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Verena Wisthaler

Immigration in Südtirol: Regionale Integrationspolitiken und lokale Entscheidungsprozesse

1. Einleitung

Zuwanderung und die zunehmende kulturelle, sprachliche und religiöse Diversifizierung der Gesellschaft zählen zweifelsohne zu den großen Herausforderungen der heutigen Zeit. In Italien, und somit auch in Südtirol, gewann Immigration erst in den letzten 20 Jahren an Bedeutung, sodass Immigrations- und Integrationspolitiken weder auf eine lange Tradition zurückblicken noch über einen langen Zeitraum entwickelt wurden. In der Forschung wird Italien zu jenen „jüngeren Einwanderungsländern“ (Papagianni 2014, 390) gezählt, die in den 1980er-Jahren vom klassischen Auswanderungsland zum Einwanderungsland wurden, jedoch keine einheitlichen Migrationspolitiken entwickelten, wohl aber durch wiederkehrende Regularisierungsmaßnahmen versuchten, die Einwanderung und Integration zu verwalten. Zeitgleich hat auch die Europäische Union (EU) auf die Zuwanderung und den freien Personenverkehr innerhalb der EU reagiert und Richtlinien und Rechtsakte erlassen, die die Immigrations- und Integrationspolitiken der Staaten und Regionen nachhaltig beeinflussen. Zudem hat der europäische Integrations­prozess gezeigt, dass sämtliche Politikbereiche, und somit auch Immigrations- und Integrations­politiken, wesentlich durch das System der Multi-level Governance geprägt werden (vgl. Schmidtke/Zaslove 2014, 80).

Regionale Immigrations- und Integrationspolitiken sind also abhängig bzw. beeinflusst von den Vorgaben und Entwicklungen auf europäischer sowie nationaler Ebene. Trotzdem zeigt sich, dass sich Immigrations- und vor allem Integrationspolitiken auf substaatlicher Ebene wesentlich von jenen auf nationaler Ebene unterscheiden können (vgl. Caponio/Borkert 2010), einer unterschiedlichen Logik der Politisierung folgen und folglich anders formuliert und gestaltet werden. Dies gilt umso mehr, da regionale Politiken unmittelbar auf den spezifischen regionalen Kontext reagieren und sich direkt an den Bedürfnissen und Interessen desselben orientieren.

Südtirol1 wird seit beinahe 100 Jahren durch das Zusammenleben der deutschsprachigen, der italienischsprachigen sowie der ladinischen Sprachgruppe geprägt. Dieses Zusammenleben wird von einer weitreichenden Autonomie geregelt, sodass die Autonome Provinz Bozen über einen erweiterten Handlungsspielraum im Vergleich zu anderen italienischen Regionen und Provinzen mit Normalstatut verfügt. Integrationspolitiken berühren als Querschnittsmaterie auch autonom geregelte Bereiche wie Bildung, Kultur, aber auch Wohnen und Soziales, sodass die Provinz auch im Bereich der Integrationspolitiken zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten hat. Südtirol weist zwar eine lange und vielseitige Erfahrung in der Gestaltung des Zusammenlebens zwischen den drei Sprachgruppen auf. Zuwanderung ist, abgesehen von der Zuwanderung von Personen aus anderen italienischen Regionen, jedoch ein relativ junges Phänomen für Südtirol. Politiken zum Umgang mit der daraus resultierenden zusätzlichen sprachlichen, religiösen, ethnischen und kulturellen Diversität haben sich nur langsam und zögerlich entwickelt, wobei die gegebene autochthone sprachliche und kulturelle Vielfalt innerhalb der Südtiroler Bevölkerung eine ganz besondere Ausgangslage für den Umgang mit Zuwanderung darstellt.

Der vorliegende Beitrag möchte die Entwicklung des Politikfeldes Integration in Südtirol aufzeigen, wobei sich der Aufsatz auf jene Politiken beschränkt, die die sozioökonomische, politische und kulturelle Aufnahme und Partizipation all jener Personen, die aus einem anderen Land nach Südtirol gezogen sind und derzeit ihren Lebensmittelpunkt in Südtirol haben, in der Südtiroler Gesellschaft gestalten. Diese Politiken werden gemeinhin als Integrationspolitiken bezeichnet und stehen im Gegensatz zu den Immigrationspolitiken, die Ein- und Ausreise sowie den Zugang zur Staatsbürgerschaft regeln (Hammar 1990). Die Gestaltung und Umsetzung der Immigrationspolitiken obliegt nämlich den Staaten, wobei sowohl die EU als auch die einzelnen Regionen nur geringen Einfluss auf die Gestaltung derselben nehmen können, und sind deshalb nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrages. Hingegen haben die italienischen Regionen und Provinzen, insbesondere die Autonome Provinz Bozen, in der Ausarbeitung von Integrationspolitiken einen weitaus größeren Handlungsspielraum, wie im vorliegenden Artikel gezeigt wird.

Um die Entwicklung des Politikfeldes Integration in Südtirol aufzuzeigen, bedient sich dieser Beitrag der Methode des process tracing und vergleicht und analysiert Interviews mit Experten, die an der Entwicklung der Integrationspolitiken beteiligt waren2, sowie Textdokumente wie die unterschiedlichen Gesetzesentwürfe, die schlussendlich zum Landesgesetz Nr. 12/28.10.2011 zur „Integration ausländischer Bürgerinnen und Bürger“ geführt haben, das Landesgesetz Nr. 12/2011 selbst sowie Wortprotokolle der Landtagsdebatten, in denen das Gesetz diskutiert wurde.

Der Beitrag legt zuerst die aus den europäischen und nationalen Vorgaben entstehenden Rahmenrichtlinien fest, an denen sich die Integrationspolitiken der Autonomen Provinz Bozen orientieren sollten. Im darauffolgenden Teil wird ein Überblick über die Entwicklung des Migrationsphänomens gegeben, wobei insbesondere die Entwicklung der numerischen Stärke der in Südtirol ansässigen EU-Bürger und Nicht-EU-Bürger und deren Herkunftsländer betrachtet wird. Daran anschließend wird der Weg bis zur Verabschiedung des Landesgesetzes Nr. 12/2011 aufgezeigt. Darauf aufbauend werden neueste Entwicklungen und Herausforderungen, die aus der Implementierung dieses Gesetzes entstanden sind, dargelegt. Die Schlussbemerkungen diskutieren die aktuellen Herausforderungen, die auch aus den lokalen Besonderheiten entstanden sind.

2. Die Entwicklung der Immigrations- und Integrationspolitik auf europäischer und nationaler Ebene als Rahmen für die Integrationspolitik in Südtirol

2.1 Europäische Vorgaben: vom Streben nach einer Gleichstellung von ­EU-Bürgern und Drittstaatsangehörigen

Aufgrund des Prinzips des freien Personenverkehrs, das als eine der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union gilt, nimmt die EU maßgeblich Einfluss auf die Regelung der Eingliederung und Integration von Nicht-Unionsbürgern. Abgeleitet vom Prinzip des freien Personenverkehrs ist auch die zentrale Einteilung in Unions­bürger und Drittstaatsangehörigen. Unionsbürger sind somit alle Staatsbürger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union.3 Im Gegensatz dazu werden alle Nicht-Unionsbürger als Drittstaatsangehörige bezeichnet.

Die EU versucht einerseits gemeinsame Rahmenrichtlinien für die Gestaltung der durch den freien Personenverkehr aller Unionsbürger entstandenen sprachlichen, kulturellen und religiösen Vielfalt zu entwickeln und andererseits die Lebensumstände und rechtlichen Möglichkeiten der in der EU lebenden Drittstaatsangehörigen an jene der Unionsbürger anzupassen.

Durch den Vertag von Maastricht (1992) wurde die Unionsbürgerschaft erstmals eingeführt und seit dem Lissabonner Vertag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) von 2009 regeln Art. 18, 20, 21 und 22 die Rechte und Pflichten der Unionsbürger. Dabei hat vor allem das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU sowie das Diskriminierungsverbot und das Kommunalwahlrecht am Wohnort den größten Einfluss auf nationale und lokale Integrationspolitiken. Neben der sich aus Art. 21 AEUV ableitenden Möglichkeit, sich frei innerhalb der EU zu bewegen, niederzulassen und wirtschaftlich tätig zu sein, verbietet Art. 18 AEUV4, Unionsbürger rechtlich schlechter als Inländer oder auch ansässige Drittstaatsangehörige zu stellen. Ausnahmen sind nur aufgrund von sachgerechten Gründen wie z. B. einer Gefahr­ für die nationale Sicherheit oder der besonderen Schutzbedürftigkeit von Minderheiten zulässig. Aus dem Diskriminierungsverbot ergibt sich die paradoxe Möglichkeit, dass Unionsbürger gegenüber Inländern besser gestellt sind. Wenn z. B. im Herkunftsland eine Qualifizierung zur Ausübung eines bestimmten Berufes ausreicht, im derzeitigen Wohnsitzland von den eigenen Staatsbürgern aber eine höhere Qualifikation verlangt wird, so kann der Unionsbürger aufgrund seiner im Herkunftsland geltenden Ausbildung den Beruf in anderen EU-Ländern ausüben. Darüber hinaus ermöglicht Art. 22 AEUV es allen in einer Gemeinde ansässigen Unionsbürgern, ebenso wie den ansässigen Staatsbürgern, aktiv sowie passiv an Kommunalwahlen teilzunehmen. Der freie Personenverkehr wurde insbesondere auch durch das Schengener Abkommen von 1995 erleichtert und wird gegenwärtig durch die Freizügigkeitsrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG) geregelt.

