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Johanna Mitterhofer

Die Aufnahme von Asylsuchenden: ­Erfahrungsberichte aus Gemeinden in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino

The reception of asylum seekers: Experiences of municipalities in the European Region Tyrol-South Tyrol-Trentino

Abstract How do municipalities plan, coordinate and implement the reception of asylum seekers in their local community? What are the biggest challenges they encounter and what approaches have they adopted to cope with these challenges? What lessons can be learned from their experiences to better plan, coordinate and implement the reception of asylum seekers in municipalities? This article draws on interviews with mayors and municipal councilors for integration in Tyrol (Austria) and Trentino and South Tyrol (Italy). It provides insights into the perspectives of local actors who deal on a daily basis with the bureaucratic, logistical, and social challenges related to the reception of asylum seekers. These local actors may have only limited competences in this policy field. The article prescribes an approach toward the reception of asylum seekers that would depend less on the motivation and attitudes of individual local actors (as is currently the case), and instead adopt a long-term and institutionalized perspective, not only on the municipal, but also on the regional and national level.

„It may be that states grant asylum, but it is cities that provide shelter.“

Ada Colau, Bürgermeisterin von Barcelona (Colau et al. 2015)

1. Einführung

Wie erleben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bzw. Integrationsbeauftragte in Tirol, Südtirol und Trentino die Aufnahme von Asylsuchenden in ihren Gemeinden? Welche sind die größten Herausforderungen, mit denen die Gemeinden umzugehen lernen müssen? Und welche Ratschläge an andere Gemeinden lassen sich aus ihren Erfahrungen ableiten? Basierend auf qualitativen Interviews und Erfahrungsberichten von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie Integrationsbeauftragten in 16 Gemeinden der Europaregion, will der Artikel Antworten auf diese Fragen finden. Das Bild von der Asylaufnahme in ländlichen Gemeinden, das dadurch entsteht, will nicht repräsentativ sein. Zu verschieden sind die politischen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und zu limitiert ist die Anzahl der befragten Gemeinden. Vielmehr soll ein Fenster geöffnet werden, das Einblick in die Perspektiven jener kommunalen Akteure bietet, die unmittelbar mit den bürokratischen, logistischen und sozialen Herausforderungen der Aufnahme konfrontiert sind, aber von Staat oder Land nur beschränkte Kompetenzen in diesem Politikfeld erhalten. Die gewonnenen Erkenntnisse liefern Inputs zur möglichen Verbesserung der strategischen und logistischen Gestaltung sowie Koordinierung der Asylaufnahme vor Ort.

Im Herbst 2016 kontaktierte ich per E-Mail alle Gemeinden mit weniger als 25.000 Einwohnern in Südtirol, Trentino und Tirol, welche zu dem Zeitpunkt Asylbewerberinnen und Asylbewerber beherbergten. Ich erhielt Rückmeldungen von 13 Gemeinden, welche ich in Folge je nach Wunsch der Ansprechperson telefonisch oder persönlich interviewte bzw. den Fragebogen schriftlich zuschickte.1 Das transkribierte Interviewmaterial wurde in Folge thematisch gegliedert und danach analysiert. Zusätzliches Material wurde der Broschüre „Offenes Handbuch für Gemeinden: Auf dem Weg zur integrationsfreundlichen Gemeinde“ (Europäisches Forum Alpbach 2016) entnommen, welche Erfahrungen von österreichischen Gemeinden in der Aufnahme von Asylsuchenden darstellt, unter anderem auch von drei Tiroler Gemeinden.2 Diese Erfahrungsberichte flossen auch in die Analyse mit ein.3

Die 16 in der Studie berücksichtigten Gemeinden beherbergen im Durchschnitt 38 Asylsuchende (s. Abb.1).4 Die durchschnittliche Gemeinde hat einen prozentuellen Anteil von Asylsuchenden an der Gesamtbevölkerung von 0,76 Prozent. Mit 6,4 Prozent hat die Gemeinde Reith bei Seefeld in Nordtirol den höchsten Prozentsatz an Asylsuchenden, gefolgt von Scharnitz in Nordtirol mit 5 Prozent und Riffian in Südtirol mit 1,9 Prozent. Die drei befragten Trentiner Gemeinden liegen mit 0,6 Prozent, 0,3 Prozent bzw. 0,1 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. Dies spiegelt das Trentiner Modell der sogenannten dezentralisierten micro-accoglienza wider, welches Asylsuchende in kleinen Gruppen in Wohnungen semi-autonom unterbringen will (Cinformi 2015). Dadurch soll die soziale und wirtschaftliche Integration, aber auch die Selbstständigkeit der Asylsuchenden gefördert werden. In Südtirol und Tirol werden Asylsuchende bevorzugt hingegen in mittelgroßen Gruppen in betreuten Wohnheimen untergebracht: Die Provinz Bozen etwa gibt als eine der Mindestvoraussetzung für neue Asylunterkünfte eine Kapazität von mindestens 15 Personen an (Autonome Provinz Bozen 2016a). Als Gründe für den Fokus auf (klein- bis mittelgroßen) Gruppenunterkünfte werden eine größere Kosteneffizienz sowie eine bessere und kontinuierlichere Betreuung, ein besserer Zugang zu Sprachkursen und anderen Integrationsmaßnahmen genannt. Laut Luca Critelli, Direktor der Abteilung Soziales der Autonome Provinz Bozen und damit Verantwortlicher für den Bereich Asylunterkünfte, ist „klein nicht automatisch gut“5 (dazu siehe auch Aumüller et al. 2015).

