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Sophia Schönthaler

EU-Regionalpolitik in Südtirol

Eine Einführung in die Europäischen Struktur- und ­Investitionsfonds

EU Regional Policy in South Tyrol

An Introduction to European Structural and Investment Funds

Abstract The regional policy of the European Union (EU) is considered to be the most important investment policy of the EU. The structural and investment funds finance projects in the social, agricultural and infrastructural fields, either on the regional or transnational level. The multi-levelness makes the regional policy unique but the policy comes with obstacles. This paper examines the role of direct and indirect EU funds in South Tyrol and emphasizes the obstacles but also the possibilities of this regional policy, focusing on the current program period (2014-2020) and the previous one (2007-2013). The paper employs a qualitative ­approach that combines analysis of the website of the province of Bolzano/Bozen and newspaper articles along with interviews conducted by the author with the director of the provincial department for European Affairs. The findings illustrate how the European Social Fund ­entailed problems during the previous period with consequences that are still visible today. Other programs, as the Agricultural Fund and the EU development fund, are more well-known and used in South Tyrol. Nevertheless, the EU-Funds are still relatively unknown and could be used more efficiently.

1. Einleitung

2020 geht die aktuelle Förderperiode der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds zu Ende. Die Kohäsions- und Strukturpolitik ist die Hauptinvestitionspolitik der Europäischen Union (EU) und wird über die sogenannten ESI-Fonds finanziert (Europäische Union 2014). Dazu gehören folgende Programme:

Europäischer Fond für regionale Entwicklung (EFRE)

Europäischer Sozialfond (ESF)

Kohäsionsfond (KF)

Europäischer Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER)

Europäischer Meeres- und Fischereifond (EMFF)

Etwa 75 Prozent der Haushaltsmittel der EU stehen für die oben genannten Fonds zur Verfügung. Das größte finanzielle Volumen weist dabei das Programm für Förderungen in der Landwirtschaft auf – ganze 40 Prozent des Budgets fließen in den ELER-Fond. Für die Kohäsionspolitik werden 35 Prozent des totalen EU-Budgets aufgebracht, diese läuft über EFRE und den ESF (Nugent 2017, 152).

Auch in Südtirol können eine Vielzahl von Projekten über EFRE, den ESF, über ELER wie auch über den Kohäsionsfonds finanziert werden, zudem gibt es noch Direkt­finanzierungen. Die einzelnen Programmperioden unterscheiden sich dabei in ihrer Zielsetzung wie auch in ihren finanziellen Volumina. Für Südtirol verlief in der Vergangenheit nicht alles nach Plan, was in einem Zahlungsstopp der ESF-­Gelder 2013 endete.

Wie die Umsetzung der anderen Fonds in Südtirol verläuft, welche Möglichkeiten EU-Finanzierungen in Südtirol bieten und welche Folgen der ESF-Zahlungsstopp hat, wird im Folgenden erörtert. Der Artikel bietet dabei eine Einführung in die für Südtirol relevanten EU-Förderungen und Besonderheiten. Diese, wie auch Stärken und Schwächen, werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der aktuellen Periode (2014–2020) und auf der vorangegangenen Periode (2007–2013).

2. Die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds: eine Einführung

Die primären Ziele der Strukturfonds sind Kohäsion, regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung sowie die europäische territoriale Kooperation. Die Politikgestaltung findet dabei auf europäischer Ebene statt, während die zur Verfügung stehenden Mittel von der Europäischen Kommission im Einvernehmen mit nationalen, regionalen und lokalen Behörden verwaltet werden. Dieser Multi-Level-Prozess macht die ESI-Fonds zu einem komplexen, oftmals schwierigen wie auch langwierigen Prozess, der mehrere Ebenen der Kontrolle durchlaufen muss (Oberrauch/Perkmann 2018).

Für die Auseinandersetzung mit der EU-Regionalpolitik ist es wichtig, direkte und indirekte Förderungen zu unterscheiden. Neben den indirekten Förderungen gibt es eine Reihe von EU-Direktförderungen, die, im Gegensatz zu den indirekten Förderungen, direkt über die Kommission abgewickelt werden. Beispiele dafür sind das Erasmus+-Programm wie auch das Programm Horizon 2020. Ein zentraler Unterschied ist dabei, dass Strukturfonds als primäres Ziel versuchen, regionale Unterschiede zu verringern. Der Gegenstand ist dabei ein geographisches Gebiet, wie beispielsweise Südtirol. Direktförderungen haben das Ziel, EU-relevante Themenbereiche zu fördern, ein Beispiel dafür ist die Stärkung transnationaler Zusammenarbeit. Der wohl wichtigste Unterschied liegt aber in der Verwaltung, denn während die Strukturfonds durch die einzelnen Mitgliedstaaten und regionalen Behörden verwaltet werden, werden Direktförderungen zentral über die Kommission abgewickelt. In diesem Zusammenhang steht auch die Finanzierung, denn Strukturfonds unterliegen dem sogenannten Additionalitätsprinzip, welches festlegt, dass Mittel der EU-Strukturfonds nicht an die Stelle der öffentlichen Strukturausgaben der Mitgliedstaaten treten dürfen, sondern eine Ergänzung darstellen (Europäische Kommission 2019a).