Im Gegensatz zu Unionsbürgern verfügen Drittstaatsangehörige über weit weniger Rechte und Möglichkeiten, sich in der EU niederzulassen, frei zu bewegen und wirtschaftlich tätig zu sein bzw. sind – je nach rechtlichen Status und ob mit langfristiger Aufenthaltsgenehmigung oder nicht – grundsätzlich davon ausgeschlossen. Die Angleichung der Rechte und Lebensumstände von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen gehört seit dem Bestreben, einen Raum der Freiheit, der Sicher­heit und des Rechts durch den Vertag von Amsterdam zu schaffen, zu den Prioritäten der EU. Die Umsetzung derselben wurde erstmals auf einer Sonder­tagung des Europäischen Rats in Tampere (15./16. Oktober 1999) diskutiert und in einem Mehrjahresplan (von 1999 bis 2004), dem sogenannten Tampere-Programm beschlossen, wobei vor allem die Handhabung der Migrationsflüsse bzw. eine Harmonisierung der Asyl-, Flüchtlings-, Visa- und Zuwanderungspolitik, die Aufnahme und Integration von Drittstaatsangehörigen sowie die Beziehungen und Partnerschaften mit den Herkunftsländern dieser Personen im Mittelpunkt standen. Allerdings erwies sich die Umsetzung des Tampere-Programmes einerseits aufgrund der sensiblen Politikbereiche und andererseits aufgrund der divergierenden Interessen der Mitgliedsstaaten als schwierig (Papagianni 2014, 378). Auch die Nachfolgeprogramme (Haager Programm, Stockholmer Programm und schlussendlich der Beschluss des Europäischen Rats vom 26./27. Juni 2014) verfolgten den Ausbau des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.

Bis 2004 wurden in Bezug auf die Regelung des Aufenthaltes von Drittstaatsangehörigen einige, in Bezug auf die Harmonisierung des Zugangs zu Rechten derselben allerdings wenige Richtlinien verabschiedet: Die Familienzusammenführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/EG) regelt den Zuzug und die Rechte von Familienmitgliedern von Inländern bzw. in der EU lebenden Drittstaatsangehörigen. Diese Richtlinie wurde jedoch in den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich umgesetzt und trug deshalb nur begrenzt zur Harmonisierung des Zugangs von Drittstaatsangehörigen bei. Die Daueraufenthaltsrichtlinie (Richtlinie 2003/109/EG) regelt die Bedingungen des Aufenthalts jener Drittstaatsangehörigen, die über fünf Jahre rechtmäßig in der EU leben, wobei die sogenannten langfristig Aufenthaltsberechtigten über mehr Rechte verfügen als Drittstaatsangehörige mit befri­steter Aufenthaltsgenehmigung. Die Studentenrichtlinie (Richtlinie 2004/114/EG) regelt die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst. Auch die Richtlinie über ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung (Richtlinie 2005/71/EG) und die Verordnung zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige (EG-Verordnung Nr. 1030/2002) widmen sich der Gestaltung der Einreise- und Aufenthalts­bedingungen von Drittstaatsangehörigen.

Neben diesen Richtlinien, die sich explizit mit Drittstaatsangehörigen auseinandersetzen, beeinflussen auch die Gleichbehandlungsrichtlinie (Richtlinie 2000/78/EG ) sowie die Antirassismusrichtlinie (Richtlinie 2000/43/EG) das Politikfeld Integration. Zudem wurde in einer Reihe von Grundsatzdokumenten die Ausrichtung einer zukünftigen Europäischen Integrationspolitik dargelegt. Im Jahre 2003 wurde in der Mitteilung der Europäischen Kommission über Einwanderung, Integration und Beschäftigung5 ein holistischer Ansatz im Politikbereich gefordert, der alle betrof­fenen Bereiche (Arbeitsmarkt, Soziales, Bildung, Stadtplanung, Kultur usw.) miteinschließt. Auch das Konzept einer „zivilen Bürgerschaft“6, anhand derer Drittstaatsangehörige auch politische Rechte erlangen könnten, wurde erstmals angedacht.

Die Gemeinsamen Grundprinzipien für die Politik der Integration von Einwanderern in der EU7, die im November 2004 vom Rat für Justiz und Inneres verabschiedet wurden, waren das erste richtungsweisende politische Dokument. Dabei wurde Integration einerseits als ein „dynamischer, in beide Richtungen gehender Prozess des gegenseitigen Entgegenkommens aller Einwanderer und aller in den Mitgliedstaaten ansässigen Personen“8 definiert und die Achtung der Grundwerte der EU gefordert. Andererseits wurde der wirtschaftliche Aspekt von Migration hervorgehoben, wobei „Beschäftigung […] eine wesentliche Komponente des Eingliederungsprozesses und […] für die Teilhabe von Einwanderern, für ihren Beitrag zur Gestaltung der Aufnahmegesellschaft und für die Verdeutlichung dieses Beitrags von zentraler Bedeutung“ ist.9 Diese in den Grundprinzipien erstmals festgelegte ökonomische und von Sicherheitsbedenken geprägte Herangehensweise zieht sich durch die gesamten nachfolgenden Dokumente und Strategien der EU, wobei auch die aktuelle Wirtschaftskrise eine solche Ausrichtung nicht änderte (vgl. Campomori/Caponio 2013, 164). Die Umsetzung der Grundprinzipien wurde in der Gemeinsamen Agenda für Integration festgelegt, Nationale Kontaktstellen für Integration sowie ein Europäischer Fonds für die Integration von Drittstaatsangehörigen gegründet. In einem Europäischen Integrationsforum tagt zweimal jährlich die Zivilgesellschaft und berät über Herausforderungen zur Umsetzung der EU-Agenda für Integration. Die Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte der EU, die durch das Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der EU durch die Annahme des Vertrages von Lissabon bestätigt wurde, unterstützt zwar die Integrationsbestrebungen. Allerdings bleibt eine gemeinsame und koordinierte Europäische Integrationspolitik schwierig, da es einerseits eine Reihe von zwischen den Mitgliedsstaaten divergierenden Kategorien mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten von Drittstaatsangehörigen gibt, die zum Teil auch auf bilateralen Abkommen mit Herkunftsländern basieren. Andererseits herrschen in den Mitgliedsstaaten divergierende politische und ökonomische Realitäten und Notwendigkeiten, die zu unterschiedlichen Ansätzen bezüglich Immigration und Integration führen. Auch der Rechtsruck vieler europäischer Staaten und der wachsende Einfluss rechtsradikaler und populistischer Parteien, die mit ihren Anti-Immigrationsprogrammen Einfluss auf die Agenda nehmen, sowie die Notwendigkeit auch die europäische Zivilgesellschaft vermehrt in Entscheidungsprozesse einzubinden, erleichtert weder die Umsetzung und Weiterentwicklung einer europäischen Integrationspolitik noch die Angleichung der Rechte und Pflichten und somit der Lebensumstände von Unions­bürgern und Drittstaatsangehörigen.

2.2 Nationale Vorgaben: von Notfallmaßnahmen zum Versuch einer Koordination

Italien war lange Zeit ein Auswanderungsland. Dieser Trend änderte sich erst Ende der 1970er-Jahre. So gehört Italien zu jenen südeuropäischen Ländern, die nach 1989 erst langsam auf die sich verändernden Migrationsflüsse reagierten. Derzeit haben 8,1 Prozent der in Italien lebenden Bevölkerung keine italienische Staatsbürgerschaft: Circa 30 Prozent davon sind EU-Bürger, weitere 30 Prozent haben eine Staatsbürgerschaft aus einem europäischen Land, das kein EU-Mitglied ist, weitere 30 Prozent eine asiatische oder afrikanische Staatsbürgerschaft und circa 10 Prozent gehören einem amerikanischen Land an. Die vier größten Gruppen sind Rumänen (21,2 %), Albaner (10,6 %), Marokkaner (9,7 %) und Chinesen (5 %).10 Seit 2009 konnte aufgrund der wirtschaftlichen Lage Italiens einerseits ein Rückgang des Zuflusses registriert werden. Andererseits wird seit dem Scheitern des Arabischen Frühlings in Libyen sowie den Krisen in Mittleren Osten eine Zunahme an Flüchtlingen und Asylsuchenden, die über das Mittelmeer nach Italien einzureisen versuchen, verzeichnet. Der Großteil der Migranten (61,8 %) hat sich im Norden Italiens niedergelassen, weitere 24,2 Prozent im Zentrum. Allein in den Provinzen Mailand und Rom lebt ein Sechstel aller nach Italien eingewanderten Personen.11

Ambrosini bemerkt, dass Italien Schwierigkeiten hat, sich diese multiethnische Vielfalt als Realität einzugestehen und sich als multiethnische Nation zu definieren (2013, 179). Die italienische Immigrations- und Integrationspolitik ist deshalb durch die Abwesenheit eines kohärenten Ansatzes zur Gestaltung dieser Vielfalt und durch das Erlassen von aufeinander folgenden Notfallmaßnahmen und Regularisierungsprogrammen (Triandafyllidou/Gropas 2014, 4) charakterisiert. Bedingt durch die besondere geografische Lage Italiens an der Südgrenze der Europäischen Union und den Zufluss an (Boots-)Flüchtlingen, konzentrierte sich der Staat in den frühen 1990er-Jahren insbesondere darauf, die Zuwanderung einzuschränken und die Personenfreizügigkeit zu unterbinden (Ambrosini 2014, 199), und nur wenig darauf, die politische und sozioökonomische Integration der Personen mit Migrationshintergrund zu fördern. Die Gestaltung und Umsetzung all jener Politiken, die die Integration der Personen mit Migrationshintergrund betreffen, wie z. B. in den Bereichen Gesundheit, Teilnahme am öffentlichen Leben, Bildung und Wohnen, wurde mittels der nationalen Rahmenrichtlinien12 den Regionen und Provinzen übertragen (Campomori/Caponio 2013, 163), während der Staat die ausschließliche Kompetenz in Fragen der Kontrolle der Migrationsflüsse, Ein- und Ausreise, Vergabe der Staatsbürgerschaft, Asyl und Flüchtlingspolitik behielt.

Bereits 1986 wurde mit dem Staatsgesetz Nr. 943/1986 ein erster Versuch unternommen, die bis dato nach Italien eingereisten Personen, die vor allem auf dem Schwarzmarkt arbeiteten, zu legalisieren, doch erst die Umwandlung der Notverordnung D.L. Nr. 416 vom 30.12.1989 in das sogenannte Martelligesetz (Nr. 39/1990) regelte die Prozesse zur Erlangung eines Visums, der Aufenthaltsgenehmigung oder der Ausweisung und erkennt auch das Asylrecht gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention an.