2. Handlungsfelder der Gemeinde

2.1 Unterbringung

Gemeinden spielen in der Asylaufnahme generell eine passive Rolle. Dies gilt besonders für die Zeit bis zur Ankunft der Asylsuchenden: Wurde eine passende Unterkunft von der Provinz bzw. dem Land gefunden oder von Privaten an die Provinz/das Land vermietet, hat die Gemeinde, auf deren Grund die Immobilie liegt, eigentlich kein Mitspracherecht. Allgemein wird eine Gemeinde über die Ankunft von Asylsuchenden von der Provinz bzw. vom Land informiert, aber nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden (vgl. Pehm 2005, 187–188). Diese Tatsache kritisieren Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bzw. Integrationsbeauftragte in allen drei Gebieten: sie fühlen sich „komplett hintergangen“ und „überrumpelt“. Andere hingegen verweisen darauf, dass wohl auch Land bzw. Provinz sehr kurzfristig über die Ankunft von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern informiert würden und die Gemeinde deshalb auch gar nicht früher miteinbeziehen könnten. Da zudem nur wenige Gemeinden freiwillig Asylbewerberinnen und Asylbewerber aufnähmen, sei es oft notwendig, die Gemeinden zur Aufnahme „zu zwingen“. Zwar sei es wünschenswert frühzeitig informiert und in die Auswahl der Unterkünfte miteinbezogen zu werden, aber besonders bei einer kleinen Anzahl von Asylsuchenden sei dies nicht unbedingt notwendig.

„Wie unser Bürgermeister immer zu sagen pflegt: Wir haben so viele Saisonarbeiter aus allen möglichen Ländern und so viele Übernachtungen von Touristen, dass wir unsere 19 Asylanten ohne weiteres vertragen. Jede Gemeinde sollte ihren Beitrag leisten, und mit gutem Willen und natürlich vor allem mit engagierten Freiwilligen gelingt das auch!“ (Südtiroler Gemeinde)

Die Aussagen der kommunalen Akteurinnen und Akteure bezüglich der Unterbringung von Asylsuchenden sind also widersprüchlich: Einerseits wird der Wunsch nach mehr Mitsprache geäußert, andererseits fehlt großteils die Bereitschaft, Asylbewerberinnen und Asylbewerber aufzunehmen, wodurch Land bzw. Provinz gezwungen sind, Asylsuchende auch kurzfristig in unkooperativen Gemeinden unterzubringen.

Zwischen Auswahl der Immobilie, Benachrichtigung der Gemeinde und Einzug der Asylsuchenden vergehen oft nur wenige Wochen (in einigen Fällen sogar nur einige Tage). Da gerade in dieser Zeit in der Bevölkerung Vorurteile und Ängste aufkommen können, muss die Gemeinde informieren, aufklären und beschwichtigen: ein Schritt, der von vielen Gemeinden in den drei Gebieten als sehr heikel beschrieben wird. Verstreicht allzu viel Zeit bis zur Ankunft der Asylsuchenden, so „kommen leicht Gerüchte auf“, die im Laufe der Wochen verbreitet und angefacht werden können. Vergehen nur wenige Tage, bleibt kaum Zeit für die Aufklärungs- und Informationsarbeit, die es braucht, um obengenannte Gerüchte und Vorurteile erst gar nicht aufkommen zu lassen. Wohl auch aufgrund der Komplexität der Thematik sind sich die Gemeinden uneinig, wie lange die Anlaufzeit dauern sollte:

„Das Ganze hat sich dann doch einige Monate hinausgezogen. Dadurch sind Gerüchte aufgekommen bzgl. der Anzahl und Herkunft der Asylbewerber. Das hätte vermieden werden können. (Südtiroler Gemeinde)

„Mi sono chiesta più volte se sapere per tempo dell’arrivo dei profughi aiuta o meno un’amministrazione. A volte penso che sia meglio gestire l’emergenza che il processo di avvicinamento durante il quale ci potrebbero essere pressanti richieste di non accoglienza. Di fronte al fatto compiuto è più facile gestire la rabbia della gente. (Trentiner Gemeinde)

„Ovviamente sarebbe stato utile un maggior periodo di preavviso per fare informazione con la popolazione. Per prevenire le leggende metropolitane, che sono tutte fantasie. “ (Trentiner Gemeinde)

Auch nach der Ankunft von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sind die Aufgaben bzw. Kompetenzen der Gemeinde nicht klar definiert. Jede Gemeinde muss (und kann) selbst entscheiden, in welchem Ausmaß und in welchen Handlungsbereichen sie sich beteiligt:

„Die Gemeinde ist der Aufenthaltsort der Asylbewerber und nicht viel mehr. Eine Gemeinde kann, theoretisch, auch nichts tun. Wir waren proaktiv und haben freiwillig beschlossen, am Integrationsprozess der Flüchtlinge mitzuhelfen.“ (Südtiroler Gemeinde)