Die Programme der ESI-Fonds werden im Rahmen eines kollektiven und mehrschichtigen Prozesses entwickelt. Allgemeine Ziele wie auch die genauen Prioritätsachsen werden in den Programmen der einzelnen Fonds festgelegt und definiert. Akteure sind dabei Behörden auf europäischer, regionaler und lokaler Ebene, Sozialpartner/-innen und Organisationen der Zivilgesellschaft. Die Vorgehensweise und die Vielzahl an Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen sollen dabei gewährleisten, dass die Maßnahmen auf die regionalen Erfordernisse und Prioritäten abgestimmt sind. Über Aufrufe zu Projekteinreichungen werden die im Programm genehmigten Mittel zur Verfügung gestellt. Im Zuge eines Bewertungsverfahrens werden dann die finanzierbaren Projekte ermittelt. Die dem operationellen Programm zur Verfügung gestellten Mittel müssen dabei laut definierten Zwischenzielen bis zum Ende des jeweils dritten Jahres nach Programmgenehmigung ausgegeben werden, dies entspricht der sogenannten „N+3-Regel“. Diese legt fest, dass die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben nicht niedriger sein sollen als im vorausgegangenen Programmplanungszeitraum (Europäische Kommission 2019a).

Die Programme laufen jeweils über sieben Jahre, die einzelnen Fonds sind dabei in Achsen und Prioritätsschwerpunkte unterteilt. Die Prioritäten können während der Programmlaufzeit nicht einfach neuen Begebenheiten angepasst werden, sondern laufen grundsätzlich über die gesamten sieben Jahre. Die Periode von 2007 bis 2013 wurde dabei vom Lissaboner Vertrag geprägt und als wichtigstes Instrument zur Umsetzung der Ziele erachtet. Darunter befindet sich das Ziel, die EU demokratischer, transparenter und effizienter zu gestalten. Die Neuausrichtung bezog sich dabei auf die Ausweitung flächendeckender Förderungen und Finanzierungen von Aktivitäten, welche die gesamte Union, sowohl wirtschaftlich schwächere als auch hochentwickelte Regionen gleichermaßen fördern sollen (Europäische Kommission 2019a).

Die aktuelle Programmperiode verläuft mit Ausrichtung auf die Strategie Europa 2020 unter veränderter Zielsetzung. Diese legt den Fokus auf Umwelt- und Klima­ziele wie auch auf soziale Inklusion. Die Änderungen betreffen dabei die Verein­fachung der gemeinsamen Regeln und stärkere Ergebnisorientierung im neuen Programm­zeitraum. Über 351 Milliarden des Unionshaushalts werden für elf thematische Schwerpunkte zur Erreichung der Ziele von Europa 2020 aufgebracht (Europäische Kommission 2019a; Lammers 2017, 4).

Die EU-Regionalpolitik definiert sich durch ein großes finanzielles Volumen und einen komplexen, mehrstufigen Prozess. Im nächsten Kapitel werden nun die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds im Kontext von Südtirol beleuchtet.

3. Die Strukturfonds in Südtirol

3.1 Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ­ländlichen Raumes (ELER)

Durch die zentrale Rolle der Landwirtschaft und Forstwirtschaft gilt es die EU-Strukturfonds in diesem Bereich zu beleuchten. Hierbei ist zwischen zwei Finanzierungsformen zu unterscheiden: Direktzahlungen im Rahmen des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) zum einen und indirekte Zahlungen im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zum anderen. Der ELER ist dabei ein Finanzinstrument der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Eine Besonderheit ist dabei, dass dieser im Gegensatz zu anderen Finanzierungen nicht nach regionalen, sondern nach sektoralen Gesichtspunkten vergeben wird. Das zentrale Finanzierungsinstrument der EU-Agrarpolitik stellen aber Direktzahlungen dar (Lammers 2017, 5).

In Südtirol zeigt sich hierbei jedoch ein anderes Bild, da die Finanzierungen über die Direktzahlung geringer sind als die indirekten Zahlungen über ELER. Der Grund dafür ist die Verteilung der Flächenprämien mittels historischer Gesichtspunkte. In anderen Worten bedeutet dies, dass die Prämien in der Vergangenheit nach Sektoren vergeben wurden, und die Hauptsektoren für die Südtiroler Landwirtschaft waren nicht jene, welche über die Direktzahlungen gefördert wurden. Trotz Veränderungen der Sektoren im Laufe der Zeit beruht das Beihilfensystem weiterhin auf fast 20 Jahre alte Zahlungsansprüche und ist somit noch durch die Gegebenheiten in der Vergangenheit definiert. Daher werden Projekte in Südtirol weitestgehend über die zweite Säule finanziert. Dies führte in der Vergangenheit zu einer Ungleichheit innerhalb Italiens, da bestimmte Gebiete von der Vergabe der Prämien durch historische Gesichtspunkte profitieren. Zudem machen sich die Unterschiede dadurch erkennbar, dass großflächige Landwirtschaftsbetriebe stärker profitierten als Bauern und Bäuerinnen in benachteiligten Gebieten, wie Berggebieten. Dieses Problem wurde im Zuge der Verhandlungen für das aktuelle Programm von 2014 bis 2020 zu beheben versucht. Dies zeigt sich vor allem in der Steigerung der Finanzmittel für die erste Säule. Trotz aller Bemühungen können die Direktfinanzierungen im Südtiroler Kontext immer noch als eine Schwäche definiert werden, da die Vergabe weiterhin grundsätzlich mittels historischer Gesichtspunkte erfolgt und nicht an aktuellen Gegebenheiten angepasst wird. Für Südtirol sieht der EU-Parlamen­tarier Herbert Dorfmann hierbei insbesondere die Notwendigkeit, den Zugang zu Direktzahlungen für Bauern und Bäuerinnen in benachteiligten Gebieten zu erleichtern und prangert dies auch in seinem Bericht zur GAP-Reform an. Ein besonders großer Nachteil der EU-Landwirtschaftsfonds ist, dass diese vor allem für großflächige Betriebe konzipiert sind, Südtirol aber durch klein strukturierte Betriebe definiert ist. Aus diesem Grund können kleine Betriebe nur im kleinen Rahmen von den EU-Fonds profitieren (Südtiroler Bauernbund 2019b; Steinegger 2018).