Die bis zu diesem Zeitpunkt wenig institutionalisierte und fragmentierte Immigrations- und Integrationspolitik (Caponio/Graziano 2011) Italiens versuchte das sogenannte Turco-Napolitano-Gesetz (Nr. 40/1998) zu harmonisieren und durch ein Rahmengesetz die sich bis dahin ergänzende, überlappende und zum Teil auch widersprürchliche Gesetzeslage zu ordnen, wobei auch der Schutz der kulturellen Vielfalt und der individuellen Rechte der Migranten hervorgehoben wurde. Mit diesem Gesetz wurde auch die langfristige Aufenthaltsgenehmigung eingeführt (carta di soggiorno 13) und eine rechtliche Gleichstellung von Drittstaatsangehörigen insbesondere in den Bereichen Schulbildung, Wohnungszugang und Rechtsschutz angestrebt, der Prozess zur Erlangung der italienischen Staatsbürgerschaft festgelegt, die Aufnahmezentren (Centro di permanenza temporanea14) für illegale Einwanderer, die übergangsweise den grundlegenden Wohn- und Verpflegungsbedarf deckten, eingerichtet und ein Nationaler Fond für die Finanzierung der Integrationsbestrebungen auf regionaler Ebene vorgesehen. Das Turco-Napolitano-Gesetz legte auch den Grundstein für periodisch zu erstellende Mehrjahrespläne zur Planung der Immigrationsflüsse (Quotenregelung) und Integrationsmaßnahmen.

Die auf das Turco-Napolitano-Gesetz folgenden zehn Jahre waren charakterisiert von einer steigenden Notwendigkeit an ausländischen Arbeitskräften in bestimmten Segmenten des Arbeitsmarktes, auf die der italienische Staat mit jährlich festgelegten Quoten und periodisch wiederkehrenden Regularisierungsmaßnahmen reagierte. Demgegenüber gestaltete sich die Immigrationspolitik bis 2010 immer restriktiver und konzentrierte sich auf die Beschränkung der Zuflüsse. Das Bossi-Fini-Gesetz Nr. 189/2002 verknüpfte Arbeit und Aufenthaltsgenehmigung, wobei nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit automatisch die Aufenthaltsgenehmigung von Drittstaatsangehörigen verfällt. Insbesondere nach dem von der Anti-Immigrationskampagne der italienischen Rechtsparteien beherrschten Wahlkampf 2008 (Ambrosini 2014) wurden die unter dem Deckmantel des „Sicherheitspaketes“ bekannten Gesetze (Nr. 125/2008 und Nr. 94/2009) eingeführt, die die Sicherheit für italienische Staatsbürger garantieren und illegale Einreise bekämpfen sollten: Auch der unrechtmäßige Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen auf italienischen Staatsgebiet wurde zur Straftat, bei Vergehen und deren Anklage verloren Drittstaatsangehörige mit sofortiger Wirkung die Aufenthaltsgenehmigung, bei Nichtbefolgung des Ausweisungsbefehls drohte eine sofortige Ausweisung, Verwaltungsakte für nicht erfasste Migranten wurden verboten, die Zeit, in der nicht erfasste Migranten in den Aufnahmezentren zur Identifizierung und Ausweisung festgehalten werden durften, erhöhte sich auf 6 und dann auf 18 Monate, Bürgerwehren zur Sicherung der Stadt konnten eingesetzt werden, auch der 1998 eingeführte Fond für Integration wurde gekürzt, die Mittel umverteilt und zur Bekämpfung von illegaler Einwanderung eingesetzt.

Obwohl die meisten dieser Maßnahmen auf starken Widerstand von katholischen Organisationen, Gewerkschaften sowie Anti-Rassismus-Netzwerken stießen und vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben bzw. schlussendlich nicht umgesetzt wurden, hatte das sogenannte Sicherheitspaket großen Einfluss auf die öffentliche Meinung und Migranten wurden zunehmend als Kriminelle wahrgenommen (Ambrosini 2014).

Integration war in Italien wie auch in der Europäischen Union lange Zeit gleichzusetzen mit ökonomischer Integration und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt (Caponio 2013). Migranten befinden sich dabei vielfach in prekären Arbeitsverhältnissen in niedrig qualifizierten Positionen im Haushalt, im Tourismus, in der Landwirtschaft, im Engroshandel, im Baugewerbe und oft auch auf dem Schwarzmarkt, wobei der lokale Markt diese Situation durchaus wertschätzt: Ambrosini bezeichnet dies als eine „untergeordnete Integration“ (2013)15, da Migranten so lange am Arbeitsmarkt akzeptiert und graduell integriert werden, solange sie auf der untersten Stufe der sozialen und professionellen Leiter bleiben und bereit sind, jede Aufgabe zu übernehmen. Somit würden in Italien zwar die Arbeitskräfte, nicht aber die Menschen dahinter wahrgenommen (Ambrosini 2013, 180).

Die Aufnahme der sozialen und kulturellen Aspekte in die italienische Integrationspolitik erfolgte erst 2007 mit der Charta der Werte, der Staatsbürgerschaft und Integration16, und 2009 mit der Einführung des Integrationsabkommens17 und des Integrationsplan18, wobei die Umsetzung erst 2012 begann. Dabei wurden fünf Bereiche festgelegt, die für die Integration entscheidend sind: Durch das Bildungssystem sollten die italienische Sprache, Kultur und bürgerliche Werte vermittelt werden; im Bereich des Arbeitsmarktes sollte das Abdriften der Migranten auf den Schwarzmarkt vermieden und das Unternehmertum unter Migranten sowie deren Ausbildung in den Herkunftsländern gefördert werden; im Bereich des Wohnens fördert der italienische Staat den Zugang zu angemessenen Wohnungen, um ethnische Siedlungspolitik zu vermeiden; der Zugang zu Sozialleistungen und zum Gesundheitssystem sollte erleichtert und durch Kampagnen und Kulturmediatoren unterstützt sowie durch die Kooperation zwischen dem Staat, den Regionen und den Gemeinden gefördert werden. Der letzte Bereich konzentriert sich auf in Italien geborene Kinder von Migranten und die sogenannte zweite Generation.19

Mit dem Sturz der Regierung Berlusconi wechselte das politische Klima in Bezug auf Immigration und Integration leicht und 2011 wurde eine Ministerin für Integration ernannt, die allerdings 2014 von der Regierung Renzi nicht bestätigt wurde.

Ähnlich zersplittert und fragmentiert wie die Politiken teilen sich auch eine Vielzahl von Akteuren die Aufgabe der Koordinierung und Gestaltung des Politikbereiches: Auf staatlicher Ebene ist insbesondere das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik und das dazugehörende Direktorat für Immigrations- und Integra­tionspolitik20 zuständig für die Erstellung und Koordination der jährlichen Quoten für den Arbeitsmarkt und die bilateralen Abkommen mit Herkunftsländern, die Koordi­nation und Umsetzung der Integrationspolitiken und der dazugehörenden Ressourcen sowie Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung. Im Innenmini­sterium ist es die Abteilung für Bürgerrechte und Immigration21, die sich um die Wahrnehmung der Bürgerrechte in Bezug auf Integration und Immigration und insbesondere um die Verteilung der Gelder des Europäischen Fonds für die Integra­tion von Drittstaatsangehörigen kümmert. Daneben gibt es noch eine Reihe von Organen, Institutionen und Einrichtungen mit beratender Funktion wie den Permanenten interinstitutionellen Tisch zwischen zentraler Verwaltung und Regionen22, den Nationalen Rat für Wirtschaft und Arbeit (CNEL)23 sowie Einrichtungen, die die Umsetzung der Politiken überprüfen, wie der Beirat für die Probleme der Einwanderer und deren Familien24, der Territoriale Rat für Immigration25 sowie die Kommission für Integrationspolitik, die sich allerdings seit 2001 nicht mehr getroffen hat. Daneben sind auch nicht staatliche Organisationen wie z. B. die Gewerkschaften, oder NGOs wie die Caritas sehr aktiv in der Wahrung und Förderung der Rechte von Migranten sowie der Umsetzung von Projekten zur Förderung der Integration.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die italienische Integrationspolitik, die größtenteils in den Kompetenzbereich der Regionen und Provinzen fällt, einerseits gekennzeichnet ist von einem hohen Grad an Fragmentierung und Dezentralisierung. Andererseits fehlt auch weiterhin ein kohärenter Ansatz, sei es in der Erstellung als auch der Umsetzung der Politiken in diesem Bereich, sodass Ambrosini diese als „prinzipiell verschlossen und restriktiv, de facto aber tolerant“ (Ambrosini 2014, 201) bezeichnet.

3. Südtirol

3.1 Die Entwicklung der Einwanderung in Südtirol: von drei Sprachgruppen zu 150 gesprochenen Sprachen

Südtirol erlebt, wie auch der Rest Italiens, seit circa 20 Jahren eine signifikante Zuwanderung von Personen aus anderen Ländern, die sich dauerhaft in Südtirol niederlassen. Die Migrationsflüsse von und nach Südtirol waren bis 1990 von Auswanderung geprägt, wobei vor allem die Option und die Zeit zwischen 1933 und den 1940er-Jahren zu einem erhöhten Abwanderungssaldo geführt haben. Gleichzeitig trugen inneritalienische Migrationsbewegungen insbesondere zwischen 1930 und 1965 dazu bei, dass die Bevölkerung in Südtirol, insbesondere der italienischsprachige Anteil, stark zunahm. 1920 lebten 230.229 Personen in Südtirol, wobei sich 11,7 Prozent mit der italienischen Sprachgruppe identifizierten. 1960 lebten bereits 373.582 Personen in Südtirol und davon gaben 34,5 Prozent an, der italienischen Sprachgruppe anzugehören.