„Non ci è stato assegnato alcun ruolo, ce lo siamo dovuto prendere noi. […] Mi sono chiesta seriamente se il mio ruolo fosse quello di proteggere i cittadini da tutto ciò che succedeva fuori dai confini amministrativi comunali, bloccando ogni invasione straniera. Ho deciso che il mio ruolo era diverso: era quello di camminare con loro nella storia, e in questo preciso momento era quello di capire con loro ciò che stava succedendo, comprendere le cause che avevano portato a migrazioni di massa, e cercare assieme le modalità per rendere positiva l’accoglienza.“ (Trentiner Gemeinde)

Die Aufgaben und Tätigkeitsfelder, in welchen die befragten Gemeinden in der Asylaufnahme aktiv geworden sind, lassen sich in folgende Bereiche aufteilen:

Information, Öffentlichkeitsarbeit und Organisation von Veranstaltungen;

Kontakt und Vermittlungstätigkeit mit zuständigen Akteurinnen und Akteuren (Land, Leitung der Asylunterkunft, Freiwillige, Quästur/Polizei);

Vermittlung von Arbeitsangeboten und Praktika für Asylbewerberinnen und Asylbewerber.

In den folgenden Seiten werden diese Tätigkeitsfelder und die vielfältigen Strategien, mit denen Gemeinden oft sehr komplexe Herausforderungen mit relativ wenig Erfahrung zu meistern versuchen, genauer beschrieben. Generell lässt sich feststellen, dass die Erfahrungen in Tirol, Trentino und Südtirol vergleichbar sind und es keine größeren Unterschiede gibt.

2.2 Information

„Im Dorf gab es einerseits Neugierde, Vorurteile, Unsicherheit mit der neuen Situation, ablehnende Haltung aber auch viel Solidarität mit den persönlichen Schicksalen. Der Großteil der Bevölkerung ist sich bewusst, dass diese Menschen Hilfe brauchen.“ (Südtiroler Gemeinde)

Die Benachrichtigung über die Einrichtung einer Asylunterkunft in einer Gemeinde trifft die Gemeindeverwaltung und die Bevölkerung oft unvorbereitet. In dieser Zeit entstehen leicht Ängste, Vorurteile, Gerüchte und Falschinformation, welche die Gemeinde unter Kontrolle bringen muss, um eine positive oder zumindest neutrale Grundstimmung in der Bevölkerung zu schaffen. Sowohl in Tirol als auch in Südtirol und im Trentino bildeten Bürgerversammlungen den Anfang, bei denen die Bevölkerung von Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinde, der Provinz und der Betreuungsorganisationen über die Aufnahme von Asylsuchenden informiert und aufgeklärt wird. Die Bürgerversammlungen werden von den Gemeinden als zweischneidiges Schwert angesehen: Einerseits sind sie notwendig, um Falschinformationen und Stammtischparolen mit Fakten und Informationen entgegenzuwirken. Zudem bieten sie Raum zur Äußerung von Ängsten und Sorgen von Seiten der Bevölkerung, welche von den Verantwortlichen ernst genommen, beschwichtigt und im Idealfall beseitigt werden können. Allerdings bieten sie auch eine Bühne für fremdenfeind­liche und populistische Äußerungen, welche die Bevölkerung weiter spalten können. Diese Erfahrungen teilen sich Gemeinden aller drei Gebiete: „Die Bürgerversammlung war turbulent. Personen von außen waren eingeschleust worden, um Angst zu schüren“; „Ich habe großen Widerstand und viele Ängste gespürt, die bei der Versammlung geäußert wurden“; „L’atmosfera era tesa e difficile“; „Die Bürgerversammlung damals war sehr problematisch; vieles ging unter die Gürtellinie. Das war keine feine Zeit.“ Auch aus dieser schwierigen Zeit kann aber Positives entstehen. So haben sich in einer Gemeinde als Reaktion auf die vielen rassistischen Anfeindungen sehr viele Freiwillige gemeldet, die die Asylsuchenden unterstützen wollten.

Neben der Bürgerversammlung, bei der Ängste beschwichtigt und Fragen geklärt werden können, wird die Haltung des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin sowie des Gemeindeausschusses besonders in der Anfangsphase als äußerst wichtig bewertet. Nur durch eine positive Haltung der Führungsebene könne man auch eine positive Haltung der Bevölkerung erreichen:

„Ganz wichtig war, dass der Bürgermeister öffentlich gesagt hat: ,Wir haben die Möglichkeit zu helfen, und es ist uns eine Ehre, wenn wir denen helfen können, die in schwierigen Situationen sind.‘ Der gesamte Gemeindeausschuss hat diese Einstellung mitgetragen und so sind wir an die Bevölkerung. Wir waren überzeugt. Das muss man sein. Die Einstellung ist an die Bevölkerung übergegangen.“ (Südtiroler Gemeinde)

„Il comune ha aderito alla richiesta della provincia (uno dei pochi!) e dato a disposizione tre alloggi. L’abbiamo fatto per responsabilità, per convin­zione, perché deve essere fatto. Li abbiamo accolti. Siamo molto attivi, perché aiutare loro significa aiutare noi stessi.“ (Trentiner Gemeinde)