Nichtsdestotrotz sind die EU-Förderungen im Vergleich zur vorangegangenen Periode gestiegen: Waren es in der vergangenen Programmperiode noch 163 Millionen Euro, stehen der Südtiroler Landwirtschaft in der aktuellen Programmperiode ungefähr 240 Millionen Euro über die erste Säule zur Verfügung. Dasselbe gilt auch für die zweite Säule, für die in der vergangenen Periode 330 Millionen zur Verfügung gestellt wurden, während sich in der aktuellen Periode die Beiträge auf 366 Millionen Euro erhöht haben (Südtiroler Bauernbund 2019a).

Trotzdem verlief die erste Zeit der neuen Programmperiode holprig. In einem Dolomiten-Interview spricht der Landesrat für Landwirtschaft, Arnold Schuler davon, dass die Auszahlungen mit einem Jahr Verspätung begonnen hätten, was mit dem technischen Problem in der Anfangszeit des Programms zusammengehangen habe. Die anfänglichen Schwierigkeiten konnten jedoch überwunden und die Auszahlungen wieder auf Kurs gebracht werden (Dolomiten 2017a, 4).

Eine Besonderheit ist dabei die regionale Zahlstelle, da italienweit nur neun Regio­nen eine regionale Zahlstelle vorweisen können. Seit Oktober 2008 ist die Landeszahlstelle der Autonomen Provinz Bozen vom italienischen Ministerium für Land- und Forstwirtschaft für die Verwaltung der Gelder des EGFL und ELER zuständig und stellt seit Juli 2019 eine eigene Abteilung der Südtiroler Landesverwaltung.

Eine weitere Besonderheit ist die aktive Involvierung des Südtiroler Bauernbundes. Dieser bietet Antragstellern/-innen Hilfestellungen bei der Antragstellung. Im Hinblick auf den komplexen Prozess der Beantragung von Förderungen ist dies ein nicht außer Acht zu lassender Akteur.

Die seit dem 16. Oktober 2017 erfolgten Zahlungen liegen bei über 105 Millionen Euro (Stand 27.11.2019). Dabei handelt es sich um Prämien und Beihilfen aus dem EGFL, aus ELER und um die eigens dafür vorgesehenen Gelder der Autonomen Provinz Bozen (Autonome Provinz Bozen 2019a).

Zwischen 2016 und 2019 gab es drei Projektaufrufe, im Zuge derer wurden zwölf Projekte genehmigt. Genehmigte Projekte sind dabei unter anderen Spezialisierungslehrgänge zu Urlaub auf dem Bauernhof, welches von der Weiterbildungsgenossenschaft des Südtiroler Bauernbundes durchgeführt wird. Die Weiterbildungsgenossenschaft des Südtiroler Bauernbundes ist federführend bei fünf der zwölf genehmigten Projekte. Weitere Beispiele sind die Imkerschulung der Fachschule Laimburg und das Projekt Aufwertung und Neugestaltung von Kastanienhainen der Genossenschaft für Regionalentwicklung und Weiterbildung Sarntal (Autonome Provinz Bozen 2019f).

Bei der Analyse des ELER zeigt sich, dass es noch einige Bereiche gibt, die für eine effizientere Nutzung des Instruments überarbeitet werden müssten – insbesondere in Bezug auf Direktfinanzierungen. Die Kriterien für die Vergabe von Prämien über Direktzahlungen müssen an aktuelle Gegebenheiten angepasst werden und können nicht von Vergabekriterien aus der Vergangenheit abhängen. Denn Kulturen, welche vor 20 Jahre angebaut wurden, werden nicht zwangsläufig auch heute noch angebaut, und daher ist es für eine effiziente Nutzung kontraproduktiv historische Produktionsdaten zur Berechnung der Prämien heranzuziehen. Des Weiteren, sprechen die Finanzierungsmöglichkeiten vor allem Betriebe ab einer bestimmten Größe an, was nicht zuletzt mit dem komplexen Prozess der Antragstellung zusammenhängt und eine Hürde für klein strukturierte Betriebe darstellt. Aus diesem Grund sind der Bürokratieabbau sowie der Zugang zu Prämien für kleinere Betrieben ein großes Anliegen. Dennoch ist die Nutzung als auch die Bekanntheit des Fonds positiv zu werten. Insbesondere aufgrund der steigenden Mittel bietet der Fond einen Mehrwert für die Südtiroler Landwirtschaft. Es bleibt offen, wie sich der Fond im Zuge der GAP-Reform 2020 und des Brexit entwickeln wird und welche Veränderungen diese mit sich bringen werden.

3.2 Europäischer Fond für regionale Entwicklung (EFRE)

Durch EFRE sollen regionale Ungleichgewichte ausgeglichen werden, um den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt in der Union zu stärken. Für den aktuellen Zeitraum stehen dem Südtiroler Programm dabei 136 Millionen Euro zur Verfügung, davon sind 50 Prozent EFRE-Mittel, 35 Prozent Staatsmittel und 15 Prozent Landesmittel. Die Verwaltung verläuft dabei über die Landesabteilung „Europa“ (Autonome Provinz Bozen 2019b; 2019c).

Im vorangegangen Programmzeitraum von 2007 bis 2013 wurden die Wett­bewerbs­fähigkeit, die Nachhaltigkeit und die Prävention naturbedingter Risiken geför­dert. Das Programm wurde dabei in drei Prioritätsachsen aufgeteilt: Entwicklung und Forschung, Nachhaltigkeit und Förderung von Informationssystem zur Prävention hydrogeologischer Risiken und zum Gewässerschutz (Autonome Provinz Bozen 2019b).

