmanns geben die Parteien oder die politischen Gruppierungen über ihre Fraktionen eine Regierungserklärung ab.“ Auch im SVP-Parteistatut, wenn auch in den vergangenen beiden Jahrzehnten Wiederwahlen vorprogrammiert waren, findet sich keine Vorgabe zur parteiinternen Bestimmung des Landeshauptmannkandidaten beziehungsweise darüber, wen die SVP Landtagsabgeordneten zum Landeshauptmann wählen sollen.

Eine diesbezügliche legislative Reglementierung, unabhängig von der diskutierten Direktwahl, würde Sicherheit schaffen und den verfassungsrechtlichen Anspruch der Beachtung des Wählerwillens stärken, könnte eine Partei mit absoluter Mehrheit doch ihren Listenletztgewählten zum Landeshauptmann wählen.

Entsprechend beschloss die SVP-Landesversammlung 2012, um die Nachfolge des langjährigen Landeshauptmanns Luis Durnwalder beziehungsweise den Spitzenkandidaten zu bestimmen, geschlossene Mitgliedervorwahlen abzuhalten. Die Wahlordnung folgt den gleichen Prinzipien wie jene für die Nominierung der Landtagskandidaten. Abweichend sind lediglich die Nominierungsvoraussetzungen: Vorschlagsrecht einer Landesleitung einer Organisation, einer Bezirksleitung oder der Ortsgruppen mit 20 Stimmrechten. Nach Unterzeichnung der Annahmeerklärung erfolgten Vorstellungsrunden in den Bezirksausschüssen und schließlich fanden, zeitgleich mit den Bezirksvorwahlen zur Nominierung der Landtagskandidaten, geschlossene und nichtöffentliche Vorwahlen statt (SVP 2013f).

Kurz vor dem Wahltag kündigte Parteiobmann Richard Theiner, der einzige Kandidat neben dem späteren Vorwahlsieger Arno Kompatscher, seinen plötzlichen Rückzug an.6 Daraufhin stellte sich Elmar Pichler Rolle als Gegenkandidat zur Verfügung. Bei einer Wahlbeteiligung von 46,01 Prozent erhielt Arno Kompatscher 19.038 der abgegebenen 24.145 Stimmen (SVP 2013g).

5. Fazit

Der Erfahrung wegen, dem Potenzial einer etablierten, kapillar organisierten und den Bonus einer Regierungspartei ausnutzenden Partei entsprechend, konnte die SVP Vorwahlen als Vertretungskonzept in Südtirol bisher am zweckmäßigsten einsetzen.

Die offenen Vorwahlen des PD, des M5S und der Grünen sind erfolgreich verlaufen, allerdings konnten sie nicht jene Aufmerksamkeit hervorrufen wie die geschlossenen SVP-Basiswahlen. Jedoch können weitere Erfahrungsmomente der Parteien und der Wähler zu einer entsprechenden Vorwahlkultur führen.

Zu den an Fritz Plassers und Ezio Marras Zielsetzungen von Vorwahlen angelehnten Thesen lässt die empirische Aufarbeitung folgende Schlüsse zu:

Der SVP gelang es den Vorwahlsiegern eine hohe Wählerbindung und eine breite Identifikation mit der Parteibasis zu verschaffen, wodurch diese sich auch aktiver in den allgemeinen Wahlkampf einbrachte. Das Ziel, das Kandidatenfeld zu erweitern und politische self starter zu unterstützen, konnte von der SVP aufgrund des geschlossenen Vorwahltyps jedoch nicht erreicht werden. Eine Teilnahme an parteiinternen Vorwahlen bedarf eines bestimmten Bekanntheitsgrades bei der Parteibasis und der Zustimmung der Ortsgruppen, was ohne parteiinternes Engagement nur schwer möglich ist. Somit sind die Wahlkampfvoraussetzungen nicht für alle Kandidaten gleich. Zudem ist die Mitgliederstruktur nicht repräsentativ zur Gesamtbevölkerung, beispielsweise weisen die SVP-Mitglieder ein hohes Durchschnittsalter auf. Im Allgemeinen gelang es der SVP jedoch die Mitsprache der Parteimitglieder zu stärken und die Parteimitgliedschaft aufzuwerten, wodurch ein Mitgliederzuwachs verzeichnet werden konnte. Bei landesweiten Wahlbeteiligungen um 40 Prozent konnten sich jedoch Minderheitenkandidaten nur schwer durchzusetzen.