Im Jahre 2013 beträgt die gesamte Bevölkerung in Südtirol 515.714 und es leben 45.469 Personen mit nicht italienischer Staatsbürgerschaft in Südtirol, was einem Anteil von 8,8 Prozent der Bevölkerung entspricht. Die knapp 45.000 Migranten kommen aus 137 verschiedenen Ländern und sprechen rund 150 Sprachen. Ein Drittel der ansässigen Migranten kommt aus einem EU-Land, die Hälfte davon aus Deutschland oder Österreich. Das weitere Drittel der Migranten kommt aus einem europäischen Nicht-EU-Staat, wobei ein Großteil davon aus Albanien stammt. Weitere 15 Prozent kommen aus Asien und die restlichen 12 Prozent aus Afrika und den Amerikas (ASTAT 45/2014).26

Dass Einwanderung in Südtirol kein temporäres Phänomen ist, zeigt sich auch an der steigenden Anzahl von Familienzusammenführungen, dem steigenden Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund in Südtiroler Schulen und der Anzahl an Einbürgerungen: In den vergangenen zehn Jahren haben 6.250 Personen in Südtirol die italienische Staatsbürgerschaft erworben, davon allein 406 im Jahre 2009; 15 Prozent der am 31.12.2013 ansässigen Bevölkerung mit Migrationshintergrund (6.705 Personen) wurde in Italien geboren (ASTAT 45/2014).

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, leben mehr als die Hälfte der Migranten in einer der sieben größeren Südtiroler Gemeinden (mit mehr als 10.000 Einwohnern).

Trotz dieser Konzentration auf die Hauptstadt sowie die anderen größeren Gemeinden nimmt die Zahl der Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft auch in den kleineren Gemeinden zu. Im Jahre 2013 sind in allen Südtiroler Gemeinden, mit Ausnahme von Laurein, Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft ansässig (ASTAT 45/2014). In neun Südtiroler Gemeinden liegt der Anteil der Migranten über 10 Prozent27, Franzensfeste und Salurn weisen einen Anteil von über 20 Prozent auf.

Betrachtet man das Verhältnis der Größe der Südtiroler Gemeinden mit der Verteilung der Migranten, kann man in Tabelle 2 erkennen, dass die Vielfalt innerhalb der Bevölkerung auch in kleinen Gemeinden an Bedeutung gewonnen hat.

3.2 Der lange Weg zu einem lokalen Integrationsgesetz

Südtirol nimmt aufgrund seiner weitreichenden Autonomie eine Sonderstellung unter den italienischen Regionen und Provinzen ein und verfügt neben den aus dem Einheitstext abgeleiteten Kompetenzen im Bereich Integration auch eine Reihe an Zuständigkeiten im Bereich der Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik. Das Politikfeld Integration wird oftmals als Querschnittsmaterie angesehen und deshalb können die Kompetenzen in diesen autonom geregelten Bereichen auch zur Gestaltung der Integrationspolitiken genutzt werden. Allerdings verfolgte die Landesregierung in diesem Bereich der Integration bis 2011 eine Politik des Zögerns und Abwartens, oder wie es Medda-Windischer charakterisiert, eine Politik, die vom „Nicht-in-meinem-Hinterhof“ oder St.-Florian-Prinzip gekennzeichnet ist28, wobei Probleme und Herausforderungen nicht gelöst, sondern verschoben werden.

Nach der Verfassungsreform 2001, die die Übertragung der Kompetenzen im Sozialbereich und somit auch die Zuständigkeiten im Bereich Integration auf die Regionen und Provinzen bestätigte, verabschiedeten zahlreiche italienische Regionen eigene Integrationsgesetze. Auch im Südtiroler Landtag wurde seit den frühen 2000er-Jahren über ein eigenes Integrationsgesetz diskutiert, jedoch dauerte es circa zehn Jahre bis zur endgültigen Verabschiedung eines solchen.

Bis dahin spiegelte sich die Diversifizierung der Südtiroler Gesellschaft und den daraus entstehenden Herausforderungen in den 1990er-Jahren in den Mehrjahresplänen einzelner Abteilungen, insbesondere im Bereich der Bildung, des Arbeitsmarktes und des Sozialen (Reglung des Zuganges zu Sozialleistungen), wobei Regelungen für die unterschiedlichen Rechtskategorien von italienischen Staatsbürgern, den weitgehend gleichzustellenden Unionsbürgern und den Drittstaatsangehörigen gefunden werden mussten.

Mit dem Landessozialplan 2000–2002 erstellte Südtirol zum ersten Mal ein mehrjähriges Planungsinstrument, das durch die Genehmigung der Landesregierung am 13. Dezember 1999 mit Beschluss Nr. 5513 zu einem verbindlichen Leitbild für das gesamte Sozialwesen wurde. Darin reagierte man zum ersten Mal auch auf die Herausforderungen des demografischen Wandels: Für Flüchtlinge, Nicht-Unionsbürger, Sinti und Roma wurden spezifische gruppenbezogene Maßnahmen entwickelt. Der Landessozialplan legte die folgenden allgemeinen Prinzipien fest: Das Verbot der Diskriminierung sollte nicht nur auf politischer Ebene umgesetzt, sondern auch in die öffentliche Meinung übernommen werden; bi- und multikulturelle Erfahrungen sind ein Mehrwert für die Gesellschaft; soziale Integration ist kein von den Eliten gesteuerter Prozess, sondern muss von der gesamten Gesellschaft getragen werden; die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben muss für alle Einwohner Südtirols gewährleistet werden; Aufklärungs-, Bildungs- und Integrationsarbeit sollten diese Maßnahmen unterstützen (Landessozialplan 2000–2002, 194). Prioritär und konkret strebte der Landessozialplan auch die Errichtung einer Beobachtungsstelle zur Erfassung der Daten, der Bedürfnisse und Lebensumstände der Neuzugezogenen und die Einrichtung einer Beratungsstelle für Einwanderer an, die Schaffung von Wohnmöglichkeiten für Drittstaatsangehörige und auch für Flüchtlinge und Sinti sowie Öffentlichkeitsarbeit zur Überwindung von Vorurteilen gegenüber Migranten.

Eine „Landesbeobachtungsstelle zur Einwanderung“ und eine „Antidiskriminierungsstelle“ wurden 2003 auch errichtet, allerdings im Rahmen eines vom Europäischen Sozialfond (ESF) geförderten Projektes, das innerhalb der Abteilung für italienische Berufsbildung angesiedelt war.29 Die örtlich in der Autonomen Provinz Bozen angesiedelte Antidiskriminierungsstelle, deren Errichtung von der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU vorgesehen war, stellte die erste ihrer Art in Italien dar. Die Finanzierung derselben Stellen durch den ESF war allerdings nur für fünf Jahre gegeben und beide Stellen liefen mit Projektende am 27.09.2008 aus. Nach heftigen Kritiken zur Auflassung der beiden Stellen wurde 2009 innerhalb der Abteilung Arbeit die Koordinierungsstelle für Einwanderung errichtet, die einige der Aktivitäten der Landesbeobachtungsstelle, nicht aber der Antidiskriminierungsstelle übernahm (Medda-Windischer 2014).

Bereits 2004 schlug die damalige Landesrätin für Arbeit, Innovation, Chancengleichheit, Genossenschaften, italienische Berufsbildung und Schule und gleichzeitig auch die Zuständige der Landesbeobachtungsstelle die Erlassung eines Integra­tionsgesetzes vor. Die Landesbeobachtungsstelle organisierte dazu eine Tagung30 und setzte für die Ausarbeitung desselben eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Paolo Attanasio ein.31 Mit diesen „Maßnahmen für die Eingliederung der ausländischen Bürgerinnen und Bürger“ sollten, so die zuständige Landesrätin auf Anfrage der Landtagsabgeordneten der Freiheitlichen32, die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Maßnahmen zur Förderung des Zusammenlebens und der Integration zu ergreifen und um den „Prozess der harmonischen Eingliederung der Migranten in das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Netz unserer Provinz zu fördern und die Gleichbehandlung der autochthonen Gesellschaft und die Anerkennung der auf dem Territorium anwesenden Sprachen und Kulturen zu gewährleisten.“33

Ein erster Entwurf des Gesetzes lag 2007 vor, allerdings wurde dieser nicht im Landtag eingebracht, und mit dem Wechsel der zuständigen Landesrätin in die Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments wurde der Plan eines Integrationsgesetzes zeitweilig auf Eis gelegt. Der erste Entwurf „Maßnahmen für die Eingliederung der ausländischen Bürgerinnen und Bürger“ definiert Integration als einen „Prozess der gegenseitigen Anpassung“ und setzt sich die „soziale und wirtschaftliche“ Eingliederung zum Ziel (Art. 1). Entgegen dem Ziel, Rahmenbedingungen für konkrete Maßnahmen zur Förderung der Integration zu schaffen, schlägt der Gesetzesentwurf allerdings nur eine Koordination und Planung in diesem Politikbereich sowie die Errichtung von Institutionen vor, und keine konkreten Maßnahmen zur Integration und der Gestaltung der kulturellen, sprachlichen und religiösen Vielfalt.

Parallel zur Arbeit am Entwurf zum Integrationsgesetz traf sich bis 2008 innerhalb der Verwaltung der Autonomen Provinz Bozen eine assessoratsübergreifende ständige Arbeitsgruppe, an der die Abteilungsdirektoren als technische Berater der Landesräte teilnahmen, um die durch den demografischen Wandel entstandenen Herausforderungen zu diskutieren.

Auch am zweiten Landessozialplan 2007–2009 wird in dieser Zeit gearbeitet und Immigration wird dort als ein „fester Bestandteil der Südtiroler Gesellschaft und Wirtschaft“ (Landessozialplan 2007–2009, Autonome Provinz Bozen, Abteilung 24 Soziales, S. XVI) bezeichnet, dessen sich die Gesellschaft und die Wirtschaft annehmen müsste. Der Landessozialplan 2007–2009 spiegelt sowohl die auf europäischer als auch nationaler Ebene vorherrschende Ansicht, Immigration und vor allem Integration als Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu betrachten und die sozialen und kulturellen Aspekte zu vernachlässigen.

Auch die einzelnen politischen Parteien, allen voran die Freiheitlichen und Unitalia­, aber ab 2003 auch die Südtiroler Volkpartei (SVP) diskutieren die zu­nehmende sprachliche, religiöse und kulturelle Diversifizierung der Südtiroler Gesell­schaft (Wisthaler 2015) in sehr kontroverser Art und Weise, wobei das Thema von sämtlichen Parteien für ihre eigenen Interessen instrumentalisiert wird, um Kritik am System und insbesondere an dem Zugang zum Sozialwesen und dem Proporz zu üben oder um mehr Zuständigkeiten von der Zentralregierung zu fordern (Carlà 2014).