In der aktuell laufenden Programmperiode gibt es einige zentrale Änderungen, die nicht zuletzt mit der Wirtschafts- und Finanzkrise zusammenhängen. Um sie an die neuen Prioritäten und Notwendigkeiten in den Regionen anzupassen, wurde die Kohäsionspolitik grundlegend überarbeitet. Im Programmbericht der Autonomen Provinz werden dabei zwei Hauptziele genannt: die dauerhafte Veränderung in der Wirtschaftsstruktur Südtirols einerseits und die Konzentration der Mittel auf ausgewählte Schwerpunkte andererseits (Autonome Provinz Bozen 2014, 5).

In der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol werden die EFRE-finanzierten Maßnahmen in der neuen Periode daher in fünf Prioritätsachsen eingeteilt. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Prioritäten nicht wesentlich von denen der vorangegangen Periode.

Die erste Achse fördert weiterhin Projekte in den Bereichen Forschung und Inno­vation. Laut Finanzplan stehen der Achse um die 33 Millionen Euro zu. Insgesamt wurden bis zum letzten Aufruf (Stand Oktober 2019) 122 Projekte eingereicht, wovon 59 genehmigt wurden. Beispielsweise wird im Rahmen dieser Achse das Projekt Merano Smart Tech Community der Gemeinde Meran mit über 700.000 Euro gefördert. Das Ziel des Projekts ist es, ein lokales, nachhaltiges und innovatives Ökosystem aufzubauen. Es werden Dienstleistungen angeboten, die die Inno­vation bereits bestehender fördern wie auch zur Förderung neuer Unternehmen beitragen soll (MESTECH 2019; Autonome Provinz Bozen 2019e).

Mit der zweiten Achse werden Projekte zur digitalen Umwelt gefördert. Der zweiten Achse steht dabei dieselbe Summe zu wie der ersten Achse. Bis Anfang Okto­ber 2019 gab es sieben Aufrufe zu Projekteinreichungen, im Rahmen derer insgesamt 56 Projekte genehmigt wurden. Mit dieser Prioritätsachse wird dabei unter anderem die Glasfaser Verlegungen in den Gemeinden Südtirols gefördert wie auch e-government Dienste. Ebenfalls wird die digitale Entwicklung der Landesabteilung Informationstechnik gefördert (Autonome Provinz 2019e).

Mit EFRE werden ebenfalls Projekte für die nachhaltige Umwelt finanziert. ­Dabei soll insbesondere die Integration von erneuerbaren Energiequellen gefördert werden. Südtirol stehen insgesamt 39 Millionen Euro zur Verfügung. Bis Anfang Oktober 2019 wurden 38 von 64 eingereichten Projekten genehmigt. In Südtirol werden vorwiegend energetische Sanierungen von Einrichtungen, wie etwa von Schulen, Kindergärten oder Rathäusern, finanziert.

Mit der vierten Achse werden Projekte zu Präventionen des Klimawandels sowie die Risikoprävention und das Riskmanagement im alpinen Raum gefördert. Für diese Bereiche stehen 26 Millionen Euro zur Verfügung. Es wurde von eingereichten 31 Projekten eines abgelehnt. Ein Beispiel ist das Projekt InReDam, welches sich zum Ziel gesetzt hat, die Nachhaltigkeit der Dämme zu erhöhen, zugleich aber die Baukosten deutlich zu verringern. Insgesamt wurden mit dem Projekt InReDam 400 Laufmeter Steinschlagschutzdämme entwickelt und erstellt. Durchgeführt wird das Projekt vom Amt für Geologie und Baustoffprüfung der Provinz (Autonome Provinz Bozen 2019g).

Die fünfte und letzte Achse finanziert die notwendigen technischen Hilfen, die für die korrekte Umsetzung der Programme notwendig sind. Zudem werden programmbezogene Informationen und Werbung finanziert. Dafür stehen dem Land über fünf Millionen Euro zur Verfügung (Autonome Provinz Bozen 2019e).

Zusammenfassend zeigt sich, dass ein hohes Interesse an Projektfinanzierungen über EFRE besteht und daher viele Anträge abgelehnt werden müssen, somit wäre eine Erhöhung der Volumina für die kommende Periode wünschenswert.

3.2.1 Interreg als Beispiel transnationaler Zusammenarbeit

Aufgrund der geographischen Lage Südtirols sind Finanzierungen im Rahmen interregionaler und transnationaler Zusammenarbeit ein wichtiger Bestandteil der ­EU-Regionalpolitik. Teil dieser Gruppe sind die Interreg-Programme, die über EFRE und über nationale Beiträge finanziert werden. Als Hauptziele der Programme werden eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung wie auch die harmonische Integration in Grenzräumen genannt. Die Projekte sind in fünf Schwerpunkte eingeteilt: Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Aufwertung des natürlichen und kulturellen Erbes, integrierte und nachhaltige Mobilität, Integration in der Gesellschaft und grenzüberschreitende Governance. Beispiele dafür sind Interreg Schweiz-Italien und Interreg Italien-Österreich (Europäische Union 2019).