Trotzdem konnten sogenannte marginale Gruppen, wie die Unterstützer der Vorwahlverlierer, bei den allgemeinen Wahlen eingebunden werden, da es der SVP gelang, Konsens zu schaffen, was auch die Ergebnisse der allgemeinen Wahlen zeigten. Auch gelang es der SVP die Zivilgesellschaft, gemeint sind hier Verbände, Vereine und Organisationen, bereits in den Vorwahlkampf einzubinden. Außerdem wurde der Kandidatennominierungsprozess offener, wodurch sich der Einfluss der Parteieliten (auch zum Teil der Basisfunktionäre) verringerte, wie sich bei der Kandidatennominierung für die EU-Vorwahlen zeigte, als die Ortsgruppen sich für einen anderen Kandidaten als die Parteimitglieder entschieden. Nicht zuletzt wurde die Transparenz bei der Erstellung der Kandidatenlisten erhöht, da auch die mediale Aufmerksamkeit erhöht werden konnte, womit die Erwartungshaltung, Personalentscheidungen nicht im kleinen Kreis zu treffen, wuchs. Auch gelang es der SVP von ihren Problemen als Regierungspartei wie beispielsweise der Energiepolitik abzulenken, da sie wochenlang die Medienberichterstattung mit der Landeshauptmannnachfolge und der angestrebten Politikerneuerung dominierte, dadurch Trends setzte und es so schaffte, aus dem Umfragetief zu kommen.

Auch die Erfahrungen der anderen Parteien bestätigen einige meiner Thesen. Die Vorwahlen des PD und der Grünen erhielten eine hohe mediale Aufmerksamkeit, wodurch es zu einer Öffnung der Nominierungen und Erhöhung der Transparenz kam. Die These der Einbindung des gesamten Wahlkörpers trifft für den PD und die Grünen eher zu als für die SVP, da diese Parteien halboffene beziehungsweise halbgeschlossene Vorwahlen abhielten und es somit jedem Interessierten möglich war teilzunehmen. Allerdings konnten der PD, M5S und die Grünen nur schwer Lobbys mobilisieren, dafür die Wählerbindung stärken. Der Einfluss der Parteispitzen auf die Listenerstellung wurde verringert. Schwierig war für diese Parteien die Erweiterung des Kandidatenfeldes, da es prinzipiell nicht um einen fixen Listenplatz, sondern um die Reihung auf der Liste ging, schließlich mussten beide Listen mit unbekannten Kandidaten gefüllt werden.

Im Allgemeinen geht die Südtiroler Parteienlandschaft fortschrittlich mit dem Nominierungsinstrument der Vorwahlen um, jedoch hatten alle Parteien bei der Durchführung der Vorwahlen Herausforderungen und Schwierigkeiten zu meistern, wie die Finanzierung, die Suche nach geeigneten nichtöffentlichen Wahllokalen oder die Einschränkung der Wahlwerbung. Bei der Überarbeitung des Landeswahlgesetzes im Mai 2013 hätten durch Rahmenbedingungen und Mindeststandards diese Hürden beseitigt, die Qualität der Vorwahlen verbessert und somit bestmögliche Voraussetzungen für fakultative Vorwahlen geschaffen werden können. Dies sollte bei der nächsten Reform berücksichtigt werden.