Für die Freiheitlichen war das Thema und die daraus entstehende „Gefahr“ für die Südtiroler Gesellschaft und Kultur sowie die Belastung für das Südtiroler Sozialwesen bereits seit der Gründung der Partei 1993 vorherrschend. Die SVP hingegen hat sich dem demografischen Wandel erst sehr zögerlich und ohne einheitliche Position innerhalb der Partei genähert. Nach dem Stimmenverlust bei den Landtagswahlen 2008, der „unter anderem auf die Thematik Migration und Integration“ (Costa 2012, 95) zurückzuführen sei, nimmt die SVP Immigration und Integration in ihre Themenfelder auf und 2010 findet die Partei im Positionspapier „Fordern und Fördern“ eine gemeinsamen Linie, die auch in das „Landesgesetz zur Integration ausländischer Bürgerinnen und Bürger“34 einfließt (Prosch 2013, 60 – 63).

3.3 Das Landesgesetz zur Integration ausländischer Bürger und Bürgerinnen Nr. 12 vom 20.10.2011 und dessen Umsetzung

Nachdem 2009 ein erster Rekurs35 (Kamberaj) gegen die durch die Reform des Wohnbaugesetzes (Landesgesetz Nr. 9/2008) eingeführte Anwendung einer Quote auf langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige aufgezeigt hat, dass die Fragen der Integration in Südtirol nicht geregelt sind, wird in einer Klausur des Südtiroler Landtages erneut die Forderung laut, ein eigenes Gesetz zur Integration in Südtirol zu verabschieden. Eine Arbeitsgruppe36 rund um den damaligen Landesrat Bizzo (PD) und seinen Ressortdirektor Zeppa nahm erneut die Arbeiten am vorherigen Gesetzentwurf auf. Die IV. Gesetzgebungskommission, in der die SVP die Mehrheit stellt, prüft den vom Koalitionspartner PD eingebrachten Vorschlag, ändert ihn jedoch maßgeblich, wobei die im Entwurf vorgesehene Öffnung gegenüber Migranten verloren geht. Im Rahmen der Sitzungen der IV. Gesetzgebungskommission wurde auch eine öffentliche Anhörung mit Vertretern von Vereinen und Institutionen, die in dem Bereich Immigration – Integration (direkt oder indirekt37) tätig sind organisiert, wobei sich die Mehrheit der Teilnehmer negativ gegenüber dem Gesetz äußerte und es als „enttäuschend, schwach, unwirksam“, inhaltsleer und mit wenigen Konfrontationspunkten beschrieb, das von dem ängstlichen und ratlosen Zögern zeuge, in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden.38

Am 15.09.2011 wurde der Gesetzesentwurf erstmals im Rahmen der 108ten Landtagssitzung eingebracht. Nach Diskussionen in der 108ten, 109ten, 112ten und der 113ten Sitzungen wurde am 21.10.2011, in der 114ten Sitzung schließlich das Landesgesetz Nr. 12 vom 28.10.2011 zur „Integration ausländischer Bürgerinnen und Bürger“ mit 21 Stimmen angenommen, 9 Personen stimmten dagegen und eine Person enthielt sich der Stimme.39 Auch in der Generaldebatte im Landtag äußerten sich viele Mitglieder enttäuscht über den Gesetzesentwurf, der als Rahmengesetz die Verantwortung vom Landtag an die Landesregierung übergibt, die durch Durchführungsbestimmungen die Materie regeln sollten. Der einbringende Landesrat verteidigt den Gesetzesentwurf als einen „Kompromiss“, der von „Hausverstand“ geprägt sei40, und keine Sondermaßnahmen einführe, sondern strukturelle Maßnahmen, die zur Verringerung der Unterscheidung zwischen autochthonen und eingewanderten Personen beitragen sollten.41 Die anschließende Diskussion bis zur Verabschiedung des Gesetzes, die sich über mehrere Tage (und Nächte) hinzog, war einerseits geprägt von zusätzlichen Beschlussanträgen zu Themen rund um Integration, eingebracht vor allem von den Freiheitlichen, und andererseits von Abänderungsanträgen zu einzelnen Artikeln und Passagen des Gesetzes.

Das Integrationsgesetz gliedert sich in vier Abschnitte und insgesamt 17 Artikel. Der erste Abschnitt legt die Ziele und die Zielgruppe fest und definiert Integration gemäß dem Haager Programm als „einen Prozess gegenseitigen Austausches und Dialogs“ (Art. 1.1), der auf der „gegenseitigen Anerkennung und […] Aufwertung der kulturellen, religiösen und sprachlichen Identitäten“ (Art. 1.2) basiert. Im zweiten Abschnitt werden die Institutionen zur Koordinierung der Integrationsmaßnahmen geschaffen wie die Erarbeitung eines Mehrjahresprogrammes (Art. 4) und die Einrichtung einer Koordinierungs- sowie einer Antidiskriminierungsstelle (Art. 3 und 542) und des Landeseinwanderungsbeirates (Art. 6). Im dritten Abschnitt hingegen werden spezifische Maßnahmen zur Förderung der sprachlichen und kulturellen Integration (Art. 7), Maßnahmen zum Ausbau der interkulturellen Mediation (Art. 8), Maßnahmen im Bereich der Sozialen Fürsorge (Art. 10), der Gesundheit (Art. 11), der Wohnungspolitik (Art. 12) und der Bildung (Art. 13 und 14) dargelegt. Auch die Rolle der Gemeinden im Integrationsprozess wird hervorgehoben (Art. 15). Schlussendlich werden im vierten Abschnitt die Änderungen von Landesgesetzen sowie die Finanzbestimmungen dargelegt.

Wie bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes bekannt, wurde die Koordinierungsstelle mittels einer Durchführungsbestimmung (Dekret des Landeshauptmannes Nr. 12, 15.10.2012) errichtet, wobei die Aufgaben der seit 2009 innerhalb der Abteilung Arbeit bestehenden Einheit genau definiert wurden. Auch der Landes­einwanderungsbeirat, der sich aus Vertretern aller drei Sprachgruppen, ver­schiedener Institutionen und Vereine, die in diesen Bereichen tätig sind43 sowie Vertretern von Migranten, zusammensetzt, wurde mit derselben Durchführungsbestimmung geregelt.44 Die Durchführungsbestimmung zur Wiedererrichtung der Anti­diskriminierungsstelle wurde ebenso im November 2012 (Dekret des Landeshauptmannes Nr. 36, 15.11.2012) verabschiedet, doch bis zur Abgabe dieses Beitrages im Dezember 2014 hat die Antidiskriminierungsstelle ihre Arbeiten noch nicht aufgenommen, wohl aber wurde deren Verschiebung von der Abteilung Arbeit, wie ursprünglich im Art. 5 des Landesintegrationsgesetzes vorgesehen, zum Südtiroler Landtag mit dem Landesgesetz Nr. 91 vom 16.10.2014 beschlossen. Die Durchführungsbestimmung zur Regelung der interkulturellen Mediation fehlt hingegen noch gänzlich.

Die Arbeit an den Durchführungsbestimmungen wurde bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes im Rahmen von Arbeitsgruppen, die sich aus Vertretern von Wissenschaft, von Migranten geführten Vereinen und anderen im Bereich tätigen Institutionen vorbereitet, um nach der Verabschiedung des Gesetzes dieses auch schneller umsetzen zu können.

Nach den Landtagswahlen 2013 fiel der Bereich Immigration – Integration nicht wie bisher in die Zuständigkeiten des Landesrates/der Landesrätin für Arbeit des Koalitionspartners (ehemals Gnecchi – Mitte-links-Projekt – Progetto Centrosinistra, dann Repetto – PD, dann Bizzo – PD), sondern der Bereich wurde erstmals von der SVP übernommen und an das Ressort Deutsche Bildung und Kultur angegliedert. Diese Neuausrichtung spiegelt sich nicht nur in der Verschiebung der Anti­diskriminierungsstelle von der Abteilung Arbeit zum Südtiroler Landtag wider, sondern auch in der im Landesgesetz Nr. 91 vom 16.10.2014 vorgenommenen Umbenennung sämtlicher Immigrations-Einrichtungen in Integrations-Einrichtungen. Insbesondere die Umbenennung der Koordinierungsstelle für Immigration in Koordinierungsstelle für Integration, des Landeseinwanderungsbeirates in Landesintegrationsbeirat sowie die Änderung des Schwerpunktes von Immigration in Integration (Art. 3.2) zeugen von einer inhaltlichen Neuausrichtung, die auf einen Schwerpunkt in der Gestaltung der Integrationspolitiken im Gegensatz zur Koordinierung der Maßnahmen im Bereich Immigration hinweist.

Prägend für das Landesintegrationsgesetz ist der Fokus auf Sprache als Motor zur Integration, wobei die Landessprachen Deutsch und Italienisch als gleichwertig angesehen werden, sowie der Fokus auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes. Somit folgt Südtirol den Prinzipien, die bereits auf europäischer und nationaler Ebene vorgegeben werden. Andererseits werden im Integrationsgesetz soziale Leistungen, die über die Grundleistungen hinausgehen, und insbesondere der Zugang zur so­zia­len Fürsorge oder Hochschulförderung an Voraussetzungen wie den fünfjährigen ununterbrochenen Wohnsitz und Aufenthalt in Südtirol geknüpft. Das Gesetz spiegelt somit auch den defensiven Ansatz einiger politischen Parteien, insbesondere der Freiheitlichen, der italienischen Rechtsparteien (Unitalia), aber auch der SVP wider, nämlich den Zugang zu Leistungen an Bedingungen zu knüpfen und gra­duell zu regeln. Dieser Versuch der Einschränkung wurde jedoch von der italienischen Regierung beanstandet und der italienische Verfassungsgerichtshof erklärte die betroffenen Artikel als verfassungswidrig (Medda-Windischer 2014, 107–108).