Im Falle des Interreg Italien-Schweiz erarbeiten vier Regionen Italiens und drei Schweizer Kantone im Rahmen grenzüberschreitender Projekte an Lösungen für gemeinsame Herausforderungen. Konkret bedeutet dies, dass an jedem geförderten Projekt jeweils mindestens ein/-e Partner/-in aus der Schweiz und ein/-e Partner/-in aus Italien beteiligt sein muss. Die einzelnen Achsen werden dabei zu unterschiedlichen Teilen gefördert. Den Projekten stehen 117 Millionen Euro zur Verfügung (EU und nationale Gelder). Für jedes Projekt bedarf es dabei eines Lead Partners/einer Lead Partnerin, von denen bis dato (28.10.2019) sechs aus der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol kommen (Interreg Italien-Schweiz 2019). Ein Projekt mit Südtiroler Beteilung ist QAES, welches über die erste Achse gefördert wird. Dabei soll die Luftqualität in den Schulen mittels neuer Technologien verbessert werden. IDM Südtirol ist dabei der/die Lead Partner/-in für Südtirol, zu dem ist noch die Autonome Provinz, CasaClima und die Gemeinde Bozen beteiligt. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt Mobster, welches die elektrische Mobilität im Tourismus fördern soll. Neben der EURAC ist hierbei noch der Energiekonzern Alperia an der Verwirklichung des Projekts beteiligt (Interreg Italien-Schweiz 2019; Autonome Provinz Bozen 2019d).

Weitere Projekte werden im Rahmen des Interreg Italien-Österreich gefördert. Neben Südtirol sind noch weitere 18 Gebiete dabei, die in sechs verschiedenen Regionen liegen: Sowohl die Provinzen Udine, Görz und Pordenone aus der Region Friaul-Julisch Venetien als auch aus der Region Veneto die Provinzen Belluno, Treviso und Vicenza sind Teil des Kooperationsgebietes. Aus Österreich sind das Land Kärnten mit den Gebieten Klagenfurt-Villach, Oberkärnten und Unterkärnten, das Land Salzburg mit Pinzgau-Pongau, Lungau, Salzburg und Umgebung und das Land Tirol mit dem Tiroler Oberland, Innsbruck, dem Tiroler Unterland, Osttirol und Außerfern Teil des Interreg-Programmes (Autonome Provinz Bozen 2019d). Beispielsweise werden im Zuge von Interreg Italien-Österreich Projekte wie der Euregio ­Family Pass gefördert, der die Mobilität der Familien in der Europaregion Tirol Südtirol Trentino verbessern soll (Martha Gärber Dalle Ave, Interview, 25.11.2019). Zudem wird das Projekt EUMINT (Euregio, Migration and Integration) finanziert, welches sich mit Flüchtlingen und Asylwerbern/-innen im ländlichen Raum beschäftig. Neben der EURAC Bozen sind zahlreiche Südtiroler Einrichtungen, wie etwa die Bezirksgemeinschaften und das Regionalmanagment Wipptal, beteiligt (ZeMiT 2019).

Die Interreg-Programme der EU werden aus dem EFRE-Fonds gespeist und sind in Südtirol relativ bekannt. Diese Tatsache hängt nicht zuletzt mit der großen Reichweite und der Sichtbarkeit der Ergebnisse zusammen.

Zusammengefasst bieten die Interreg-Programme eine gute Möglichkeit für transnationale Projekte und die Förderung von Kooperationen für Südtirol und erfreuen sich eines hohen Bekanntheitsgrades.

3.3 Südtirol und der Europäische Sozialfond (ESF)

Der Europäische Sozialfond gilt als das wichtigste Instrument zur Förderung von Beschäftigung und der sozialen Eingliederung. Im Detail sind die Ziele des Programms: Ausbildung und Arbeitsbeschaffung, Förderung der sozialen Integration und Verbesserung von allgemeiner und beruflicher Bildung wie auch der Dienste im öffentlichen Bereich (Europäische Kommission 2019b). Die europäische Sozialpolitik ist, im Gegensatz zur Mainstream-Sozialpolitik auf der nationalen Ebene, marktorientiert. Dies spiegelt sich auch in den damit im Zusammenhang stehenden EU-Richtlinien wider: Schutz von schwangeren Frauen und jungen Menschen am Arbeitsplatz, Elternzeit oder Sicherheitszeichen an Arbeitsplätzen (Nugent et al. 2017, 362).

Die operationellen Programme werden dabei von den Regierungen und der Europäischen Kommission zusammen geplant. Diese Tatsache führt zu einer komplexen Verwaltungsstruktur auf nationaler und sub-nationaler Ebene (Nugent et al. 2017, 361).

Für Italien ist der Fokus insbesondere auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gerichtet, die im Südtiroler Kontext aufgrund einer sehr geringen Arbeitslosigkeit nur im weitesten Sinne von Relevanz ist.

Aus der Südtiroler Perspektive gab es in der Vergangenheit Probleme bei der Vergabe und der Abwicklung von ESF-Mitteln, die schlussendlich in einem Zahlungsstopp im Jahr 2013 gipfelten. Im März 2013 hat die Europäische Kommission eine Systemprüfung bei der Auditbehörde in Südtirol durchgeführt. Acht Vorhaben sind genauer beleuchtet worden und gravierende Mängel im Verwaltungs- und Kontrollsystem wurden aufgedeckt. Unter diesen waren Projekte der Gustav Mahler Stiftung, das Projekt des Bozner Gerichts wie auch Weiterbildungsprojekte des Bauernbundes und des KVW (Gonzato 2015). Einige dieser Projekte wurden anfänglich genehmigt und auf nationalstaatlicher Ebene sogar als Best-Practice-Beispiele prämiert, im weiteren Prüfprozess aber auf EU-Ebene von der letzten Kontrollinstanz als nicht zulässig erachtet. Dies hatte zur Folge, dass die Projekte nachträglich aus den Programmen genommen werden mussten, was unter anderem in einem Gerichtsverfahren zwischen Italien und der Europäischen Kommission gipfelte (Martha Gärber Dalle Ave, Interview, 25.11.2019). Diese Ereignisse machen das komplexe und mehrstufige Kontrollverfahren der Fonds deutlich: Die Zustimmung einer Instanz bedeutet nicht, dass die Projekte tatsächlich allen sukzessiven Kontrollinstanzen standhalten. Dies hat eine Unsicherheit zur Folge, die insbesondere durch den Zahlungsstopp aufseiten der Antragsteller/-innen in Südtirol zu einer massiven Verunsicherung geführt hat.