„Es war uns als Gemeindeausschuss von Anfang an bewusst, dass auch wir als Gemeinde uns solidarisch mit den Flüchtlingen zeigen müssen. Ausschlaggebende Faktoren dafür war in erster Linie der menschliche Aspekt: Menschen in einem fremden Land, weit weg von der Familie, auf engstem Raum untergebracht, Ungewissheit […] Viele offene Fragen, mit denen die Asylanten konfrontiert werden. Wenn man sich solche Fragen stellt – kann man schwer Hilfe verweigern.“ (Südtiroler Gemeinde)

2.3 Austausch und Netzwerkarbeit

Gemeinden sind wichtige Bindeglieder und Mediatoren zwischen Provinz bzw. Land, den Organisationen, welche die Asylunterkünfte leiten, freiwilligen Helferinnen und Helfern sowie zwischen der Gemeindebevölkerung und den Asylsuchenden. Gemeinden halten regelmäßigen Kontakt und Absprache mit den verantwortlichen Landesämtern und vernetzen Organisationen wie Pfarrcaritas, Kindergärten und Schulen sowie mit Vereinen zur Organisation von gemeinsamen Veranstaltungen. Sie vermitteln auch bei Konflikten zwischen Heimleitung und freiwilligen Helferinnen und Helfern, organisieren und koordinieren Spendenaktionen, und sie informieren Landesämter bzw. Heimleitung über Besonderheiten des Dorfes, um präventiv Konflikten vorzubeugen („Bei uns starten Begräbnisse direkt vor der Asylunterkunft. Das muss den Bewohnern natürlich mitgeteilt werden, damit sie sich dann auch ruhig und respektvoll verhalten“). So treffen sich einige zuständige Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten etwa wöchentlich zum Update mit der Heimleitung, berufen eine Arbeitsgruppe ein oder organisieren regelmäßige Koordinierungs- und Austauschtreffen (z. B. mit Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten, Freiwilligen, Caritas, Vereinen, Pfarrer, usw.). Außerdem stehen sie den Asylsuchenden bei bürokratischen Angelegenheiten zur Seite („Abbiamo cercato di sostenerli come possibile nella documentazione per la richiesta di asilo“). Das Tätigkeitsfeld der Gemeinde wird also ausgesprochen weit aufgefasst; es wird offensichtlich, dass ohne ein proaktives Agieren der Gemeinde eine gelungene Aufnahme und Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern äußert schwierig wäre.

Wichtig sind für die Gemeinden dabei auch die Vereine und Freiwilligen der Zivilgesellschaft: „Nur dank rascher Einbindung der Zivilgesellschaft war die Situation in der Anfangsphase zu bewältigen“; „Der harte Kern von Freiwilligen ist ganz wichtig für mich. Ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann, wenn es Hilfe braucht“. Diese Hilfe reicht von Sprach-, Koch-, Kultur- und Nähkursen über Sach- und Geldspenden zur Suche von Arbeitsmöglichkeiten bis hin zur Hilfe bei Behördengängen und Vorstellungsgesprächen. Freiwillige Helferinnen und Helfer sowie Vereine organisieren interkulturelle Feste, Tage der offenen Tür im Asylheim, Spiel­abende und andere Veranstaltungen zum Kennenlernen; Asylbewerberinnen und Asylbewerber spielen in örtlichen Fußballvereinen, nehmen an Trommelworkshops teil, lernen Bräuche und Traditionen kennen. Das aktive Engagement von Freiwilligen muss aber organisiert und koordiniert werden, um Missverständnissen und Enttäuschung vorzubeugen und eine langfristige Mitarbeit der Helferinnen und Helfer zu garantieren. Freiwillige wollen Transparenz, Information und Mitspracherecht. Falls nötig, muss die Gemeinde deshalb als Vermittler zwischen Freiwilligen und anderen Akteurinnen und Akteuren auftreten. Das Fazit der Gemeinden in Tirol, Südtirol oder im Trentino ist: Freiwillige sind wichtiger Bestandteil eines erfolgreichen Umgangs mit Asylbewerberinnen und Asylbewerbern. Sie müssen unterstützt, anerkannt und wertgeschätzt werden. In einer Situation, in der Freiwillige vieles von dem übernehmen, was eigentlich im Zuständigkeitsbereich des Staates bzw. der Provinz oder anderen professionellen Akteurinnen und Akteuren liegt, ist dies besonders wichtig.

Der Verein „Freundeskreis Flüchtlingsheim Landhaus St. Gertraudi“ in der Gemeinde Kaltenbach in Tirol kann hier als Positivbeispiel im koordinierten Umgang mit Freiwilligen genannt werden. Ziel ist die Förderung der Begegnung von Asylsuchenden und Einheimischen, die positive Veränderung der Haltung der Bevölkerung zu Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und das Schaffen von Möglichkeiten zur Integration, so die Webseite der Initiative (Freundeskreis Flüchtlingsheim 2016). Obmann des Vereins war anfangs der Bürgermeister, der sagt, dass die Mitarbeit vieler Menschen und auch die Einbindung ehemaliger Gegner des Heims zum Gelingen des Projekts beigetragen haben. Die Gründung des Vereins habe vorher bestehende Konflikte entpolitisiert. Ein gelungenes Miteinander sei möglich, aber es sei essenziell, dass die Bevölkerung eingebunden und von der Sache überzeugt wird (Europäisches Forum Alpbach 2016).