Ähnlich wurde im Rahmen der Reform des Wohnbaugesetzes versucht, neben der Aufteilung der Leistungen an die drei durch den Proporz vorgegebenen Sprachgruppen eine weitere Quote für Unionsbürger und Drittstaatsangehörige mit langfristiger Aufenthaltsberechtigung einzuführen. Auch dieser Versuch wurde in einer, wenn auch in zaghafter und, wie Medda-Windischer es nennt, „kraftlosen“ (Medda-Windischer 2014, 111) Entscheidung vom Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall Kamberaj zurückgewiesen. Derzeit werden weder die Ansässigkeitsklausel noch die Quote angewandt, sodass bis zur endgültigen Neuregelung der Sachverhalte eine pragmatische Lösung gefunden wurde.

3.4 Integrationspolitik à la Südtirol?

Nach mehr als 20 Jahren, in denen die Autonome Provinz Bozen mit einer Diversifizierung und dem Wandel innerhalb der Südtiroler Gesellschaft konfrontiert war, hat sich das Politikfeld Integration noch immer nicht als ein „normales“ Politikfeld etabliert. Das mag auch an der Art und Weise des Politikfeldes liegen, das als Querschnittsmaterie zu sehen ist und unterschiedliche Politikfelder wie den gesamten Bereich der Wohlfahrt (Soziales, Gesundheit, Arbeit, Wohnen) sowie Bildungspolitik berührt und somit auch einen übergreifenden Umgang mit demselben erfordert. An der Errichtung einer abteilungsübergreifenden Koordinierungsstelle für Integration zeigt sich, dass sich die Autonome Provinz Bozen des Querschnittscharakters des Politikfeldes bewusst ist, denn die Aufgabe dieser Koordinierungsstelle ist es, sämtliche sich mit dem Thema beschäftigende Abteilungen und Institutionen der Autonomen Provinz Bozen abzustimmen.45 Das Politikfeld wird auch durch ein Abkommen46 im Rahmen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino grenzüberschreitend bearbeitet.

Auch mag die Schwierigkeit, das Politikfeld Integration als ein gewöhnliches Politikfeld zu betrachten, auch daran liegen, dass sich zum einen die öffentliche Meinung zu diesem Thema sehr kontrovers gestaltet und zum anderen die Politik und Wirtschaft keiner gemeinsamen Vision für eine zukünftige Entwicklung folgen. Auch die besondere Ausgangslage Südtirols als italienische Provinz mit einer mehrheitlich deutschsprachigen Bevölkerung beeinflusst die Debatten in diesem Politikfeld maßgeblich.

Trotzdem haben sich im Bereich der Integrationspolitik lokale Charakteristiken herausgebildet, die prägend für die Gestaltung dieses Politikfelds sind: In Südtirol findet sich eine große Divergenz zwischen der normativen und pragmatischen Gestaltung des Bereiches Integration. Die normative Ebene ist geprägt von einer partizipativen Methode, mit dem das Politikfeld gedacht wird, und einer defensiven, zögerlichen und wenig koordinierten Umsetzung desselben. Dies hat dazu geführt, dass das Politikfeld weniger top down gestaltet wird, sondern viel mehr bottom up, größtenteils ausgehend von den Gemeinden und Bezirksgemeinschaften, wobei einige Gemeinden äußerst aktiv und engagiert sind und eine Vielzahl an Maßnahmen zur Gestaltung der Integration durchführen, andere Gemeinden wiederum gänzlich desinteressiert dem Thema gegenüberstehen.

Diese Divergenz zwischen normativer Ebene und praktischer Umsetzung der Integrationspolitiken lässt sich z. B im Bereich der politischen Partizipation erkennen: Wie in den nationalen Rahmenrichtlinien vorgegeben, verfügen Drittstaatsangehörigen in Italien über kein Wahlrecht und können somit nicht aktiv am politischen Leben teilnehmen. Um diesem Defizit entgegenzuwirken und allen Bürgern eine, wenn auch nur eingeschränkte Form der Teilnahme am politischen Leben auf lokaler Ebene zu ermöglichen, haben sich europaweit seit den 1960er- und 1970er-Jahren und in Italien ab dem Jahre 1986 die sogenannten „Consulte“ oder beratenden Komitees gebildet. Dies wurde auch durch die in Straßburg am 5. Februar 1992 erlassene Konvention des Europarates über die „Teilnahme der Ausländer/-innen am öffentlichen Leben auf lokaler Ebene“, die von Italien ratifiziert und mit Staatsgesetz Nr. 203/1994 umgesetzt wurde, verstärkt angeregt. In Südtirol waren es die Gemeinden Bozen und Meran, die 2003 jeweils den Gemeindebeirat der in Bozen/Meran ansässigen Nicht-EU Bürger/-innen und staatenlosen Bürger/-innen einrichteten, um den Gemeinderat, den Gemeindeausschuss, die Ratskommissionen und Stadtviertelräte sowie den Bürgermeister in Angelegenheiten die Migration betreffend zu beraten und eigene Vorschläge diesbezüglich vorzubringen, Veranstaltungen zur Förderung der Integration und der Nicht-Diskriminierung zu organisieren sowie die Weitergabe von Informationen an Nicht-EU-Bürger über deren rechtliche Lage bezüglich Immigration und Integration, aber auch bezüglich Schulbildung, Gesundheit, Arbeitsmarkt sowie alle anderen für den Integrationsprozess relevanten Bereiche zu erleichtern.

Die Gemeinden Brixen und Salurn schlugen einen anderen Weg ein, um Migranten eine alternative Form der Teilnahme am Gemeindeleben zu ermöglichen. In beiden Gemeinden wurden Arbeitsgruppen zum Thema Integration ins Leben gerufen, die sich sowohl aus Personen mit Migrationshintergrund wie auch aus Vertretern der Öffentlichkeit (politische Parteien, Vereine, Gewerkschaften usw.) zusammensetzen. Im Gegensatz zu den Beiräten in Bozen und Meran, die nur jenen Personen mit einer Staatsbürgerschaft eines Nicht-EU-Staates offen stehen, sind in den Arbeitsgruppen in Salurn und Brixen neben Drittstaatsangehörigen auch EU-Bürger und Bürger mit italienischer Staatsbürgerschaft vertreten.

Diese zwei unterschiedlichen Foren, die auch Drittstaatsangehörigen eine Mitsprache auf lokaler Ebene ermöglichen, haben jedoch einerseits nur beratende und keine bindende oder geregelte Einflussmöglichkeiten auf die Politiken innerhalb der Gemeinde und ein nur sehr geringes Budget, um eigene Aktivitäten durchzuführen. Andererseits stehen die Gemeinden auch miteinander wenig in Kontakt, um sich über die Integrationsbestrebungen auszutauschen. Durch die im Art. 15 des Integrationsgesetzes vorgesehene Ernennung von einer für Integration zuständigen Person in jeder Gemeinde wurde diese Unzulänglichkeit zum Teil behoben. Obwohl die Koordinierungsstelle für Integration Treffen mit den zuständigen Gemeindereferenten und -referentinnen organisiert, gibt es derzeit noch wenig regelmäßigen und koordinierten Austausch. Einige Gemeinden wie z. B. Bozen, Brixen, Salurn oder Naturns haben seit den letzten Jahren auch Stadt- oder Gemeinderäte, deren Mandat explizit auch den Integrationsprozess miteinschließt, wobei dieses Mandat selten an ein Budget gebunden ist und somit der Gestaltungsspielraum sehr eingeschränkt bleibt. Neben den personellen Strukturen gibt es auch in einer Vielzahl von Gemeinden Initiativen und Maßnahmen zur Förderung der Integration auf lokaler Ebene wie z. B. Arbeiten an Leitbildern47, der Organisation von Sprachkursen, Kennenlern-Veranstaltungen48 oder Einführungen in lokale Bräuche und Geschichte.

Neben diesen alternativen Formen der Teilnahme am politischen Leben auf Gemeindeebene hat am 05.07.2013, wie im Landesintegrationsgesetz vorgesehen, auch jener Beirat seine Arbeit aufgenommen, der sowohl EU-Bürgern als auch Nicht-EU-Bürgern eine Form der Beteiligung am politischen Leben auf der Ebene der Autonomen Provinz Bozen erlaubt: Der erste Landesintegrationsbeirat setzt sich aus 18 ernannten Mitgliedern zusammen (acht Vertreter der Einwanderer, vier Vertreter der Autonomen Provinz Bozen, ein Vertreter der Gewerkschaften, ein Vertreter des Wirtschaftsrings, zwei Vertreter der Gemeinden und eine Vertretung der ehrenamtlichen Organisationen) und hat neben der Beratungsfunktion für die Landesregierung (auf deren Antrag) im Bereich Migration und Integration die Aufgabe, „der Landesregierung Vorschläge zur Anpassung der Landesgesetzgebung an neue Erfordernisse im Bereich der Einwanderung [zu] unterbreiten und Vorschläge zum Mehrjahresprogramm [zu] erarbeiten“ (Art. 6, Integrationsgesetz). Der Beirat, dessen Mitglieder von der Landesregierung ernannt werden49 und der von der Landeskoordinierungsstelle für Integration koordiniert wird, arbeitet derzeit an der Ausarbeitung einer Satzung und der Festlegung der Arbeitsmodalitäten.

Allerdings können diese beratenden Ausschüsse und Beiräte einerseits nicht das Wahlrecht ersetzen und andererseits werden diese sowohl von den Personen mit Migrationshintergrund wie auch von der Gemeindeverwaltung als eine sehr schwache Form der Teilnahme am politischen Leben betrachtet (Wisthaler 2014). Diese alternativen Formen bieten deshalb nur eine anfängliche Überbrückung im Integrationsprozess. Es könnten jedoch sowohl die Migranten als auch die Politik und insgesamt die ganze Südtiroler Gesellschaft davon profitieren, wenn alle Beteiligten in ihnen nicht das Ende des Integrationsprozesses, sondern einen Anfang desselben sähen.