In einem Interview mit der Alto Adige spricht der damalige Direktor des Bozner ESF-Amtes, Graziano Molon, davon, dass von der Europäischen Kommission eine Anomalie von bis zu 66 Prozent beanstandet wurde (Gonzato 2015).

Im Bericht der Autonomen Provinz Bozen (2014, 7) wurden dabei insbesondere die schlechte Registerführung, eine mangelhafte oder teilweise vollständig fehlende Dokumentation der Kosten wie eine inkonsistente Interpretation der Regeln bei der Genehmigung von Projekten angeführt (Autonome Provinz Bozen 2014, 6–7). Die Gründe hängen mit einer grundsätzlichen Schwäche der Fonds im Zusammenhang mit unterschiedlichen Realitäten, auch innerhalb eines nationalen Territoriums, zusammen. Martha Gärber Dalle Ave hebt hervor, dass es im europäischen Kontext schwierig ist, regionalen Unterschieden und autonomen Regelungen Rechnung tragen zu können (Martha Gärber Dalle Ave, Interview, 25.11.2019).

Die Konsequenz der gefundenen Anomalien war die Zurückziehung von Zahlungen im Rahmen von 25 Prozent der insgesamt 150 Millionen. Davon betroffen waren laut Alto Adige-Bericht nicht weniger als 640 Projekte von 120 Antragstellern/-innen (Gonzato 2015). Es wurden Teilauszahlungen des Fonds im Zeitraum von 2013 bis 2014 eingestellt, was negative Auswirkungen auf zahlreiche private und öffentliche Einrichtungen hatte.

Der ESF-Skandal spiegelt sich auch in der Bewertung der Nutzung der Fördergelder wider. Das Ranking wurde 2016 von der Wirtschaftszeitung Il sole 24 ore veröffentlicht. Dabei landet Südtirol bei einem Vergleich der italienischen Regionen 2016 auf dem vorletzten Platz, noch schlechter abgeschnitten hat nur die Region Abruzzen (Dolomiten 2015, 17).

Eine weitere Besonderheit ist die Struktur Südtirols als eine Region, die stärker durch die Peripherie als durch ihre wenigen urbanen Zentren geprägt ist. Die Fonds, insbesondere der ESF, sind jedoch vor allem an Bedürfnisse urbaner Zentren gerichtet, welche die Südtiroler Bedürfnisse aber nicht vollständig erfassen. Die Direktorin der Abteilung Europa sieht diese Eigenschaften auch in Südtirol vorherrschend. Insbesondere in Bozen und Umgebung sind ESF-Mittel bekannter und werden vermehrt genutzt, in den peripheren Gebieten wie im Vinschgau oder im Pustertal hält sich deren Bekanntheit hingegen in Grenzen (Martha Gärber Dalle Ave, Interview, 25.11.2019).

Eine zentrale Problematik in der vergangen Programmplanungsperiode war, dass die einzelnen Projekte zum Zeitpunkt der Beanstandung schon in Abwicklung waren und die Einrichtungen fest mit dem ESF-Geld gerechnet hatten. Somit wurde der Zahlungsstopp für viele zu einem existenzbedrohenden Problem. In einem offenen Brief des Direktors des Brunecker Stadttheaters an den Landeshauptmann wird das insbesondere deutlich:

„Das Stadttheater Bruneck ist immer noch eine ESF-akkreditierte Aus­bildungsstätte. Trotzdem werden wir nie und nimmer mehr für dieses Amt Kurse oder Schulungen abhalten. Wir haben mit diesem Verein schon tausende von Euro draufgezahlt – und die Politik steckt ihren Kopf in den Sand und lässt uns im Regen stehen. Das reicht uns!“ (Stadttheater ­Bruneck 2019)

In Vergangenheit wurde die Europäische Theaterschule des Stadttheaters mit den ESF-Geldern finanziert, im Zuge des Auszahlungsstopps konnte diese jedoch nicht weiter finanziert werden und ist in der Auflassung der Schule gegipfelt. Dieses Schicksal ist beispielhaft für die Konsequenzen im Zuge des ESF-Zahlungsstopps für Südtirol. Da es sich jedoch um Mittel der Europäischen Union handelt, konnte und kann die Südtiroler Landesverwaltung nicht eigenmächtig handeln und muss sich an die europäischen Spielregeln halten.

Zusammenfassend ist der Europäische Sozialfond der Fond in Südtirol, mit dem die meisten Hürden und Probleme verbunden sind. Dabei gab es eine Reihe von Faktoren, die für die fehlerhafte Auswertung ausschlaggebend waren. Insbesondere sind die inkonsistente Interpretation des Regelwerks wie die mangelhafte Kontrolle der Projekte zu nennen. Die Gründe sind nicht nur auf regionaler Ebene zu finden, sondern stellen eine Kombination aus regionalen Besonderheiten und nationalen wie europäischen Hürden dar. Bis dato laufen noch diverse Gerichtsverfahren. Einige wurden bereits abgeschlossen und bestätigen die Richtigkeit des Zahlungsstopps beziehungsweise der Rückzahlungsforderungen seitens der Südtiroler Landesverwaltung. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine umfassende Abschlussbewertung des Skandals und dessen Folgen jedoch noch nicht möglich.