2.4 Arbeitsintegration

Nach italienischem Recht können Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Südtirol und Trentino ab dem 60. Tag nach Stellen des Asylantrags ein reguläres Arbeitsverhältnis mit privaten und öffentlichen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern eingehen, auch wenn das entsprechende Prüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Vor dieser Frist können Asylbewerberinnen und Asylbewerber einer freiwilligen, gemeinnützigen (und dementsprechend unbezahlten) Tätigkeit nachgehen (Autonome Provinz Bozen 2016b). In Österreich haben Asylbewerberinnen und Asylbewerber während des Zulassungsverfahrens sowie in den drei Monaten nach Zulassung keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, danach besteht ein äußerst eingeschränkter Zugang zu bestimmten bezahlten Tätigkeiten. Im Rahmen festgesetzter Kontingente können Asylbewerberinnen und Asylbewerber (zeitlich auf maximal sechs Wochen beschränkt und nicht verlängerbar) nur Erntearbeit bzw. (auf sechs Monate befristete verlängerbare) Saisonarbeit ausüben. Darüber hinaus können Gemeinden, kirchliche und soziale Einrichtungen Asylbewerberinnen und Asylbewerber für gemeinnützige Arbeit heranziehen (Bundesministerium für Inneres 2016).

Gemeinden sind also potenzielle Auftraggeber für gemeinnützige Hilfsarbeiten, zum Beispiel Mitarbeit im Recyclinghof und Gemeindebauhof, Schneeräumung, Pflege von öffentlichen Plätzen, Grünanlagen, Wanderwegen und Kirche, Mitarbeit im Altersheim, Schwimmbad oder als Schülerlotsen, usw.

Die Beschäftigung der Asylsuchenden, ob mittels bezahlter oder freiwilliger Arbeit, und die Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten ist in allen Interviews ein zentrales Thema. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits wird darauf Wert gelegt, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber produktive Mitglieder der Gesellschaft werden:

Es soll nicht passieren, dass die jungen Männer unterbeschäftigt sind und im Zentrum auf den öffentlichen Plätzen beim Gratis-WLAN herumsitzen. Dann befürchte ich, wird der Aufschrei groß sein. Deshalb ist es wichtig, dass sie beschäftigt werden.“ (Südtiroler Gemeinde)

Außerdem wird Arbeit als Integrationsfaktor gesehen:

Die Beschäftigung ist ganz wichtig. Erstens langweilen sie sich dann nicht und zweitens treten sie mit den Einheimischen in Kontakt. Das Kennenlernen ist ganz wichtig. Sonst sind sie nur ‚die Schwarzen‘ oder ‚die Flüchtlinge‘, aber wenn man mit ihnen mal Tische auf dem Dorffest aufgestellt hat, dann werden sie zu Individuen. Und das ist wichtig.“ (Südtiroler Gemeinde)

2.5 Soziale Integration

Arbeit allein genügt allerdings nicht, damit Asylbewerberinnen und Asylbewerber Teil der Dorf- bzw. Stadtgemeinschaft werden. Neben der Vermittlung von Beschäftigungsangeboten sind Gemeinden wichtige Unterstützerinnen und Unterstützer und Sponsoren von Veranstaltungen und Initiativen, welche den Kontakt und Austausch zwischen Asylsuchenden und der restlichen Gemeindebevölkerung fördern. Die Organisation von interkulturellen Festen, Tagen der Offenen Tür in den Asylunterkünften usw. geht zwar meist von Vereinen und Freiwilligen aus; aber der Rückhalt und die Hilfe der Gemeinde sind wichtig. Die Gemeinden selbst erkennen die Bedeutung von kulturellen und sozialen Initiativen für die Stimmung und das Zusammenleben im Dorf bzw. in der Stadt, und sie bezeugen, dass sie zum Abbau von Ängsten und Vorurteilen beitragen.

Tatsächlich zeigt sich laut Gemeinden oft, dass die Herausforderung der Aufnahme vor Ankunft der Asylsuchenden viel größer scheint, als es danach der Fall ist. Sobald aus dem abstrakten Bild des Fremden ein Mensch mit Gesicht und Namen wird, scheinen sich die Ängste, Vorurteile und Befürchtungen vieler skeptischer und verunsicherter Gemeindebewohnerinnen und Gemeindebewohner zu legen. Die obengenannten Initiativen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Die Gemeinden bleiben aber pragmatisch: Bei eingefleischten Gegnerinnen und Gegnern helfen auch Feste der Begegnung wenig. Wichtig sei aber nicht, alle positiv zu stimmen, sondern eine neutrale Stimmung in der Gemeinde zu schaffen: „Nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind glühende Helferinnen und Helfer, aber es ist Akzeptanz entstanden. Mit der Zeit wird aus der Akzeptanz ein Miteinander“ (Tiroler Gemeinde).