Und so ist es auch mit dem Integrationsgesetz, das als ein erster Schritt hin zu einer Gestaltung der Integrationspolitiken betrachtet werden sollte, denn wie die Integration selbst als ein Prozess definiert wird, so sind auch die Politiken in diesem Bereich als sich ständig entwickelnd zu betrachten. Ein Schritt in diese Richtung stellt die Ernennung eines Landesrates für Integration nach den Landtagswahlen 2013 dar, der die Bemühungen zur Entwicklung eines koordinierten Ansatzes, zur Ausarbeitung eines Mehrjahresprogrammes sowie zur Erstellung eines Leitbildes im Rahmen eines partizipativen Prozesses verstärken möchte. So ist einerseits der Teilaspekt der politischen Partizipation gekennzeichnet dadurch, dass zwar Möglichkeiten geschaffen wurden, die Partizipation einer Reihe von Institutionen, Abteilungen und Vereinen an der Gestaltung des Politikfeldes zu fördern. Andererseits werden aber diese neu geschaffenen Stellen und Einrichtungen nicht immer als Akteure begriffen, da sie wenig koordiniert und nicht an einem Strang ziehend erscheinen und somit ihr Potenzial nicht ausgeschöpft wird.

4. Schlussbemerkungen und Ausblick

Der vorliegende Beitrag zeigt, dass Integration ein Politikfeld ist, das sowohl auf multiplen Rechtsquellen basiert als auch als Querschnittsmaterie institutionelle Grenzen überschreiten kann. Die auf europäischer und nationaler Ebene vorgegebenen Prinzipien werden auch in Südtirol angewandt, sei es einerseits aus rechtlicher Notwendigkeit heraus wie z. B. das Antidiskriminierungsverbot oder der Zugang zum Gesundheitssystem, der für alle sich auf dem Territorium befindenden Personen gewährleistet werden muss, oder andererseits aus ideologischen Gründen: Wie innerhalb der gesamten EU, so werden auch in Südtirol Arbeit und Sprache als zentrale Elemente des Integrationsprozesses erachtet.

Allerdings konzentrieren sich die Bestrebungen zur Förderung der Integration nicht auf diese beiden Bereiche, sondern überlappen mit einer Reihe von Politikfeldern, insbesondere der Bildungspolitik, der Sozial-, Wohn- und Gesundheitspolitik. Somit fordert das Politikfeld Integration einen ganzheitlichen Ansatz und Koordination dieser Bereiche. Dies wurde auch in Südtirol erkannt und mit der Einrichtung der Koordinierungsstelle für Integration ein geeigneter Akteur geschaffen, dessen Rolle des Gestalters allerdings noch nicht erkennbar ist. Die Überschreitung institutioneller Grenzen zeigt sich nicht nur in der Schaffung dieser Koordinierungsstelle, sondern auch in der vermehrten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit innerhalb des EVTZ/Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino in diesem Politikfeld.

Die Art und Weise, wie das Politikfeld Integration bearbeitet wird, ist, wie oben aufgezeigt, bisher geprägt gewesen von einer defensiven und abwartenden Haltung, die mehr als Reagieren und weniger als aktives Agieren und Gestalten charakterisiert werden kann. Durch die Ernennung eines Landesrates für Integration im Jahre 2013 und der darauffolgenden Umsiedelung von der Abteilung Arbeit zum Ressort Bildungsförderung, Deutsche Kultur und Integration und der Umbenennung in Koordinierungsstelle für Integration wird das Politikfeld aufgewertet, sodass zu erwarten ist, dass auch der im Landesgesetz vorgesehene Mehrjahresplan verabschiedet wird und somit eine echte Koordinierung und Gestaltung des Politikbereiches versucht wird.

Die Gestaltung des Politikfeldes Integration in Südtirol ist auch gekennzeichnet vom Bewusstsein der besonderen Ausgangslage durch das Zusammenleben dreier Sprachgruppen: Wie sich insbesondere in der Diskussion zum Landesintegrationsgesetzes gezeigt hat, stehen die Bemühungen und Forderungen zum Schutz der deutschen und ladinischen Minderheit auch in Bezug auf den Umgang mit durch Migration entstandener Vielfalt für die Südtiroler Freiheit, aber auch die Freiheitlichen und Teile der SVP im Vordergrund. Diese besondere Ausgangslage wurde auch dem Vorschlag zur Entwicklung einer zivilen Bürgerschaft auf der Basis einer sprachübergreifenden territorialen Identität berücksichtigt50, der von dem Institut für Minderheitenrecht für die Weiterentwicklung der Integrationspolitiken gemacht wurde, wobei der Vorschlag bisher keine Reaktionen vonseiten der zuständigen Akteure erzeugte.

Zusammenfassend zeigen sich zwei Herausforderungen für eine zukünftige Gestaltung dieses Politikbereiches: Erstens eröffnet das Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsquellen aus europäischen Vorgaben, nationalen Rahmengesetzen und dem Handlungsspielraum, der sich aus dem Autonomiestatut ableiten lässt, Möglichkeiten, dieses neu entstandene Politikfeld aktiv zu gestalten. Diese Möglichkeiten werden jedoch noch nicht vollständig genutzt und ein großer Teil der Integra­tionsarbeit geschieht derzeit auf Gemeindeebene und in Vereinen. Dies könnte durchaus auch ein Vorteil sein, insbesondere da die Arbeit auf Gemeindeebene seit der Institutionalisierung eines zuständigen Gemeindereferenten durch das Landesintegrationsgesetz nicht mehr allein von einzelnen interessierten und engagierten Personen abhängt. Allerdings würden mehr Koordination und Austausch unter den Gemeinden einen Mehrwert für den Politikbereich darstellen, da somit das Gefälle zwischen sehr aktiven und sehr passiven Gemeinden verringert werden könnte.

Zweitens zeigt sich, dass Südtirol geprägt wurde von dem zentralstaatlichen Trend, kulturelle Vielfalt nicht als Mehrwert für eine zukünftige Gesellschaftsplanung zu verstehen, sondern Migranten als Nutzen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu betrachten und Immigrations- und auch Integrationspolitik immer erst nachträglich zu regeln und zu gestalten, sozusagen erst dann, wenn diese bereits zu einem Fakt in der Gesellschaft geworden ist. Eine vorausschauende und weniger Kosten-Nutzen-orientierte Politik würde diesen neuen Bereich der Gestaltung des Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen, Sprachen und Religionen maßgeblich aufwerten.

Anmerkungen

1 Der Begriff „Südtirol“ wird in diesem Beitrag synonym mit der offiziellen politischen Bezeichnung desselben Territoriums, „Autonome Provinz Bozen“, verwendet.

2 Adriano Esposti, Karin Girotto, Sabine Hofer, Roberta Medda-Windischer, Nadja Schuster.

3 Ausnahmeregelungen sind in Kraft für jene Territorien, die in Übersee oder an äußerster Randlage liegen, wie die Faröer-Inseln, französische Übersee-Departménts usw.

4 Umgesetzt durch die Richtlinie 2000/43/EG, Amtsblatt der Europäischen Union L 158, 30.04.2004, S. 77 – 123.

5 KOM (2003) 336 endg, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über Einwanderung, Integration und Beschäftigung http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52003DC0336&from=DE (04.02.2015).

6 Eingeführt mit der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über Einwanderung, Integration und Beschäftigung, KOM (2003) 336 endg., http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52003DC0336&from=DE (04.02.2015). Mehr dazu unter „European Civic Citizenship and Inclusion Index“, British Council Brussels, 2005, unter www.liv.ac.uk/media/livacuk/ewc/docs/brussels-european-civic-citizenship-and-inclusion-index.pdf (04.02.2015).

7 Die Gemeinsamen Grundprinzipien für die Politik der Integration von Einwanderern in der EU, verabschiedet vom Rat für Justiz und Inneres am 19.11.2004 sind einsehbar unter http://ec.europa.eu/ewsi/de/EU_actions_integration.cfm (04.02.2015).

8 1. Gemeinsames Grundprinzip, siehe FN. 15.

9 3. Gemeinsames Grundprinzip, siehe FN. 15.

10 Istat und Innenministerium, siehe Bericht des Ufficio Nazionale Antidiscriminazioni Razziali UNAR 2014, S. 439.

11 Istat und Innenministerium, siehe Bericht des Ufficio Nazionale Antidiscriminazioni Razziali UNAR 2013, S. 16.

12 Bereits 1986 wurden mit dem Staatsgesetz Nr. 943, vom 30. Dezember 1986, den Regionen die Kompetenzen im Bereich Integration übertragen. Diese Verteilung der Kompetenzen wurde mit der Verfassungsreform 2001 bestätigt.

13 Der Begriff „carta di soggiorno” wurde durch das Legislativdekret Nr. 3/2007 vom 08.01.2007 mit „Permesso di soggiorno per soggiornanti di lungo periodo CE“ ersetzt.

14 Die Bezeichnung der Aufnahmezentren änderte sich mit dem Legislativdekret Nr. 92/2008 vom 23.05.2008 (Sicherheitspaket) in „Centro di identificazione ed espulsione“ (Aufnahmezentren zur Identifizierung und Ausweisung).

15 Im Original: Subordinate integration, Übersetzung des Autors.

16 Carta dei Valori, delle Cittadinanza e dell’Integrazione, Dekret des Innenministeriums vom 23. April 2007; Gazzetta Ufficale Nr. 137 vom 15 Juni 2007. Zugänglich auch in deutscher Sprache unter www.interno.gov.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/speciali/accordo_integrazione/carta_dei_valori.html (04.02.2015).

17 Eingeführt mit dem Dekret des Präsidenten Nr. 179, vom 14. September 2011; Das Integrationsabkommen wird zwischen dem einzelnen Migranten und dem italienischen Staat abgeschlossen, wobei der Migrant für bestimmte Integrationsanstrengungen, wie z. B. Sprachkurse, zusätzliche Berufsausbildungen usw. Punkte sammelt. Nur mit einer bestimmten Anzahl an Punkten (30) kann eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung angestrebt werden.

18 Piano per l’integrazione nella sicurezza, zugänglich unter www.lavoro.gov.it/AreaComunicazione/Eventi/Documents/pianointegrazione_web.pdf (04.02.2015).

19 Näheres zum Integrationsabkommen siehe: Caneva (2014) zugänglich unter http://cadmus.eui.eu/handle/1814/32019 (04.02.2015).