In Verbindung mit dem ESF-Skandal stand die verspätete Einreichung des Programms 2014–2020. Verspätete Programmgenehmigungen sind jedoch keine Besonderheiten, sondern entsprechen eher der Norm. Frau Gärber Dalle Ave unterstreicht hierbei den Zusammenhang mit Italiens Vielzahl an Regionen: Der Programmgenehmigungsprozess dauert hier länger als in anderen Europäischen Staaten. Somit werden in der Regel die Programme, auch jene der anderen Fonds, verspätet genehmigt (Martha Gärber Dalle Ave, 25.11.2019). Für das aktuelle ESF-Programm stehen der Provinz 128 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Projekte erstrecken sich dabei über vier Achsen: Die erste fördert Projekte im Bereich Beschäftigung, mit der zweiten Achse werden Projekte zur sozialen Inklusion und Bekämpfung von Armut gefördert, während die dritte Achse auf Bildung setzt. Die letzte Achse ist eine unterstützende Maßnahme, die Ressourcen für administrative Aufgaben bietet. Zu den vier Zielgruppen zählen Jugendliche und Bürger/-innen unter 30 Jahren, Frauen im arbeitsfähigen Alter, ansässige Einwanderer und Langzeitarbeitslose (Dolomiten 2017b, 14).

Ein Beispielprojekt für die aktuelle Periode ist unter anderen der Lehrgang Web and Social Media Marketing, der sich an nicht erwerbstätige Frauen richtet. Der Kurs ist dabei kostenlos für die Teilnehmerinnen und wird von der Bildungsorganisation Kantea ausgerichtet. Zusätzlich bietet Kantea weitere von dem ESF finanzierte Projekte an, wie den Kurs Fachkraft im Energiemanagment, der sich an junge, arbeitslose Erwachsene unter 25 Jahren richtet (Kantea 2019). Neben den hier genannten Beispielen werden im Rahmen des ESF zahlreiche weitere Kurse angeboten, welche die einzelnen Prioritäten adressieren.

Das laufende ESF-Programm selbst wurde in einer von Hektik und Umstrukturierung definierten Phase entwickelt und die Priorität der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf nationaler Ebene wurde auch für Südtirol übernommen. Im Hinblick auf die aktuelle regionale Situation, in der nahezu Vollbeschäftigung vorherrscht, ist diese Ausrichtung daher obsolet und verfehlt regionale Besonderheiten. Die Abteilungsdirektorin bezeichnet die fehlende Flexibilität für eine rasche Anpassungsmöglichkeit des Programms als eine generelle Schwäche der Fonds. Aufgrund dieses fehlenden Spielraums konnten europaweit beispielsweise nicht genügend Gelder für die Abmilderung der Migrationskrise herangezogen werden (Martha Gärber Dalle Ave, Interview, 25.11.2019).

Die Folgen des Zahlungsstopps in der vorangegangenen Periode zeigen sich auch noch in der neuen Periode. Die größte Nachwirkung ist und bleibt der Vertrauensverlust, dies bestätigte auch die Abteilungsdirektorin. Im Zuge des Zahlungsstopps sind viele Antragsteller/-innen abgeschreckt worden, was sich in den geringen Anträgen für ESF-Gelder zeigt. Frau Gärber Dalle Ave hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die Nachfrage seit 2016 jährlich wieder ansteigt, es jedoch immer noch nicht möglich ist, die proklamierten Ziele zu erreichen. Laut der Abteilungsdirektorin ist die Zurückgewinnung des Vertrauens daher eine Hauptaufgabe der Abteilung Europa. Maßnahmen hierfür sind zum einen eine Reihe von Treffen und Vorträgen zur Vorstellung des Fonds. Beispielsweise läuft die Initiative „128 Chancen“, die in Form von Plakaten und Werbespots die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren und zudem einen call for action für potenzielle Begünstigte darstellen soll (Martha Gärber Dalle Ave, Interview, 25.11.2019).

Als eine weitere Kernkritik am Prozess nennt Frau Gärber Dalle Ave die hohen bürokratischen Anforderungen, insbesondere für eine kleine Verwaltung, wie es jene in Südtirol ist (Martha Gärber Dalle Ave, Interview, 25.11.2019).

Das Hauptziel ist das Vertrauen der Antragsteller/-innen zurückzugewinnen, denn trotz der Vollbeschäftigung können Projekte einen zentralen Mehrwert für Südtirol bieten. Es bleibt abzuwarten, wie die letzten Monate des Programmes verlaufen und wie viele Projekte bis 2023 verwirklicht werden können. Es wird aber sicherlich noch einige Zeit dauern, bis das Vertrauen zurückgewonnen und die Bekanntheit im Allgemeinen gesteigert werden kann, um das Potenzial des ESF auch in Südtirol voll ausschöpfen.

4. EU-Direktförderungen

Bei der Auseinandersetzung mit EU-Förderungen in Südtirol sind auch Direktförderungen zu nennen. Diese machen rund 20 Prozent des EU-Budgets aus und werden direkt über die EU-Kommission verwaltet. Dabei zeichnen sie sich durch ein großes finanzielles Volumen und entsprechend hohe Ansprüche an die Antragsteller/-innen aus. Eine zentrale Anforderung derselben ist die Transnationalität und es braucht daher mindestens drei Partner/-innen aus drei Ländern. Zudem sind die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die gesamte europäische Ebene, im Sinne eines Mehrwerts für die gesamte Union, und die Kofinanzierung als weitere Kriterien zu nennen (Oberrauch/Perkmann 2018, 9).