„Direi che ormai più nessuno vede con timore i ragazzi bengalesi. [...] I ragazzi bengalesi si sono subito mostrati cordiali e attenti e la gente si è resa conto che non erano pericolosi.“ (Trentiner Gemeinde)

„All’inizio c’erano tanti pregiudizi e paure. I richiedenti sono tutti maschi giovani – c’erano le solite preoccupazioni, paure, legende metropolitane. Poi la gente ha visto chi erano i ragazzi e hanno visto che erano in pochi, tutti piccoli e magri. Non da aver paura.“ (Trentiner Gemeinde)

„Die Menschen hatten die üblichen Ängste: Es kommen 50 alleinstehende Männer, die vergewaltigend und zerstörend durch die Straßen ziehen. Als sie gesehen haben, dass viele Familien dabei waren, haben sich viele aber beruhigt. Ab dem Moment wo es Kontakt gab, haben sich die Ängste gelegt.“ (Tiroler Gemeinde)

„Die Angst schlug in eine Welle der Hilfsbereitschaft um.“ (Tiroler Gemeinde)

„Es hat sich alsbald herausgestellt […], dass es sich bei den Flüchtlingen […] um Menschen handelt, die ruhig, freundlich und in keiner Weise aufdringlich auftreten. Die Flüchtlinge gehören inzwischen […] zum Alltag dazu und es gibt keine besonderen Probleme. (Südtiroler Gemeinde)

„Nichts von all dem, was da an die Wand gemalt wurde, hat sich bewahrheitet.“ (Südtiroler Gemeinde)

In der Tat gibt es laut Interviews kaum Probleme zwischen der Dorfbevölkerung und den Asylsuchenden. Wichtig sei aber auf auftretende Probleme wie etwa Lärmbelästigung rasch zu reagieren:

„Natürlich gibt es mit den Flüchtlingen manchmal Probleme, so wie auch mit unseren eigenen Leuten. Doch wenn das so ist, dann gilt es, rasch den Dialog mit allen Beteiligten zu suchen und zu versuchen, diese Schwierigkeiten anzusprechen und aus dem Weg zu räumen.“ (Tiroler Gemeinde)

Auch wenn es keine größeren Konflikte oder Probleme gibt, zeigen die Antworten der Gemeinden, dass es bis zur vollständigen Inklusion der Asylsuchenden in das Gemeindeleben noch ein weiter Weg ist. Trotz vieler Möglichkeiten des Miteinanders überwiege (noch) das Nebeneinander. Dies betonen Gemeinden aus allen drei Teilen der Europaregion. Außer der in der Flüchtlingshilfe aktiven Menschen bleiben die Asylsuchenden dem Großteil der Bevölkerung nämlich fremd. Die Gemeindebevölkerung und die Bewohnerinnen und Bewohner der Asylheime leben meist in Parallelwelten, die sich nur punktuell bei Kennenlern-Veranstaltungen und gemeinsamen Unternehmungen kreuzen: „Der persönliche Kontakt ist auf jeden Fall noch ausbaufähig“; „Die 12 sind eher unsichtbar. Sie arbeiteten zwar als Freiwillige […], sind aber wenige und daher nicht wirklich präsent.“ (Südtiroler Gemeinde)

3. Wie kann die Asylaufnahme funktionieren? Vorschläge aus den Gemeinden

Die Aufnahme von Asylsuchenden wird oft als Krise oder Ausnahmezustand beschrieben und behandelt; eine Herausforderung, neu, ungewohnt, vorübergehend. Die meisten der für diesen Artikel befragten Gemeinden beherbergen Asylsuchende erst seit einigen Monaten, einige nehmen aber schon seit Jahren Asylsuchende auf (Zirl seit 2002, Scharnitz seit 2005, Vintl und Reith seit 2011). Ihre Erfahrungen und Ideen können eine wichtige Grundlage für andere Gemeinden sein.6

3.1 Positive Grundeinstellung und transparente Information und ­Kommunikation

Die Gemeinde, allen voran der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin, muss mit gutem Beispiel vorangehen, damit die Aufnahme von Asylsuchenden funktionieren kann. Eine überzeugende, positive und pragmatische Einstellung sowie ein mutiges und zuversichtliches Auftreten werden als besonders wichtige Merkmale genannt:

„Non dare segni di cedimento sulla necessità di accogliere. Ci sono persone pronte a cavalcare qualsiasi segno di fragilità per creare divisione e razzismo“. (Trentiner Gemeinde)

Besonders in der Anfangsphase ist die Information der Gemeindebevölkerung äußerst wichtig, um Vorurteilen, Falschinformationen und Stammtischparolen vorzubeugen. Dabei ist es laut Gemeinden wichtig, Ängste und Befürchtungen ernst zu nehmen und mit Fakten, nicht mit Emotionen, zu argumentieren. Stimmen der Gegnerinnen und Gegner dürfen nicht ignoriert werden, sondern müssen in den Dialog miteinbezogen werden; auf „negative Wellen“ soll sofort reagiert werden (Europäisches Forum Alpbach 2016). Strategien zum Umgang mit Fremdenfeindlichkeit sollen schon im Vorfeld überlegt werden.

Um gut informieren zu können, braucht die Gemeinde selbst auch klare und transparente Informationen. Sie muss wissen, wo sie nötige Informationen findet. Besonders zu diesem Punkt gibt es laut mehreren befragten Gemeinden Nachholbedarf.