20 Einsehbar unter www.lavoro.gov.it/Ministero/Organizzazione/Pages/DG_Immigrazione_Integrazione.aspx (04.02.2015).

21 Einsehbar unter www.interno.gov.it/mininterno/site/it/sezioni/ministero/dipartimenti/dip_immigrazione/ (04.02.2015).

22 Im Original Tavolo permanente interistituzionale fra amministrazioni centrali e regioni.

23 Consiglio Nazionale dell’Economia e del Lavoro, www.cnel.it/home (04.02.2015), die Institution wurde allerdings 2014 abgeschafft.

24 Consulta per i problemi degli straniere immigrati e delle loro famiglie, eingerichtet im Ministerium für Arbeit und Soziales mit dem Dekret des Präsidenten des Ministerrates vom 09.11.2007, wie bereits im Gesetz Nr. 40/1998 vorgesehen.

25 Im Original Consigli territoriali per l’immigrazione, zugänglich unter www.immigrazione.biz/upload/Circ_min_interno_cons_terr_imm_n_312_del_14_1_2015.pdf (04.02.2015).

26 Stand 31.12.2013, ASTAT Nr. 45/06.2014, S. 9.

27 Dies sind folgende Gemeinden: Bozen (14,4 %), Brenner (14,4 %), Neumarkt (10,1 %), Margreid an der Weinstraße (11,9 %), Meran (15,6 %), Waidbruck (16,6 %), Mühlbach (11,9 %), Plaus (11,1 %), Pfatten (10,0 %); ASTAT 415/6.2014.

28 Medda-Windischer verwendet den Ausdruck „NIMBY“-approach (2011).

29 Siehe auch „Monitoring der Maßnahmen des Mehrjahresplanes für die Beschäftigungspolitik 2000 – 2006“ Abteilung Arbeit, S. 28., zugänglich unter www.provinz.bz.it/arbeit/download/p_monitoring_mehrjahresplan-2005 – 10-11_d.pdf (04.02.2015).

30 02. – 03.Dezember 2004, Abteilung für Arbeit, siehe auch http://wai.provinz.bz.it/lpa/news/detail_d.asp?artc_id=89464 (04.02.2015).

31 Für die Mitglieder siehe Wortprotokoll des Südtiroler Landtages der 41. Sitzung, 11.01. 2005, S. 88.

32 Anfrage Nr. 5/01/05, siehe Wortprotokoll des Südtiroler Landtages, 41. Sitzung, 11.01.2005, S. 31, im Original „Quelle che vogliamo riuscire a fare è proprio creare le condizioni per immaginare degli strumenti e dei mezzi per favorire la convivenza e l’integrazione di queste persone che sono venute qui per lavorare“.

33 Ibid, S. 88. Im Original „… la finalità generale del disegno di legge è wuella di facilitare e disciplinare il processo di inserimento armonico dei cittadini stranieri nel tessuto sociale, culturale ed economico nella nostra provincia, riconoscendo le pari opportunità rispetto alla popolazione autoctona e valorizzando le diverse lingue e culture presenti sul territorio provinciale“.

34 Landesgesetz Nr. 12 vom 28. Oktober 2011.

35 Für weitere Informationen siehe Pelacani (2012)

36 Teilnehmer: Landesrat für Innovation, Informatik, Arbeit, Genossenschaften und Finanzen, auch zuständig für Integration, Roberto Bizzo; Ressortdirektor für Innovation, Informatik, Arbeit, Genossenschaften und Finanzen Andrea Zeppa; Mitarbeiter des Ressortdirektor Adriano Esposti; Direktor des Amtes für Senioren und Sozialsprengel, sowie Vertreter aus den Bereichen und Abteilungen Arbeit, Soziales, Gesundheitswesen, geförderter Wohnbau, Bildung und Wirtschaft. Prüfung des Gesetzesentwurfes in den Sitzungen am 02.05.2011; 14.06.2011; 17.06.2011.

37 Neben den Vereinen und Institutionen, die sich direkt mit Migration und Integration beschäftigen, wie der Caritas, aber auch den von Migranten geleiteten Vereinen wie Porte Aperte oder Donne Nissá, nahmen auch sich indirekt mit dem Thema auseinandersetzende Institutionen aus den Bereichen Industrie, Handel, Tourismus, Landwirtschaft sowie Vertreter der Gewerkschaften teil.

38 Wortprotokoll der 108. Sitzung des Südtiroler Landtages, S. 18 – 21.

39 Siehe Wortprotokolle des Südtiroler Landtages zu diesen Sitzungen unter www.landtag-bz.org/de/datenbanken-sammlungen/legislaturperiode-14.asp (04.02.2015).

40 Wortprotokoll der 108. Sitzung des Südtiroler Landtages, S. 72.

41 Wortprotokoll der 108. Sitzung des Südtiroler Landtages, S. 19.

42 Dabei handelt es sich nicht um eine Neuerrichtung, sondern eine gesetzliche Verankerung der bereits in der Abteilung Arbeit existierenden „Koordinierungsstelle für Einwanderung“, siehe S. 19.

43 Siehe FN. 38.

44 Für Details zu den aktuellen Mitgliedern siehe Beschluss der Landesregierung Nr. 1401 vom 25.11.2014.

45 Siehe auch Art. 3 des Dekrets des Landeshauptmannes Nr. 35 vom 15. Oktober 2012, veröffentlicht in dem Amtsblatt der Autonomen Region Trentino-Südtirol, Nr. 44, vom 30.10.2012 www.regione.taa.it/bur/pdf%5CI-II%5C2012/44/BO/BO441201.pdf (04.02.2015).

46 Einvernehmensprotokoll betreffend den Austausch und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der interkulturellen Politik, unterzeichnet von den damaligen Landeshauptleuten am 03.11.2011, siehe www.europaregion.info/de/tagung-sozialer-zusammenhalt-zusammenleben.asp (04.02.2015).

47 Im Pustertal wurde z. B. auf Bezirksebene ein Leitbild ausgearbeitet, das in den einzelnen Gemeinden umgesetzt wird, siehe z. B. Bruneck www.leitbild-migration-pustertal.org/gemeindebeschluss-bruneck.php (04.02.2015). In Brixen wurde eine Studie zur Erfassung der Wahrnehmung von kultureller, sprachlicher und religiöser Vielfalt durchgeführt: Verena Wisthaler und Heidi Flarer, Zusammenleben und Vielfalt in Brixen. Ein Forschungsbericht über Vor(ur)teile und Herausforderungen zum Zusammenleben verschiedener Kulturen, Sprachen und Religionen in der Gemeinde Brixen, Eurac, Bozen, 2014.

48 Z. B. die jährlich stattfindende Veranstaltung „Brixen Begegnung“ www.brixen.it/de/projekte-themen/brixen-begegnung.html (04.02.2015).

49 Die Mitglieder des Landesintegrationsbeirates für die Legislaturperiode 2014 – 2018 wurden am 25.11.2014 von der Landesregierung ernannt, siehe www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=477768 (04.02.2015).

50 Migration und Zusammenleben in Südtirol. Empfehlungen für die Einführung der Zivilbürgerschaft in Südtirol, EURAC 2013.

Literaturverzeichnis

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Grafik 1: Größten in Südtirol ansässigen Bevölkerungsgruppen mit ausländischer Staatsbürger­schaft – 2013

Quelle: ASTAT 45/2014, eigene Aufarbeitung.

Tabelle 1: Verteilung der Migranten in den 7 größten Gemeinden Südtirols

Gemeinde

Bevölkerung

% an Migranten

Lana

11.343

8,4

Eppan an der Weinstraße

14.365

9,3

Bruneck

15.629

9,6

Leifers

17.394

9,9

Brixen

20.851

9,7

Meran

38.863

15,8

Bozen

104.841

13,7

Quelle: ASTAT 41/2012; ASTAT, Demographisches Handbuch für Südtirol 2011, eigene Aufarbeitung.

Tabelle 2: Die ausländische Bevölkerung Südtirols nach Gemeindegröße

Größe der Gemeinde

Anzahl der
Gemeinden

totale ausländische Bevölkerung

% der ausländischen Bevölkerung

> 10.000

7

28.087

63,30

5.000 – 10.000

13

4.814

10,80

2.000 – 5.000

48

8.629

19,50

0 – 2.000

48

2.832

6,38

116

44.362

100,00

Quelle: ASTAT 41/2012; ASTAT, Demographisches Handbuch für Südtirol 201, eigene Aufarbeitung.

Abstracts

Immigrazione in Alto Adige: le ­politiche di integrazione e la politica locale

L’immigrazione è diventata una tematica fondamentale anche in Alto Adige; questa diversità linguistica e religiosa di nuova costituzione richiede una gestione e una amministrazione mirata, oltre che la creazione di politiche di integrazione che prevedano l’inclusione socio-economica, politica e culturale dei nuovi arrivati.

Questo articolo dimostra, tuttavia, che la politica locale ha accettato solo lentamente e con esitazione le politiche di integrazione come una questione di carattere politico e che può e deve ispirarsi e adeguarsi alle specificità locali, come l’ormai consolidata convivenza dei tre gruppi linguistici e il sistema della “governance” basato sulla condivisione del potere.

Questo articolo dimostra altresì che l’approccio altoatesino all’integrazione è caratterizzato dalla partecipazione di una grande varietà di soggetti, come le Ong, i sindacati e le associazioni di migranti anche nell’attuazione delle misure di inte­grazione da un lato e dall’altro da un élite politica inconcludente che esita ad adottare un approccio proattivo a favore dell’integrazione.

Immigration in South Tyrol: ­Integration Policies and Local Politics

Immigration has become a substantial fact in South Tyrol. The newly established linguistic and religious diversity requires management, governance, and the creation of inte­gration policies that have to offer a socio-economic, political and cultural inclusion to the newcomers. The present paper shows how local politics have only slowly and hesitatingly accepted integration policies as a strategy that can and needs to be actively shaped in order to suit local characteristics as the long-established co-existence of three language groups and a consociational system of governance.

This paper highlights the split South Tyrolean approach to integration. On the one hand, welcoming is the invol­ve­ment of a large variety of actors: NGOs, unions and migrant associations in the implementation of integration measures; on the other hand, a long-winded political elite hesitates to take a pro-active approach to integration.