Ein Beispiel für den aktuellen Finanzierungsrahmen ist Horizon 2020, das eine Grundlage für die Förderung von Forschung und Innovation in der EU bieten soll. Gleichzeitig soll das Prinzip der Nachhaltigkeit gefördert werden. Ein weiteres Programm ist COSME, das sich gezielt an die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von kleineren und mittleren Unternehmen richtet. Dabei werden unter anderem die Internationalisierung und der Austausch zwischen Unternehmen gefördert.

Das WIFO hat auf Initiative des EU-Außenamtes der Autonomen Provinz Bozen eine Studie über die Bekanntheit und die Nutzung des Fördermittels in der Südtiroler Wirtschaft durchgeführt. Dabei erfolgte eine repräsentative Umfrage mit über 1.800 Unternehmen in Südtirol. Das Ziel der Studie ist zum einen die Bekanntheit der Direktfinanzierungen zu erörtern und zum anderen Hürden zu definieren wie auch Lösungsvorschläge zu bieten (Oberrauch/Perkmann 2018, 2–4).

Im Hinblick auf die Bekanntheit der Instrumente zeigt der Bericht, dass etwa 21 Prozent der Befragten die indirekten Programme zwar kennen, aber nur knapp ein Prozent eine der Förderungen schlussendlich beantragt haben. Direktförderungen sind noch weniger bekannt und werden noch weniger genutzt als die ESI-Fonds: Lediglich um die 16 Prozent der befragten Unternehmen kennen die Möglichkeit und nur 0,7 Prozent haben eine Finanzierung beantragt. Diese erste Statistik zeigt deutlich die noch relative Unbekanntheit von EU-Förderungen im Allgemeinen, insbesondere aber der Direktförderungen (Oberrauch/Perkmann 2018, 12–13).

Ebenfalls zu nennen ist die im Bericht beschriebene sektorale Besonderheit. Insbesondere bei landwirtschaftlichen Genossenschaften ist die Bekanntheit wie auch die Nutzung der Direktförderungen größer als in anderen Sektoren (Oberrauch/Perkmann 2018, 15–20). Dies unterstreicht die Relevanz der Europäischen Union im Hinblick auf den landwirtschaftlichen Sektor. Als Gründe für das niedrige Interesse an Direktförderungen werden Faktoren wie der bürokratische und verwaltungstechnische Aufwand und das Fehlen von Personal sowie fehlende Kenntnisse im Bericht genannt (Oberrauch/Perkmann 2018, 20).

Im Bericht finden sich auch Vorschläge zur Steigerung der Bekanntheit: Zum einen sei eine gezielte Kommunikationsstrategie notwendig, um die Bekanntheit bei Unternehmen zu fördern. Als weiterer Punkt wird die Unterstützung bei den Ansuchen und bei der Verwaltung des Förderprojekts genannt. Davon könnten insbesondere kleinere Unternehmen profitieren, da die Suche von internationalen Projekt­partnern/-innen sowie sprachliche und verwaltungstechnische Schwierigkeiten vermehrt auftreten (Oberrauch/Perkmann 2018, 6).

Direktförderungen stehen im Zeichen der Transnationalität und aufgrund der geographischen Lage Südtirols könnte ihre effizientere Nutzung einen Mehrwert für Südtiroler Unternehmen bieten. Dabei ist insbesondere die Förderung der Bekanntheit von Relevanz, da voraussichtlich die Direktförderungen in der nächsten Programmperiode eine zunehmend wichtige Rolle spielen und es daher wichtig ist, dass sie von Unternehmen sowie von Privatpersonen mehr genutzt werden.

5. Ausblick

Abschließend soll ein Blick in die Zukunft geworfen werden, die im Kontext der EU Regionalpolitik mit der neuen Programmperiode nach 2020 beginnt. Auf der offiziellen Webseite (Europäische Kommission 2018) werden die potenziellen Änderungen für die kommende Periode präsentiert. Dabei ist eine der zentralsten Änderungen, dass es in Zukunft anstelle von elf nur noch fünf Ziele geben soll. Dazu gehören ein intelligenteres Europa durch Innovation und Digitalisierung, ein grüneres Europa sowie ein bürgernäheres Europa durch Unterstützung lokal geführter Entwicklungsstrategien.

Zudem sollen der Zugang und die Verwendung von EU-Mitteln vereinfacht wie auch ein einziges Regelwerk für alle Fonds festgelegt werden. Insbesondere auch Kleinunternehmen soll der Zugang zu Finanzierungen erleichtert werden. Im Hinblick auf die WISO-Studie kann dies auch zu einer vermehrten Nutzung in Südtirol führen.

Ändern soll sich auch das Kontrollverfahren, das in Form einer Halbzeitüberprüfung effizienter gestaltet werden soll, um so die Prioritäten gezielter anpassen zu können und Flexibilität zu schaffen. Die Kommission schlägt für Grenzregionen zudem vor, bei bestimmten befristeten Projekten oder Maßnahmen die Vorschriften des einen Mitgliedstaats auch in einem benachbarten Mitgliedstaat anzuwenden. Diese Änderung soll die Zusammenarbeit erleichtern und Hindernisse bei der transnationalen Kooperation überwinden. Im Hinblick auf Südtirol als Grenzregion kann diese Änderung ebenfalls zum Abbau vorhandener Hürden beitragen.

Ungeklärt bleibt, wie die EU-Regionalpolitik sich durch den Brexit ändern wird. Die schlussendliche Umsetzung bleibt jedoch offen und inwieweit diese Hürden abgebaut und die indirekten wie auch direkten Finanzierungen effizienter genutzt werden können, wird sich in Zukunft zeigen.

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Abb. 1