3.2 Auswahl der Asylunterkünfte

„Unterbringung und Integration funktionieren in kleinen Einheiten besser als in großen“: Diese Aussage der Studie „Flüchtlinge – Chance für Gemeinden“ (Österreichischer Gemeindebund 2016) unterstützen auch die befragten Gemeinden. Was als klein verstanden wird, ist allerdings relativ; folgende Aussagen untermauern dies: „Ich finde, dass 25 und mehr Personen für kleine Gemeinden oftmals sehr viel sind“; „Quartiere müssen überschaubar sein (also weniger als 100 Personen), aber auch nicht allzu klein, da dies zu aufwendig wird“. Wichtiger als die Größe scheint die Lage der Unterkünfte zu sein: Gemeinden in Tirol, Südtirol und dem Trentino geben an, dass Unterkünfte nicht allzu abgelegen sein dürfen. Ein guter Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr, gut erreichbare Nahversorgung, aber auch ein alltäglicher Kontakt mit den Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern seien fördernd für die Integration: „[Es ist wichtig, dass die] Unterkünfte nicht irgendwo in der Pampa sind, sondern im weitesten Sinn im Zentralraum des Ortes. Ansonsten ist die Ausgrenzung schon vorprogrammiert“. (Tiroler Gemeinde)

3.3 Ausbildung und Beschäftigung

Sprache und Arbeit werden in fast allen Interviews als Tor zur Integration bezeichnet. Die Suche nach ehrenamtlichen bzw. bezahlten Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die Organisation von Sprachkursen ist deshalb oft eine Priorität der Integrationsreferentinnen und Integrationsreferenten. Einige betonen allerdings, dass auch hier die Rahmenbedingungen oft fehlen, Sprachkurse nicht automatisch angeboten bzw. nicht finanziert werden, Informationen zu den rechtlichen Bestimmungen bzgl. Beschäftigungsmöglichkeiten von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern fehlen. Hierzu gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen Tirol, Südtirol und dem Trentino.

3.4 Koordination und Netzwerksarbeit

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bzw. Integrationsreferentinnen und Integrationsreferenten können nicht alleine für die Asylsuchenden in der Gemeinde zuständig sein. Der Aufbau und die Koordinierung eines Netzwerkes relevanter Akteurinnen und Akteure (Land, Vereine, Freiwillige, Kulturmediatorinnen und Kulturmediatoren, bereits anerkannte Flüchtlinge, usw.) ist daher wichtig (siehe auch Bertelsmann Stiftung 2016). Die Zusammensetzung des Netzwerks hängt von den Bedürfnissen der einzelnen Gemeinden ab. Während einige Gemeinden auf kleine Experten-Netzwerke setzen (bestehend aus Gemeindereferentin oder Gemeindereferent, Leiterin oder Leiter des Asylheims, Vertreterin oder Vertreter des Landes, 1–2 Personen aus der Zivilgesellschaft), wird von anderen ein Freundeskreis von Ehrenamtlichen und Vereinen, der als Bindeglied zwischen Flüchtlingsheim und der restlichen Bevölkerung fungieren kann, als besonders wichtig erachtet. Wichtig ist, dass die Verantwortlichen der Gemeinde einen Überblick über Zuständigkeiten, Angebote und potentielle Helferinnen und Helfer haben, und dass sie diese bei Bedarf kontaktieren, informieren und miteinbeziehen können.

3.5 Strukturen und Professionalität

Als letzten aber wohl wichtigsten Punkt soll die Forderung der Gemeinden nach besseren Rahmenbedingungen und Strukturen genannt sein; ein nachhaltiger, koordinierter Ansatz in der Asylaufnahme wird von kommunalen Akteurinnen und Akteuren aller drei Gebiete gefordert.

Nur dadurch kann man Nachhaltigkeit und Qualität erreichen und vermeiden, dass ‚Zufallsprodukte‘ entstehen, die verschwinden, wenn eine neue Person eine Position übernimmt […] Bisher war das Finden und Schaffen von Asylunterkünften wichtig. Man hat sich um die Hardware gekümmert. Aber nun braucht es auch die Software. Denn dies ist keine Notsituation mehr, sondern Alltag.“ (Südtiroler Gemeinde)

Dafür braucht es primär auf Landesebene eine klare Kompetenzverteilung sowie eine Professionalisierung des gesamten Tätigkeitsfeldes, denn „das System kann nicht auf freiwilligen Helfern aufgebaut sein“. Auf Bezirksebene wären besonders von Südtiroler Gemeinden deshalb auch Koordinatorinnen und Koordinatoren gewünscht, welche unter anderem informieren, Beschäftigungsmöglichkeiten und Sprachkurse für Asylsuchende organisieren, Freiwilligentätigkeit koordinieren. Die oft exzessive Bürokratie bei der Unterbringung, Betreuung und Beschäftigung erschwert die Arbeit zusätzlich. Auch daher wäre eine Koordinierungsstelle hilfreich. Eine Bürgermeisterin aus dem Trentino geht noch weiter und fordert ein Engagement, das weit über die Gemeinde- und Provinzgrenzen hinausgeht: „Vanno richieste leggi e iniziative diverse per prevenire o gestire in modo diverso il flusso migratorio, per arginare / controllare un fenomeno che rischia di travolgerci.“