Anmerkungen

1 Soweit im Beitrag die männliche Form verwendet wird, ist sie als geschlechtsneutral zu verstehen.

2 Urteil VfGH 203/1975.

3 Urteil VfGH 83/1992.

4 Urteil VfGH 49/2003.

5 Der Gesetzesvorschlag AC Nr. 598 der Abgeordnetenkammer sowie der Gesetzesvorschlag S Nr. 550 des Senats sehen beide in Art. 10 eine zehnprozentige Erhöhung der Wahlkampfkostenrückerstattung für Parteien vor, welche zur Kandidatenermittlung Vorwahlen abhalten.

6 Nach einer angeblichen Beleidigung durch Arno Kompatscher teilte Richard Theiner via facebook seinen Rücktritt als Vorwahlkandidat mit.

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Abstracts

Le primarie come procedura di ­nomina nel panorama partitico ­altoatesino

Negli ultimi anni in Alto Adige si è fatto ricorso sempre più spesso alle primarie. I quattro partiti che per la definizione delle candidature nelle ultime elezioni pro­vinciali e politiche hanno effettuato le primarie, hanno perseguito obiettivi diversi tra loro. Con gli esempi proposti si tenta di raggiungere i seguenti obiettivi: uguaglianza dei candidati, mobilitazione del corpo eletto­rale, trasparenza, apertura delle liste dei candidati e coinvolgimento delle rappresentanze di interessi.

Da questo quadro emerge una panoramica dettagliata sulla storia delle elezioni primarie in Alto Adige (ordinamenti elettorali, analisi dei risultati, sfide ed effetti). La Svp ha utilizzato sinora questa procedura di voto ottenendo il successo maggiore; infatti in questo modo ha creato un clima positivo all’interno del partito, ha coinvolto le organizzazioni collegate, ha incentivato il legame tra elettori e partito ed ha inoltre conquistato un grande consenso politico. Il secondo dato emerso da questo studio è che le condizioni quadro di carattere legislativo con standard minimi sono in grado di influenzare in maniera positiva, sia qualitativamente che quantitativamente, lo strumento delle primarie e di creare occasioni pratiche di confronto.

La veles danora sciche pruzes de numinazion tl mond di partic de Südtirol

Ti ani passei fovel te Südtirol for inò veles danora. Duc cater partic, che à tenì veles dan­ora per abiné i candidac per l’ultima veles dl Cunsëi provinziel y per la veles dl Parlamënt se ova metù d’autri fins. L arjonjer de chisc fins (valivanza di candidac, mobilisazion di litadëures, trasparënza, giaurida dla lista di candidac o purté ite reprejentanzes de nteresc ) vën analisà cun chisc ejëmpli. A chësta maniera vëniel fat n cheder generel sun la storia dla veles danora te Südtirol (urdenamënt dla veles, analisa di resultac, sfides y cunseguënzes). La SVP se à nuzà nchina śën de chësc pruzes de numinazion cun plu suzes ajache la à nsci fat unì su bona ueia, la à mubilisà, la à danora trat ite urganisazions y à judà do che i litadëures reste liei, coche la à nce fat nascer n cunsëns politich. L segondo pont de chësc lëur ie che cundizions de curnisc legislativa nfluenzea tres standards minims l strumënt dla veles danora sibe cualitativamënter che cuantitativamënter y re­ssolv sfides pratiches.

Primaries as a nomination process ­within the landscape of South Tyrol’s ­political parties

In recent years, more and more primaries have been held in South Tyrol. Each of the four parties that held pri­maries in order to determine candidates for the last provincial and parliamentary elections pursued a different goal. The achievement of these objectives (parity of the candidates, mobilization of the electoral body, transparency, opening of the candidate list and involvement of interest groups) is analyzed in these examples. The result is a complete overview of primaries in South Tyrol (electoral regulations, analysis of results, challenges and effects). The SVP has used this nomination process most successfully to date, because through it the party lifted spirits, mobilized its supporters, integrated front organizations, encouraged voter commitment and created political consensus. The second finding of this study is that prevailing legislative framework with minimum standards has a positive effect on the instrument of the primary, both qualitatively and quantitatively, and would resolve practical challenges.