4. Schlussbemerkungen

Auch wenn Gemeinden keine klar rechtlich definierten Kompetenzen in der Asylaufnahme haben, zeigen die Gespräche mit kommunalen Akteurinnen und Akteuren, dass sie in der Aufnahme von Asylsuchenden sehr wohl gefordert sind. Sie ­agieren besonders in den Bereichen der Information, Kommunikation und der Koordi­nation im Bereich der sozialen bzw. beruflichen Integration. Aus den Interviews lassen sich dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen Tirol, Südtirol oder dem Trentino feststellen. Wichtiger als die unterschiedlichen staatlichen Rechtsvorgaben scheinen die Motivation und Einstellung der einzelnen kommunalen Akteurinnen und Akteure zu sein. Die Situation in den Gemeinden spiegelt dabei die Asylpolitik im Großen wider: Das, was gut funktioniert, ist stark orts- und vor allem personengebunden, denn Rahmenbedingungen, Strukturen und Netzwerke fehlen oft. Diese müssen geschaffen werden, um zu vermeiden, dass durch Personalwechsel vieles neu erfunden werden muss, das sich schon als sinnvoll bewährt hat. Ebenso können entsprechende Rahmenbedingungen, Strukturen und Netzwerke den Austausch von best practice Beispielen fördern. Gleichzeitig müssen sich die Gemeinden ihrer Verantwortung und der Wichtigkeit eines proaktiven Handelns bewusst sein. Viele als unüberwindbar gesehene Hindernisse und Vorurteile werden abgebaut, sobald Asylsuchende in den Gemeinden leben. Allerdings geschieht dies nicht automatisch, sondern es ist das Resultat einer gut durchdachten Informations- und Aufklärungsarbeit, welche den Kontakt zwischen Asylsuchenden und der restlichen Gemeindebevölkerung ermöglicht und fördert.

Anmerkungen

1 Südtirol: Kastelruth, Riffian, Mals, Vintl, Brixen, St. Ulrich; Trentino: Isera, Mori, Telve; Tirol: Umhausen, Reith, Reutte, Scharnitz.

2 Zirl, Prägraten, Kaltenbach.

3 Interviews und Erfahrungsberichte wurden anonymisiert, aber werden im Text dem jeweiligen Landesteil der Europaregion zugewiesen.

4 Stand Sommer 2016.

5 E-Mail von Luca Critelli, Abteilungsdirektor „Soziales“, Autonome Provinz Bozen (17.11.2016).

6 Für weitere Erfahrungsberichte siehe Europäisches Forum Alpbach 2016, Österreichischer Gemeindebund 2016, Blufink 2016.

Literaturverzeichnis

Aumüller, Jutta/Daphi, Priska/Biesenkamp, Celine (2015), Die Aufnahme von Flüchtlingen in den Bundesländern und Kommunen. Behördliche Praxis und zivilgesellschaftliches Engagement, Robert Bosch Stiftung, http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/downloads/Studie_Aufnahme_Fluechtlinge_2015.pdf (05.02.2017)

Autonome Provinz Bozen (2016a), Marktanalyse für Suche nach Mietliegenschaften mit folgender Verwendung: Zeitweilige Unterbringung von Asylantragstellern, www.provinz.bz.it/familie-soziales-gemeinschaft/soziale-notlagen/downloads/Marktanalyse__Immobilien_Fluechtlinge_18_01_2016.pdf (13.12.2016)

Autonome Provinz Bozen (2016b), Asylbewerber und Arbeit 2016, http://www.provinz.bz.it/familie-soziales-gemeinschaft/soziale-notlagen/downloads/Informationsblatt_Asylbewerber_und_Arbeit_2016_-_Akt_21.09.2016.pdf (20.12.2016)

Bertelsmann Stiftung (2016), Koordinationsmodelle und Herausforderungen ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe in den Kommunen, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin//files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Koordinationsmodelle_und_Herausforderungen_ehrenamtlicher_Fluechtlingshilfe_in_den_Kommunen.pdf (20.12.2016)

Blufink (2016), Was braucht eine Gemeinde für eine gute Flüchtlingsaufnahme?, https://www.blufink.com/app/download/12990148188/blufink_+Was+braucht+es+f%C3%BCr+eine+gute+Aufnahme%3F-+Leitfaden+Gemeinde+mit+logo.pdf?t=1487142012 (21.02.2017)

Bundesministerium für Inneres (2016), Asylbetreuung, http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asyl_Betreuung/begriffe/start.aspx#t_Arbeitserlaubnis (20.12.2016)

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Abb.1: Anzahl der Asylsuchenden in den befragten Gemeinden

Gemeinde

Anzahl ­Asylsuchende

Bevölkerung

Prozentueller Anteil von Asylsuchenden an der Gesamtbevölkerung

Südtirol

Brixen

12

21.384

0,1

Kastelruth

19

6.703

0,3

Riffian

25

1.348

1,9

Mals

59

5.131

1,2

Vintl

30

3.300

0,9

St. Ulrich

25

4.752

0,5

Trentino

Isera

17

2.715

0,6

Mori

12

9.771

0,1

Telve

6

2.005

0,3

Tirol

Umhausen

30

3.164

1,0

Reith

85

1.325

6,4

Zirl

101

7.999

1,3

Prägraten

20

1.179

1,7

Kaltenbach

6

1.262

0,5

Reutte

87

6.493

1,3

Scharnitz

68

1.344

5,0

Durchschnitt

38

4.992

0,76

Quelle: Eigene Datenauswertung aus verschiedenen Quellen. Anzahl Asylsuchende 2016: Angaben der Gemeinden; Gemeindebevölkerung: ISTAT 2015; Statistik Austria 2015